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Gotthold Ephraim Lessing: Minna von Barnhelm
Zum Autor.
Gotthold Ephraim Lessing wird 1729 in Sachsen geboren. Mit 12 Jahren besuchte er die Fürsten Schule und studiert danach Theologie in Leipzig. Zugleich beschäftigte er sich sehr mit Literaturgeschichte, Philosophie, Naturwissenschaft und Medizin. Lessing entscheidet sich dann für einen für diese Zeit ungewöhnlichen Beruf: Er geht als Journalist, Theaterkritiker und freier Schriftsteller in das Berlin Friedrich II. Er lernt eine kleine Theatergruppe kennen und führt mit dieser seine ersten Stücke vor. Sein Ziel ist es, zu einem deutschen Molière zu werden. Nach dem Siebenjährigen Krieg schreibt er Minna von Barnhelm. 1776 heiratet er Eva König. Sie bekommen einen Sohn, doch Mutter und Kind sterben wenig später. Gotthold Ephraim Lessing stirbt 5 Jahre später 1781 in Braunschweig.
Seine wichtigsten Werke sind neben Minna von Barnhelm: Miß Sara Sampson und Emilia Galotti die einer der ersten bürgerlichen Trauerspiele waren. Außerdem schrieb er natürlich Nathan der Weise mit dem er an die Toleranz der Menschen appellierte.
Geschichtliche Hintergründe und die Vorgeschichte zur konkreten Handlung.
Die Geschichte spielt kurz nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges, der von 1756 bis 1763 dauerte. In diesem Krieg standen sich Sachsen und Preußen gegenüber. Sachsen war dann schließlich der gedrillten und starken preußischen Armee unterlegen. Dies hat insofern mit dem Stück zutun, da der preußische Major Von Tellheim, der eine der Hauptfiguren des Werkes ist, dem besiegten Sachsen eine sehr hohe Summe an Kriegskontributionen vorgeschossen hat. Damit hat er in Sachsen nicht nur einen sehr guten Eindruck gemacht, sondern gewann auch die Liebe der schönen Minna von Barnhelm. Über einen Wechsel, den die sächsischen Stände ihm ausgestellt haben, sollte er sein Geld wiederbekommen. In Berlin aber hat man ihm seinen Wechsel und somit sein Geld entzogen, weil man dachte, die Sachsen hätten ihn damit bestochen. Damit ist er in seiner Ehre als Offizier verletzt und wurde verabschiedet, also entlassen.
Inhaltsangabe
Nun lebt Von Tellheim bei einem Wirten in Berlin. Durch die Ankunft einer wichtigen Dame wird er jedoch in ein schlechteres Zimmer verlegt und beschließt verärgert zu gehen, nicht ahnend, daß es sich um Minna von Barnhelm handelt. Diese ist in die Stadt gekommen um ihren Verlobten, also Tellheim, zu suchen , da sie ihn nach dem Ende des Krieges aus den Augen verloren hat. Nun erfährt der Leser über Tellheims Zustand: Er ist finanziell am Boden und hat absolut nichts mehr. Obwohl er in einer solchen Geldnot steckt, nimmt er keine Spenden oder sonstige Hilfen an. Er bleibt stolz und edel, indem er sich seine Armut nicht anmerken läßt. Niemand vermutet seine Armut und nur zu seinem zuverlässigen und treuen Diener Just ist er ehrlich was seine prekäre Lage angeht. Trotzdem möchte Tellheim ihn kündigen, da er ihm nichts schuldig bleiben will, doch Just überredet ihn und löst daraufhin den Verlobungsring von Tellheim beim Wirt ein um an etwas Geld zu kommen. Etwas später kommt der Wirt ins Gespräch mit seinen neuen Gästen, Minna von Barnhelm und ihrer Kammerjungfer Franziska. Er zeigt ihnen den erworbenen Ring, den Minna sofort als den von Tellheim erkennt und ist jetzt kurz vor ihrem Ziel, den Major zu finden. Sie erfährt nun von seiner schlechten Lage und sieht dies als eine Begünstigung ihres Schicksals, da sie hofft ihm mit ihrer Person alles Glück wiederzugeben. Minna ist ganz außer sich und kann es kaum erwarten. Dies merkt man als sie sagt: "Nun habe ich ihn wieder, Franziska! Siehst du, nun habe ich ihn wieder! Ich weiß nicht, wo ich vor Freuden bin!". Als Minna nun zufällig Just trifft, bestellt sie den Major zu sich. Bei der Begegnung, will Von Tellheim Minna so freudig begrüßen wie sie ihn, doch er wird dann reserviert und förmlich.
