Kampf gegen den Kolonialismus
Das wirtschaftliche und soziale Spannungsverhältnis zwischen den
Industrieländern der nördlichen Halbkugel und den Entwicklungsländern nährt
sich aus der Tradition des Widerstandes gegen die koloniale Herrschaft.
Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung vom 4. 7. 1776 kann als
beispielhafter Erfolgsausweis für die Befreiung von kolonialer Herrschaft
gelten. In Afrika, Asien und Lateinamerika gestaltete sich die Emanzipation von
der direkten kolonialen Abhängigkeit wesentlich schwieriger. Der
Unabhängigkeitskampf Lateinamerikas wurde dabei unterstützt von der am 2. 12.
1823 vom US-amerikanischen Präsidenten J. Monroe verkündeten Doktrin, daß
keinem europäischen Staat die Einmischung in amerikanische Verhältnisse oder
die Schaffung von Kolonien in Amerika gestattet sein solle. 1824 war mit den
Siegen Simón Bolívars und seines Stellvertreters Sucre in den Schlachten von
Junín und Ayacucho die Unabhängigkeit Hispanoamerikas erreicht.
Die Entwicklungen in Indien und Vietnam illustrieren in ihrer Gegensätzlichkeit
die Komplexität des Unabhängigkeitskampfes in Asien. Dabei gelang es M. Gandhi
und J. Nehru, das Joch der englischen Kolonialherrschaft mit der Waffe des
passiven Widerstandes abzuschütteln. Allerdings führten die religiösen
Gegensätze zur Teilung des Landes in einen islamischen und einen hinduistischen
Teil. Blutig verlief dagegen der Freiheitskampf Vietnams, der mit der
gewonnenen Schlacht bei Diên Biên Phu einen ersten Erfolg brachte, der aber
zunächst ebenfalls zur Teilung des Landes führte, die erst 1976 nach Abschluß
des Vietnamkrieges beendet wurde.
Der Kampf um die Dekolonialisierung Afrikas begann bereits in der 2. Hälfte des
19. Jahrhunderts in regionalen Kolonialkriegen, deren Elend die ganze
Fragwürdigkeit der europäischen Expansionspolitik deutlich machte. So kam es
z.B. bereits 1896 zu einem Aufstand der Hereros gegen die deutschen
Kolonialherren in »Deutsch-Südwest« (dem späteren Namibia). Nach dem zweiten
großen Aufstand 1904 wurden 80% des Stammes ausgerottet. Es gab über 80.000
Tote.
Diese Erfahrungen prägten das Bewußtsein jener gut ausgebildeten Eliten der
afrikanischen Völker, die nach dem 2. Weltkrieg die endgültige Ablösung von den
bisherigen Kolonialherren betrieben. Einen Höhepunkt bildete dabei das Jahr
1960, als nicht weniger als 17 ehemalige Kolonien den Weg in die
Selbstbestimmung fanden.
Zwar scheint äußerlich der Kolonialismus als Mittel der Politik beseitigt. Daß
die Brisanz kolonialer Herrschaft aber auch in jüngster Zeit unverändert ist,
zeigte sich im Konflikt zwischen Argentinien und Großbritannien um die
Falklandinseln wie auch in den Unabhängigkeitsbestrebungen verschiedener Völker
der Sowjetunion. Weltweit ist der Kampf um die nationale Unabhängigkeit der
früheren Kolonien inzwischen abgelöst worden durch den Kampf um die gerechte
Verteilung der globalen Ressourcen.