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Referat Wie wirklich ist die wirklichkeit?

psychologie referate

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PAUL WATZLAWICK:


WIE WIRKLICH IST DIE WIRKLICHKEIT?

WAHN - TAUSCHUNG - VERSTEHEN


Was ist der Konstruktivismus?

Ist die in der Philosophie der Mathematik zwischen Formalismus und Platonismus stehende Position, nach der die Existenz mathematischer Objekte zwar prinzipiell nicht geleugnet, aber nur insoweit anerkannt wird, als ihre Existenz beweisbar ist.

Dieses Buch handelt davon, daß die sogenannte Wirklichkeit das Ergebnis von KOMMUNIKATION ist.

Die Wirklichkeit ist das, was wirklich der Fall ist, und Kommunikation nur die Art und Weise

sie zu beschreiben und mitzuteilen.

Wir müssen oft Tatsachen verdrehen, damit sie unserer Wirklichkeitsauffassung nicht widersprechen. Es gibt zahllose Wirklichkeitsauffassungen, die sehr widersprüchlich sein können, die alle das Ergebnis von Kommunikation sind.

Das Studium der sogenannten Pragmatik der menschl. Kommunikation, das heißt der Art und Weise, in der sich Menschen durch Kommunikation gegenseitig beeinflussen, dieses Studium ist ein verhältnismäßig neuer Zweig der Forschung. (Es können dadurch ganz verschiedene "Wirklichkeiten", Weltanschauungen und Wahnvorstellungen entstehen.)

ACHTUNG: Buch wurde schon 1978 veröffentlicht!

Der Glaube, daß die eigene Sicht der Wirklichkeit die Wiklichkeit schlechthin bedeute, ist eine "gefährliche" Wahnidee.

EINTEILUNG DES BUCHES:

TEIL I:

Es handelt von KONFUSION, das heißt von Kommunikationsstörungen und der daraus folgenden Verzerrungen des Wirklichkeitserlebnisses.

TEIL 2:

Es untersucht den Begriff der DESINFORMATION, womit jene Komplikationen und Störungen der zwischenmenschlichen Wirklichkeit gemeint sind, die sich bei der aktiven Suche nach Information ergeben können.

TEIL 3:

Dieser Teil ist den faszinierenden Problemen der Anbahnung von Kommunikation dort gewidmet, wo noch keine besteht.


K O N F U S I O N:

Konfusion ist die Folge gescheiteter Kommunikation und hinterläßt den Empfänger in einem Zustand der Ungewißheit oder eines Mißverständnisses.

Konfusion ist ein recht alltägliches Ereignis, sie ist unerwünscht und daher zu vermeiden.

Konfusion ist das Spiegelbild "guter" Kommunikation.

Es gibt Formen sprachlicher Konfusion die sich aus der unterschiedlichen Bedeutung gleicher oder ähnlicher Worte ergeben.

z.B.: BURRO = spanisch: Esel

= italienisch: Butter

BILLION = USA/Frankreich: 10

= England: 10

Eine sprachliche Konfusion besteht ebenfalls bei den österreichischen und italienischen Bienen bei der Beschreibung der Entfernung der Futterquelle.

RUNDTANZ: wenn sich der gefundene Nektar in unmittelbarer Nähe des Stocks befindet.

SICHELTANZ: Futter befindet sich in mittlerer Entfernung vom Stock.

SCHWANZELTANZ: Futter ist weit vom Stock entfernt.

Diese Bienenarten kreuzen sich, leben friedlich zusammen, sprechen aber unterschiedliche DIALEKTE, das heißt, die erwähnten Entfernungsangaben haben für sie verschiedene Bedeutung.

Die italienische Biene verwendet den Schwänzeltanz zur Angabe von Entfernungen über 40 Meter, während für die österreichische dasselbe Signal eine Entfernung von mindestens 90 Metern bedeutet.

Es gibt unzählige Verhaltensformen, die allen Mitgliedern einer bestimmten Kultur zur Vermittlung AVERBALER KOMMUNIKATION dienen.

Diese Verhaltensweisen sind das Resultat des Aufwachsens und der Sozialisierung in einer bestimmten Kulturform, Familientradition usw. und werden dadurch sozusagen in uns hineinprogrammiert.

Die Ethnologen verweisen darauf, daß es in verschiedenen Kulturen buchstäblich Hunderte von Formen der Begrüßung, des Ausdrucks von Freude oder Trauer, des Sitzens, Stehens, Gehens, Lachens usw. gibt.

In jeder Kultur gibt es eine Regel über den richtigen Abstand, den man einem Fremden gegenüber z.B.: bei der Begrüßung einzunehmen hat.

Bei Nordamerikanern und Westeuropäern ist der Abstand wesentlich größer als bei Lateinamerianern. Solange die Kommunikationsteilnehmer denselben Abstand einhalten, kann zwischen diesen kein Konflikt entstehen. Wenn sich nun aber ein Nordamerikaner und ein Südamerikaner in dieser Situation befinden, werden beide das Gefühl haben, daß sich der andere "falsch" benimmt und beide werden versuchen, die Situation zu korrigieren.