LESEPROBE S37 è 38
Gerade weil er nur ihr Glück will, zögert Tellheim, reißt sich von ihr los und geht. Sein Verantwortungsbewußtsein und sein Ehrgefühl lassen ihn denken, er sei ihrer Liebe nicht würdig. Er sieht sich als Krüppel und Bettler. Nun entwickelt Minna einen Plan : Sie will so tun als sei sie enterbt, damit Tellheim denkt sie sei unglücklich und verlassen. Somit wäre seine Liebe dann gerechtfertigt. Nun erscheint Riccaut de la Marlinière, ein Spieler, der die Nachricht bringt, Von Tellheim sei wieder rehabilitiert und er hätte sein soziales Ansehen wieder. Nun kommt es zur zweiten Gegenüberstellung der beiden: Minna versucht, Tellheim mit vernünftiger Argumente seine Ideen auszureden. Sie sagt, daß weder Verkrüppelung noch Armut eine Beziehung zerstören könne. Von Tellheim gerät ganz außer sich und will nicht einmal an sein Rehabilitierung glauben. Er sagt, Minna als Frau verstehe nichts von Ehre. Zum Abschluß betont er noch, daß es ein Skandal ist, wenn ein Mann sein verlorenes Glück durch eine Frau wiederzubekommen versucht.
"Es ist ein nichtswürdiger Mann, der sich nicht schämet, sein ganzes Glück einem Frauenzimmer zu verdanken."
Wenig später erfährt der Major jedoch, daß Minna enterbt wurde. Dies ändert alles: Tellheim ist nun wieder frei, stark und bereit alles für Minna zu tun. Sofort läßt er sich Geld beschaffen und beschließt Minna zu heiraten, sofern sie noch wolle. Die treibt ihr Spiel aber noch immer weiter und bleibt stur. Erst als der Oheim von Minna erscheint, löst diese ihre Intrige auf, sie versöhnen sich und es kommt das erwartete Happy-end: Minna und Von Tellheim heiraten.
Aufbau des Stückes.
Das Stück ist in 5 Aufzüge geteilt. Im I. Aufzug wird Tellheim, seine verzweifelte Lage, seine Güte ,seine Hilfsbereitschaft und sein Stolz vorgestellt. Im II. Aufzug wird Minna vorgestellt und es kommt zur "ersten Runde" zwischen den beiden. Im III. Aufzug kommt es zu einer Nebenhandlung und Minna überlegt sich ihren Plan. Im IV. Aufzug kommt es zur "zweiten Runde", Tellheim beleidigt Minna und diese Antwortet mit dem Beginn ihrer Intrige. Im letzten Aufzug versteht Tellheim seine Lektion, die Partner werden gleichgestellt und es kommt zur komödienhaften Auflösung des Konflikts, der auch einen tragischen Ausgang hätte nehmen können.
Komödie und Tragödie fallen unter den Begriff Drama. Hier handelt sich selbstverständlich um eine bürgerliche Komödie, ein Lustspiel, das nach der Regel der drei Einheiten aufgebaut ist: Einheit des Ortes: Das gesamte Stück spielt in dem öffentlichen Saal des Gasthauses. Einheit der Zeit: Das ganze passiert an einem einzigen Tag. Einheit der Handlung: es ist eine gradlinige Geschichte.
Charakteristik der Hauptpersonen.
