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Kulturpolitik im Ruhrgebiet am Beispiel Filmtheater
Thema: Revolution der Multiplexe
I) Einleitung
II) Betreiber
III) Besucher
IV) Multiplex-Philiosophie
V) Overscreening
VI) Chancen
VII) Risiken
VIII) Handlungsmöglichkeiten der Kommunen
IX) Revolution der Multiplexe?
a) Grafiken
b) Literatur
Eine einheitliche Definition für Multiplex-Kinos existiert in Deutschland bislang nicht. Der Hauptverband Deutscher Filmtheater (HDF) formuliert die Eigen-schaften von Multiplexen jedoch u.a. wie folgt:
Ein Multiplex (im folgenden MP) vereint mindestens acht "große und gekrümmte" Leinwände sowie 1600 Sitzplätze.
Die Ton- und Bildqualität ist auf dem jeweiligen modernsten Stand der Technik.
Ein MP beinhaltet neben den eigentlichen Kinosälen verschiedene Gastronomie- und Freizeitangebote.
Angegliedert sind eine größere Zahl von Parkplätzen bzw. Parkdecks.
Die Definition der Filmförderungsanstalt (FFA) bezieht den Begriff MP auf Kinoneubauten mit mindestens neun Sälen (ab 1994 wenigstens sieben) mit speziellen Nebengeschäften sowie Parkplatzangebot und ÖPNV-Anbindung.
Die ersten Kinos dieses neuen Typs wurden 1976 in den USA errichtet. In Europa entstanden die Ersten Mitte der 80er Jahre in Großbritannien. Das erste deutsche MP wurde 1990 in Hürth bei Köln eröffnet. Seitdem öffneten bis Ende 1996 insgesamt 30 Multiplexe.
Die FFA teilt diese MPe in Generationen (abhängig vom Zeitpunkt der Eröffnung) ein:
1990 bis 1991 eröffnete MPe (1. Generation) - insgesamt sechs
1992 bis 1994 eröffnete MPe (2. Generation) - insgesamt sechs
1995 eröffnete MPe (3. Generation) - insgesamt fünf
1996 eröffnete MPe (4. Generation) - insgesamt 13
Per Ende Juni 1998 verdoppelte sich diese Zahl, es waren nun bereits 60 MPe mit insgesamt 570 Leinwänden. Die 22 1997 eröffneten werden nun als 5. Generation, die acht 1998 eröffneten als 6. Generation eingeteilt. Diese Einteilung ist jedoch vollkommen willkürlich gewählt, es gibt eigentlich keinen zwingenden Grund die Kinos so und nicht anders einzugruppieren.
Als Umfeldkinos werden im folgenden die traditionellen Kinos und Kinocenter in einer MP-Region bezeichnet. Es ist leicht einzusehen, daß die MP-Entwicklung direkten Einfluß auf die Umfeldkinos hat, sei es in wirtschaftlicher Hinsicht als auch im daraus resultierenden Druck auf die Umfeldkinobetreiber "nachzuziehen".
Weitere Entwicklungen sind die sogenannten Mini- und Megaplexe. Ein Miniplex ist ein kleineres Kino des MP-Typs mit vier bis sechs Sälen (wie z.B. das Maxx der Flebbe-Gruppe in München); ein Megaplex (das meines Wissens in Deutschland bislang nur theoretisch existiert, wenngleich das Cinemaxx in Essen (16 Säle) oder das UCI in Bochum (18 Säle) vielleicht schon zu diesem Typ gezählt werden können) ist analog ein riesiges MP.
II) Betreiber
Die MPe verteilten sich 1997 auf insgesamt 16 verschiedene Unternehmen.
Die Flebbe-Gruppe mit insgesamt neun MPe.
Die UFA-Gruppe und UCI mit jeweils fünf MPe.
Warner und Kieft mit jeweils vier MPe.
Die Firmen Kinopolis und Rehs mit jeweils zwei MPe.
Constantin, Extra, Omniplex, Weber, Vollmann, Thomas, Spickert, Paffrath sowie die Sailer GmbH mit je einem MP.