Der Nordamerikaner wird die Situation als unangenehm empfinden und durch Zurücktreten die für ihn "richtige" Distanz herstellen, der Südamerikaner hat aber dann das Gefühl, daß etwas nicht stimmt, und wird aufrücken.

Weiteres Beispiel: Ehezwist/ Flitterwochen (verschiedene Interpretationen vom Zweck und der Bedeutung der Flitterwochen S.18)

In beiden Fällen bräuchte man einen "Übersetzer", der mehr als nur Sprachen kennen muß.

Wichtig ist auch die Tatsache, daß eine Sprache nicht nur INFORMATION übermittelt, sondern auch Ausdruck einer ganz bestimmten WIRKLICHKEITSAUFFASSUNG ist.

Verschiedene Sprachen sind nicht ebensoviele Bezeichnungen einer Sache, es sind verschiedene Ansichten derselben.   

Diese Eigenschaft aller Sprachen fällt besonders in internationalen Konferenzen ins Gewicht, wo es zum Zusammenprall von Ideologien kommt.

PARADOXIEN:

Man sieht, daß Konfusion überall dort auftreten kann, wo von einer Sprache (im weitesten Sinne) in eine andere übersetzt werden muß. Es kann sich aus verschiedenen Gründen ergeben, daß eine Mitteilung für Sender und Empfänger verschiedenen Sinn und Bedeutung hat.

Die Konfusion ist im nächsten Beispiel nicht als Folge einer Störung des Übertragungsvorganges aufgetreten, sondern sie ist in der Struktur der Mitteilung selbst enthalten.

1.BEISPIEL:

Der Teufel stellte die Allmacht Gottes dadurch in Frage, daß er ihn aufforderte, einen Felsen zu schaffen, der so riesengroß war, daß nicht einmal Gott selbst ihn aufheben konnte. Wie vereinbart sich das mit Gottes Allmächtigkeit?

Solange er den Felsen aufheben kann, hat er es nicht fertiggebracht, ihn groß genug zu schaffen; kann er ihn aber nicht heben, so ist er aus diesem Grunde nicht allmächtig.

2.BEISPIEL:

IGNORE THIS SIGN

Um diese Aufforderung zu befolgen, muß man das Schild erst lesen. Damit verletzt man die Anweisung der Nichtbeachtung.

3.BEISPIEL:

MARY POPPINS: Corry fragt Mary Poppins, ob ihre Tochter noch keine Pfefferkuchen hergegeben hat, andererseits beklagt sie sich darüber, daß ihre Tochter gerade im Begriff war, dieses zu tun, ohne die Erlaubnis der Mutter.

Bei Corrys Tochter lassen sich 3 Variationen des Grundthemas unterscheiden:

Wer für seine Wirklichkeitswahrnehmungen oder für die Art und Weise, wie er sich selbst sieht, von Menschen, die für ihn lebenswichtig sind, getadelt wird, wird schließlich dazu neigen, seinen Sinnen zu mißtrauen.

Durch Unsicherheit kommt es zu der Aufforderung der anderern, sich mehr anzustrengen und die Dinge "richtig" zu sehen. Es wird der Person immer wieder nahegelegt, sie habe Unrecht, dadurch fällt es ihr noch schwerer, sich in der Welt und in  zwischenmenschlichen Situationen zurechtzufinden.

Sie wird in ihrer KONFUSION dazu neigen, auf immer abwegigere Weise nach jenen Sinnzusammmenhängen und jener Ordnung der Wirklichkeit zu suchen, die den anderen anscheinend so klar sind, ihr aber nicht.

Ihr Verhalten (in künstlicher Isolierung) würde dem klinischen Bild der SCHIZOPHRENIE entsprechen.

Wer von für ihn lebenswichtigen Personen dafür verantwortlich gemacht wird, anders zu

fühlen, als er fühlen sollte, wird sich schließlich dafür schuldig fühlen, nicht die richtigen

Gefühle in sich erwecken zu könen.

Ein Dilemma ergibt sich dann, wenn Eltern der Meinung sind, ein richtig erzogenes Kind

müsse ein fröhliches Kind sein. "Nach allem, was wir für dich getan haben, solltest du

froh und zufrieden sein."

Auf diese Weise wird die kleinste Traurigkeit oder Verzagtheit des Kindes zu Undank-

barkeit und Böswilligkeit abgestempelt und kann in ihm endlose Gewissensqualen

erzeugen.

Das sich daraus ergebende Verhalten (in künstlicher Isolierung) des Kindes entspricht

dem klinischen Bild der DEPRESSION.

