Leben des Galilei
Inhalt:
Galilei, ein Lehrer der Mathematik in Padua will das neue kopernikanische
Weltsystem beweisen. Da die Gelehrten in der Republik vor der Inquisition
sicher sind , zahlt auch die Universität wenig . Die meisten Gelehrten sind
somit auf Privatschüler oder vom Staat verwertbaren Erfindungen angewiesen , so
auch Galilei . Galilei benötigt aber die Zeit um Beweise für das neue Weltbild
zu sammeln, und um zu forschen . Er unterrichtet nebenbei Andrea , dem Sohn
seiner Haushälterin , als ein reicher junger Mann ihn um Privatstunden bittet .
Von ihm erfährt Galilei , daß in Holland ein Fernrohr entwickelt worden ist ,
welches er nun verbessert . Bei einem Disput über eine Gehaltserhöhung mit dem
Kurator , erwähnt er es nebenbei , da er eine neue verwertbare Erfindung erst
vorweisen muß . In einer feierlichen Zeremonie wird dies Wunderding dem Dogen
der Stadt übergeben . Galilei erhält nun seine Gehaltserhöhung und kann nun
weiterforschen . Der Schwindel fliegt auf , aber Galilei weist darauf hin , daß
er mit diesem Fernrohr die Sterne studieren un so bessere Sternenkarten für die
Schiffahrt zeichnen kann . Er will außerdem auf den florentinischen Hof um dort
in Ruhe arbeiten zu können . Dort stoßen seine Theorien und auch Beweise auf
Unglauben . Vielmehr führen die dortigen Gelehrten Aristoteles als
unumstößliche Autorität an . Schließlich werden seine Berechnungen dem
Collegium Romanum in Rom zur Überprüfung übergeben . Doch selbst die
geistlichen Astrologen erkennen sehr zum Unbehagen der geistigen Obrigkeit die
Richtigkeit seiner Behauptungen . Auf einem anschließenden Ball im Haus eines
Kardinals wird Galilei nahegelegt zwar weiter zu forschen , aber im Einklang
mit der Kirche zu bleiben , und seine Theorien nicht zu veröffentlichen . Acht
Jahre schweigt nun Galilei , als ein neuer Papst gewählt wird , welcher selber
Wissentschaftler ist . Galilei wendet sich somit wieder der Forschungen auf dem
verbotenen Feld der Sonnenflecken zu . Galilei will nun um seine Lehren unter
das Volk zu bringen nicht in Latein sondern in der Sprache des Volkes seine
Theorien veröffentlichen . Das Volk legt das neue wissentschaftliche Weltbild
allerdings auf das gesellschaftliche Gefüge des Staates um - somit wird Galilei
eine Schlüsselfigur in dem Kampf um die Freiheit neue Dinge zu lehren . Galilei
wird von der Inquisition nach Rom beordert . Ein Eisengießer will Galilei zur
Flucht überreden , doch der lehnt ab . Als Galilei den Ernst der Lage begreift
und fliehen will , ist es bereits zu spät - er wird in einem Wagen nach Rom
geschafft . Nachdem der Inquisitor dem Papst nahegelegt hat , daß das in
Zweifel stellen des bisherigen Weltsystems auch zu einem Zweifel an der
gesellschaftlichen Strukturen kommen könnte , insofern ja Galilei in der
Sprache des Volkes schreibt , erklärt sich der Papst , der zuerst Galilei
verteidigt hat , bereit Galilei wenigstens die Folterinstrumente zu zeigen ,
damit er seine Lehren widerrufe . Galilei widerruft auch wirklich seine Lehre ,
und wird den Rest seines Lebens von der Inquisition 'behütet' . Doch
trotz Kontrolle schafft er es ein wissenschaftliches Werk über Mechanik und die
Fallgesetze zu schreiben , welches er durch Andrea über die Grenzen nach
Amsterdam schafft . Jetzt erst erkennt Andrea , welcher zuerst die Einstellung
Galileis , seine Lehren zu widerrufen , verurteilt hat , daß Galilei auch auf
dem Gebiet der Ethik seiner Zeit voraus war , da Galilei durch den Widerruf
überlebte und so seine wissenschaftlichen Arbeite weiterführen konnte .
