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Ich will in dieser Arbeit einen Überblick über das Bild geben, das der Europäer sich im Laufe der Jahrhunderte vom "Afrikaner" gemacht hatte, und was noch heute von diesem Bild geblieben ist.
Voraussetzung für das Verständnis des heutigen Rassismus ist, dass man die geschichtliche Entwicklung des Bildes kennt, das sich der Europäer vom Afrikaner gemacht hat. In diesem Sinn ist die vorliegende Arbeit ein Beitrag gegen den Rassismus. Ich will mit dieser Arbeit beim Leser das Bewusstsein wecken, dass die Diskriminierung der Schwarzen in dieser eurozentristischen ausgerichteten Welt auf eine lange Tradition gründet, und ich will auch seine Entwicklung zeigen. Ich will bewusst machen, dass man immer von seiner Kultur aus schaut, dass es aber auch möglich ist, seinen Standpunkt zu überdenken.
Schon ganz am Anfang des Themenevaluationsprozesses stand die Idee eines Überblickes. Doch das Thema, das ich zuerst wählen wollte, war viel weiter gefasst: "Wie sieht der Europäer den Anderen?" Mit der Zeit aber, nachdem ich mich etwas in dieses Thema eingelesen hatte, merkte ich, dass es viel zu breit war für eine Sammeltagsarbeit. Ich fokussierte also folgendes Teilgebiet: "Was ist das Afrika-Bild der evangelischen Basler Missionare um die Jahrhundertwende?". Aber hier erschien das Problem gegenteiliger Art: nachdem ich einige Zeitschriften der Basler Missionsgesellschaft durchgeschaut hatte, bemerkte ich, dass es vermutlich doch zu wenig Stoff abgegeben hätte, da nicht besonders viel über den Afrikaner geschrieben wurde (Siehe 4.3.). Im übrigen hatte ich zuwenig Kenntnis über den religiösen Hintergrund der Mission.
Eine Arbeit über das Bild, das sich der Europäer vom Afrikaner machte, bot sich nun an, da ich die Themen und Quellen, in die ich mich nun eingearbeitet hatte gut integrieren konnte.
Ich habe eine Einteilung in grosse Zeitabschnitte gewählt. Diese erschien mir für ein zeitlich so weit gefasstes Thema sinnvoll, da ich diese Zeiträume in thematische Teilgebiete unterteilen konnte.
Die alten Griechen kannten eine Vielzahl von fremden Völkern, die ausserhalb ihres eigenen Lebensbereiches angesiedelt waren und deren Lebensgewohnheiten ihnen unverständlich und unerklärlich erschienen. Um sich von ihnen abzuheben, betrachteten sie diese Völker als kulturlos oder gar als nicht-menschlich. Barbaren nannte man zunächst jene, deren Sprache als unartikuliertes Gestammel empfunden wurde. Und da im Prinzip alles Nicht-Griechische als Unkultur empfunden wurde, sprach man den Barbaren das ab, was für das griechische Verständnis kulturspezifisch war: die Gesetze. Diese scheinbare Gesetzlosigkeit begründeten sie mit der den Barbaren eigenen Irrationalität und ordneten diese mehr der animalischen denn der menschlichen Sphäre zu. Der Barbar war somit ein irrationales, wildes, triebhaftes, sprachloses und gesetzloses Wesen mit animalischem Umgang.
Solchen Klischeevorstellungen, oder Fremdvölkerstereotypen, liegt ein Prinzip des Ethnozentrismus zugrunde, der in allen Gesellschaftsformen anzutreffen ist: die in einer sozialen Gruppe, sei es Stamm, Volk oder Kulturkreis, vertretene Weltanschauung, wird zu einem universellen Massstab erhoben, und der Andere wird demgegenüber als minderwertig, bedrohlich oder paradiesisch gewertet.
Der Grieche unterschied zwei Kategorien von Menschen: jenen im Kulturkreis der Hellenen und den kulturlosen Barbaren. Für die Römer war die Übernahme der griechischen Vorstellung anfänglich problematisch, da die Römer gemäss dieser Kategorisierung zu den Barbaren zählen würden. Dieser Makel wurde durch eine Einteilung in drei Kategorien - Griechen, Römer und Barbaren -behoben; und als Rom an Bedeutung gewann und schliesslich an Wichtigkeit die griechische Kultur übertraf, wurde die Zweiteilung der Menschheit analog zur hellenistischen Tradition wieder aufgegriffen. Der barbarus war zum Synonym des Nicht-Römers geworden, der kulturlos war, nur Kauderwelsch sprach und sich primär durch seine Wildheit auszeichnete.
Diese Charakterisierung überdauerte die Verbreitung des Christentums[2] und blieb bis ins Mittelalter bestehen, da die griechisch-römische Tradition auch im Christentum "verpackt" weiterlebte. In dieser Zeit ergänzten sich der religiöse und kulturelle Zentrismus: der Heide und der Wilde wurden, als Nachfahren der Barbaren, der christlichen humanitas und der abendländischen Kultur diametral entgegengesetzt.
Neben den Heiden und Barbaren, die trotz aller Unkultur, immerhin als Menschen galten, kannte die griechisch-römische sowie die mittelalterliche Tradition noch allerlei Völker, von denen man letzteres nicht behauptete: Mundlose, Kopflose, Einäugige, Hundsköpfige und Schattenfüssler, deren einziger Fuss so gross war, dass sie ihn auf dem Rücken liegend als Sonnenschirm benutzen konnten. Diese Kreaturen inspirierten Enzyklopädisten, Kosmografen und Reiseschriftsteller während des ganzen Mittelalters bis in die Neuzeit und halfen nicht gerade, den Klischeevorstellungen Einhalt zu gebieten.