Wer von Personen, die für ihn lebenswichtig sind, Verhaltensanweisungen erhält, die

bestimmte Handlungen sowohl erfordern als auch verbieten, wird dadurch in eine

paradoxe Situation versetzt, in der er nur durch Ungehorsam gehorchen kann.

BEISPIEL: Es gibt Eltern, die sehr großen Wert auf Gewinnen bei ihren Kindern legen, ihnen würde auch jedes Mittel recht sein. Andererseits legen sie auch großen Wert auf Fairneß und Ehrlichkeit.

BEISPIEL: Wenn eine Mutter ihre Tochter bereits in sehr frühem Alter vor der Häßlichkeit und den Gefahren alles Sexuellen zu warnen beginnt, gleichzeitig aber dem Mädchen "eintrichtert", daß man sich als Frau von Männern umschwärmen und begehren lassen soll.

Das sich aus diesem Widerspruch ergebende Verhalten entspricht häufig der sozialen Definition der HALTLOSIGKEIT.

Die "Sei spontan!"- Paradoxien:

Entstehen dann, wenn ein Partner vom anderen ein ganz bestimmtes SPONTANES Verhalten fordert, das sich aber deswegen nicht spontan ergeben kann, weil es gefordert wurde.

Geforderte Spontanität führt in die paradoxe Situation, in der die Forderung ihre eigene Erfüllung unmöglich macht.

BEISPIEL: Ehefrau beklagt sich bei ihrem Mann, ihr doch gelegentlich Blumen mitzubringen. Sie hat sich nun die Erfüllung ihrer Sehnsucht endgültig verbaut.

Wenn er ihren Wunsch ignoriert, wird sie sich noch weniger geliebt fühlen.

Kommt er aber doch einmal mit Blumen, so wird sie trotzdem unzufrieden sein, denn er bringt ihr die Blumen ja nicht spontan von sich aus, sondern nur, weil sie es verlangte.

PARADOXIEN sind universal, und sie können ihr Unwesen in allen möglichen Gebieten menschlicher Beziehungen treiben.

Es besteht guter Grund zur Annahme, daß sie unsere WIRKLICHKEITSAUFFASSUNG nachhaltig beeinflussen können.


DIE VORTEILE DER KONFUSION:

Situation: Susi betritt ein Zimmer, und die dort Anwesenden brechen in lautes Lachen aus. Für sie ist das sehr verwirrend, denn entweder sehen sie die Situation anders, oder sie sind im Besitz von Informationen, die ihr unbekannt sind.

Sie sucht nun nach ANHALTSPUNKTEN für das Lachen (dreht sich z.B. um, ob irgendjemand Faxen hinter ihrem Rücken macht, verlangt eine Erklärung für ihr Verhalten)

Jeder Zustand der Konfusion löst also eine sofortige Suche nach Anhaltspunkten aus, die zur Klärung der Ungewißheit und dem damit verbundenen Unbehagen dienen können.

Eine Folge von Konfusion, nämlich die Tatsache, daß sie unsere Wahrnehmung für unter Umständen kleinste Einzelheiten schärft, ist von großem Interesse.

In ungewöhnlichen Lagen, zum Beispiel in großer Gefahr, sind wir unvermutet gewisser Reaktionen fähig, die vollkommen aus dem Rahmen unseres Alltagsverhaltens fallen können.

Im Bruchteil einer Sekunde und ohne auch nur zu überlegen, können wir komplizierte, lebensrettende Entscheidungen treffen und durchführen.

DER KLUGE HANS:

Ein gewisses Maß an absichtlicher Unaufmerksamkeit erhöht unsere Sensibilität gerade für die besonders kleinen, averbalen Kommunikationen, die in zwischenmenschlichen Situationen oder solchen zwischen Mensch und Tier von besonders ausschlaggebender Bedeutung sein können.

Diese Phänomene sind von großem Interesse für die KOMMUNIKATIONSFORSCHUNG und für Untersuchungen der Natur dessen, was wir WIRKLICHKEIT nennen.

1904 ging einer der ältesten Wunschträume der Menschheit in Erfüllung: Die Verständigung zwischen Mensch und Tier.

Ein pensionierter Lehrer in Berlin hat seinem Pferd Hans, einem 8-jährigen Hengst, Arithmetik beigebracht, auch die Fähigkeit, die Uhr zu lesen, und Fotos von Leuten zu erkennen, die ihm vorgestellt worden waren.

Der Kluge Hans klopfte das Ergebnis mathematischer Aufgaben mit seinem Huf. Die Ergebnisse nichtnumerischer Aufgaben buchstabierte er (indem er für a einmal klopfte, für b zweimal usw.)

Seine Fähigkeiten wurden äußerst sorgfältigen, wissenschaftlichen Prüfungen unterzogen, man wollte die Möglichkeit einer Täuschung durch geheimes Signalisieren seitens seines Herrn gänzlich ausschalten.