Interpretation:
Brecht zeigt, das die naturwissenschaftliche Haltung kritischer
Gegenstandsprüfung und wachsender Gegenstandskenntnis auch die
Gesellschaftswissenschaft leiten müsse, letztere müsse sogar die
Naturwissenschaft leiten, damit nicht Wissen über die Natur gegen die
Gesellschaft angewandt wird .Wissen über die Menschen als gesellschaftliches
Wesen zu vermitteln sowie für Veränderungen eintreten, wird ganz analog zur
Naturwissenschaft als Aufgabe des epischen Theaters dargestellt . Im Galilei
zeigt sich das dadurch, daß durch das naturwissenschaftliche Entdeckerauge
Galileis nicht nur die Erde in Bewegung, sondern auch die Gesellschaft in Fahrt
kommt . Unruhe ergreift das Volk, das Bürgertum schöpft soziale Kraft aus
Galileis Physik, der Staat formiert sich somit zur Gegenwehr : Die
Veränderbarkeit der Gesellschaft wird im Medium der erforschten Natur zur
Hoffnung und Befürchtung aller .
Die Idee der Veränderbarkeit besagt in Brechts Theorie, daß zur Diskussion
steht, was bisher als ewiges, unabänderbares Phänomen galt . Zur Diskussion
stellt man es, indem man verfremdet, indem man dem Vorgang oder Charakter das
Selbstverständliche, Bekannte nimmt . und ein Staunen auslöst was in neue
Erkenntnisse mündet . Galilei verfremdet insofern da er durch Kraft seines
'fremden Blicks' das Weltbild neu sieht und somit das alte Welt - und
Gesellschaftsbild ins Wanken bringt . Die Verfremdung die Galilei zugrunde
liegt ist sein wissenschaftlicher Zweifel an allem . So zeigt so in seinem
Experiment mit dem Apfel Andrea , daß die Erde sich um die Sonne drehen könnte
wenn man die Welt anders nämlich rund sieht . Mißtrauisch machen ,Zweifel säen
gegen die überlieferte Anschauung durch das anschauliche Experiment - das ist
Galileis Pädagogik . Diese komplexe Wahrnehmungsweise wird in diesem Stück zum
Hauptthema erhoben , um den Kunstbetrachter eine neue differenzierte Sehweise
zu fördern . Da Galilei erkennt daß sich die Erde um die Sonne dreht
('Himmel abgeschafft') , sieht er auch das Zusammenleben der
Menschen in großer Fahrt (' und sogar der Papst rollen mit
ihr') - so kann jeder als Mittelpunkt angesehen werden und keiner . Wie
ein Dichter schaffte er sein naturwissenschaftliches Gesetz zu einem
dynamischen Weltverständnisses um wenn er sagt : 'Eine neue Zeit ist
angebrochen, ein großes Zeitalter, in dem zu leben eine Lust ist.' Brecht
möchte somit den Zuschauer Mut zum Verändern geben. Doch wer Mut zur
Veränderung entwickeln will , muß erst zweifeln lernen .
Dazu fordert nun Galilei auf . Auch an Galileis Theorien werden gezweifelt
.(Balladensänger, der kleine Mönch). Galilei meldet aber an dem Zweifel seiner
Gegner wieder Zweifel an - durch seine Überzeugungskraft vertieft sich nun der
kleine Mönch in seine Schriften um seinen Wissensdurst zu stillen. Eine
herrschende Macht , die Kirche , erkennt die Sprengkraft die im Zweifel
liegt.Es sei ein entsetzliche Unruhe in die Welt gekommen argumentiert der
Inquisitor . Doch der Zweifel Galileis ist auch wie er immert betont
vernunftorientiert, den der Zweifel benötigt die Vernunft die ihn leitet .
Daher drängt auch Galilei nach Florenz um Beweise sammeln zu können .
