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"Die deutschen Staaten werden unabhängig und durch ein föderatives Band miteinander verbunden sein.' Mit diesem Satz wurde nach der Niederringung Napoleons durch die europäischen Mächte im Ersten Pariser Frieden vom 30. Mai 1814 eine Vorentscheidung über die zukünftige staatliche Form Deutschlands getroffen. Nachdem das alte "Heilige Römische Reich Deutscher Nation' unter dem Ansturm des revolutionären Frankreich 1806 endgültig zusammengebrochen war und die damit verbundene "territoriale Flurbereinigung' in Mitteleuropa die jahrhundertealten Verhältnisse völlig umgewälzt hatte, ging es nun um die Schaffung einer neuen politischen und staatlichen Ordnung. Dabei waren verschiedene Interessen zu berücksichtigen: die europäischen Großmächte legten Wert auf ein stabiles, aber nicht zu starkes Deutschland, das in der Mitte Europas das Gleichgewicht der Mächte (balance of powers) gewährleisten sollte; die beiden deutschen Vormächte Österreich und Preußen strebten danach, ihren jeweiligen Einfluß in Deutschland zu festigen und nicht ins machtpolitische Hintertreffen zu geraten; die deutschen Mittel- und Kleinstaaten wollten einerseits ein einiges Deutschland als Schutzmacht nach außen, waren aber andererseits bemüht, ihre staatliche Existenz und ihre Souveränität im Innern möglichst ungeschmälert zu bewahren; schließlich meldete sich auch noch die deutsche Öffentlichkeit zu Wort, die, angeregt durch das nationale und liberale Pathos der "Freiheitskriege', einen deutschen National- und Verfassungsstaat forderte.
Angesichts dieser vielfältigen Interessen dauerte es nahezu acht Monate, bis auf dem Wiener Kongreß, auf dem die Vertreter von rund 200 Staaten und Herrschaften über die künftige Ordnung Europas berieten, eine Einigung über die sogenannte "deutsche Frage' zustande kam. Nach langen Verhandlungen wurde am 8. Juni 1815 die "Deutsche Bundesakte' verabschiedet, die in die am 9. Juni fertiggestellte Schlußakte des Wiener Kongresses eingefügt und damit unter internationale Garantie gestellt wurde.
Die Bundesakte legte in 20 Artikeln die Grundzüge der neuen Organisation Deutschlands fest. Der "Deutsche Bund' war danach kein Bundesstaat, sondern ein beständiger Staatenbund, dessen Zweck die "Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten' war (Art. 2). Insgesamt bestand der Bund bei seiner Gründung aus 38 souveränen Staaten, unter denen sich mit den Herzogtümern Holstein und Lauenburg, dem Großherzogtum Luxemburg und dem Königreich Hannover (bis 1837) auch Gebiete befanden, die ausländischen Herrschern, nämlich den Königen von Dänemark, den Niederlanden und Großbritannien unterstanden und von diesen im Bund vertreten wurden. Andererseits gehörten Österreich und Preußen dem Bund nicht mit ihrem gesamten Staatsgebiet, sondern nur mit ihren deutschen Provinzen an.
Das oberste Organ des Bundes war die ständige, aus den Gesandten der Mitgliedsstaaten bestehende Bundesversammlung in Frankfurt. Den Vorsitz führte der Vertreter Österreichs als "kaiserlich-königlicher Bundespräsidialgesandter'. Die Bundesversammlung war zuständig für die äußere und innere Sicherheit Deutschlands, sollte sich darüber hinaus aber auch mit sogenannten "gemeinnützigen Anordnungen', d.h. bundeseinheitlichen Bestimmungen und Gesetzen befassen. Darauf, so hieß es in der Wiener Schlußakte vom 15. Mai 1820, die als zweites "Bundesgrundgesetz' neben die Bundesakte trat, habe die Bundesversammlung "ihr anhaltendes Bestreben' zu richten (Art. 64).