(Hans Leistungen waren in Abwesenheit seines Herrn fast ebenso gut wie in dessen Gegenwart!) Wissenschaftler und Fachleute schlossen eine absichtliche Täuschung aus wie auch eine unwillkürliche Zeichengebung.

Jedoch im Dezember 1904 hatte Prof. Dr. Carl Stumpf festgestellt, daß das Pferd versagt, wenn die Lösung der gestellten Aufgabe keinem der Anwesenden bekannt ist.

Das Pferd versagt auch, wenn es durch große Scheuklappen die Personen, denen die Lösung der Aufgabe bekannt ist, (meistens der Fragesteller) nicht sehen kann.

= Das Pferd muß im Laufe des langen Rechenunterrichts gelernt haben, während des Tretens immer genauer die kleinen Veränderungen der Körperhaltung, mit denen der Lehrer UNBEWUSST die Ergebnisse seines eigenen Denkens begleitet, zu beachten und als Schlußzeichen zu benutzen.

Wir Menschen senden fortwährend Signale aus, deren wir uns unbewußt sind und über die wir daher keinen Einfluß haben.

Jeder, der eine enge Beziehung zu einem Tier (besonders Katze, Hund, Pferd) hat, weiß, wie erstaunlich genau die Wahrnehmungen und das Verständnis dieses Tieres besonders dann zu sein scheint, wenn es sich um AFFEKTGELADENE Situationen handelt. In solchen Situationen geben wir vorübergehend einige unserer intellektuellen Haltungen auf und werden somit dem Tier viel verständlich. Tiere sind total auf die richtige Wahrnehmung und Auslegung kleinster Anhaltspunkte angewiesen.

In ihrem täglichen Leben, vor allem auf freier Wildbahn, sind sie dauernd Situationen ausgesetzt, die für ihr Überleben die richtige Einschätzung der Situation und die richtige Entscheidung in Bruchteilen von Sekunden erfordern.


SUBTILE BEEINFLUSSUNGEN:

Nicht nur Tiere, sondern auch wir Menschen unterliegen also Beeinflussungen, die uns nicht bewußt sind und zu denen wir daher auch keine bewußte Stellung ergreifen können.

Wir selbst sind nicht nur EMPFANGER, sondern auch SENDER solcher außerbewußter Beeinflussungen, wie sehr wir uns auch bemühen mögen, sie zu vermeiden.

Wir beeinflussen unsere Mitmenschen fortwährend in verschiedenster Weise, ohne uns dessen bewußt zu sein. Diese Sparte der Kommunikationsforschung stellt uns vor philosophische und ethische Probleme der Verantwortlichkeit. Sie zeigt nämlich, daß wir die Urheber von Einflüssen sein können, von denen wir nichts wissen, und die uns unter Umständen völlig unannehmbar wären, wenn wir von ihnen wüßten.

BEISPIEL: Die Mutter eines Jugendkriminellen legt oft zwei sehr widersprüchliche Haltungen an den Tag:

eine "offizielle" kritische, die gutes Benehmen und Respekt für gesellschaftl. Normen verlangt

und eine ganz andere, averbale, indirekte und provozierende Haltung, der sie sich selbst in Tat und Wahrheit unbewußt ist. Dem Außenstehenden, und vor allem ihrem Sohn, ist das Leuchten ihrer Augen und ein gewisser "Stolz" bei der Aufzählung des Sündenregisters ihres Kindes unverkennbar.

Eckhard H. Hess (Universität Chicago) beschäftigte sich mit solchen averbalen, mittelbaren Einflüssen. Er fand heraus, daß die Pupillengröße keineswegs nur von der Stärke des einfallenden Lichts abhängt, sondern auch von GEFÜHLSMASSIGEN FAKTOREN.

Er konnte im Laufe seiner Untersuchungen feststellen, daß Zauberkünsteler und Taschenspieler plötzliche Veränderungen der Pupillengröße genau beachten und daraus ihre Schlußfolgerungen ziehen. Wird zum Beispiel jene Karte aufgeschlagen, die sich die Versuchsperson merkte, so vergrößern sich meist ihre Pupillen.

(Experiment: 2 gleiche Bilder einer Frau, bei einem Bild Pupillen der Frau vergrößert.

Reaktion: wirkt "fraulicher", hübscher, weicher.)

Pupillenreaktionen sind also nur eine von vielen averbalen und außerbewußten Verhaltensweisen, die die zwischenmenschliche Wirklichkeit alltäglich und nachhaltig beeinflussen.


AUSSERSINNLICHE WAHRNEHMUNGEN:

Es besteht also kein Zweifel, daß wir alle viel mehr wahrnehmen und von unseren Wahrnehmungen viel mehr beeinflußt werden, als wir wissen.

Wir sind in einem dauernden Austausch von Kommunikationen begriffen, über die wir uns nicht bewußt Rechenschaft geben, die unser Verhalten aber weitgehend bestimmen.

