Betriebstechnik | Biographien | Biologie | Chemie | Deutsch | Digitaltechnik |
Electronica | Epochen | Fertigungstechnik | Gemeinschaftskunde | Geographie | Geschichte |
Informatik | Kultur | Kunst | Literatur | Management | Mathematik |
Medizin | Nachrichtentechnik | Philosophie | Physik | Politik | Projekt |
Psychologie | Recht | Sonstige | Sport | Technik | Wirtschaftskunde |
Ähnliche Berichte:
|
Projekte:
|
Papers in anderen sprachen:
|
deutsch referate |
In der Bibel des Bildungsbürgers Büchmanns Zitatenschatz der »Geflügelten Worte« kommt Goethe auf etwa die gleiche Seitenzahl wie Schiller. In Anbetracht dessen, dass Schiller nur 45 Jahre alt wurde, Goethe dagegen 82, verwundert dieses Verhältnis: Immerhin standen Goethe mehr als doppelt so viele Schaffensjahre zur Verfügung, und der Umfang seines Werks übertrifft dasjenige Schillers um ein Vielfaches.
Offenbar sperrt sich das Werk Goethes eher gegen eine Vereinnahmung durch bildungsbürgerliche Identifikation per Zitat als das Schillers, oder anders gewendet: Schillers Idealismus ließ sich noch leichter missdeuten und zum leeren Pathos missbrauchen als der in der Anschauung verankerte 'Realismus' Goethes.
Trotzdem ist Goethe der Klassiker der deutschen Literatur schlechthin; nicht zuletzt hat sich der Begriff Goethezeit (zuerst bei H.A. Korff) für die von vielfältigen Strömungen geprägte Epoche etwa zwischen 1770 und 1830 eingebürgert. Wenngleich eine solche Bezeichnung zu sehr die Person und das Werk Goethes in den Mittelpunkt stellt, so zeigt sie doch, in welchem Maße sich in seinem dichterischen Schaffen Entwicklungen der deutschen Geistesgeschichte am Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts spiegeln.
Goethe ist zu einer Symbolgestalt man könnte auch sagen: Kultfigur der deutschen Geistesgeschichte geworden. Doch hinter dieser Symbolgestalt droht das Bild des Menschen Goethe zuweilen zu verblassen.
Johann Wolfgang Goethe wurde am 28. August 1749 in Frankfurt am Main geboren. Sein Vater, Johann Caspar Goethe, war Erbe eines beträchtlichen Vermögens, hatte Jura studiert, auf Reisen nach Frankreich und Italien vielseitige Kenntnisse erlangt und gehörte als Kaiserlicher Rat zu den angesehensten Bürgern Frankfurts. Er konnte sich ohne berufliche Verpflichtungen seinen privaten Studien widmen. 1748 heiratete er Catharina Elisabeth Textor; von den sechs Kindern, die aus dieser Ehe hervorgingen, überlebten nur Johann Wolfgang und seine um ein Jahr jüngere Schwester Cornelia.
Wie es in vornehmen Bürgerhäusern üblich war, erhielt der junge Goethe Unterricht von Hauslehrern, vor allem in alten und neuen Sprachen. Schon früh kam er mit der Welt des Theaters in Berührung; im Alter von elf Jahren besuchte er während der Besetzung Frankfurts im Siebenjährigen Krieg durch die Franzosen regelmäßig die Aufführungen einer französischen Schauspielertruppe.
Mit sechzehn ging Goethe zum Studium der Rechte nach Leipzig. Die Messestadt, die im Geist des Rokoko eine viel modernere Atmosphäre ausstrahlte als das konservative Frankfurt, beeindruckte ihn stark. An der Universität hörte er außer Jura auch Vorlesungen über Poesie bei den berühmten Aufklärern Johann Christoph Gottsched und Christian Fürchtegott Gellert, die ihn jedoch beide enttäuschten. Sehr systematisch scheint er sein Studium in den drei Leipziger Jahren nicht betrieben zu haben, dafür lernte er Radieren und Kupferstechen und nahm Zeichenunterricht bei Adam Friedrich Oeser, einem Freund des berühmten klassizistischen Kunsttheoretikers Johann Joachim Winckelmann. In seine Leipziger Zeit fällt auch die erste 'große Liebe' Goethes: ein kurzes Verhältnis mit Käthchen Schönkopf, der Tochter der Wirtsleute, bei denen er seinen Mittagstisch hatte. Der Stoff für sein erstes vollendetes Drama Die Laune des Verliebten geht auf dieses Erlebnis zurück.