Interessant ist auch die Darstellung wie das wissenschaftliche Elemt mit der
Wirtschaft verwoben ist . Um zu Geld zu kommen muß Galilei Neues erfinden . So
ist bei Galilei Broterwerb , Nutzen und neue Erkenntnisse eng verwoben , da er
um Geld zu bekommen , das Fernrohr erfindet , mit dem er zu neuen Erkenntnissen
kommt . Wie Galilei den Ratsherren wissen läßt , daß das Fernrohr für den Krieg
als auch zum Verkauf geeinet ist , erkennt man wie die Wissenschaft im Dienste
der Wirtschaft aber auch des Militärs steht . Galilei der an die Vernunft im
Menschen glaubt, wird durch die Inquisition desillusionisiert . Er als
Vertreter des vernunftgeleeiteten Inviduums wird von der Kirche besiegt. Somit
ist er ein Beispiel für die Ohmacht des Einzelnen in unfreien gesellschaftliche
Verhältnissen . Die Selbstverachtung Galileis nachdem er widerrufen hat muß
aufklärerisch und idealistisch interpretiert werden - schließlich saget Galilei
selber 'Unglücklich das Land welches Helden nötig hat'. Außerderdem
war die Sache selber nicht verloren da durch das Fernrohr , Vergrößerungsglas
sozialen Elends und durch die Naturwissenschaft als Gesellschaftskritik bereits
das Volk gewonnen war. Somit konnte durch den Einzelnen nichts mehr verloren
werden .Und da Galilei die Menschen als vernunftbegabte Wesen sieht, verliert
der Einzelne die Verantwortung gegnüber ihr - die Pflege der Vernunft wird der
gesamten Gesellschaft übertragen . Zur militärischen Nutzung und der
Verantwortung des Wissenschaftlers: Der Wissenschaftler, Galilei , hat den
Nutznießer seiner Erfindung , den Staat, bereits vorgefunden , somit hat der
Staat die Verantwortung der Erfindung , denn : Wenn man behauptet , Galilei
hätte als sozialverantwortlicher Wissenschaftler die Wege des Staates ändern
können, verkennt die Macht des Staates, die noch kein Einzelner zu untergraben
vermochte . Der Scheiterhaufen der Inquisition hätte seine Flammen genauso über
Galilei schlagen lassen wie über Giordano Bruno , ohne daß daraus eine
Revolution entstanden wäre.Und Galilei hat sich auch nicht an dem Bürgertum
vergangen welches hinter ihm stand - denn: dasselbe Bürgertum welches sich
während den Revolutionen als Vertreter allgemeiner humaner Ziele sah, verwertete
nach der Revolution die Wissenschaften im Sinne der Ideale der eigenen
Klasseninteressen . Selbst wenn sämtliche Wissenschaftler Märtyrer spielen
würden - der Staat fünde immer noch genügend die Lücken zu schließen .
(Beispiel : Arbeit an der Bombe von Hiroshima in den USA ) - Auf den Punkt
gebracht : Der staatliche Wissenslieferant und der Systemveränderer wirken in
verschiedenen Sphären .
Die Feinde Galileis führen an , daß die Harmonie des alten Weltbildes ein
Gebäude von Ordnung und Schönheit sei , und daß man wohl zögern sollte diese
Harmonie zu stören.: Man sieht , daß hier die Sinnlichkeit , das Kunstgefühl
gegen das naturwissenschaftliche Element sich verschworen hat. - Brecht meint
aber selber daß das Theater ähnlich einem Wissenschaftler von den Gesetzen der
Gesellschaft unterrichten soll. Anhand der kirchlichen Würdenträger sieht man
den Menschen den sein Weltbild erschüttert wurde , und Brecht meinte wohl damit
seine Zuschauer . Aber er wußte auch, daß die zerfallene Asthetik ein Gegengewicht
bräuchte welches er in der Figur Galileis fand . Dieser ist überaus sinnlich,
mit wissenschaftlichen Schönheitssinn ausgestattet , dargestellt. Diese
Sinnlichkeit war es auch die Galilei hinderte sich zu opfern um einen
lebensfeindlichen Fortschrittspathos Platz zu gewähren.