In der griechisch-römischen Tradition wurden aber nicht alle ausserhalb des eigenen Kulturkreises angesiedelten, real existierenden oder fabulösen Völker als wilde, ungesittete Barbaren oder gar als Monster verschrien. Die bei den Barbaren stets festgestellte Gesetzlosigkeit wurde teilweise aber auch als Idealzustand einer "natürlichen" Lebensweise gepriesen werden. So galten die Athiopier als besonders grosswüchsig und als aussergewöhnlich schöne Menschen.[4] Man nannte sie fromm und gottgefällig, sie erfreuten sich eines besonders langen Lebens, und ihr Glück und ihre Zufriedenheit waren nahezu sprichwörtlich. Agatharchides von Knidos begründete dieses Glück und diese Zufriedenheit so:
"Denn sie besitzen das Lebensnotwendige und streben nicht nach mehr. Jeden einzelnen beunruhigt es aber nicht, wenn ihm das, was er nicht kennt, fehlt, sondern wenn ihm die eilende Begierde die Gelegenheit nimmt zu geniessen, wonach er aus freiem Willen verlangt. Daher wird jener, der alles hat, was er will, nach dem Gesetz der Natur, nicht nach dem Urteil der öffentlichen Meinung glücklich sein." [5]
Auch Cäsar wendet in seinem Werk "De bello gallico" die Primitivität barbarischer Lebensumstände immer wieder ins Positive: Die Einfachheit der Existenzform bei "unzivilisierten" Völkern erweise sich als vorteilhaft zur Ertüchtigung des Körpers; die Kargheit der Natur führe zu engen zwischenmenschlichen Kontakten und fördere damit die Tugend der Gastfreundschaft; das Fehlen von Ackerbau und persönlichem Besitz habe den Wegfall von Neid und Missgunst zur Folge.[6]
Dieses Motiv des "edlen Wilden" zieht sich durch die ganze europäische Geistesgeschichte und kontrastiert mit dem Bild des "Barbaren". Dieses Stereotyp entspringt der Sehnsucht, aus den eigenen, als Gefängnis empfunden Gesellschaftsnormen auszubrechen, und idealisiert den "edlen Wilden" als Symbol für einen unkorrumpierten Urzustand. Beide Stereotype sind aber auf dem Ethnozentrismus aufgebaut und bestehen nebeneinander, ohne dass das Bild des "edlen Wilden" dasjenige des "Barbaren" in Frage stellen würde.[7]
Mit dem Niedergang des Römischen Reiches schwand das Interesse des Abendlandes an Afrika, aber das Erzählte sickerte durch die Zeit und liess, zu Beginn der Aufklärung, für den Grossteil der europäischen Bevölkerung, die keine Bücher lasen und in weiter Entfernung zu den Hafenstädten lebten, den Begriff "Afrika" zum Synonym des Unbekannten schlechthin werden: hier bezeichnete das Wort eher ein entlegenes Fabelreich, das man sich mit grosser Phantasie mal bedrohlich, mal verführerisch vorstellte, denn eine Realität.[8]
Mit den Entdeckungsfahrten der Portugiesen entlang der afrikanischen Westküste, die primär der Erschliessung des Handels mit Indien dienten, kamen auch Beschreibungen der Westküste und Südafrikas auf. Die Entdecker beschrieben vor allem die Fauna und Flora, insbesondere die essbaren Früchte, Kräuter und Tiere. Am Eigenleben ihrer afrikanischen Handelspartner und Sklaven waren sie lange Zeit nicht sonderlich interessiert. Sie wurden eher nebenbei in einem Exkurs erwähnt; so wie in diesem deutschen Reisebericht von 1509:
"Wir sahen in diesem Königreich und Inseln wunderbar onschamhafft menschen beyderlei geschlecht undereinander als die wilden Thyr: etlich allein die Scham bedecken / die andern nackend / all schwartz als die wir bei uns Moren nennen umblaufen. Ire wonungen und hüser geleichen sich den Hütten als die armen dorfleut in unseren landen über die backöffen machen: welche hüser die inwoner noch irem willen tragen wo hyn sie zü wonen lust haben".
Bei der Beschreibung der "Hottentotten", die als besonders hässliches und "barbarisches" Volk - überdies noch als "viehisch", "bestialisch", "säuisch", sowie ausgesprochen "faul und träg" beschrieben - in den Reiseberichten auftauchen, werden unter den Deutschen Besuchern Zweifel wach, ob deren Sprache überhaupt menschlich sei, da sie "weder geschrieben noch gelesen werden [kann], weil sie mit der Zunge so offt knallen" Eine Religion wird ihnen glatt abgesprochen denn:
"Sie haben kein Buch, wissen nichts von lesen und schreiben, nichts von Gott und seinem heiligen Wort: Hier ist keine Kirch, keine Tauff noch Nachtmahl, kein Priester noch Absolution, kein Gesetz noch Evangelium, sind also die elendesten Leute unter der Sonnen, sie können auch keine Sprache lernen, ausser diese, welche sie von ihren Müttern gehört, so ist auch niemand der sie verstehen kan". [11]
An diesem Beispiel sieht man gut, wie sehr der Autor die andere Kultur an der Eigenen misst und aufgrund des Fehlens von - seiner Ansicht nach - wichtigen Einrichtungen und Gebräuchen die ihm fremde Kultur diskriminiert.
Verallgemeinernde, pejorative Begriffe zur Bezeichnung von fremden Menschen wurden mit Vorliebe dann verwendet, wenn die Kulturbegegnung von seiten des Europäers intellektuell nicht zu bewältigen war. Solche Stereotype fanden in zweifacher Art Verwendung: Zur Aushöhlung juristischer und kommerzieller Absprachen oder um im nachhinein das eigene unrechtmässige Verhalten vor sich selbst zu rechtfertigen.[12]
Ein etwas späterer Reisender, der ehemalige "Geheimschreiber in Staats und Justizsachen" der Kompanie auf Ceylon, Johann Christoph Wolf, der von den "Hottentotten" wie von Haustieren spricht, weist auf die (spätere) "Verwendung" der Afrikaner als "Nutztiere" in den Kolonien hin:
"Was der Hottentotte durch seine unreine Lebensart hässlich macht, das macht er durch seine aufrichtige Treue und Liebe zu den Europäern, hundertfach wieder gut. Aus dieser Ursache wird er auch nicht unter Dienstbarkeit, vielweniger in Sklaverey, sondern frey gehalten".[13]
In der Aufklärungszeit wurde in Gelehrtenkreisen viel über die Abstammung der verschiedenen Rassen und deren Abstufung diskutiert. Die Monogenisten, die eine Mehrheit bildeten, vertraten die Ansicht, die gesamte Menschheit stamme von einem einzigen Elternpaar ab. Die Polygenisten hingegen, die sich vorwiegend aus Kreisen rekrutierten, die an der Sklaverei in irgendeiner Weise interessiert waren und sich vornehmlich in England, Westindien und in den amerikanischen Südstaaten befanden, versuchten, das Gegenteil zu beweisen. Sie stützten sich auf ein Werk aus dem Jahre 1655, das behauptete, dass es vor Adam und Eva sogenannte Präadamiten, die zusammen mit den Tieren am fünften Schöpfungstag geschaffen worden waren, gegeben habe, von denen die "farbigen" Völker abstammen. David Hume brachte überdies Rasse und Kultur in einen Kausalzusammenhang, indem er sich in seinem Essay "Of National Character" äusserte:
"Nie hat es eine zivilisierte Nation oder ein durch Taten und Forschergeist ausgezeichnetes Individuum gegeben, deren Merkmal nicht die weisse Hautfarbe gewesen wäre Hätte die Natur nicht eine ursprüngliche Unterscheidung der Menschenarten geschaffen, wäre eine so eindeutige und andauernde Verschiedenheit zwischen Weissen und Farbigen nicht erklärlich".[15]
Obwohl die Antisklavereibewegung, durch viele Gelehrte unterstützt, Auftrieb erhielt und im selben Grad die Vertreter polygenetischer Deutungen zurückging, blieb der "Wilde" für viele tierähnlich, oder galt als Abkömmling des Affen. Selbst Monogenisten führten nachträglich eine Unterscheidung zwischen Körper und Geist ein, die es ihnen gestattete, den Eingeborenen physisch als Mensch, intellektuell aber als Tier einzustufen.