1768 zwang ihn eine schwere psychische und physische Krise über deren Ursache nur Vermutungen angestellt werden können, nach Frankfurt zurückzukehren, wo er sich im Elternhaus nur langsam wieder erholte. In der Zeit seiner Rekonvaleszenz befasste er sich unter dem Einfluss Susanna Katharina von Klettenbergs, einer Freundin seiner Mutter und Anhängerin der Herrnhuter Brüdergemeinde, mit mystischen und pietistischen Schriften. Zur selben Zeit wurde von dem Arzt Johann Friedrich Metz sein Interesse für die Erforschung der Natur geweckt.
Gegen Ostern 1770 verließ Goethe Frankfurt zum zweitenmal, um in Straßburg sein abgebrochenes Studium zu beenden. Straßburg bedeutete in vieler Hinsicht einen völligen Neubeginn. Nicht nur dass er hier ernsthaft studierte (allerdings nicht die wenig geliebte Juristerei, sondern vorwiegend Medizin und Staatswissenschaft), nicht nur dass ihm der Anblick des Straßburger Münsters die Augen öffnete für die zu seiner Zeit noch verpönte gotische Architektur in Straßburg lernte er auch Menschen kennen, die für seine weitere Entwicklung von wegweisender Bedeutung waren.
Am folgenreichsten war seine Begegnung mit dem Literaten und Geistlichen Johann Gottfried Herder. Er machte Goethe mit der antirationalistischen Gedankenwelt des Philosophen Johann Georg Hamann bekannt, wusste ihn für Shakespeare und Ossian zu begeistern und lenkte seine Aufmerksamkeit auf den ästhetischen Reiz der Volkspoesie. Hier in Straßburg kam er auch mit dem Arzt und Schriftsteller Johann Heinrich Jung-Stilling und dem Dramatiker Jakob Michael Reinhold Lenz zusammen. In diesem Kreis bildeten sich die entscheidenden Ideen der Sturm-und-Drang-Bewegung heraus.
Nicht minder wichtig als dieser intellektuelle Austausch war in Goethes Straßburger Zeit die Liebe zu Friederike Brion, der Tochter eines Landgeistlichen in Sesenheim. Der idyllische, naturnahe Lebensraum des Pfarrhauses trug wohl mit dazu bei, dass ein Strom lyrischer Produktion einsetzte, der sich von der literarischen Konvention zugunsten einer Sprache der echten Empfindung löste. Willkommen und Abschied, Mailied und Heidenröslein sind die bekanntesten Gedichte aus dieser Zeit.
Doch vermochte ihn die ländliche Idylle auf Dauer nicht zu fesseln; immer stärker wurde der Wunsch nach neuen Erfahrungen und verantwortlicher Tätigkeit. Am 4. August 1771 schloss Goethe sein Studium mit dem Grad eines Lizentiaten der Rechte ab und kehrte nach Frankfurt zurück. Die Beziehung zu Friederike Brion löste er brieflich.
In seiner Heimatstadt wurde Goethe Rechtsanwalt beim Schöffengericht, wo er mit einem Zwischenspiel in Wetzlar vier Jahre lang arbeiten sollte. Doch beschäftigte er sich weiterhin intensiv mit der Literatur, so schrieb er bereits 1771 die programmatische Rede Zum Schäkespears Tag und als ersten großen dramatischen Wurf die Urfassung des Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand.
1772 ging Goethe ans Reichskammergericht nach Wetzlar, um als Praktikant seine juristischen Kenntnisse zu erweitern. Hier befreundete er sich mit dem Gesandtschaftssekretär Johann Christian Kestner und dessen Braut Charlotte Buff. Seine Sympathie für Lotte steigerte sich zur maßlosen Leidenschaft, so daß er bereits im September wieder nach Frankfurt zurückkehrte, um die Spannungen nicht eskalieren zu lassen. Diese Erfahrung einer aussichtslosen Liebe bildet das biographische Substrat für Goethes zweites großes Werk, den Roman Die Leiden des jungen Werthers, der 1774 im Druck erschien. Mit diesem Roman und dem Drama Götz von Berlichingen, das im selben Jahr in derzweiten, überarbeiteten Fassung erschien, gelang dem erst 24-jährigen Goethe der Durchbruch zum Ruhm. Nicht minder berühmt wurden seine Hymnen aus dieser Zeit, allen voran Prometheus, das als das Sturm-und-Drang-Gedicht schlechthin gilt.