Schließlich enthielten die beiden Bundesgrundgesetze auch wichtige Bestimmungen für die staatliche Ordnung in den Mitgliedsstaaten. Nach Artikel 13 der Bundesakte sollte in allen Bundesstaaten ein "landständische Verfassung' eingeführt werden. Aber der anfänglich möglichen freien Entwicklung der Verfassungen setzte die Wiener Schlußakte eine Grenze, indem sie alle Staaten auf das "monarchische Prinzip' verpflichtete. Danach mußte "die gesammte Staats-Gewalt in dem Oberhaupte des Staats', d.h. den souveränen Fürsten, vereinigt bleiben (Art. 57). Aber immerhin wurden die bereits eingeführten modernen Repräsentativverfassungen unter die Garantie des Bundes gestellt.
Waren die Befugnisse der Bundesversammlung somit recht weit gefaßt und ausbaufähig, so war der Deutsche Bund auf der anderen Seite doch ein sehr lockerer Staatenbund, dem wichtige Elemente eines modernen Staatswesens fehlten. Der Bund hatte weder ein Oberhaupt noch eine Exekutive (Bundesregierung), eine Volksvertretung (Parlament) fehlte ebenso wie ein oberstes Bundesgericht. Die Einzelstaaten blieben in ihren inneren Verhältnissen souverän und durften sogar Bündnisse mit fremden Staaten abschließen, solange sich diese nicht "gegen die Sicherheit des Bundes oder einzelner Bundesstaaten' richteten.
Zum einzigen relativ weit ausgebildeten Organ des Bundes wurde die Bundesarmee, die nach der Verabschiedung einer Bundeskriegsverfassung am 9. April 1821 aus Kontingenten der Mitgliedsstaaten zusammengestellt wurde. Im militärischen Bereich, in der Organisation und Ausrüstung des Bundesheers, in der Errichtung und Aufrechterhaltung von Bundesfestungen lag bis zum Ende des Deutschen Bundes einer der Schwerpunkte seiner Tätigkeit. Zu diesem Zweck bestanden seit 1818 ein ständiger Bundesmilitärausschuß der Bundesversammlung sowie eine ebenfalls ständige Bundesmilitärkommission aus Offizieren der sechs größten Staaten.
Die Eröffnung der Bundesversammlung fand am 5. November 1816 im Palais der Fürsten von Thurn und Taxis in der Eschenheimer Gasse in Frankfurt am Main statt. Der Deutsche Bund nahm seine Tätigkeit in der Absicht auf, den durch die Bundesakte vorgegebenen Rahmen auszufüllen. Anstöße zur föderativen Ausgestaltung des Deutschen Bundes im Sinne einer inneren Vereinheitlichung gab es vor allem von seiten der süddeutschen Mittelstaaten Bayern, Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt, in denen 1818-1820 moderne Repräsentativverfassungen eingeführt wurden. Eine Weiterentwicklung des Bundes scheiterte jedoch daran, daß die Bundesversammlung auf Drängen des österreichischen Staatskanzlers Klemens Lothar Wenzel Fürst von Metternich (1773-1859) seit 1819 einen reaktionären Kurs einschlug. Der Anlaß dazu waren die Aktivitäten der frühen deutschen Nationalbewegung, die seit 1814/15 einen deutschen Nationalstaat forderte. Bereits das Wartburgfest von 1817, auf dem nationale Einheit und konstitutionelle Freiheit gefordert worden waren, hatte die deutschen Monarchen alarmiert. Als dann am 23. März 1819 der Burschenschaftler Karl Ludwig Sand (1795-1820) in Mannheim den Schriftsteller und politischen Konservativen August von Kotzebue (1761-1819) ermordete, benutzte dies Metternich, um in den geheimen Karlsbader Konferenzen (6.-31. August 1819) eine Reihe von Reaktionsmaßnahmen durchzusetzen, die von der Bundesversammlung am 20. September 1819 beschlossen wurden. Diese sogenannten "Karlsbader Beschlüsse', die bis zur Revolution von 1848 in Kraft blieben, verboten die Burschenschaften, unterstellten die Universitäten einer ständigen polizeilichen Überwachung, führten die Zensur im gesamten Deutschen Bund ein, setzten eine "Zentraluntersuchungskommission' in Mainz zur Ermittlung von "revolutionären Umtrieben' ein und schufen eine Exekutionsordnung, die es dem Bund erlaubte, militärisch in den Einzelstaaten zu intervenieren.