(Stand: September 1997 - Mindestens eines dieser Unternehmen (Warner) hat sich seither aus dem MP-Markt zurückgezogen und seine Kinos in Deutschland verkauft.)
"Die Kinolandschaft ist voller Ungleichmäßigkeiten. In ihr gibt es weder in unternehmerischer Hinsicht jene konzentrierten Strukturen, wie sie in anderen Medienbranchen üblich sind, noch gibt es in ihr eine erkennbare raumbezogene Versorgungsordnung, nach der alle Menschen eine ähnliche Chance hätten, ihr Kino zu erreichen.
Manche Eigentümlichkeiten der Kinobranche und manche Auffälligkeit der Kinolandschaft kann nur aus der Geschichte erklärt werden. In vielen Städten ist der Kinomarkt monopolisiert; die dort vorhandenen Kinos gehören alle zu einer Unternehmensgruppe. Art und Verbreitung der Kinos hängen oft von Zufällen und Biographie der Betreiber ab."[2] Hans - Joachim Flebbe begann beispielsweise 1974 mit der Programmgestaltung des Apollo - Filmtheaters in Hannover bis er drei Jahre später sein erstes eigenes Kino ebenda eröffnete. Die Cinemaxx - Gesellschaft wurde 1989 gegründet und besaß Ende 1998 20 Multi- und Miniplexe und 14 traditionelle Kinocenter.
Die Kinobranche war lange Zeit zumeist regional strukturiert. Kinobetreiber sind, wie erwähnt, oft ortsansässig und -verbunden. Daß diese regionale Konzentration zunehmend aufgebrochen wurde (und wird) ist zum großen Teil eine Folge der Entwicklung der MPe. Von den bis Sept. 1997 in NRW gebauten MPe wurde keines von nordrhein-westfälischen Unternehmen betrieben. Zumindest bis Anfang 1998 war NRW mit 15 MPe (zum Vergleich: Bayern - sechs MPe, Sachsen und Baden-Württemberg - je fünf MPe) auch bevorzugter Standort der MP-Betreiber.
"Unternehmerisch werden Multiplexe eine enge Allianz mit dem Verleih eingehen"[3] Einige Multiplexbetreiber sind "global players", sie machen weltweit Geschäfte. Für sie sind nicht national interessante Filme wichtig, sondern international vermarktbare, die möglichst zeitgleich auf der ganzen Welt Umsätze einspielen. Da das Filmtheater an sich einen Teil des Marketings eines Films ausmacht, wird die Zusammenarbeit zwischen Kinobetreiber und Verleih immer enger. "Das amerikanische Konzept ist nachzuvollziehen: Die Produktion eines Filmes und das Marketing eines Filmes sind zwei Seiten eines Erfolges. Der Erfolg ist dann am wirtschaftlichsten machbar, wenn die Starttermine der großen amerikanischen Filme weltweit zusammengelegt werden." Die Flebbe-Gruppe hatte eine Zeitlang mit dem Impuls-Verleih einen eigenen Verleih.
III) Besucher
Der Besucheranteil der MP am Gesamtkinobesuch stieg von 1991 mit 3,2% auf 14,6% im Jahre 1996. Im Zeitraum Januar 1997 bis September 1997 entfielen bereits 21,5% der Kinobesucher auf diese Kinos.
Aussagekräftiger dürften allerdings die Zahlen in den Multiplexregionen (ein Gebiet mit einem Radius zwischen 20 und 30 km um das untersuchte MP) sein. Hier stieg beispielsweise der MP-Besucheranteil in den Regionen der ersten Generation von 34,8% im Jahre 1991 auf 67,6% im Jahre 1996.
Die FFA hat 1997 eine Indexrechnung aufstellen lassen, die die Besucherzahlen von Umfeldkinos und MPe der ersten vier Generationen erfaßt. Hier ist festzustellen, daß die Besucherzahlen der Umfeldkinos zugunsten der MPe vor allem bei den Kinos der ersten Generation zwischen 1990 und 1996 stark zurückgegangen sind (siehe Grafik 1)[5].