Tellheim: Tellheim ist ein Mensch von höchstem Ehrgefühl. Er ist so edel daß er lieber seine Bediensteten entläßt und seinen Verlobungsring einlöst, als Schulden zu machen. Oder er hilft mit allen Mitteln, die er hat, fremden Menschen. Er ist ein wahrlich guter Mensch: Er ist nicht nur ein guter Vorgesetzter sondern auch ein guter Kamerad, da seine Angestellten alles tun, um ihm zu helfen. Ebenfalls hat er den sächsischen Ständen die Kontributionen aus seiner eigenen Tasche vorausgestreckt. Außerdem ist er sofort bereit der angeblich in Not geratenen Minna zu helfen. Er verhält sich stets großmütig und ist bereit anderen Leuten zu helfen, was es auch sein mag. Sein Ehrgefühl geht bei ihm über alles. Er ist starr auf seine verlorene Ehre fixiert und dieses Problem ist wichtiger als alles anderes in seinem Leben. Das sieht man als er sogar Kontakt mit Minna verhindert, weil er denkt, er sei ihr nicht würdig. Dies kann man positiv sehen: Also er will sie nicht hineinziehen. Andererseits haftet an seinem Verhalten ein gewisser Fatalismus, der ihn davon abhält, die Situation aus eigener Kraft zu lösen und er steigert sich so bis zum Menschenhaß. Außerdem muß man sagen daß er wenig auf Kompromisse eingeht. Tellheims Sprache kennzeichnet seine Situation: Sie wirkt oft verzweifelt, monologisch und unbeweglich. Im Streitgespräch mit Minna bricht er den Austausch vernünftiger Argumente häufig emotional ab. Manchmal drückt er sich anhand von Allegorien aus.
Minna: Im Konflikt zwischen ihr und Tellheim ergreift sie weitgehend die Initiative. Sie probiert Probleme rational zu lösen. Ihre Figur ist die einer selbständigen, aktiven und für diese Zeit emanzipierten Frau, die auf kluge Weise um ihre Liebe und um eine akzeptable Beziehung kämpft. Sie hat nicht die Rolle der Hausfrau oder der Geliebten, sondern die einer emanzipierten Frau: Sie ergreift die Initiative und reist zu Tellheim nach Wien. Sie ist sehr selbstbewußt und nennt sich selbst: Zärtlich und Stolz, tugendhaft und eitel und wollüstig und fromm. Sie ist wie Tellheim großzügig und denkt nicht nur an sich. Besonders beeindruckend fand ich, wie sie ihn fragt, ob er sie noch liebe. Dennoch ist sie kein Engel und spielt mit Tellheim Katz und Maus, da sie die Fäden des Spiels in der Hand hat. Ihre Sprache im Werk ist dialogisch, kommunikativ und sie argumentiert vernünftig. Außerdem benützt sie Metaphern und viel Ironie in ihren Sätzen.
Just: Er ist ein sehr treuer und diskreter Diener. Er ist ehrlich und zuverlässig, da er kein Geld von Tellheim verlangt. Er wird wütend, als er über die Gaunereien des Wirtes erfährt. Just orientiert sein Leben an seinem Vorgesetzten Tellheim.
Der Wirt: Er ist die komödientypische verschlagene Gestalt: Er ist geldgierig, sucht überall Gewinn und bespitzelt seine Gäste.
Interpretation.
Lessing behandelt mit diesem Stück ein Thema das immer aktuell war und es wahrscheinlich immer bleiben wird, nämlich Probleme zwischen Mann und Frau. Dennoch unterscheiden sich die Probleme von Minna und Tellheim von einer gewöhnlichen Beziehung, da wir es mit zwei besonderen Menschen zu tun haben. Es handelt sich um einen Konflikt zwischen Ehre und Liebe.