Carl von Linné klassifizierte in seinem "Systema Naturae" den homo sapiens in die Untergruppen des wilden Mannes (Ferus), des Indianers (Americanus), des Europäers (Europäus), des Mongolen (Asiaticus), und des Afrikaners (Afer). In die Untergruppe "Ferus" gehörten noch allerlei Monster, wie die Patagonier, die "Hottentotten", die kanadischen Indianer und die Chinesen.[16]
Vorstellungen, wonach die schwarze Hautfarbe schlicht Zeichen einer diabolischen Abkunft sei und die Schwarzen dementsprechend handeln, waren in weniger gebildeten Kreisen häufig. Noch verbreiteter dürften Vorstellungen gewesen sein, wonach die schwarze Bevölkerung ihre Hautfarbe von den von Gott verfluchten Stammvätern Cham (oder Kain) erhalten hätte. Diese Abstammungstheorie diente v.a. den Buren als Rechtfertigung ihrer Vorherrschaft, was heute noch weiterwirkt.
Die anthropologische Forschung verliess sich nicht nur auf die Hautfarbe, sondern versuchten anhand von Kopfform, Gesichtswinkel, Nasenform, Proportionen der Gliedmassen, Körpergrösse, Grad der Körperbehaarung, usw. eine Einteilung der Afrikanischen Völker. Aufgrund solcher Messungen schlossen die Anthropologen immer wieder auf eine vermeintliche geistige Unterlegenheit der Afrikaner.
Mit den vorwiegend portugiesischen Entdeckungsfahrten im 15. Jh. an der afrik.Westküste setzte auch der Sklavenhandel ein, der das Bild, das der Europäer vom Schwarzen hatte, stark prägte.
Im Jahre 1452 erteilte der Papst Nikolaus V. Portugal die Vollmacht über die "heidnische" Welt und legitimierte die Sklaverei mit den Worten:
"Wir erteilen Dir kraft unseres apostolischen Amtes die freie und unbeschränkte Vollmacht, die Sarazenen und Heiden und andere Ungläubige und Feinde Christi () in ewige Sklaverei zu versetzen."[17]
So wurde, durch das riesige Ausmass des Sklavenhandels, der ganze Landstriche entvölkerte, der Schwarze fast Synonym zum Sklaven. Heute noch hört man in der Umgangssprache den Ausdruck "Ich bin nöd din Neger", der zu verstehen geben soll, man sei kein Sklave, der bediene.
Schon zu Beginn der Handelstätigkeiten an der afrikanischen Westküste war der Sklave als Handelsware begehrt, im Jahre 1500 ist ein "Umsatz" von etwa tausend Sklaven verbürgt.[18] Eine weitgehende Übereinstimmung der feudalwirtschaftlichen Verhältnisse und die gemeinsame Tradition des Sklavenhandels - beide kannten das Haussklaventum - begünstigten die Entwicklung der ersten europäisch-afrikanischen Kulturkontakte.
Anfangs des 18. Jahrhunderts benötigten die amerikanischen Kolonien auf den grossen Plantagen viele Arbeitskräfte, die mit Importen von Sklaven aus Afrika gedeckt wurden.
Als die wirtschaftliche Notwendigkeit[20] für den Sklavenhandel zurückging, konnten sich auch moralische und ethische Argumentationen durchsetzen, die sich gegen den Sklavenhandel wandten und schliesslich zu dessen Verbot führten.
Für die Zeit vor dem 17. Jh. schreibt Amin:
"In dieser Epoche erscheint Schwarzafrika nicht als zurückgeblieben, nicht als schwächer als der Rest der Alten Welt. Ungleichen Entwicklungsniveaus innerhalb Afrikas entsprechen ungleiche Entwicklungsniveaus im Norden der Sahara, südlich und nördlich des Mittelmeers."
Selbst später noch hat es ein "Gleichgewicht der Kräfte" [23] gegeben, welches erst mit der intensiven Kolonialisierung gestört wurde.
Mit dem Einsetzen der Kolonisation des afrikanischen Kontinents, die der Stärkung des machtpolitischen Einflusses der Nationalstaaten und deren Bereicherung diente, wurden Inferioritätstheorien zur Grundlage der wirtschaftlichen Ausbeutung. Der Kolonisator wollte mit dem gewaltsamen Eindringen in den Kontinent primär die Arbeitskraft des Afrikaners ausnützen. Mit den grossen Handelsgesellschaften kam eine neue Denkweise auf, die kapitalistisch bestimmt war, und eine rein wirtschaftliche Bewertung des Afrikaners anstrebte. Die Menschen wurden zum Rohstoff der wirtschaftlichen Entwicklung der Kolonialmächte.