VERSUCH:

25 Karten, von denen je 5 dasselbe Symbol haben (Kreuz, Kreis, Quadrat, Fünfeck oder Wellenlinie). Versuchsperson soll Symbol der Karte erraten, die Versuchsleiter abhebt und ansieht.

Versuchsperson rät einmal pro Karte, Versuchsleiter teilt sofort mit, ob sie richtig oder falsch geraten hat. Es wird eine Konfusion erzeugt, in der die Versuchsperson zu den subtilsten Wahrnehmungen Zuflucht nimmt. Wenn nun der Versuchsleiter beim Ansehen eines bestimmten Symbols jeweils dasselbe minimale Anzeichen gibt (z.B.: winzige Kopfbewegung) steigt die Erfolgskurve der Versuchsperson rasch an (vorausgesetzt, es wird dasselbe Minimalzeichen für dasselbe Symbol gegeben).

Das Interessante ist, daß die Versuchsperson den wahren Grund für den Erfolg nicht kennt und fest annimmt, tatsächlich "außersinnliche" Fähigkeiten in sich entdeckt zu haben.

Aller Wahrscheinlichkeit nach beruht ein Großteil angeblichen Gedankenlesens und Hellsehens eben auf dieser menschlichen Wahrnehmungs - und Deutungsfähigkeit minimaler Anzeichen.


D E S I N F O R M A T I O N:

Bisher hat sich Watzlawick mit Situationen befaßt, in denen eine Mitteilung ihren Empfänger in der vom Sender beabsichtigten Form entweder deswegen nicht erreicht, weil ein HINDERNIS in der Übermittlung oder Übersetzung dies unmöglich machte oder weil die Mitteilung selbst so geartet war, daß sie ihrer eigenen Bedeutung widersprach und damit eine PARADOXIE schuf. In beiden Fällen führte dies zu KONFUSION.

Eine durch Konfusion erzeugte Wirklichkeit löst ein sofortige SUCHE NACH ORDNUNG aus. Diese Form von Unwirklichkeit kann auch durch bestimmte Experimente herbeigeführt werden. Sehr merkwürdige Störungen der Wirklichkeitsauffassung können dann auftreten, wenn diese Ordnung schwer zu erfassen ist oder überhaupt nicht besteht.

NICHTKONTINGENZ - oder: DIE ENTSTEHUNG VON WIRKLICHKEITSAUFFASSUNGEN:

Es gibt genug Lebenssituationen, die neuartig sind und zu deren Lösung keine oder nur untzureichende frühere Erfahrungen zur Verfügung stehen.

Der Zustand von DESINFORMATION wird durch einen Mangel an direkt anwendbarer Erfahrung und die sich daraus ergebende Unfähigkeit, das Wesen der Situation auf Anhieb zu erfassen, gebildet.

Wenn nun eine solche Situation keinerlei innere Ordnung hat, dieser Umstand dem Betreffenden aber unbekannt ist, so wird er nach Sinnbezügen zu Wirklichkeitsauffassungen und Verhaltensformen suchen. Bei den folgenden Experimenten besteht keine ursächliche Bezhiehung zwischen dem Verhalten des Versuchstiers (oder der Versuchsperson) und der Belohnung (oder Bestrafung) für dieses Verhalten.

Das betreffende Wesen glaubt, es besteht eine UNMITTELBARE ERFASSBARE BEZIEHUNG (eine sogenannte KONTINGENZ) zwischen seinem VERHALTEN und den sich daraus ergebenden FOLGEN, während diese nicht besteht.


DAS NEUROTISCHE PFERD:

(Ein nichtkontingentes Experiment)

Glocke läutet - kurze Zeit später leichter elektrischer Schodk auf der Metallplatte im Boden - Pferd wird rasch eine Kausalbeziehung zwischen dem Glockensignal und dem Schock vermuten. Es wird daher beim Glockenzeichen den betreffenden Huf vom Boden abheben.

Schockapparat abmontieren - Pferd wird trotzdem beim Läuten der Glocke Huf heben, um auf dies BEWAHRTE und verläßliche Weise den Schock zu vermeiden.

Dies führt zu dem interessanten Resultat, daß das Tier jedesmal, wenn es den Huf hebt und "daher" keinen Schock erhält, in der Annahme bestätigt wird, das Heben des Hufs sei das RICHTIGE VERHALTEN, das vor einem unangenehmen Erlebnis schützt.

Dieses Verhalten macht es aber dem Pferd unmöglich, die wichtigste Entdeckung zu machen, daß die Bedrohung durch den Schock nicht mehr besteht.

Seine Lösung ist also zu einem PROBLEM geworden.

Beim Menschen würde man von einem NEUROTISCHEN oder PSYCHOTISCHEN Symptom sprechen.

DIE ABERGLAUBISCHE RATTE:

(Aberglauben gilt allgemein als eine typisch menschliche Schwäche oder als magischer Versuch, Einfluß über die Unberechenbarkeit des Lebens und der Welt zu gewinnen.)

