Die deutsche
Wirtschaft 1948 bis 1957
Die Geschichte eines "Wunders"
3 Jahre
nach Ende des 2. Weltkrieges waren die Grundlagen der deutschen Wirtschaft
weitestgehend nicht mehr verfügbar: Industrieanlagen waren entweder durch
alliierte Bombenangriffe weitestgehend zerstört oder im Zuge der als
Reparationsleistungen festgesetzten Demontagen in die Länder der
alliierten Kriegsgewinner gebracht worden. Die Infrastruktur war kaum noch
vorhanden, Bahnhöfe und -strecken waren von den Allierten als strategische
Ziele entweder zerstört oder schwer beschädigt worden. Auch in anderer Hinsicht
waren die schweren Folgen des Krieges verheerend: 8 Mio. Kriegstote auf
deutscher Seite, sowie 10 Millionen Soldaten in Gefangenschaft - Männer,
deren Arbeitsleistung beim Wiederaufbau dringend hätte gebraucht werden können.
Darüber hinaus herrschte ein starker Nahrungsmittelmangel, Saatgut war
kaum noch vorhanden, landwirtschaftl. Maschinen im Zuge der Industriedemontagen
mitgenommen worden, die ertragsreichen Gebiete östlich der Oder und der Neiße
waren unter polnische Verwaltung gestellt worden und standen der deutschen
Landwirtschaft somit nicht mehr zur Verfügung. Aufgrund des Mangels mußten
Lebensmittel rationiert werden, es wurden Lebenmittelmarken ausgegeben, der
Schwarzmarkt blühte.
In dieser krisenhaften Lage starteten die Amerikaner im Sinne der auf
pragmatischer Realpolitik zur Eindämmung des Kommunismus ausgerichteten Truman-Doktrin
ein nach dem damaligen amerik. Außenminister George C. Marshall
benanntes Hilfsprogramm mit einem Volumen von 13 Mrd. Dollar an Krediten, davon
alleine 1.7 Milliarden für die westlichen Besatzungszonen des zerstörten
Deutschlands.
Am 20. Juni 1948 wurde nach langen Vorbereitungen in den drei
westlichen Besatzungszonen eine Währungsreform durchgeführt, die die
alte, inflationäre Reichmark (RM) durch die neue, in den Vereinigten Staaten
gedruckte und sich sehr bald als äußerst stabil erweisende Deutsche Mark (DM)
ersetzte. Jeder Bürger erhielt ein sogenanntes "Kopfgeld" von 40 DM zur freien
Verfügung, im August desselben Jahres dann noch einmal 20 DM. Zwei Tage nach
der Währungsreform führten auch die Sowjets in ihrer Besatzungszone eine
Währungsreform durch und eine neue Währung ein, die jedoch bald darauf sehr
schnell an Wert zu verlieren begann. Erstmals nach dem Kriege konnte man in den
Geschäften wieder vieles kaufen, das die Händler bis dahin zurückgehalten
hatten, um Inflations-Verluste durch die Reichsmark zu verhindern.
Ludwig Erhard, der bereits während der Vorbereitungen zur
Währungsreform den Amerikanern beratend zur Seite gestanden hatte, entwickelte
das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft, also einer Wirtschaftsform mit
einer liberal-marktwirtschaftlichen und einer sozialen Komponente mit der
Aufgabe, die wirtschaftlich Schwächsten vor der "Macht des freien Marktes" zu
schützen. Erhard wurde, nachdem er lange Wirtschaftsminister der neuen
Bundesrepublik gewesen war, 1957 Vize-Kanzler und trat schließlich 1963 die
Nachfolge Konrad Adenauers als Bundeskanzler an.
Das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft, die Währungsreform und der
Marshallplan sind die Stützen des sich anschließenden, rasanten
Wirtschaftsaufschwungs, der später als "Wirtschaftswunder" bezeichnet wurde.
1953-1960, also innerhalb von nur 7 Jahren stieg das BIP um 60%. Dank der durch
die Regierung eingeführten Steuervergünstigen für Unternehmen und der
gemäßigten Tarifpolitik der Gewerkschaften erholte sich die Wirtschaft schnell.
Die Arbeitslosigkeit ging stark zurück, während 1949 noch 10% als arbeitslos
galten, herrschte 1955 bereits Vollbeschäftigung, es mußten sogar Gastarbeiter
aus dem südeuropäischen und türkischen Ausland geholt werden, um die anstehende
Arbeit zu bewältigen. Zum Symbol für den Wirtschaftsboom des ersten Jahrzents
nach dem Krieg wurde ein Auto, das britische, amerikanische und französische
Hersteller als nicht konkurrenzfähig auf dem Weltmarkt hielten, nämlich der
VW-Käfer: Er ist bis heute über 22 Millionen mal verkauft worden und ist damit
das erfolgreichste Auto aller Zeiten und der deutsche "Exportschlager"
schlechthin.