FRIEDRICH DÜRRENMATT
- DIE PANNE
Friedrich Dürrenmatt, (1921-1990), schweizerischer
Schriftsteller, geboren in Konolfingen bei Bern am 5. Januar 1921,
gestorben in Neuenburg am 14. Dezember 1990. Dürrenmatt studierte
Philosophie, Germanistik und Theologie, schrieb Literaturkritiken für die
Züricher Weltwoche. Gehört zu den
bedeutendsten schweizerischen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts.
Dürrenmatt bedient sich tragisch-grotesker Elemente und schuf einen eigenen
Typus der Tragikomödie. Populärste Stücke: Der Besuch der alten Dame
(1956) und Die Physiker (1980). Im Besuch macht Dürrenmatt die
Verhaltenskonventionen der Wohlstandsgesellschaft am Beispiel einer korrupten
Kleinstadtbevölkerung transparent. Als Prosaschriftsteller zeigt Dürrenmatt
eine deutliche Affinität zum kriminalistischen Genre. Sein erfolgreichster
Kriminalroman Der Richter und sein Henker (1952) kreist in Form einer
Wette zwischen Kommissar und Gangster um das Faszinosum des perfekten
Verbrechens. Die späteren Romane Der Verdacht (1953) und Das
Versprechen (1958) sowie die Erzählung Die Panne (1956)
schließen hinsichtlich des Motiv- und Figureninventars an Der Richter und
sein Henker an (1976 verfilmt). Dürrenmatts letzte Romane Justiz
(1985) und Durcheinandertal (1989). Dürrenmatt erhielt 1986 den
Georg-Büchner-Preis.
Die Erzählung handelt von einem gewissen Herrn
Alfredo Traps, Textilien - Generalvertreter und Kleinbürger, der auf seinem
Heimweg in die Stadt eine Autopanne erleidet. In einem Dorf in der Nähe der
Unfallstelle sucht er Unterschlupf für die kommende Nacht. Er wird nach einer
Villa gewiesen, die einem alten Mann gehört und wo Durchreisende öfters Unterkunft für eine Nacht finden. Schon bald
stellt sich heraus, daß der Gastgeber früher den Beruf eines Richters ausgeübt
hat, und in diesem Haus jeden Abend mit seinen Freunden eine Gerichtssaalrunde
veranstaltet. So kommt Herr Traps durch den Zufall seiner Autopanne in die
Gesellschaft von vier Greisen - alles ehemalige Juristen: Richter der eine ,
Verteidiger der zweite, genannt Herr Kummer, Staatsanwalt der andere, Herr
Zorn, und ein Scharfrichter, der vierte, Herr Pilet. Damit ist die
Gerichtssaalrunde komplettiert durch Herrn Traps, der den Angeklagten spielen
muß. Der Gast fühlt sich in dieser Sache sicher, da er keine Anklagepunkte zu
befürchten hätte und freut sich auf einen amüsanten und lustigen Abend. Es wird
viel getrunken, gegessen und Herr Traps wird über sein Leben befragt, dabei
gibt er den Greisen einen Hinweis für einen Anklagepunkt. Frei heraus,
ungehemmt durch die große Menge an Alkohol die konsumiert wurde, erzählt
Alfredo von seinem Karrieresprung in der Textilbranche vom
"Normal-Angestellten" zum Generalvertreter. Er berichtet von seiner Liaison mit
der Frau seines ehemaligen, an einer Herz-schwäche leidenden Chefs, und von
dessen Tod als dieser von dem Verhältnis erfuhr. Damit war ein Mord für die
alten Juristen gefunden. Das Motiv: er habe den Arbeitsplatz des Chefs
angestrebt, doch dieser mußte zuerst beseitigt werden. Die Tatwaffe: die
vernachlässigte Ehefrau. Die Tat: er habe einem ihm feindlich ge-sinnten
Kollegen von seiner Liebschaft mit der Frau des Chefs erzählt, und dieser habe
die Nachricht sofort dem Gatten erzählt, der darauf hin einen Herzanfall
erleidet.Herr Traps dementiert anfangs noch heftig, doch je mehr Alkohol er
trinkt, desto mehr wird ihm seine Tat bewußt - er hat getötet mit Absicht. Die
Greisen sind überglücklich, daß sie so einen aufregenden Fall noch behandeln
durften, und schreiben ihm aus Jux ein Urteil: Todesstrafe. Die Runde geht spät
nachts auseinander. Als die Juristen ihm das Manuskript tränenlachend und
betrunken auf sein Zimmer nachbringen, finden sie Herrn Alfredo Traps tot auf.
Selbst gerichtet durch einen Strick.