Europäische Investoren erkannten, dass die Ausbeutung der Arbeitskraft der Afrikaner an Ort und Stelle rentabel war: "Kapitalanlage in Menschen warf in Ostafrika die grössten Profite ab, in der Regel nicht unter 100%."[24]
Hegel bestätigt dieses Denken indem er Mitte des 19. Jahrhundert den "Neger" wie folgt charakterisiert:
"Der Neger stellt den natürlichen Menschen in seiner ganzen Wildheit und Unbändigkeit dar; von aller Ehrfurcht und Sittlichkeit, von dem, was Gefühl heisst, muss man abstrahieren wenn man ihn richtig auffassen will."[25]
P. Rohrbach, Autor der Siedlerzeitung "Deutsch-Ostafrikanische Zeitung" und Hauptredner beim Deutschen-Kolonial-Kongress 1910, schreibt, dass die Frage nicht laute:
"Wie bringen wir den Neger dazu, dass er arbeitet?, sondern so: Wie bringen wir den Neger dazu, dass er mehr produziert als seinem gegenwärtigen primitiven Bedürfnissen entspricht? Erst mit dem zu schaffenden Quantum solchen Mehrwerts können wir mit einer wirklichen kolonialen Eingeborenen-Produktion rechnen. Um aber diese in Gang zu bringen, wird es nicht ohne Zwangsmittel abgehen."[26]
Solche und ähnliche Überlegungen, die den Afrikaner auf seine Arbeitsleistung reduzieren, waren in Kolonialkreisen das Übliche.
Der traditionelle "Hackbau" (eine Subsistenzwirtschaft) der Einwohner des damaligen "Deutsch-Ostafrika" erschien den Kolonisten als wirtschaftliche Unterentwicklung.[27] Es war ihnen unerklärlich, dass der Einwohner sich auf das Lebensnotwendige beschränkten und sie stuften sie in der Folge als "träge", "faul" und "nachlässig" ein. Sie verstanden eine ihnen fremde Mentalität nicht, und werteten die Anderen als "unterentwickelt" und somit als minderwertig.
Die Meinung, die schwarze Rasse sei sowohl in wirtschaftlicher, als auch in geistiger, sittlicher und sozialer Hinsicht unterentwickelt, wurde dem Afrikaner anerzogen. Dies lässt sich gut an Aussagen Booker T. Washingtons zeigen, der als Sklave in Virginia geboren wurde. Washington - gemäss zeitgenössischer Charakterisierung als "Pädagoge, Negerführer und Wohltäter der schwarzen Rasse" beschrieben - hat die koloniale Arbeitserziehung beeinflusst.[28] Er beschreibt sein Konzept der "Emporentwicklung der schwarzen Rasse" als einen "langsamen, aber sicheren Vorgang, der darin besteht, schrittweise aufzusteigen durch alle Stufen gewerblicher, geistiger, sittlicher und sozialer Entwicklung, die jede Rasse durchgemacht haben muss, welche unabhängig und stark geworden ist."
Trotz der Jahrhunderte andauernden Blüte vieler Königreiche, wurde Afrika als ein Kontinent ohne "Hochkulturen" und somit als "geschichtlich ärmer" als Europa eingestuft. 1891 erschien in der "Berliner Zeitung" der folgende Artikel eines preussischen Akademikers:
"Afrika bedeutet uns nach neuzeitlicher Ansicht, soweit es von Negern bewohnt wird, keinerlei Geschichtliche Rätsel () Vor den Arabern gab es weder eine organisierte Staatenbildung noch eine einheitliche Religion, noch entwickeltes Gewerbe Wenn wir Kolonialisten heute mit unseren Pflügen die Afrikanische Erde aufreissen, so wird aus der Furche keine alte Waffe auftauchen. () nirgends auf alte Gräber stossen; () nirgends auf die Fundamente eines alten Palastes stossen. Afrika ist geschichtlich ärmer, als irgend eine Phantasie sich vorstellen kann. Neger-Afrika ist ein rätselloser, geschichtlicher Erdteil."[30]
Ich habe Publikationen von Missionsgesellschaften aus der Zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter die Lupe genommen, da die Missionare in den afrikanischen Kolonien mit der Bevölkerung den engsten Kontakt pflegten, und weil der Missionar in der europäischen Bevölkerung angesehen war, da er eine christliche Pflicht erfüllte. Das Bild, das er vom Afrikaner zeichnete, hatte somit Einfluss auf die europäische Meinungsbildung.
Die Missionen erfüllten ihren ganz eigenen Zweck im Kolonialsystem, nämlich die "Hebung der Kulturstufe" und die "Erziehung zur Arbeit" auf den Plantagen; eine eigentliche "seelische Unterwerfung"[32], die den "inneren Gehorsam" gegenüber der Kolonialmacht erzwingt. Die Missionen sollten den Afrikanern jene europäischen Werte anerziehen, die es ermöglichten, sie als Auszubeutende ins kapitalistische Wirtschaftssystem zu integrieren.
Der Afrikaner als Mensch mit seinen Gefühlen, seinem Denken und Glauben, spielt in den Missionspublikationen eine unwesentliche Rolle; es wird vor allem über die Missionare selber, über "Resultate" und Probleme der Missionierung geschrieben; der Afrikaner ist Objekt selbstloser Missionierung. Es finden sich immer wieder Beschreibungen von frommen Bekehrten und pauschale Charaktereigenschaften von "Heiden". Im Magazin der Evangelischen Basler Missiongesesllschaft "Der Heidenbote" schreibt ein Missionar von der Westküste Afrikas:
"(), und es hat sich denn auch deutlich gezeigt, dass die dortige Bevölkerung noch nicht reif und würdig wäre für einen Konstantin, der die christliche Religion als Staatsreligion erklären und energisch einführen könnte."[34]
Die Überzeugung, die bessere bzw. die einzig richtige Kultur und Religion zu haben, ist in den Missionszeitschriften überdeutlich sichtbar:
"(), besonders an Orten, die weit im Inland liegen, muss der Missionar die Seele der Kultur und der Entwicklung sein. Es ist ja eine Freude, wenn dem Volke die Augen aufgehen und ein Verlangen nach etwas Höherem sich kund giebt."[35]
Wie weit diese Überzeugung gehen kann, zeigt dieser Ausschnitt aus einem Bericht über eine Missionsschule in Christiansborg an der "Goldküste"[36]:
"Glücklicherweise kann gesagt werden, dass im allgemeinen afrikanische Schüler sich leichter in eine gewisse Ordnung fügen als europäische. Ich kann mir nicht recht vorstellen, dass es in Europa möglich wäre, so viele Schüler im Alter von 10 bis 25 Jahren und aus verschiedenen Stämmen zusammengekommen, so verhältnismässig leicht im Frieden unter sich zu erhalten, wie dies hier der Fall ist. Da merkt mans, dass die Neger nicht so anspruchsvoll sind, nicht so berechnend, sondern einfältiger, urwüchsiger, auch gleichgültiger und unwissender als europäische Schüler ihres Alters. Der Negerknabe ist nicht verwegen, hierzu fehlt ihm die nötige Umsicht, Energie und Ausdauer, der rechte Eifer. Nur in seltenen Fällen ist an diesem oder jenem so etwas zu entdecken; daran ist ihre Trägheit schuld. Deshalb kommt es verhältnismässig selten vor, dass sie sich gegenseitig ernstlich befeinden."[37]
Der Autor bemerkt einen an sich positiven Punkt, nämlich, dass so viele Schüler aus verschiedenen Stämmen friedlich nebeneinander leben, begründet aber dieses Verhalten mit Pauschalurteilen, die seinem negativen Stereotyp "des Negers" entsprechen. Umgekehrt könnte man sagen: der europäische Schüler würde aufgrund positiver Eigenschaften ein negatives Verhalten an den Tag legen.