Die Indexberechnungen für die folgenden Generationen sind aufgrund der hohen zeitlichen Streuung der Eröffnungen der MPe (zweite Generation) und der kurzen Verlaufszeiten der Entwicklung (dritte und vierte Generation) nicht so aussagekräftig wie die Darstellung der ersten Generation. Es läßt sich aber feststellen, daß die MPe der ersten Generation auch die größten Besucherzuwächse realisieren.
Grafik 2) zeigt den Anteil der MP-Besucher an der Gesamtkinobesucherzahl in den einzelnen MP-Regionen in %.
Zusammengefaßt läßt sich sagen, daß die MPe im Verlauf starke Besucherzuwächse aufweisen konnten. Die Besucherentwicklung der Umfeldkinos ist in verschiedenen Ausprägungen insgesamt rückläufig. Zum Teil kam es zu Schließungen von Kinosälen die wirtschaftlich nicht mehr überleben konnten.
Zur Indexberechnung: Die Indexberechnung wurde für die Darstellung der Besucherschwankungen notwendig, da einige Filmtheaterbetreiber mit der Ver-öffentlichung der exakten Besucherzahlen nicht einverstanden sind. Dem Jahr 1989 wurde hier der Index 100 zugewiesen, da dies das letzte Kalenderjahr ohne MP war.
Hier ist besonders auffällig, daß im Raum Bochum mit dem 1991 eröffneten MP der Firma UCI der Index (neben dem höchsten Wert von 268 im Jahre 1993) 1996 den Wert 235 erreichte, die Kinobesucherzahl in MPe und Umfeldkinos zusammen sich also seit 1989 mehr als verdoppelt hat (auch im ersten Jahr (1991) erreichte der Index hier direkt den Wert 215). Davon entfielen über 70% der Besucher auf das MP, der Index für die Umfeldkinos erreichte 1996 den Wert 67. Dennoch hat hier bislang kein Kino geschlossen (das Union - Filmtheater wird wohl jedoch in diesem Jahr aufgegeben).
Unter der hypothetischen Annahme daß sich der Kinobesuch in den Multiplexregionen ohne MP entsprechend dem Besuch in den Nicht-Multiplexregionen entwickelt hätte, läßt sich unter Verwendung der Indexberechnung ein theoretischer Multiplexeffekt berechnen. Dies wurde für die MPe der ersten Generation durchgeführt, wobei außer Acht gelassen wurde, daß nach 1991 einige der Nicht-Multiplexregionen zu Multiplexregionen wurden. Andere Effekte, wie zum Beispiel die Modernisierungen von traditionellen Kinos im Zuge des Erfolges der MPe und den Attraktivitätszugewinn daraus[7], wurden ebenfalls nicht berücksichtigt. Die tatsächlichen Zahlen sind also vermutlich höher, aber es ergeben sich in den Jahren 1992 und 1993 jeweils hypothetische 63% Mehrbesucher durch die MPe. In den Jahren 1994 und 1995 sind es immerhin auch noch jeweils 52%.
Man weiß allerdings auch, daß hier nur wenige bisherige Nicht-Kinogänger ins Kino gezogen wurden. Vielmehr erhöhte sich die Besuchsfrequenz des einzelnen Kinogängers, sowie die Zahl der "Heavy-User", die mindestens einmal pro Woche ins Kino gehen. Ein erklärtes Ziel der MP-Betreiber, neue Bevölkerungsgruppen für das Kino zu erschließen, wurde also nicht erreicht.
IV) Multiplex-Philosophie
Zwischen 1980 und 1990 verloren die bundesdeutschen Kinos ca. 29% ihrer Be-sucher. Die daraus folgenden Umsatzeinbußen wurden durch eine Eintrittspreis-erhöhung von 29% auf einen Nettoverlust (nach Abzug von Mehrwertsteuer, Filmmiete sowie Filmabgabe and die FFA) von 8,5% begrenzt. Dieser Verlust wurde durch eine Steigerung bei den Nebeneinkünften (Verkauf von Getränken, Süßigkeiten, Eis, Popcorn u.ä.) zum Teil kompensiert. Somit sind diese Nebeneinnahmen schon bei den traditionellen Kinos ein wichtiger Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg. Der Stellenwert von Nebeneinkünften ist bei den MPen noch größer.