Tellheim hat seine Soldatenehre verloren und fühlt sich nun zu nichts mehr fähig. Er hat nichts und sein soziales Ansehen ist geschwächt. Natürlich handelt Tellheim verantwortungsbewußt, wenn er der jungen Dame die Existenz an der Seite eines gescheiterten Berufsmilitärs nicht zumuten mag. Ein weniger guter Charakter könnte sich ja um das Glück der Braut nicht scheren und sich durch die Heirat zu sanieren versuchen. Man versteht, daß Minna gute Gründe hat, an diesem Mann interessiert zu sein. Aber Tellheim ist zugleich in einer Lebenskrise. Der ungerechte Vorwurf der Bestechung hat nämlich die problematische Fixierung auf die Frage seiner Ehre offengelegt. Sein Denk- und Fühlvermögen ist so reduziert und er ist so verwirrt, daß er denkt, Minna nicht heiraten zu können. Weil er dieser Verwirrung unterliegt, weist er Minna zurück und beleidigt sie sogar. Minna bemüht sich dagegen beharrlich, Alternativen anzubieten, die es ihm erlauben sollen, auch dem Bereich der privaten Beziehung in angemessener Weise gerecht zu werden. Minna versucht mit Vernunft und aus Liebe, ihn aus seiner Verirrung zu reißen. Sie ermöglicht ihm eine vernünftige Gewichtung der wichtigen Elemente in seinem Leben. Sie lehrt ihn, die Ehre zumindestens so weit zu relativieren, daß sie der Liebe und dem Glück zweier Menschen nicht von vornherein im Wege stehen kann. Indem sie ihre Enterbung vorgibt, hilft sie ihm, die psychische Krisensituation, in der er sich befindet, in einem Akt der Radikalisierung dadurch zu verarbeiten, daß er sich von seinem zuvor absolut gesetzten und zugleich weitgehend fremdbestimmten Bezugsystem distanziert - ihn also durch ihren Trick zwingt, seine passive Haltung aufzugeben und wieder die Initiative zu ergreifen.
Dennoch gibt es hier zwei Interpretationsansichten: Die eine Theorie behauptet, Tellheim würde sich nicht ändern, keine Charakterentwicklung durchmachen und seinen Ehrstandpunkt behalten. Deswegen kommt es zu einem Deus-ex-machina-Schluß, als das rehabilitierende Handschreiben des Königs eingereicht wird. Eine andere Theorie besagt, daß Tellheim sehr wohl eine durch Minna erfolgte Korrektur und einen Aufklärungs-, Lern- und Emanzipationsprozeß vollzieht. Er befreit sich von seinem bisher ausschließlich an König, Adelstand und Militärkarriere orientiertem Denken. Insofern kann man sagen daß Minna Tellheim erfolgreich geheilt hat und das dieser nun versteht, wie man mit Liebe und Ehre umgeht.
Mit diesem Stück zeigt Lessing seinem Publikum zwei Dinge über die er sich lustig macht:
Die übertriebene Soldatenehre der gedrillten preußischen Soldaten die zu der Zeit des Sieben jährigen Krieges nichts als den Sieg des Königs und ihres Landes im Kopf hatten.
Die Konflikte zwischen Mann und Frau die in gewissen maßen daraus resultieren.
Ebenso stellt Lessing eine emanzipierte Frau vor, Minna die stärker ist als der Major Tellheim.
Ich glaube man könnte darüber streiten, ob es mehr ein Minna - oder ein Tellheimstück ist und ob der Titel gerechtfertigt ist. Die Geschichte dreht sich ja mehr um die Probleme von Tellheim und dieser kommt auch öfter vor. So gesehen wäre Minna eine wichtige Nebenfigur, aber nicht die Hauptrolle. Andererseits heilt sie ihn von seinen Zwängen und vielleicht symbolisiert der Titel den Triumph der Frau.
Meine Meinung.
Ich habe das Buch zwei mal gelesen und beim ersten mal habe ich mich gefragt was dieses komische hin und her soll, und wo der Humor in diesem Stück liegt. Erst beim zweiten mal wurde mir klar um was es wirklich in dem Stück geht und es hat mich auch zum Teil richtig amüsiert: Es gibt ausgesprochen lustige Passagen, die Geschichte allein ist lustig z.B., daß die zwei verlobten sich im selben Wirtshaus einquartiert haben ohne es am Anfang zu merken und zu Guter Letzt ist es relativ leicht zu lesen, was mir bei einem Buch wichtig ist. Außerdem hat mir am Anfang am Ende weniger die Person von Tellheim sehr gefallen. Ich habe Euch ja vorher von den zwei Interpretations Theorien gesprochen und ich denke persönlich an den Deus-ex-machina-Schluß, da ich glaube, daß sich Tellheim keineswegs von Minna hat beeinflussen lassen und hat sie nur geheiratet als er von der Rehabilitierung des Königs erfuhr. Mir hat das Stück also gut gefallen, obwohl ich kein großer Anhänger von solchen Geschichten bin und deswegen kann ich es Euch nur weiterempfehlen.
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