Ein Jahr darauf verlobte sich Goethe mit Lili Schönemann, der sechzehnjährigen Tochter eines Frankfurter Handelsherrn. Obwohl die Verbindung anscheinend sehr glücklich war, fürchtete Goethe die Enge eines bürgerlichen Lebens in »häuslicher Glückseligkeit«. Nach einer Reise mit den Grafen Stolberg in die Schweiz trennte er sich von seiner Braut, um einer Einladung des Herzogs Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach zu folgen.
Am 7. November 1775 traf Goethe in Weimar ein, wo er mit nur einer längeren Unterbrechung, seiner Italienischen Reise bis zum Ende seines langen Lebens blieb. Herzog Karl August war gerade achtzehn Jahre alt und hatte soeben die Regierung übernommen; seine Residenz Weimar war ein Nest mit knapp 6000 Einwohnern. Der junge Herzog war übrigens kein besonders kunstsinniger Monarch; ihm lagen die Jagd und das Militär mehr am Herzen als die Literatur. (Den »Weimarer Musenhof« begründete die Herzogin-Mutter Anna-Amalie, die, neben anderen Intellektuellen der Zeit, schon Christoph Martin Wieland als Prinzenerzieher an ihren Hof gezogen hatte.) Trotzdem, oder gerade weil der junge Herzog diesen Herrschertyp verkörperte, der auch das Idol des Sturm und Drang war, wurden Goethe und Karl August schnell enge Freunde. Es ging eine Weile bunt zu am Fürstenhof, die Stürmer und Dränger Jakob Michael Reinhold Lenz und Friedrich Maximilian Klinger erschienen; man ging auf die Jagd und verschreckte brave Bauern und Bürger mit allerlei Schabernack.
1776 kam auch auf Veranlassung Goethes sein Straßburger Mentor Johann Gottfried Herder nach Weimar, wo er das Amt des Generalsuperintendenten übernahm. Im Juni desselben Jahres trat Goethe dann formell als Geheimer Legationsrat in den Weimarischen Staatsdienst ein, im September 1779 wurde er Geheimer Rat (25 Jahre später Wirklicher Geheimer Rat, Exzellenz und Staatsminister). Er hat von Anfang an die Regierungsgeschäfte ernster genommen, als man es von einem jungen Dichter erwarten konnte.
Die Begegnung mit Charlotte von Stein war für die persönliche Entwicklung Goethes das bedeutendste Ereignis dieses Lebensabschnitts. Unter dem Einfluss der sieben Jahre älteren, hochkultivierten Hofdame streifte er viel vom Genie-Gehabe seiner Sturm-und-Drang-Phase ab. Dichterisches Ergebnis dieses Wandlungsprozesses ist das Drama Iphigenie auf Tauris, geschrieben im Februar und März 1779 eigentlich das einzige größere Werk von bleibender Gültigkeit aus der ersten Weimarer Zeit, in der sonst wenig entstand. Daneben bleiben das Drama Die Geschwister und die Hymne Harzreise im Winter bedeutsam; auch so vollendete Gedichte wie An den Mond und Wanderers Nachtlied gehören in diese Zeit. Auch die naturwissenschaftlichen Studien Goethes nahmen nun ernsthafte Formen an, und 1784 entdeckte er den menschlichen Zwischenkieferknochen.
Doch wiederum kündigte sich eine seelische Krise an, wohl weil Goethe spürte, wie er seine Kräfte zwischen Verwaltungsarbeiten und dem oberflächlichen Hofleben verzettelte. Auch die Aussichtslosigkeit seiner Beziehung zur Frau von Stein machte ihm seinen Aufenthalt am Hof zunehmend unerträglich. So bat er den Herzog um Urlaub auf unbestimmte Zeit und brach, ohne selbst der Vertrauten Charlotte ein Wort über seine Pläne zu verraten, am 3. September 1786 heimlich zu seiner großen Italienreise auf.