Das MP ist denn auch eher als eine Art Freizeitzentrum denn als Kino konzipiert: Der Film steht nicht mehr unbedingt im Mittelpunkt, er ist vielmehr Lockmittel für den Besuch. Viele verschiedene Einrichtungen im und um das MP herum sollen für Umsatz vor und nach dem Filmbesuch sorgen. "Man kann Billard spielen oder in Kneipen gehen, man kann unendlich lange Rolltreppen fahren, man kann natürlich auch ins Kino gehen."[9] Das Motto von Hans - Joachim Flebbe lautet: "Das Publikum ist da, man muß ihm nur die richtigen Kinos bauen!"
Die Einnahmen aus Nebengeschäften (Concessions) machen beispielsweise bei den MPe der Flebbe-Gruppe (Cinemaxx und Maxx) fast 20% des Gesamtumsatzes aus. Zitat: "Cinema is O.K., but concessions are far more important. Film is just something to attract people, and then we are trying to sell them everything we can."[11]
Hinzu kommen Einnahmen aus Werbung, die mit etwa 10% zu Buche schlagen. Der Kartenerlös macht somit 70% des Umsatzes aus, dem gegenüber stellt dieser Posten bei den traditionellen Kinos etwa 80% des Umsatzes dar. Der HDF erwartet in Zukunft eine Verschiebung der Werbeeinnahmen von den traditionellen Filmtheatern in die MPe.
Der Eintrittspreis liegt bei den MPe höher als bei traditionellen Kinos. 1991 bezahlte man im Durchschnitt 10,04 DM für die MP-Karte und 8,17 DM für den Eintritt in einem traditionellen Kino. Diese Beträge stiegen bis 1995 auf 11,54 DM im MP und 9,51 DM im traditionellen Kino.[13] Daraus läßt sich schließen, daß die höheren Eintrittspreise (genauso wie die zum Teil erheblichen Parkplatzkosten) kein Hinderungsgrund für den Besuch des MP sind.
Das Filmprogramm in den MPe unterscheidet sich kaum von dem in den traditionellen Kinocentern. Die Technik ist jedoch auf dem modernsten Stand. Auch der Komfort der Säle und speziell der Sitze ist nicht mit den bekannten traditionellen Häusern zu vergleichen. "Das räumliche Angebot ist vielfältig. Vom herkömmlichen Kinosaal bis zu Formen des Amphitheaters mit verführerischen Liegesitzen integrieren die MPe Lebenskultur und Filmlust. Das Kino soll möglichst alle Bedürfnisse der Besucher durch ein gemischtes Raumkonzept befriedigen. Dazu dient nicht nur die Supertechnik für die Vorführung, das Spiel mit Licht und Ton und ästhetischer Wohlbefindlichkeit."[14] Auch Sonderveranstaltungen werden in einem MP abgehalten. So bieten die MPe der Flebbe-Gruppe u.a. Live-Übertragungen von Kultur- und Sportveranstaltungen an und bietet die Kinosäle für Vorträge und Kongresse an. Das Cinemaxx Essen wurde beispielsweise von der Essener Universität für Vorlesungen genutzt.
Auch die teilweise ausladende und aufwendige (Außen- und Innen-) Architektur zumindest der MPe in den Innenstädten reiht sich in dieses Konzept ein. Die MPe "auf der grünen Wiese", sprich: auf Gewerbeflächen außerhalb der Städte, sind außen meist nicht so aufwendig gestaltet, da hier weniger Auflagen seitens der Kommunen gemacht werden.
Das reine Konkurrenzverhältnis traditionelle Filmtheater (und speziell Filmkunsttheater/Programmkinos) vs. Multiplexe wird zum Teil aufgebrochen. Da die MPe ein größtenteils mainstreamorientiertes Programm anbieten, werden die bestehenden Programmkinos eher weniger vom durch ein MP verursachten Besucherrückgang in Mitleidenschaft gezogen. In Dortmund gibt es beispielsweise eine Kooperation zwischen dem MP (CineStar, Betreiber: Kieft) und den Programmkinos (Roxy und Kamera), die aus Werbung und Programmhinweisen für das jeweilig andere Kino besteht.