Mit der Errichtung des Metternichschen "Diktatursystems' (Heinrich Lutz) in Deutschland wurde der Deutsche Bund zu einem "bevormundenden Polizeistaat' (Hans-Ulrich Wehler). Deutscher Bund und deutsche Nation wurden so zu unvereinbaren Gegensätzen. Besonders nach 1830 begegneten die liberalen und nationalen Kräfte dem Bund zunehmend mit Verachtung. Vor allem bei der radikalen nationaldemokratischen Opposition, die infolge der französischen Julirevolution einen kräftigen Auftrieb erhielt, wuchs der Haß auf den Deutschen Bund. Dieser sah sich durch die Bildung einer liberaldemokratischen, nationalen Oppositionspartei im "Preß- und Vaterlandsverein' und durch das Hambacher Fest von 1832 in besonderem Maße herausgefordert. Der Deutsche Bund reagierte auf die Demonstration gegen die "Tyrannei des Bundestages' und die Forderung nach deutscher Einheit und Freiheit mit einer weiteren Einschränkung der bürgerlichen Rechte und ausgedehnten Verfolgungsmaßnahmen gegen Liberale und Demokraten. Gegen diese politische Unterdrückung formierte sich in den Kreisen der Studenten und jungen Akademiker eine radikale Opposition, die versuchte, das System des Deutschen Bundes auf revolutionärem Wege zu beseitigen. Das Signal zu einem allgemeinen Volksaufstand sollte von einem Angriff auf die Bundesversammlung in Frankfurt ausgehen. Am 3. April 1833 stürmten etwa fünfzig Burschenschaftler die Wachlokale der Frankfurter Stadtpolizei an der Hauptwache und der Konstablerwache, doch brach der schlecht vorbereitete Aufstand rasch zusammen, da sich die Bevölkerung an der Erhebung nicht beteiligte.
Der Frankfurter Wachensturm lieferte dem Deutschen Bund den Anlaß für weitere Unterdrückungsmaßnahmen. Bereits am 15. April 1833 wurde Frankfurt mit 2500 Mann Bundestruppen belegt, und am 20. Juni 1833 setzte die Bundesversammlung eine "Zentralbehörde für politische Untersuchungen' ein, die bis 1842 gegen mehr als 2000 verdächtige Personen ermittelte. Am 12. Juni 1834 beschloß eine in Wien zusammengetretene Ministerialkonferenz die sogenannten "Sechzig Artikel', welche die landständischen Rechte und die Gerichtsbarkeit einschränkten sowie die Zensur und die Überwachung der Universitäten verschärften.
Es gelang dem Deutschen Bund auf diese Weise, die politische Opposition weitgehend auszuschalten, das staatenbündische System zu erhalten und die Autorität der Monarchen zu stärken. Der Preis dafür war die völlige Diskreditierung des Bundes bei der liberalen Nationalbewegung. Als diese sich 1848 anschickte, Einheit und Freiheit auf revolutionärem Wege herbeizuführen, brach der Deutsche Bund rasch zusammen. Nachdem am 18. Mai 1848 in der Frankfurter Paulskirche die erste frei gewählte deutsche Nationalversammlung zusammentrat, die eine parlamentarische Reichsregierung einsetzte und mit der Ausarbeitung einer freiheitlichen, bundesstaatlichen Verfassung für Deutschland begann, erklärte die Bundesversammlung am 12. Juli 1848 ihre Tätigkeit für beendet und löste sich auf.