In Italien, wo er sich wie er selbst sagt zum ersten-und einzigenmal wirklich zu Hause fühlte, beeindruckte ihn vor allem die Antike; Kunst und Architektur der Renaissance und des Barock beachtete er kaum. Als antikisch empfand er auch seine römische Geliebte, die er später in seinen Römischen Elegien als »Faustina« besang die Begegnung mit ihr soll das erste wirklich erotische Ereignis im Leben des Enddreißigers gewesen sein. Das ist so unwahrscheinlich nicht: Die Zeit der Empfindsamkeit, in der Goethe erwachsen wurde, war eine Zeit der großen Worte über Seelenliebe bei gleichzeitiger Vergötterung der weiblichen Tugend. Wieland, der in seinen Romanen sehr freizügig Erotik und antikes Hetärentum gepriesen hatte, wurde bereits als 'unzüchtig' abgelehnt. Es war eine Zeit unerbittlicher Prüderie, zumindest in der bürgerlichen Welt, aus der Goethe ja stammte. In der römischen »Faustina« fand Goethe wohl erstmals eine Beziehung, in der Sinnliches und Seelisches sich harmonisch vereinten. Eine Harmonie, die auch für seine neue, 'klassische' Asthetik wegweisend sein sollte.
Goethe zeichnete in Italien viel und pflegte intensiven Umgang mit den dort lebenden deutschen Malern, vor allem mit Johann Heinrich Wilhelm Tischbein und mit der zu ihrer Zeit hochberühmten Angelika Kauffmann. Naturwissenschaft und Literatur vergaß er dabei allerdings nicht: In Palermo glaubte er, die Ur-Pflanze entdeckt zu haben, und zwischendurch schrieb er die Neufassung seiner Iphigenie in Jamben, vollendete den Egmont und arbeitete am Tasso, in welchem er seinem Erlebnis mit Charlotte von Stein literarischen Ausdruck gab. Auch begann er, von dem damals in Rom lebenden Karl Philipp Moritz beraten, sich im antiken Versmaß des Hexameters zu üben.
Nach anderthalb Jahren, 1788, kehrt Goethe nach Weimar zurück. Die alten Freunde, Herder und Frau von Stein zumal, empfangen ihn kühl. Doch sogleich verliebt er sich wieder: in Christiane Vulpius, ein 23jähriges Mädchen aus einfachen Verhältnissen. Sie wird fortan seine Lebensgefährtin, ohne dass Goethe diese Beziehung (selbst nach der Geburt des Sohnes August, 1789) durch eine Eheschließung vorerst legalisiert hätte. »Ich bin verheiratet, nur nicht durch Zeremonie«, kommentierte er und die Hofgesellschaft zerriss sich über diese Mesalliance den Mund.
Seine Aufgaben als weimarischer Staatsbeamter konzentrierten sich nach seiner Rückkehr vor allem auf die künstlerischen und wissenschaftlichen Belange. Einen Schwerpunkt seiner Arbeit bildete die Universität Jena; besonders aber entsprach seiner Neigung das Amt des Direktors des 1791 gegründeten Weimarer Hoftheaters, das er zu einer der führenden Bühnen in Deutschland machte. Auch dichterische Werke entstanden nun wieder: u.a. die schon erwähnten Römischen Elegien, die Venezianischen Epigramme, der Reineke Fuchs in Hexametern. Doch die Naturwissenschaft ließ ihn nicht los: Er schrieb die Metamorphose der Pflanzen (1790) und befasste sich intensiv mit der Knochenlehre.
Die französische Revolution betrachtete Goethe anders als Wieland, Klopstock, Herder oder Schiller von Anfang an mit Skepsis: Sie widersprach seiner Idee von einer allmählichen Entwicklung in Natur und Geschichte. In seinen Dramen Der Groß-Kophta, Der Bürgergeneral, Die Aufgeregten und im Novellenzyklus Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten hat er sich ausdrücklich von gewaltsamem Umsturz als Mittel der Politik distanziert. 1792 nahm Goethe am erfolglosen Feldzug gegen die Revolutionsarmee im Gefolge seines alten Freundes Karl August teil, der inzwischen General geworden war und ein preußisches Regiment kommandierte. Fast 30 Jahre später schilderte er dieses Erlebnis in seiner Kampagne in Frankreich.