V) Overscreening
Wenn zu viele MPe in einer Region miteinander konkurrieren spricht man von einem Overscreening. Eine grobe Faustregel besagt hier, daß ein MP dann rentabel arbeiten kann, wenn in einem Einzugsgebiet von 20 km um das MP mindestens 300.000 Menschen wohnen, wobei Marktuntersuchungen gezeigt haben, daß der Einzugsbereich teilweise auch über dieser Entfernung liegen kann.
Ein solches Überangebot führt zu einem starken Konkurrenzdruck, dem nicht jeder Mitbewerber standhalten kann. Experten gehen davon aus, daß innerhalb der nächsten zwei Jahre das erste MP schließen wird. Im Großraum Berlin könnten nach der Faustregel 15 MPe existieren, geplant sind 30. In Hamburg sollen derer 16 gebaut werden, rentabel wären 10. In Magdeburg existieren zwei Multiplex-Theater für 280.000 Menschen.
VI) Chancen
MPe tragen am richtigen Standort wesentlich zur Wiederbelebung bzw. Verbesserung der Attraktivität der Innenstädte bei. Das Hauptanliegen der Kommunen an die ein Investor herantritt sollte somit sein, den (für den Betreiber unter Umständen wg. geringeren Grundstückspreisen und weniger Bauverordnungen durchaus attraktiveren) Standort an der Peripherie zu vermeiden, da durch einen solchen Standort die Verwaisung der Innenstädte weiter vorangetrieben wird. MPe und ihr Ergänzungsangebot stellen schließlich auch außerhalb der Ladenöffnungszeiten einen Anreiz für den Besuch der Zentren dar und können so bei absteigenden oder abgestiegenen Stadtvierteln zu einer Revitalisierung beitragen.
Auch aus wirtschaftlicher Sicht werden MPe begrüßt. Schätzungen besagen, daß pro 100.000 DM Freizeitumsatz ein Arbeitsplatz (wenn auch überwiegend im Teilzeitbereich) entsteht.1997 machten die MPe hochgerechnet einen Jahresumsatz von über 256 Mio. DM aus.
Bei einer Investitionshöhe von 35 bis zu 100 Mio. DM für ein MP erwartet man sicherlich auch positive Effekte für die heimische Bauwirtschaft.
VII) Risiken
Das größte Risiko für die Kommunen besteht sicherlich in den Folgen eines Overscreening. Ein MP kann aufgrund seiner sehr speziellen, auf den Kinobetrieb ausgerichteten Architektur nur sehr schwerlich und durch erhebliche Investitionen für andere Zwecke genutzt werden. Bei aller Euphorie über das Interesse eines Investors und den Imagegewinn, den ein MP sicherlich bietet, sollten sich die Kommunen auch fragen, ob das zur Disposition stehende MP auch rentabel arbeiten kann. Auch die Bedrohung für existente herkömmliche Filmtheater ist zu bedenken. Die Erhaltung dieser gewachsenen Vielfalt muß ebenfalls ein Ziel auf dem Weg zu attraktiveren Innenstädten sein.
Wie bereits erwähnt, sollte der Standort für das MP sorgfältig gewählt sein. Ein MP an einem für die Stadtentwicklung schädlichen Standort führt unweigerlich zu einer Fragmentierung und Auflösung städtischer Strukturen. Durch die Verminderung der Attraktivität der benachbarten Zentren kann deren Niveau sinken und durch das Ausbleiben von Kundschaft die bestehenden Einzelhandelsbetriebe in ihrer Entwicklung beeinträchtigen.
Die Realisierung von MPe außerhalb größerer Zentren führt auch zu einer Zunahme der Verkehrsströme. Von 100 MP-Besuchern in der Innenstadt reisen 65 mit dem PKW und 35 mit dem ÖPNV an, bei den MPe "auf der grünen Wiese" liegt der PKW-Anteil bei 90%.
VIII) Handlungsmöglichkeiten der Kommunen
Durch die weitere Entwicklung und immense Expansions- und Bauwut einiger Betreiber entsteht vor allem bei den betroffenen Kommunen Handlungsbedarf.