In der Kolonialzeit wurden die "Naturwesen" zu "Naturkindern", die es zu erziehen galt. Die Jugendbeilage des "Evangelischen Heidenboten", der "Heidenfreund" schreibt 1901:
"Die erwachsenen Leute sind in Afrika nicht viel anders als bei uns die Kinder, ()"[38]
Die "wilden", "barbarischen" "Monster" verloren ihre tierische Irrationalität und Unkontrollierbarkeit, da die Europäer sich in ihrer Überheblichkeit gewiss waren, sie zähmen zu können.
Im 20. Jahrhundert steht der gesamte afrikanische Kontinent im Dienste Europas. Obwohl sich die afrikanischen Staaten (nach europäischem Vorbild) nach und nach für unabhängig erklären, bleiben sie im Einflussbereich Europas: eine wirtschaftliche und kulturelle Abhängigkeit tritt an die Stelle des direkten Kolonialsystems. Das gesamte Bildungsystem ist - eine "Errungenschaft" der Kolonialzeit - nach europäischem Vorbild aufgebaut und vermittelt europäische Werte; die Gefahr des "Naturwesens"[39] und "unberechenbaren Wilden" schien gebannt. Aber der "gezähmte Neger" schien dennoch das "Böse" seiner Vorfahren "im Blute" zu haben: J. Paas schreibt über das Priesterseminar in Uganda 1928:
"Man hat es hier mit Negerknaben zu tun, also mit Abkömmlingen jener Rasse, der infolge jahrhundertelangen Versunkenseins in Laster aller Art böse Gewohnheiten, die, wenn auch in mühevollem Ringen nach und nach überwunden, leicht doch wieder mit elementarer Gewalt hervorbrechen und das begonnene schöne Werk vernichten können."[40]
Aus den Darstellungen des Afrikaners zur Kolonialzeit als Wilder, als böser Zauberer, als gefährlicher Krieger, als friedlicher Träger, als Sklave, als Zögling der Mission oder als Angestellter der Kolonialverwaltung entwickelten sich Stereotype, die bis in die heutige Zeit reichen.
Es bildeten sich mit der Zeit viele Stereotype heraus (diese ausführlich zu besprechen fehlt aber der Raum in dieser Arbeit), so zum Beispiel der wilde, potente Sexprotz, der treue ("gezähmte") Diener (Onkel Tom, die "stummen Diener" und "Boys")[41], die wilde Schönheit und das hässliche "Affenweib". Trommelnde, tanzende Afrikaner mit dem Rhythmus "im Blut", dümmliche Kinder ("10 kleine Negerlein"), die sich im Busch herumtreiben, Sportskanonen, die "ganz Körper" sind, dankbare, fromme "Nickneger" , und die armen, kranken, hungrigen und unterernährten Kinder, die dankbar mit grossen unschuldigen Augen von den Plakatwänden starren; so verschieden diese Stereotype auch sind, sie haben etwas gemeinsam: der Schwarze wird - wenn nicht gerade dumm, so mindestens als dem Europäer an Intelligenz unterlegen dargestellt. Afrika gilt nach wie vor als "Naturkontinent", der aber, durch die wirtschaftliche Ausbeutung (von Europa), zum "Hunger- und Katastrophenkontinent" mutierte.