1794. Zwanzig Jahre sind vergangen, seit Goethes Werther im Druck erschien, und so viel er inzwischen auch geschrieben hat, kaum mehr etwas war wieder wirklich populär geworden, und vergleichsweise Weniges davon ist später in den Kanon der klassischen Literatur eingegangen (Iphigenie, Egmont, Tasso sind freilich dafür um so gewichtiger). Seine naturwissenschaftlichen Forschungen, die trotz origineller Ideen und frappierender Funde letztlich Dilettantismus blieben, haben ihn viel Kraft und Zeit gekostet. Jetzt aber geschieht etwas, das nur vergleichbar ist mit Goethes Herder-Begegnung in Straßburg: Er lernt Friedrich Schiller kennen.
Das heißt, gekannt hatte man sich von Jena her schon einige Jahre, flüchtig, und mochte sich nicht besonders. Doch eines Tages, in einem Gespräch in der Jenaer »Naturforschenden Gesellschaft« über die Metamorphose der Pflanzen, kamen sich die beiden Dichter näher. Schiller war 35, also zehn Jahre jünger, hatte u. a. mit Die Räuber und Kabale und Liebe seinen persönlichen Sturm und Drang nachgeholt, war dann durch die Lektüre Kants zu einer inneren Wandlung gelangt; er war, viel mehr als Goethe, ein philosophischer Kopf. Schiller ging von der Idee aus, Goethe kam von den Anschauungen her. So waren sie diametrale Gegensätze, konnten sich aber gerade dadurch ergänzen. Aus der Bekanntschaft erwuchs bald eine enge Zusammenarbeit, und für Goethe begann eine Phase intensiver dichterischer Produktion. Die schon erwähnten Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten veröffentlichte Schiller in seiner Zeitschrift Horen noch 1794, die Römischen Elegien 1795, die Venetianischen Epigramme erschienen 1796 in seinem Musenalmanach. Im selben Jahr verfassten Goethe und Schiller zusammen ihre Xenien, boshafte Epigramme auf zeitgenössische Kritiker und Dichter-Kollegen. 1797 wurde das berühmte Balladen-Jahr, in dem Goethe Die Braut von Korinth, Der Zauberlehrling und Der Gott und die Bajadere schuf. Wichtiger noch: Goethe schloss seinen Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre ab, nahm die Arbeit am Faust wieder auf, die lange geruht hatte, und schrieb das Vers-Epos Hermann und Dorothea, mit dem er erstmals seit dem Werther wieder Erfolg bei einem breiteren Publikum hatte.
Ein Jahrzehnt dauerte diese Zusammenarbeit, in der Goethe und Schiller ihre klassische Asthetik in gegenseitiger Befruchtung entwickelten, eine Asthetik, die ein Jahrhundert lang in Deutschland die Geister beherrscht hat. Auch wo neue Positionen gesucht wurden zuerst in der Romantik geschah dies immer in Auseinandersetzung mit den Weimarer Dioskuren. Mit dem Tod Friedrich Schillers 1805 endete jäh diese fruchtbarste Phase in Goethes Leben.
1806 schloss Goethe sein Drama Faust, der Tragödie erster Teil ab, das in seinen ersten Entwürfen bis in die Sturm-und-Drang-Zeit zurückreicht (Urfaust). Im selben Jahr heiratete er (endlich) seine langjährige Lebensgefährtin Christiane. Die Trauringe ließ er auf den 14. Oktober 1806 datieren, an diesem Tag hatte Napoleon in der Schlacht von Jena die Preußen geschlagen. Goethe bewunderte den französischen Kaiser vor allem als Überwinder der Revolution und Ordner des politisch zerrissenen Kontinents. Die persönliche Begegnung im Oktober 1808 betrachtete er als eines der wichtigsten Ereignisse seines Lebens.
Wieder widmete sich Goethe jetzt vorwiegend seinen naturwissenschaftlichen Arbeiten, vor allem seiner Farbenlehre. In ihr führt er einen vergeblichen Kampf gegen die Optik Newtons; es ist im Grunde ein Streit des Augenmenschen und Künstlers gegen die analytische Wissenschaft. 1809 entstand der Roman Die Wahlverwandtschaften, in dem er u. a. seine letztlich von Entsagung geprägte Begegnung mit Minchen Herzlieb, der achtzehnjährigen Pflegetochter des Jenaer Buchhändlers Frommann verarbeitete. 1811 begann er die Niederschrift von Dichtung und Wahrheit, seiner Lebensgeschichte.