Es sollte zunächst ein verbindlicher Freizeitentwicklungsplan verabschiedet werden, der in Verbindung mit dem Erstellen oder der Anderung eines existierenden Bebauungsplanes das weitere Vorgehen bestimmt.
Der deutsche Städtetag empfiehlt unter anderem die Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte:
Die Ansiedlung von MP-Kinos hat auch Auswirkungen auf Nachbarstädte und -gemeinden. Eine Abstimmung mit ihnen ist daher unabdingbar.
Die Beteiligung der verschiedenen Ressorts der Stadtverwaltung (Stadtentwicklung, Bauverwaltung, aber auch Bibliotheken oder kommunale Kinos) ist bei der Planung zu berücksichtigen.
Die Seriosität des Betreibers/Investors ist von Bedeutung, um in Zusammenarbeit nicht nur auf die wirtschaftlichen Interessen, sondern auch auf die sozio-kulturellen Gegebenheiten der jeweiligen Stadt Rücksicht zu nehmen.
Die Städte sollten mit einer Marktanalyse sicherstellen, daß sich das MP rentabel betreiben läßt und es nicht zu einem Overscreening kommt.
Die Architektur des MP sollte sich in das Stadtbild einpassen. Dazu sollte nach Möglichkeit ein Archtitekturwettbewerb stattfinden.
Es sollte geprüft werden, ob vorhandene, leerstehende Gebäude (wie z.B. Fabriken), die das Stadtbild mitprägen durch Umbau zum MP nicht geeigneter sind, als der komplette Neubau eines Komplexes.
Der Standort an der Peripherie ist nach Möglichkeit zu vermeiden. Dies kann durch eine Anderung der entsprechenden Bebauungspläne erreicht werden.
Eine gute Anbindung an den ÖPNV sollte zur Vermeidung von gesteigertem motorisiertem Individualverkehr und daraus resultierenden zusätzlichen Umweltbelastungen gesichert sein.
Wünschenswert wäre eine Zusammenarbeit von MP und anderen Kultureinrichtungen sowie die Sicherung der Vielfalt des Filmprogramms jenseits der mainstreamorientierten Auswahl im MP durch kommunale Kinos, Filmclubs und Programmkinos.
IX) Revolution der Multiplexe?
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß durch die Eröffnung von MPe in Deutschland schon eine Art von Revolution stattgefunden hat: seit 1990 steigende Besucherzahlen, Modernisierungen von traditionellen Filmtheatern und die beschriebene Philosophie des MP; all dies hat zu einer umfassenden Veränderung in der Kino-branche geführt.
Ob diese Veränderungen allerdings in letzter Konsequenz begrüßt werden können ist sicherlich diskutierbar. Der wirtschaftliche Druck hat immerhin im ersten Halbjahr 1998 erstmals seit Jahren mehr Kinoschließungen als Neueröffnungen zur Folge gehabt. Auch die Zahl der Kinostandorte sank in diesem Halbjahr (insbesondere in Städten mit unter 20.000 Einwohnern).
Neuere Entwicklungen die vielleicht einen Beitrag zum Überleben der traditionellen Kinos leisten können sind das "One-Dollar-Kino" und das Luxuskino:
Das "One-Dollar-Kino" soll nicht-aktuelle Kinofilme und Filmklassiker zu einem geringeren Eintrittspreis um die fünf DM bieten. Hierzu eignen sich vor allem traditionelle Kinocenter, die auf mehreren Leinwänden verschiedene Filme anbieten können. Die Verleihmiete für diese Filme ist denn auch geringer als die der aktuellen Blockbuster, die unter Umständen auch schon nach kurzen Auswertungszeiten aus den Kinos verschwinden ("Titanic" war und ist die große Ausnahme).
Das Luxuskino ist ein Konzept, das zu einem höheren Eintrittspreis umfangreichen Service vom Parkservice über die Garderobe bis hin zur luxuriösen Einrichtung des Kinosaals mit Bar, Tischen und Bedienung sowie beste Ton- und Bildqualität auf großen Leinwänden bietet. Als Luxuskino lassen sich insbesondere alte Uraufführungskinos mit einem oder zwei Sälen (wie z.B. die Essener Lichtburg) umstrukturieren.