Ratte wird in Raum gelassen, am anderen Ende steht Futternapf. 10 sec nach Öffnen des Käfigs fällt Futter in den Napf, vorausgesetzt, daß die Ratte erst 10 sec nach Öffnen des Käfigs zum Napf kommt. Kommt sie früher dorthin, bleibt Napf leer.

Nach einigem blinden Ausprobieren (dem sogenannten VERSUCHS - oder IRRTUMSVERFAHREN) erfaßt die Ratte die offensichtliche Beziehung zwischen dem Erscheinen (bzw. Nichterscheinen) von Futter und dem Vergehen der Zeit.

Ratte braucht nur 2 Sekunden um zum Napf zu gelangen, die restlichen 8 Sekunden muß sie in einer Weise vergehen lassen, die ihrem NATÜRLICHEN IMPULS, direkt zum Futter zu laufen, widerspricht. Jedes, auch das zufälligste Verhalten der Ratte ist in diesen Sekunden SELBSTBESTATIGEND und SELBSTBESTARKEND. Es kann zu jener Handlung kommen, von der sie annimmt, sie sei notwenig, um dafür durch das Auftauchen von Futter belohnt zu werden - und das ist das Wesen dessen, was wir im menschl. Bereich einen ABERGLAUBEN nennen.

Die Ratte führt nun Bewegungen aus, die sie zuerst rein zufällig ausführte, nun aber sorgfältig wiederholt, da für sie der ERFOLG mit dem Futter ausschließlich davon abhängt.

Denn jedesmal, wenn sie beim Ankommen am Napf Fressen vorfindet, bestärkt dies die "Annahme", es sei durch ihr "richtiges Verhalten" erzeugt worden.

Es besteht eine Ahnlichkeit mit menschlichen Zwangshandlungen, die auf dem Aberglauben beruhen, sie seien zur BESCHWICHTIGUNG oder Günstigstimmung einer höheren Macht notwendig.


DER VIELARMIGE BANDIT:

Der vielarmige Bandit ist eine Maschine, die von Wright an der Stanford - Universität gebaut wurde. Sie hat 16 identische  und unbezeichnete Klingelknöpfe, die kreisförmig auf einem Schaltbrett angeordnet sind. Im Mittelpunkt des Kreises ist ein 17. Druckknopf und über den Knöpfen ein 3 - stelliges Zählwerk angebracht. Die Versuchsperson muß die Knöpfe drücken und eine Höchstzahl von Punkten erzielen. Die Versuchsperson weiß aber nicht, wie sie das Erreichen kann und muß sich auf blindes Ausprobieren verlasssen.

Langsam wird sich aber die Leistung der Person verbessern. Wenn der richtige Knopf gedrückt wird, ertönt ein Summerton und das Zählwerk wird einen Punkt mehr anzeigen. Die Versuchsperson muß aber nach dem Drücken eines Knopfes den Kontrollknopf in der Mitte drücken, um herauszufinden, ob sie damit einen Punkt gewonnen hat.

== Was die Versuchsperson nicht weiß, ist, daß die "Belohnung" der Summerton, der ihr mitteilt, daß sie den "richtigen" Knopf gedrückt hat, NICHTKONTINGENT ist; das heißt, es besteht kein Zusammenhang zwischen den von ihr gedrückten Tasten und dem Ertönen des Summertons.

Im Verlauf der ersten 250 Versuche erhält die Versuchsperson eine gewisse Anzahl von Bestätigungen (Summertönen), die aber WAHLLOS gegeben werden. (Der Versuchsperson werden nur ungefähre Annahmen über die Regeln gestattet).

Während der nächsten 50 versuche erhält die Versuchsperson keinen einzigen Summerton, bei den letzten 25 Versuchen ertönt der Ton nach jedem Tastendruck.

LAGE: Die Versuche schlagen anfangs fehl, bis der Ton auf einmal ertönt. Die Situation scheint vorläufig weder Hand noch Fuß zu haben. Langsam bilden sich einige SCHEINBAR VERLASSLICHE Annahmen heraus. Gerade dann geht irgendetwas schief, das alles bisher Erarbeitete in Frage stellt. Kein einziger Versuch erweist sich als richtig.

Doch dann kommt die entscheidende Entdeckung, man hat die Lösung gefunden, der Erfolg ist 100%ig.

An diesem Punkt wird der Versuchsperson die Wahrheit über die Versuchsanordnung mitgeteilt.

Ihr Vertrauen in die Richtigkeit der eben erst mühsamst erarbeiteten Lösung ist aber so unerschüttlich, daß sie die Wahrheit zunächst nicht glauben kann.

Einige nehmen sogar an, daß der Versuchsleiter derjenige ist, der einer Täuschung zum Opfer fiel oder daß sie eine unentdeckte Regelmäßigkeit gefunden haben.