Mit dem Aufkommen der sogenannten Ethnopornos um die Jahrhundertwende, wurden die "onschamhafften", "nackten" (s. Zitat S. 2) Afrikaner immer mehr sexualisiert. Akzeptierte "wissenschaftliche" Bücher und ethnologische Postkarten, stellten dar, was im prüden Europa völlig undenkbar war, galt doch selbst der Blick auf das Knie einer (weissen) Frau als unanständig.[44] Fotografien von Afrikanerinnen mit nackten Brüsten in gestellten, aufreizenden Posen, führten zum Bild der willigen, "geilen Negerin" als Sexobjekt, das sich in den Köpfen der Europäer festsetzte und noch heute festsitzt. Aber nicht nur die Frau wurde auf die Sexualität reduziert, sondern auch der Mann wurde als überpotenter, lüsterner, triebhafter Konkurrent empfunden: Als die Franzosen nach dem 1.Weltkrieg das Rheinland auch mit schwarzen Soldaten aus ihren Kolonien besetzten, ging ein Schrei der Empörung durch Deutschland; In einer Resolution forderten alle Parteien (mit Ausnahme der USPD) den Rückzug der schwarzen Soldaten mit der Begründung:
"Die Deutschen empfinden diese missbräuchliche Verwendung der Farbigen als eine Schmach und sehen mit wachsender Empörung, dass sie in deutschen Kulturländern Hoheitsrechte ausüben. Für deutsche Frauen und Kinder - Männer wie Knaben - sind diese Wilden eine schauerliche Gefahr. Ihre Ehre, Leib und Leben, Reinheit und Unschuld werden vernichtet. Immer mehr Fälle werden bekannt, in denen farbige Truppen deutsche Frauen und Kinder schänden, Widerstrebende verletzen, ja töten "[45]
Obwohl sich keine Beweise dafür finden liessen, dass die farbigen Besatzungstruppen sich schlimmer aufführten, als die weissen, wurde das Bild des schwarzen Vergewaltigers rassisch begründet:
"Diebstähle und Geschlechtskrankheiten kommen bei Negern häufiger als bei weissen Soldaten vor, da sie den unmittelbaren Triebregungen weniger Widerstand leisten können."[46]
Das bekannte Kinderlied der "zehn kleinen Negerlein" prägte das Afrika-Bild mehrerer Generationen. Das "kleine Negerlein", in der doppelten Verkleinerungsform, wird als dumm, naiv, ungeschickt, selbstzerstörerisch, wertlos und sein Verschwinden wird als selbstverständlich dargestellt und im Spiel verharmlost. Eine ähnliche Ideologie vertreten auch verschiedene andere Kinderlieder, z.B. "Negeraufstand ist in Kuba".[47]
In vielen Kinder- und Jugendbüchern sowie in Comics, die in Afrika spielen, spielt der Afrikaner, der mit schwulstigen Lippen, grossen Augen, grossen Ohrringen, glänzender Haut, und wenn möglich noch mit Knochen im Kraushaar auftritt, eine untergeordnete Rolle. Afrika mit seinen "Eingeborenen" ist meist nur der Schauplatz, auf dem die Afrikaner meist nur dazu dienen, um die Intelligenz und Stärke der weissen Helden und Protagonisten (z.B. Tim und Struppi, Globi, Mickey Mouse etc.) zu beweisen: als treuer Gefährte, der dem Helden beisteht, als Statisten die es zu retten gilt, als Bedienstete (Träger, Ruderer, Dienstpersonal), Bewunderer oder als Bösewichte.
Der trommelnde, tanzende und singende Schwarze erscheint als "edler Wilder" (siehe 2.2.) der Nachkriegszeit. Das Traumbild des Afrikaners ist körperbewusst, gefühlvoll, frei von Zwängen und intellektuellem Ballast, hat selbstverständlich den Rhythmus "im Blut", tanzt, trommelt und singt phantastisch. Der international bekannte kameruner Musiker F. Bebey nimmt dazu Stellung:
"Europäer neigen oft dazu, einige bestimmte Aspekte afrikanischer Kunst herauszulösen, um sie zu grundsätzlichen Kriterien afrikanischer Kultur überhaupt zu erheben und festzustellen , dieses oder jenes sei 'afrikanisch', dieses oder jenes sei 'nicht afrikanisch'"[49]
Die afrikanische Kultur wird so zum Sammelbecken europäischer Sehnsüchte.
Kulturell-wirtschaftlich dominieren heute die sogenannten Modernisierungstheorien. Sie gehen in ihren Ursprüngen auf die Evolutionstheorien des 19. Jahrhunderts zurück, "die eine Abfolge von universalen Entwicklungsstadien konzipiert hatten, die die gesamte Menschheit durchschreiten müsste, um die höchstmögliche Entwicklung im Sinne einer optimalen Anpassung an gegebene und sich wandelnde Umweltbedingungen zu erreichen" [50]. Die westeuropäischen Industriegesellschaften wurden dabei als am weitesten fortgeschritten eingestuft, alle anderen Gesellschaften hätten demnach die Phasen der europäischen Entwicklung zu durchlaufen, um das Ziel der fortgeschrittenen, angepassten Industriegesellschaft zu erreichen. Dabei werden fünf Stadien von Entwicklung unterschieden: Traditionelle Gesellschaft - Gesellschaft in der Übergangsphase - 'take-off'- Phase- Entwicklung zum Reifestadium - Zeitalter des Massenkonsums.
Die dritte Welt ist demnach nur drittklassig und hat aufzusteigen. Diese stark eurozentristische Weltsicht wird noch heute an Schulen unterrichtet und ist weitverbreitet.[53]
Das ausgehende 20. Jahrhundert, hat einerseits immer mehr kritische, den eigenen Standpunkt hinterfragende Geister hervorgebracht, und einen Sprachgebrauch eingeführt, der "politically correct" ist, und in immer breiteren Schichten Anwendung findet. Andererseits besteht in der europäischen Bevölkerung eine latent rassistische Haltung mit all ihren Fremdvölkerstereotypen, die, vor allem in den Medien sichtbar, subtil zum Vorschein kommen, [54] und die auch in offen rassistische Bewegungen (Skinheads, Ku-Klux-Klans, etc.) umschlagen, welche auch immer wieder in der Politik Eingang fanden (Hitler), und immernoch finden (Le Pen, Haider, gewisse SVP-Vertreter u.ä.).
Es ist nicht zuletzt ein Verdienst all jener revolutionären Bewegungen, die eine Gleichberechigung der Menschen anstrebten, dass sich die "westliche" Gesellschaft immer mehr in Richtung kultureller Pluralität statt einer Hierarchie entwickelt.
Aber auch vermeintlich kritisch hinterfragende Autoren kommen in ihren wissenschaftlich angehauchten Büchern teilweise nicht aus den Vorurteilen heraus; ein ausgeprägtes Beispiel dazu ist Frank Böckelmann in seinem 1998 erschienenen Buch: "Die Gelben, die Schwarzen, die Weissen".
"Was die Schwarzen nicht zu wissen scheinen oder nicht wahrhaben wollen, ist, dass wir sie beneiden. Diese erregend schönen Männer und raubtierhaft gewachsenen Frauen, mit "weichen, üppigen Bewegungen" und blitzendem Lächeln. () Trotz der sieben ägyptischen Plagen, die sich Afrika unterworfen haben, sind sie sanft und ganz geblieben. Beredt spricht ihr ganzer Körper. () Arbeit erlangt keine Macht über sie. Das Nötige verrichten sie singend und lachend. () (Verliebte Schwarze gibt es nicht. Sätze wie "Sage mir dass du mich liebst" kommen nicht über ihre Lippen.)"