Nach dem Scheitern der Revolution kam es 1850/51 zur Wiederbelebung des Deutschen Bundes. Die deutschen Regierungen versuchten dabei zunächst auf einer großen Konferenz in Dresden (23. Dezember 1850 bis 15. Mai 1851) eine umfassende Reform der Bundesverfassung (Volksvertretung, Bundesgericht, Bundesexekutive, Handels- und Zollunion) zu vereinbaren, doch kam keine Einigung zustande, so daß die alte Bundesverfassung von 1815/20 unverändert blieb. Einig war man sich hingegen bei der Einleitung einer erneuten Reaktionspolitik. Bereits im Sommer 1851 hob die Bundesversammlung die von der Frankfurter Nationalversammlung beschlossenen "Grundrechte des Deutschen Volkes' auf. Ferner wurden die 1848/49 in den Einzelstaaten eingeführten liberalen Verfassungen für unvereinbar mit dem Bundesrecht erklärt, worauf es in einer Reihe von Staaten zur Aufhebung dieser Verfassungen kam. Schließlich wurden 1854 durch zwei Bundesbeschlüsse die Presse erheblichen Einschränkungen unterworfen und die Vereins- und Versammlungsfreiheit bundesweit beseitigt.
Die Politik der Unterdrückung war allerdings nicht so durchschlagend und nachhaltig wie im Vormärz. Dies lag zum einen daran, daß Österreich und Preußen seit der Revolution in einen immer stärkeren Gegensatz gerieten, der sie am Bundestag in Frankfurt nicht mehr den Konsens, sondern die Konfrontation suchen ließ. Zum anderen kehrte die deutsche Gesellschaft nicht mehr in die vorrevolutionäre, häufig als "biedermeierlich' verspottete Lethargie zurück. Sie war nun vielmehr eine "Gesellschaft im Aufbruch' (Wolfram Siemann), zunächst in wirtschaftlicher, dann aber auch wieder in politischer Hinsicht. Die Nationalbewegung war nur vorübergehend geschwächt und erhielt wieder Auftrieb mit dem Beginn der sogenannten "Neuen Ara' 1858/59, als der Thronwechsel in Preußen die Hoffnung auf liberale Reformen aufkeimen ließ. Den endgültigen Zusammenbruch des Unterdrückungssystems des Bundes markierte die Gründung des Deutschen Nationalvereins (1859), der sich ungeachtet des bestehenden Verbots politischer Vereine rasch über große Teile Deutschlands ausbreitete.
Um der immer heftigeren Agitation für einen deutschen Nationalstaat zu begegnen, drängten die Mittelstaaten, allen voran Sachsen, Baden, Bayern und Hessen-Darmstadt, seit Mitte der 1850er Jahre auf eine tiefgreifende Reform des Bundes, deren Kernstück die Bildung einer Volksvertretung im Deutschen Bund sein sollte. Die Reformvorschläge mündeten in den von Österreich eingebrachten "Entwurf einer Reformakte des Deutschen Bundes', der auf dem Frankfurter Fürstentag vom 17. August bis 1. September 1863 von 27 Mitgliedern des Bundes angenommen wurde. Die Durchführung des Reformwerks scheiterte jedoch am Widerstand Preußens, dessen König Wilhelm I. (1797-1888) auf Drängen des seit September 1862 amtierenden preußischen Ministerpräsidenten und langjährigen Bundestagsgesandten Otto von Bismarck (1815-1898) die Einladung zum Fürstentag ausgeschlagen hatte. Preußen, das schon seit 1851 den inneren Ausbau des Deutschen Bundes blockierte, strebte unter Bismarck immer offener die Beseitigung der bisherigen Ordnung und die Aufteilung Deutschlands in eine preußische und eine österreichische Machtsphäre an. Für eine Reform des Bundes war in dieser Politik kein Platz mehr, da sie lediglich ein "Gebrechen' (Bismarck) verlängert hätte, an dem Preußen nach eigener Einschätzung schon viel zu lange gelitten hatte. Anstatt den Deutschen Bund zu stärken und ihn weiterzuentwickeln, lief die Politik Bismarcks darauf hinaus, das "föderative Band' von 1815 zu zerreißen - wobei er sich schließlich auch die Abneigung der nationalen und liberalen Kräfte gegen den Deutschen Bund zunutze machte.
