Die Zeit des Häftlings
" Sie
stellten uns in einer Reihe zum Eintätowieren der Nummer auf. Einige wurden
bewusstlos, andre wiederum schrieen auf. Nun war ich an der Reihe. Ich wusste,
dass diese Schmerzen im Verhältnis zu dem was uns erwartete, nicht
erwähnenswert waren. Ein weiblicher Häftling von der politischen Abteilung mit
einer sehr niedrigen Nummer und einem Winkel ohne P (Volksdeutsche) ergriff
meine Hand und begann die nächste Nummer einzustechen: 55 908. Ich fühlte, das
sie mich eigentlich nicht in den Arm, sondern ins Herz stach. Von diesem
Augenblick an hatte ich aufgehört, ein Mensch zu sein. Ich hörte auf zu fühlen,
zu denken. Ich besaß keinen Namen, keine Adresse mehr. Ich war Häftling Nr. 55
908. Und in demselben Augenblick fiel mit jedem Einstich ein Lebensabschnitt
von mir ab."