Beim Studium der Quellen und Zitate bemerkte ich die grosse Relevanz der Sprache. Die Formulierungen und Ausdrücke, die wir benutzen sind Ausdruck unseres Denkens, unserer Einstellung und sind geprägt durch unsere Kultur.[56]
Hier ein Beispiel des ugandischen Sozialwissenschaftlers Mamdani:
"Was macht 2 Millionen Norweger zu einem Volk, und ebensoviele Baganda zu einem Stamm? Ein paar Hunderttausend Isländer zu einem Volk und 14 Millionen Haussa-Fulani zu einem Stamm? Dafür gibt es nur eine Erklärung: Rassismus."[57]
Rassismus ist denn auch die Form, welche die Sicht des Europäers auf den Afrikaner lange Zeit bestimmte, und noch immer bestimmt. Doch wird heute das Problem benannt, und man versucht, z.B. in der Gesetzgebung, diese auf Ethnozentrismus aufbauende Form der Diskriminierung zu verringern.
Die Schwierigkeit, mit der ich bei dieser Arbeit zu kämpfen hatte, war, ein möglichst umfassendes Afrika-Bild zu zeichnen, ohne mich zu sehr in Details zu verlieren. Ich musste aber auch aufpassen, nicht nur die rassistischsten Zitate heraus zu picken, um nicht ein verzerrtes Bild entstehen zu lassen. Ich habe versucht, möglichst die n e u e n Ideen einer Zeit nachzuzeichnen, was aber nicht heisst, dass die alten Stereotype nicht a u c h vorkamen.
Heute noch stösst man häufig auf Vorstellungen, die in der griechisch-römischen Tradition wurzeln oder die aus der Kolonialzeit stammen: das Bild des unkontrollierbaren "Wilden" oder des affenähnlichen "Negers". Auch wenn in der Öffentlichkeit oder in den Medien solche Ausdrücke nicht häufig vorkommen und die Gesetzgebung (theoretisch) alle Menschen gleichbehandelt, kommt die Einstellung der Europäer gegenüber den Afrikanern oft subtil zum Vorschein. Zum Beispiel werden von der Polizei schwarze Menschen unabhängig von deren Auftreten eher kontrolliert, und dunkelhäutige Menschen haben kaum Chancen in einem Altersheim angestellt zu werden, weil viele alte Menschen sich bedroht fühlen. Allgemein kann man sagen, dass Schwarze sich doppelt beweisen müssen, um in unserer Kultur und Wirtschaftswelt akzeptiert zu werden.
Es macht mich traurig, bemerken zu müssen, dass die grossflächige Zerstörung der afrikanischen Kultur und Tradition den Europäern "gut" gelungen ist.
Eine Kultur verändert sich natürlich, wenn sie in Kontakt mit anderen steht, aber die europäisch-afrikanischen Beziehungen sind kein Austausch zwischen gleichberechtigten Partnern mehr, sondern eine einseitige Beeinflussung und Zerstörung der afrikanischen Kultur. Beispiele dazu gibt es zur Genüge: der Holocaust des Sklavenhandels (der durch sein Ausmass ganz Afrika veränderte), die systematische, willentliche Zerstörung der afrikanischen Gesellschaftsstrukturen durch die Missionare (um die christliche Religion zu predigen), die Einführung eines Schulsystems, das, europäische Werte vermittelnd, die Erziehung übernimmt und durch die Schaffung von afrikanischen Eliten Afrika an das Gängelband der westlichen Wirtschaft nimmt. Afrika ist es nur erlaubt, die ehemaligen Kolonialherren nachzuahmen und deren Strukturen und Werte zu übernehmen. Es wird als selbstverständlich hingenommen, dass Afrika sich in die eurozentristische Welt zu integrieren hat!
Ich hoffe mit dieser Arbeit den Leser zur Hinterfragung solcher, als selbstverständlich angesehener Paradigmen angeregt zu haben.
Der Evangelische Heidenbote (Herausgegeben von der Direktion der Evangelischen Missions-Gesellschaft zu Basel), Jg. 1899
Der Heidenfreund (Jugendbeilage zum Evangelischen Heidenboten), Jg. 1901
AG "Rassismus und Medien" der Roten Fabrik Zürich. Schlagworte und Brandsätze? Rassismus medial aufbereitet - z.B. Tages Anzeiger. Zürich 1992
Bitterli, Urs. Die 'Wilden' und die 'Zivilisierten': Grundzüge einer Geistes- und Kulturgeschichte der europäisch-überseeischen Begegnung. München 1991 (1 1976)
Fröhlicher, Carmel. Der subtile Rassismus und seine Folgen. In: Tangram, Bulletin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus 8/2000, S. 51-55.
Gewecke, Frauke. Wie die neue Welt in die alte kam. Stuttgart 1986.
Harbsmeier, Michael. Wilde Völkerkunde: andere Welten in deutschen Reiseberichten der Frühen Neuzeit. Frankfurt a. M. 1994, S.73.
Markmiller, Anton. "Die Erziehung des Negers zur Arbeit" Wie die koloniale Pädagogik afrikanische Gesellschaften in die Abhängigkeit führte. Berlin 1995
Riepe, Regina und Gerd. Du schwarz ich weiss: Bilder und Texte gegen den alltäglichen Rassismus. Wuppertal 1992
Renschler, Regula u. Vermot, Ruth-Gaby (Herausgegeben von: Erklärung von Bern, Schulstelle 3. Welt). Unser täglicher Rassismus. Bern o. J.
Die Angaben sind haupsächlich aus: Gewecke, Frauke. Wie die neue Welt in die alte kam. Stuttgart 1986. S.60-65.
Die christliche Lehre ist in ihrem Ansatz von ethnozentristischer Diskriminierung frei, da alle Menschen vor Gott gleich sind: "Da nicht ist Grieche [Gentilis], Jude, Beschnittener, Unbeschnittener, Ungrieche [Barbarus], Szyte, Knecht, Freier, sondern alles und in allen Christus." (Paulus, Kol. 3:11; Luthersche Übersetzung; in Klammern der Urtext der Vulgata) Doch wurden, da der Neue Bund Exklusivcharakter besass, als Ausdruck eines religiös begründeten Soziozentrismus, Nicht-Christen (und somit auch Barbaren) als Fremdgruppe ausgegrenzt und an den Rand des menschlichen Daseins gerückt. Aus: Gewecke, S. 62.