"Wer die Geschichte kennt, wird es nicht bezweifeln: die Entstehung einer einzigen und unumschränkten Monarchie in Deutschland würde binnen kurzem das Grab der Freyheit von Europa.' Mit diesem Argument rechtfertigte der Göttinger Historiker Arnold Hermann Ludwig Heeren in einer Schrift von 1816 seine These, der Deutsche Bund sei "ein unentbehrlicher, ein nothwendiger Bestandtheil' des europäischen Staatensystems. Der Deutsche Bund könne, so Heeren weiter, der "Friedensstaat von Europa' genannt werden, weil er eine Machtzusammenballung in Deutschland und damit den Despotismus verhindere, die rechtmäßigen Dynastien stütze, die Vielfalt der Verfassungen gewährleiste und damit die politische Kultur vor der Einförmigkeit bewahre.
Es war eine der zentralen Absichten bei der Gründung des Deutschen Bundes, eine Ordnung zu schaffen, die dazu geeignet war, sowohl im Innern Deutschlands als auch auf europäischer Ebene den Frieden zu sichern. Schon die Präambel der Bundesakte hob den Wert des Deutschen Bundes "für die Sicherheit und Unabhängigkeit Deutschlands, und die Ruhe und das Gleichgewicht Europas' hervor. Der oberste Zweck des Bundes war die "Erhaltung der inneren und äußeren Sicherheit Deutschlands'. Der Bund war, so die Wiener Schlußakte, "das Band, welches das gesammte Deutschland in Friede und Eintracht verbindet'. Der ihm zugewiesenen friedensbewahrenden Funktion in Deutschland und Europa wurde der Deutsche Bund während der gut fünfzig Jahre seines Bestehens in bemerkenswerter Weise gerecht. Es gab in dieser Zeit keine einzige militärische Auseinandersetzung zwischen den deutschen Staaten und nur einen einzigen Krieg gegen eine fremde Macht, an dem sich der Bund als Gesamtmacht beteiligte (Bundeskrieg gegen Dänemark 1848/50).
Eine gewaltsame Lösung von Konflikten zwischen einzelnen Bundesstaaten war durch die Bundesgrundgesetze verboten. Die Bundesglieder verpflichteten sich, "einander unter keinerley Vorwand zu bekriegen', sondern ihre Streitigkeiten vor die Bundesversammlung zu bringen (Art. 11 der Bundesakte). Bereits am 16. Juni 1817 beschloß die Bundesversammlung eine sogenannte "Austrägalordnung', die die Beilegung von Konflikten durch ein vom Bund bestelltes Schiedsgericht regelte. Die Wiener Schlußakte von 1820 sprach ein ausdrückliches Verbot "jeder Selbsthülfe' aus (Art. 19). Diese Vorschriften wurden von den Mitgliedsstaaten während der gesamten Dauer des Bundes eingehalten. Allein von 1820 bis 1845 wurde in 25 Streitfällen ein Austrägalverfahren eingeleitet, so zum Beispiel in dem Konflikt zwischen Preußen und Anhalt-Köthen um den Elbzoll (1819-1822).