Goethe ist ein älterer Herr von über 60 Jahren geworden. Er pflegt jetzt regelmäßig Bäder in Böhmen aufzusuchen: Karlsbad, Franzensbad, Teplitz oder Marienbad. Dichterisch geben inzwischen Jüngere den Ton an: Ludwig Tieck, Clemens Brentano, Achim von Arnim, Novalis, August Wilhelm und Friedrich Schlegel, Heinrich von Kleist. Obwohl sich die Romantiker auf Goethe berufen, vor allem auf Wilhelm Meisters Lehrjahre, lehnt Goethe die ganze Richtung ziemlich schroff ab: »Das Klassische nenne ich das Gesunde und das Romantische das Kranke« (Eckermann: Gespräche, 2. April 1829).
1814 unternahm Goethe eine Reise in die Rhein- und Maingegenden; die neu gewonnene Schaffenskraft fand ihren Niederschlag in der Arbeit am West-östlichen Divan, in welchem er in Auseinandersetzung mit dem persischen Dichter Hafis eine Synthese von östlicher und westlicher Weltanschauung schaffen wollte.
Es war die letzte größere Reise. Mehr und mehr zog sich Goethe in seinen letzten Lebensjahren zurück; vor allem nach dem Tod seiner Frau (1816) wurden die hinteren Zimmer seines Hauses zum Zentrum seiner Welt. 1823 kam Johann Peter Eckermann zu Goethe, der ihm als Sekretär und Gesprächspartner bald unentbehrlich wurde. (Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens, erschienen 1836 - 48). Eine weltabgeschiedene Idylle war dieses Haus am Frauenplan allerdings nicht, dafür sorgten schon die lebenslustige Schwiegertochter Ottilie, die sein Sohn August 1817 geheiratet hatte, und die drei Enkelkinder Walther, Wolfgang und Alma.
Im Alter von 74 verliebte sich Goethe noch einmal leidenschaftlich. Es war auf seiner letzten Badereise nach Böhmen, in Marienbad, wo er der neunzehnjährigen Ulrike von Levetzow begegnete. Beinahe hätte er das Mädchen noch geheiratet, entschloss sich dann aber doch zum Verzicht. Die Triloge der Leidenschaft (darin: Marienbader Elegie) ist ergreifender Ausdruck dieser späten Passion.
Goethes letztes Lebensjahrzehnt ist erfüllt von der Arbeit an Wilhelm Meisters Wanderjahren, der Italienischen Reise, dem Gedichtzyklus Urworte, Orphisch, seiner Autobiographie Dichtung und Wahrheit, vor allem aber an Faust, der Tragödie zweiter Teil, den er 1831 abschloss, gleichsam sein poetisches Vermächtnis. »Mein ferneres Leben«, sagte er zu Eckermann, »kann ich nunmehr als reines Geschenk ansehen, und es ist jetzt im Grunde ganz einerlei, ob und was ich noch etwa tue.« Am 22. März 1832 starb er im 83. Lebensjahr.
Nachdem schon seit 1827 seine Werke, vollständige Ausgabe letzter Hand in vierzig Bänden erschienen waren, wurden nach seinem Tod von 1832 bis 1842 noch zwanzig Bände Nachgelassene Werke ediert. Ein gewaltiges, in der Qualität unterschiedliches und an Widersprüchen reiches Ouvre. In ihm spiegelt sich eine große Persönlichkeit, deren tiefere Problematik nur aus den Zeitumständen adäquat verstehbar wird. So ist dieses Werk zugleich Spiegelbild einer Epoche, die in ihrem inneren Widerspruch die vielleicht fruchtbarste und folgenreichste der deutschen Geistesgeschichte ist.
Referate über:
|
Datenschutz |
Copyright ©
2024 - Alle Rechte vorbehalten AZreferate.com |
Verwenden sie diese referate ihre eigene arbeit zu schaffen. Kopieren oder herunterladen nicht einfach diese # Hauptseite # Kontact / Impressum |