"NATHAN DER WEISE":
Im Hause des reichen Juden Nathan ist Recha aufgewachsen, nicht ahnend,
daß sie nicht seine Tochter, sondern eine Christin ist, die Nathan nach Verlust
von sieben, von den Christen ermordeten Söhnen an Kindesstatt annahm. Von einer
Reise zurückkehrend, erfährt Nathan von Daja, der Gesellschafterin von Recha,
daß Recha einer großen Gefahr entgangen ist. Bei einer Feuersbrunst wäre sie
fast umgekommen, wenn nicht ein junger Tempelherr sie gerettet hätte. Nathan
sucht die Bekanntschaft des Tempelherrn, um ihm seinen Dank abzustatten. Doch
dieser weicht ihm aus und lehnt eine durch Daja übermittelte Einladung in
Nathans Haus ab, bis eine spätere persönliche Begegnung sie einander
näherbringt. Die aufkeimende Liebe des Tempelherrn zu Recha findet endlich ihre
Lösung und Erklärung in der Tatsache, daß er ihr Bruder ist, den seltsame
Schicksale nach Jerusalem verschlagen hatten.
Mit dieser Handlung verschlungen ist eine zweite, die an den Hof des
freigebigen Sultan Saladin undn seiner Schwester Sittah führt. Saladin ist in
Geldverlegenheiten, sucht und findet aber schließlich die Hilfe Nathans. Die
Brücke für ihre Freundschaft ist in der 'Ring-Erzählung' gegeben. Vom
Sultan befragt, welche Religion die wahre sei, das Christentum, das Judentum
oder der Islam, antwortet Nathan mit der Parabel von den drei Ringen, die
einander so sehr gleichen, daß sie in ihrem Wert nicth mehr zu unterscheiden
sind. So soll man auch keiner der drei Religionen den Vorzug geben. Vor Gott
sind sie alle gleich, und diejenige ist die beste, die am meisten mit den
anderen in der von 'Vorurteilen freien' Liebe wetteifert. Zum Schluß
des Werkes sind die Handlungen kunstvoll zusammengeführt. Außer der Enthüllung
der Geschwisterschaft Rechas mit dem Tempelherrn stellt sich heraus, daß die
beiden auch mit Sultan Saladin blutsverwandt sind.