Die Bedeutung des Deutschen Bundes für die europäische Friedenssicherung ergibt sich schon unmittelbar daraus, daß die Bundesakte in die Wiener Kongreßakte aufgenommen wurde und somit einen Bestandteil der neuen europäischen Ordnung bildete. Der Deutsche Bund war zwar nicht direkt am "europäischen Konzert' der fünf Großmächte England, Frankreich, Österreich, Preußen und Rußland beteiligt, die bis in die 1850er Jahre hinein das Gleichgewicht der Mächte durch Konferenzen und Verträge zu bewahren wußten. Gleichwohl nahm der Bund eine zentrale Rolle im europäischen Staatensystem ein: Er verband die beiden deutschen Großmächte und neutralisierte für lange Zeit ihre machtpolitische Rivalität, die noch im 18. Jahrhundert zu mehreren Kriegen geführt hatte; er schützte die übrigen deutschen Staaten sowohl gegen den Zugriff von Österreich und Preußen als auch gegen fremde Mächte; er sicherte die Mitte Europas gegen die Großmächte Frankreich und Rußland; er verhinderte schließlich als Bund von vielen unabhängigen Staaten die Ausbildung einer einzigen aggressiven Hegemonialmacht in Deutschland selbst.
Die Militärmacht des Bundes war defensiv ausgerichtet, sie eignete sich schon von ihrer Organisation her nicht für einen Angriffskrieg. Das Bundesheer bestand nach der Bundeskriegsverfassung von 1821/22 aus zehn Armeekorps, und zwar drei preußischen, drei österreichischen, einem bayerischen und drei gemischten Korps aus Kontingenten der übrigen Staaten. Die Friedenspräsenzstärke belief sich zunächst auf 300000, ab 1855 auf 500000 Mann. Trotz des nominell imposanten Umfangs war das Bundesheer für offensive Operationen nicht geeignet, denn es gab weder einen ständigen Oberbefehl (der Oberfeldherr sollte erst im Kriegsfall gewählt werden) noch eine einheitliche Bewaffnung, Ausrüstung und Ausbildung der einzelnen Kontingente.
Das Bundesheer diente in erster Linie dazu, die Mitgliedsstaaten vor Angriffen von auswärtigen Mächten zu schützen. Bei einem militärischen Angriff auf einen deutschen Staat trat sofort der Kriegszustand für den gesamten Bund ein, der zur Hilfeleistung verpflichtet war. Es spricht für den Erfolg des Deutschen Bundes als Verteidigungsbündnis, daß das deutsche Bundesgebiet niemals von einer fremden Macht angegriffen wurde. Auf der anderen Seite waren die Bundesmitglieder gehalten, gegen auswärtige Staaten keine militärische Gewalt anzuwenden, und bis 1866 hielten sich alle deutschen Staaten an dieses Verbot eines Angriffskrieges. Lediglich einmal, in der revolutionären Ausnahmesituation von 1848, führte der Deutsche Bund einen Krieg, und zwar gegen Dänemark, das die nationaldeutsche Erhebung in Schleswig-Holstein militärisch niederschlagen wollte. Der deutsch-dänische Krieg von 1864 hatte dagegen formaljuristisch den Charakter einer Bundesexekution gegen ein Mitglied, in diesem Fall gegen den dänischen König, der sich über bestehende Vereinbarungen hinwegsetzte und die zum Deutschen Bund gehörenden Herzogtümer Holstein und Lauenburg in den dänischen Gesamtstaat integrieren wollte.
Dagegen erwies sich der Deutsche Bund in mehreren großen europäischen Krisen als friedensbewahrende Macht. In der Rheinkrise von 1840, die durch eine starke nationale Erregung in Frankreich ausgelöst wurde, trug das starke Militärpotential des Bundes dazu bei, daß ein Krieg vermieden werden konnte. Im Schweizer Sonderbundskrieg von 1847 blieb der Bund ebenso neutral wie im Krimkrieg 1853-1856, und auch in den österreichisch-italienischen Krieg von 1859 griff der Bund nicht ein, weil davon nur die außerdeutschen Besitzungen Österreichs und nicht das Bundesgebiet selbst betroffen waren. Positiv hervorzuheben bleibt, daß der Deutsche Bund seine "Friedenssicherungsrolle' (Wolf Gruner) für Deutschland und Europa mehrfach mit Erfolg wahrgenommen hat.