Wenn wir nach langem Suchen und peinlicher Ungewißheit uns endlich einen bestimmten Sachverhalt erklären zu können glauben, kann unser darin investierter emotionaler Einsatz so groß sein, daß wir es vorziehen, unleugbare Tatsachen die unserer Erklärung widersprechen, für unwahr oder unwirklich zu erklären, statt unsere Erklärung diesen Tatsachen anzupassen. Dies kann bedenkliche Folgen für unsere Wirklichkeitsanpassung haben.

Wright konnte nachweisen, daß die Versuchspersonen, deren Versuche öfter als 50 % mit dem Summerton belohnt wurden, verhältnismäßig einfache Erklärungen entwickelten.

Andere, deren Versuche mit weit unter 50% liegender Häufigkeit für richtig erklärt wurden, fanden das Problem häufig unlösbar und gaben auf.

INTERPUNKTION - oder: DIE RATTE UND DER VERSUCHSLEITER

Eine Ratte erklärt sich wahrscheinlich das Verhalten des Versuchsleiters so: "Ich habe diesen Mann so trainiert, daß er mir jedesmal Futter gibt, wenn ich diesen Hebel drücke."

Damit beweist die Ratte, daß sie in derselben REIZ - REAKTIONSFOLGE eine andere Gesetzmäßigkeit sieht als der Versuchsleiter.

Für ihn ist der Hebeldruck der Ratt eine von ihr erlernte RAKTION auf einen von ihm unmittelbar vorher gegebenen Reiz. Die Ratte sieht aber die Wirklichkeit anders: 

Ihr Hebeldruck ist ein Reiz, den sie dem Versuchsleiter erteilt, worauf er mit dem Geben von Futter als erlernte Reaktion antwortet.

Obwohl beide also dieselben Tatsachen sehen, schreiben sie ihnen zwei sehr verschiedene Bedeutungen zu und erleben sie daher als zwei verschiedene Wirklichkeiten.

Interpunktieren heißt hier, der Wirklichkeit eine bestimmte Ordnung zuzuweisen und ohne diese Ordnung würde uns unsere Welt chaotisch, völlig unvorhersehbar und daher äußerst bedrohlich erscheinen.

Man sieht also, daß das verschiedene Ordnen (INTERPUNKTIEREN) von Ereignisabläufen im eigentlichen Sinne des Wortes VERSCHIEDENE WIRKLICHKEITEN erzeugt.

BEISPIEL: Eine Mutter mag sich als einzige Brücke zwischen ihrem Mann und ihren Kindern sehen. Ohne ihre dauernde Anstrengung, zwischen ihnen zu vermitteln, bestünde zwischen ihm und den Kindern überhaupt keine Bindung.

Für den Mann ist die Mutter ein dauerndes HINDERNIS zwischen ihm und den Kindern - wenn sie sich nicht dauernd einmischen würde, könnte er zu ihnen eine viel engere und herzlichere Beziehung haben.

Genau wie die Ratte und der Versuchsleiter sehen auch sie nicht die einzelnen EREIGNISSE ALS SOLCHE anders, sondern die BEDEUTUNG, die innere Ordnung ihres Ablaufs - und dies führt dann zu widersprüchlichen Perspektiven wie "Brücke" oder "Hindernis".

Partner in einem Beziehungskonflikt begehen meist den Fehler, daß sie übersehen, daß sie ihre zwischenpersönliche Wirklichkeit widersprüchlich geordnet haben und nun blind annemen, daß es nur eine Wirklichkeit und daher auch nur eine richtige Wirklichkeitsauffassung (nämlich die eigene) gibt. Daraus folgt zwangsläufig, daß der Partner verrückt oder böswillig sein muß, wenn er die Dinge ganz anders sieht.

BEISPIEL:

In den letzten Phasen des Weltkriegs haben sich viele amerikanische Soldaten vorübergehend in Großbritannien aufgehalten.

Vergleich des Paarungsverhaltens in den beiden Kulturen:

Es ergab sich, daß sowohl die amerikanischen Soldaten als auch die englischen Mädchen sich gegenseitig des Mangels an sexuellem Taktgefühl und Zurückhaltung bezichtigten.

Es kam ein TYPISCHES INTERPUNKTIONSPROBLEM ans Licht.

Das kulturspezifische Paarungsverhalten, vom ursprünglichen Kennenlernen bis zum Geschlechtsverkehr durchläuft sowohl in England als auch in den USA ungefähr dieselben 30 Verhaltensstufen; die REIHENFOLGE dieser Verhaltensweisen ist aber in den beiden Kulturen verschieden. Während in den USA Küssen zum Beispiel relativ früh kommt und recht harmlos ist, gilt es in England für sehr erotisch und nimmt daher einen viel späteren Platz im Verhaltensablauf ein.

