Arthur Schnitzler - Leutnant Gustl (1900)
Autor: Arthur Schnitzler wurde am 15. Mai 1862 in Wien als erstes von drei
Kindern des Dr. Johann Schnitzler und der Louise Schnitzler geboren. Nach der
Beendigung seines Medizinstudiums widmete er sich immer mehr seinen
schriftstellerischen Aktivitäten. Er führte zwar eine Arztpraxis, diese
sicherte ihm aber lediglich seine finanzielle Existenz und er gab sie auf, als
er von seiner schriftstellerischen Arbeit leben konnte. 1893 wurde als erstes
seiner Werke 'Das Abenteuer des Lebens' am Theater in der Josefstadt aufgeführt.
Er war bereits ein Erfolgsautor, als er im Jahre 1900 die Novelle
'Leutnant Gustl' schrieb, die in der 'Neuen freien Presse'
veröffentlicht wurde und einen Skandal verursachte, weil Schnitzler darin die
Sinnhaftigkeit des Duells in Frage stellte. Den wohl größten Skandal
verursachte er aber mit seinem bekanntesten Werk 'Der Reigen'. 1900
war dieses Werk als unverkäufliches Manuskript in 200 Exemplaren auf
Schnitzlers eigene Kosten gedruckt und verteilt worden. Es wurde erst 1921 in den
Kammerspielen uraufgeführt. Nach Zwischenfällen bei einigen Aufführungen im In-
und Ausland verbot Schnitzler selbst die Aufführung dieses Werkes und änderte
seine Meinung bis zu seinem Tod nicht mehr. Anlässlich seines 60. Geburtstages
im Jahre 1922 erhielt er den berühmten Brief von Siegmund Freud, in dem ihn
dieser als Dichter-Bruder grüßt und in ihm den 'psychologischen
Tiefenforscher' erkennt. Sein letzter Erfolg war die Novelle
'Fräulein Else', der Höhepunkt seiner späten Prosa. Am 21. Oktober
1931 starb er an den Folgen einer Gehirnblutung in seiner Heimatstadt Wien.
Inhalt: Leutnant
Gustl hat von einem Freund Karten für ein Konzert bekommen. Nun sitzt er in
einem Wiener Konzertsaal und langweilt sich. Anstatt sich auf das schöne
Oratorium zu konzentrieren, wirft er lieber wildfremden Mädchen Blicke zu und
denkt an alles Mögliche, nur nicht an die Musik. Als das Konzert endlich aus
ist, drängt er sich zur Garderobe wo es durch das Drängen und Stoßen des jungen
Offiziers zu einer Auseinandersetzung mit einem Bäckermeister, welchen er aus
seinem Stammcafé kennt, kommt. Gustl kann seinen Säbel nicht ziehen, da der
wesentlich stärkere Bäckermeister seine Waffe in der Scheide festhält und ihm
droht das Schwert zu zerbrechen, wenn er keine Ruhe gibt. Doch damit nicht
genug: Er nennt ihn auch noch einen 'dummen Buben'. Als Gustl ganz
verwirrt vor dem Konzerthaus steht und die vorangegangenen Ereignisse
analysiert überkommt es ihn plötzlich: Er wurde in seiner Ehre beleidigt!
Deshalb beschließt er Selbstmord zu begehen. Er rennt ziellos in Wien herum und
denkt nach, was er tun könnte um sich nicht umbringen zu müssen. Gustl überlegt
sogar nach Amerika auszuwandern. Er kommt in den Prater und erkennt, dass es
keinen anderen Ausweg aus dieser verzwickten Lage gibter muss sich
erschießen. Er setzt sich auf eine Bank und schläft ein.
Als er am nächsten Morgen erwacht geht er
wieder zurück in die Stadt. Er kommt zum Nordbahnhof, wo er einen Freund vom
Militär trifft, der gerade mit einer Kompanie zum Schießplatz marschiert. Gustl
denkt über seine letzten Tage und Wochen nach, über seine Familie (ob es für
sie ein großer Schock sein wird), über seine Freunde, über seine heimliche
Geliebte namens Steffi und über das, was er hätte machen können, um diese
ausweglose Situation zu verhindern. Als er an einer Kirche vorbeikommt geht er
kurz hinein. Dann nimmt er Kurs auf sein Stammcafé um noch ein letztes Mal
etwas zu essen. Dort erzählt ihm dann der Ober, dass der Bäckermeister
vergangene Nacht an einem Schlaganfall gestorben ist. Gustl kann es gar nicht
fassen und ist überglücklich, da sein Leben nun doch weitergehen kann.
Interpretation: Arthur Schnitzler gibt in dieser Novelle durch die Verwendung des
"Inneren Monologes" einen sehr tiefen Einblick in die Gedankenwelt dieses Leutnants
Gustl. Er zeigt einerseits, dass der Leutnant seine Gedanken durchaus nicht nur
beim Militär hat, sondern sich auch über ganz andere Dinge (wie zum Beispiel
über seine Affäre mit Steffi) den Kopf zerbricht. Andererseits wird der damals
sehr strenge Ehrenkodex beim Militär aufgezeigt. Durch das "verlorene Duell"
mit dem Bäckermeister fühlt sich Gustl so stark in seiner Ehre beleidigt, dass
er sich umbringen will. Weiters stellt Schnitzler auch den Antisemitismus, der
zu dieser Zeit in Wien, einem Schmelztiegel der Kulturen, geherrscht hat dar.