Der Deutsche Bund endete in einem Krieg, doch war es nicht ein Krieg gegen auswärtige Mächte, sondern ein innerer, ein "Bruderkrieg' (Heinrich von Srbik). Im Jahr 1866 erreichte eine Entwicklung ihren Höhepunkt, die schon unmittelbar nach der Revolution von 1848/49 eingesetzt hatte. Preußen wollte sich seither nicht mehr mit der Rolle der zweiten deutschen Großmacht begnügen. Berlin strebte heraus aus dem System des Deutschen Bundes, das seinen machtpolitischen Ambitionen enge Grenzen setzte. Auf der anderen Seite nahm auch Österreich, das sich bis 1848 über alle wichtigen Schritte vorab mit Preußen verständigt hatte, immer weniger Rücksicht auf die andere deutsche Vormacht und versuchte, den Bund als Instrument zur Verbesserung seiner Machtposition in Deutschland und Europa zu benutzen. Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland wurde in die Bundesversammlung hineingetragen, was alle Bemühungen um eine zeitgemäße Reform des Bundes zunichte machte. Während Preußen das Ziel eines kleindeutschen Bundesstaates unter seiner Führung seit 1849 nicht mehr aus den Augen ließ, wollte Österreich sich nicht aus Deutschland hinausdrängen lassen und beharrte deshalb auf einem großdeutschen Staatenbund. Als Österreich alle preußischen Angebote zu einer Machtteilung in Deutschland zurückwies und eine Stärkung des Bundes verlangte, griff Bismarck die liberale Forderung nach einem deutschen Nationalparlament auf, worauf der Vielvölkerstaat Österreich auf keinen Fall eingehen konnte. Im Februar 1866 begann Bismarck mit den konkreten Vorbereitungen für einen Krieg gegen Österreich, als dessen Anlaß dann der Streit um die 1864 unter österreichisch-preußische Verwaltung gelangten Herzogtümer Schleswig und Holstein diente. Als Preußen sich weigerte, den diesbezüglichen Bundesbeschlüssen zu folgen, leitete die Bundesversammlung auf Antrag Österreichs die Bundesexekution gegen Preußen ein, das daraufhin seinen Austritt aus dem Bund erklärte. Der Krieg begann am 16. Juni und endete bereits am 3. Juli 1866 mit der schweren Niederlage der österreichischen Armee bei Königgrätz. Im Prager Frieden vom 23. August 1866 mußte der Kaiser von Österreich die "Auflösung des bisherigen Deutschen Bundes' anerkennen. An seine Stelle trat 1867 der "Norddeutsche Bund', der jedoch kein Staatenbund, sondern ein Bundesstaat war und die Keimzelle des 1871 gegründeten Deutschen Reiches bildete.
Peter Burg: Der Wiener Kongreß. Der Deutsche Bund im europäischen Staatensystem, München 1984.
Anselm Doering-Manteuffel: Die deutsche Frage und das europäische Staatensystem 1815-1871, München 1993.
Wolf Gruner: Die deutsche Frage. Ein Problem der europäischen Geschichte seit 1800, München 1985.
Heinrich Lutz. Zwischen Habsburg und Preußen. Deutschland 1815-1866, Berlin 1985.
Helmut Rumpler (Hrsg.): Deutscher Bund und deutsche Frage 1815-1866, Wien/München 1990.
Wolfram Siemann: Vom Staatenbund zum Nationalstaat. Deutschland 1806-1871. München 1995.
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