Die Idee der Erneuerung des Römischen Reiches - und somit auch seiner Traditionen - stellte einen wichtigen Aspekt des universalen Herrschaftsanspruch des deutschen Kaisertums um die Jahrtausendwende dar. (Aus: Gewecke, S. 62)
Es gab noch andere Völker die idealisiert wurden: die Skythen und Hyperboreer im Norden und die Bewohner der Insel der Seligen im Westen.
Agatharchides von Knidos. De mari erythraeo libris excerpta, V (49) [55], Bd. I, S. 141; Zitiert in Gewecke, S.65.
Caesar. De bello gallico. Kap. VI, 21-23; Zitiert in: Bitterli, Urs. Die 'Wilden' und die 'Zivilisierten': Grundzüge einer Geistes- und Kulturgeschichte der europäisch-überseeischen Begegnung. München 1991 (1 1976), S. 371.
Sprenger, Balthasar. Merfart. vermutlich Augsburg 1509; Zitiert in: Harbsmeier, Michael. Wilde Völkerkunde: andere Welten in deutschen Reiseberichten der Frühen Neuzeit. Frankfurt a. M. 1994, S.73.
Wenn nicht anders vermerkt stützen sich die Angaben aus Bitterli, Die 'Wilden' und 'Zivilisierten', S. 325-342.
Zitiert in: Riepe, Regina und Gerd. Du schwarz ich weiss: Bilder und Texte gegen den alltäglichen Rassismus. Wuppertal 1992, S. 35.
Die Industrialisierung brachte die Mechanisierung der Landwirtschaft in Amerika, und somit ein Rückgang des Bedarfs an Sklaven in den Plantagen, und Sklavenjagden deshalb immer weniger gewinnbringend wurden.
Markmiller, Anton. "Die Erziehung des Negers zur Arbeit" Wie die koloniale Pädagogik afrikanische Gesellschaften in die Abhängigkeit führte. Berlin 1995, S. 70.
Amin, Samir. Die ungleiche Entwicklung. Essay über die Gesellschaftsformationen des peripheren Kapitalismus. Hamburg 1975, S.38f; Zitiert in: Markmiller, op. cit., S. 44.
"Wenn die Europäer Herren der See blieben, blieben die Afrikaner Herren des Landes und sorgten dafür, dass sich daran nichts änderte. Vor der Nitte des neunzehnten Jahrhunderts wurde dieses Gleichgewicht der Kräfte nie entscheidend zum europäischen Vorteil verändert" , in: Davidson, B., A History of West Africa, London, 1965, S. 223; Zitiert in Bitterli, S. 98.
Müller, F.F., Deutschland -Zanzibar - Ostafrika. Geschichte einer deutschen Kolonialeroberung 1884-1890, Ost-Berlin 1959, S. 90; in: Markmiller, S. 71.
Rohrbach, P., Deutsche Kolonialwirtschaft: Kulturpolitische Grundsätz e für die Rassen- und Missionsfragen. Berlin 1909, S. 46f; Zitiert in: Markmiller, S. 75.
Wegen der hohen Sterberate der Missionare in Afrika so genannt. Aus: Direktion der Evangelischen Missionsgesellschaft zu Basel (Hg.). Der Evangelische Heidenbote 3/1899.
Tania Blixen schreibt 1926 ihrer Mutter: "Es kommt mir so vor als hätte ich eine gewisse Gabe mit Tieren umzugehen - kannst du dich errinnern, wie in kurzer Zeit auch die Eule zahm wurde? Vielleicht ist es die gleiche Eigenschaft, die mich befähigt mit den Natives so gut auszukommen" (Blixen, Tania. Briefe aus Afrika 1914-1931. Stuttgart 1988. Zitiert in: Böckelmann, S. 318)
Nickneger sind kleine Automaten die nach dem Zweiten Weltkrieg in deutschen Kirchen verbreitet waren. Sie nickten wenn man ein Geldstück durch den Schlitz in die Kasse warf. Typische Aufschriften waren etwa so: "Willst du Heiden Hilfe schicken, So lass mich Armsten freundlich nicken! VERGELT'S GOTT!". Vgl. hierzu: Riepe, S. 147-153.
Vgl. hierzu: Renschler, Regula u. Vermot, Ruth-Gaby (Herausgegeben von: Erklärung von Bern, Schulstelle 3. Welt). Unser täglicher Rassismus. Bern o. J.
Rostow, W.W., Stadien wirtschaftlichen Wachstums - Eine Alternative zur marxistischen Entwicklungstheorie. Göttigen 1960.
Da die Kriterien für die jeweiligen Perspektiven wechseln, sehen die abgeleiteten Stadien der Entwicklung anders aus und wurden von verschiedenen Autoren unterschiedlich benannt. Jegliche Modernisierungstheorie rekurriert jedoch mehr oder weniger ausdrücklich auf den Systemansatz der Expansion, Differenzierung und Integration industrieller Konstitutionsweisen aus dem Equilibrationsmodell notwendig ableitet. Die Frage nach der Expansion des Typus der Industriegesellschaft ergibt sich aus der Konzeption einer "nachholenden Entwicklung". (Aus: Markmiller, S. 33)
Vgl. hierzu: AG "Rassismus und Medien" der Roten Fabrik Zürich. Schlagworte und Brandsätze? Rassismus medial aufbereitet - z.B. Tages Anzeiger. Zürich 1992 und Fröhlicher, Carmel. Der subtile Rassismus und seine Folgen. In: Tangram, Bulletin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus 8/2000, S. 51-55.
Zwar ist die Sprache noch immer nicht wertfrei und wird es auch nie werden, denn:
"Unser Sprachgebrauch ist Ausdruck unseres Denkens, unserer Einstellung, unseres Bewusstseins. Es ist geprägt durch historische, gesellschaftliche, soziale und kulturelle Zusammenhänge - und kann daher niemals als 'neutral' oder 'wertfrei' sein. Es geht daher nicht allein um den einzelnen Begriff, der - für sich genommen - ja nicht unbedingt rassistisch sein muss. Es geht darum, wie ein bestimmtes Wort inder deutschen Sprache generell benutzt und verstanden wird - und eben nicht darum, ob ich persönlich non diesen oder jenen Ausdruck rassistisch finde oder nicht:" Krüger-Baffoe, Barbro. Was kann denn ein Neger dafür, dass er ein Schwarzer ist. in: IAF - Informationen 4/91, Frankfurt a.M., S. 6; Zitiert in: Riepe, S.40).
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