Der HDF erwartet weniger Investitionsruinen bei den MPe als vielmehr eine Konzentration des Kapitals; daß "wie im Einzelhandel am Schluß Karstadt Hertie kauft." Wann die Sättigungsgrenze erreicht, läßt sich nicht schätzen, der Markt ist jedoch nicht unendlich aufteilbar, zumal das anvisierte Ziel , neue Besuchergruppen ins Kino zu "locken" bislang nicht erreicht wurde. Der bundesdeutsche Durchschnitt von 1,7 Kinobesuchen pro Einwohner im Jahre 1997 ist im internationalen Vergleich eher mittelmäßig (bei Werten von z.B. 2,6 in Frankreich, 2,7 in Großbritannien oder 3,2 in Irland; ganz zu schweigen von 5,2 in den USA) wenngleich hier auch eine Steigerung erkennbar ist (1995: 1,52; 1996: 1,62).
Die oben beschriebenen neuen Entwicklungen und Konzepte könnten hier ansetzen und mit dem Luxuskino auch ein älteres Publikum ansprechen, das bisher gerade von den MPe als Hort der Jugendlichkeit und der jugendorientierten Freizeitkultur eher abgestoßen wurde. Somit würde ein nicht erreichtes Ziel der MP-Betreiber von den Betreibern der traditionellen Häuser verwirklicht.
Die deutschen MP-Betreiber werden ihre weitere Expansion verstärkt international ausrichten. Die Flebbe-Gruppe eröffnete 1998 bereits seine ersten MPe im europäischen Ausland.
Anhang
(a) Grafiken Grafik 1
Indexergebnisse bezogen auf Besucher In Multiplexregionen der ersten Generation
Grafik 2
Multiplex-Besucheranteil an Gesamtkinobesucher in Multiplexregionen nach Generationen
Anhang
(b) Literatur
Literatur:
Bähr, Rolf: 7 Jahre Multiplexe - Die unendliche Geschichte ?, Berlin, 1997
Pätzold, Ulrich und Röper, Horst: Konzentrationstendenzen in der Filmbranche, in: Media - Perspektiven 4/93
Bähr, Rolf und Neckermann, Gerhard: Kinostruktur und Multiplexentwicklung, in: Media - Perspektiven 3/97
Kulturausschuß des deutschen Städtetages: Multiplexkinos in der Stadt -Bestandsaufnahme-Probleme-Perspektiven, Landshut, 1998
Nickel, Andrea und Ogbamichael, Huria: Thesenpapier - Thema: Filmtheaterbetreiber/Hans Joachim Flebbe, Bochum, 1998
Quellen des Zahlenmaterials:
Bähr, Rolf: 7 Jahre Multiplexe - Die unendliche Geschichte ?, Berlin, 1997
Bähr, Rolf und Neckermann, Gerhard: Kinostruktur und Multiplexentwicklung, in: Media - Perspektiven 3/97
Pätzold, Ulrich und Röper, Horst: Konzentrationstendenzen in der Filmbranche, in: Media - Perspektiven 4/93
Flebbe - Geschäftsbericht 1997
FFA - Intern Nr. 1/98
FFA - Intern Nr. 2/98
HDF - Geschäftsbericht 1997/1998
Nickel, Andrea und Ogbamichael, Huria: Thesenpapier - Thema: Filmtheaterbetreiber/Hans Joachim Flebbe, Bochum, 1998
Eigene Berechnungen
Pätzold, Ulrich u. Röper, Horst: Konzentrationstendenzen in der Filmbranche, in: Media - Perspektiven 4/93, S.170
Der HDF geht allerdings davon aus, daß entgegen den vor einigen Jahren ausgesprochenen Empfehlungen zur Modernisierung an die Betreiber der traditionellen Häuser dies auch kein Patentrezept zur langfristigen Sicherung der Existenz dieser Kinos darstellt.
Bähr, Rolf u. Neckermann, Gerhard: Kinostruktur und Multiplexentwicklung, in: Media - Perspektiven 3/97, S.120ff
Nickel, Andrea und Ogbamichael, Huria: Thesenpapier - Thema: Filmtheaterbetreiber/Hans Joachim Flebbe, Bochum, 1998
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