Wenn also der Amerikaner annahm, es sei Zaeit für einen unschuldigen Kuß, war dieser Kuß für die Engländerin durchaus kein unschuldiges, sondern ein sehr unverschämtes Benehmen, das für sie keineswegs in dieses Frühstadium der Beziehung paßte. Sie fühlte sich irendwie um einen Teil des richtigen Paarungsverhaltens betrogen und sie mußte sich auch entscheiden, ob sie diese Beziehung an diesem Punkt abbrechen oder sich ihrem Freund sexuell hingeben sollte.

Nun fand der amerikanische Soldat das Verhalten seiner Freundin auf Grund seiner außerbewußten Verhaltensregeln als nicht in das Frühstadium der Beziehung passend und daher schamlos.

Es handelt sich hier um Konflikte die nicht auf einen der Partner reduziert werden können und dürfen, sondern die ausschließlich im Wesen der BEZIEHUNG liegen.

Es ist typisch für solche Probleme, daß die Partner sie meist nicht von sich aus lösen können, da ihnen die zwischenpersönliche Natur des Konflikts verborgen bleibt und sie daher in einem Zustand der DESINFORMATION leben.

DIE AUSBILDUNG VON REGELN:

Angst, mit der auch unbedeutende Desinformationssituationen besetzt sein können, beweist, wie notwendig es ist, eine Ordnung im Laufe der Dinge zu sehen, oder eine Ordnung in die Ereignisse einzuführen, das heißt zu INTERPUNKTIEREN.

Es entsteht nun die Frage, wie Menschen sich in einer Situation verhalten, die für sie so ungewöhnlich und neuartig ist, daß frühere Erfahrung keinen Schlüssel zu ihrer Bewältigung bietet; eine Situation, für die nicht bereits ein Interpunktionsschema vorliegt.

BEISPIEL: Jemand hat sein erstes Rendevous mit einem Mädchen, sie verspätet sich um 20 Minuten. Er erwähnt ihre Verspätung mit keinem Wort. Mit dieser Nichterwähnung bildet sich aber die erste Regel ihrer Beziehung heraus.

Sie hat nun sozusagen das Recht, auch zu den künftigen Rendevous zu spät zu kommen, und er hat "kein Recht", sie deswegen zu kritisieren. Täte er dies, so könnte sie die berechtigte Frage stellen: "Wieso beschwerst du dich heute plötzlich darüber?"

Es tauchen Regeln und Gesetzmäßigkeiten auf, besonders in zwischenmenschlichen Beziehungen verringert jeder Austausch von Verhalten die Zahl der bis dahin offenen Möglichkeiten.

Es bedeutet, daß selbst dann, wenn ein bestimmtes Verhalten nicht ausdrücklich erwähnt, geschweige denn vom Partner ausdrücklich gutgeheißen wird, die bloße Tatsache seines Eintretens einen Präzedenzfall schafft und damit eine REGEL herbeiführt.

Das Brechen solcher schweigender Regeln gilt als unannehmbares oder zumindest unrichtiges Verhalten, obwohl die Regel als solche unter Umständen beiden Partnern ganz außerbewußt sein mag.

INTERDEPENDENZ

Jedermann weiß, was es bedeutet, wenn ein Ding im selben Maße vom anderen abhängt. Wenn aber dieses andere, zweite Ding im selben Maße vom ersten abhängt, so daß also beide sich gegenseitig beeinflussen, so nennt man diese Beziehungsform INTERDEPENDENT. Dieses Muster liegt dem nächsten Beispiel zugrunde: das Verhalten jedes Partners bedingt das des anderen und ist seinerseits von dem des anderen bedingt.


DAS GEFANGENENDILEMMA

Ein Staatsanwalt hält 2 Männer in Untersuchungshaft, die des Raubs verdächtigt sind.

Die gegen die beiden vorliegenden Indizien reichen aber nicht aus, um den Fall vor Gericht zu bringen. Er läßt sich die beiden Gefangenen vorführen und teilt ihnen mit daß er zu ihrer Anklage ein Geständnis brauche. Er erklärt ihnen, daß er sie dann, wenn beide den Raubüberfall leugnen, nur wegen illegalen Waffenbesitzes zur Anklage bringen kann und daß sie dafür schlimmstenfalls zu je 6 Monaten Gefängnis verurteilt werden könnten. Gestehen beide aber die Tat ein, so werde er dafür sorgen, daß sie nur das Mindestmaß für Raub, nämlich 2 Jahre Gefängnis, bekommen.

Wenn aber nur einer ein Geständnis ablegt, der andere aber weiterhin die Tat leugnet, würde der Geständige damit zum Kronzeugen und ginge frei aus, während der andere das Höchststrafmaß, nämlich 20 Jahre erhalten würde.

Ohne ihnen die Möglichkeit einer Aussprache zu geben, schickt er die Gefangenen in getrennte Zellen zurück und macht damit jede Kommunikation zwischen ihnen unmöglich.

1.Überlegung: Beide würden am besten abschneiden, wenn sie die Tat leugnen (6Monate).

Doch es entstehen dann erste Zweifel.

2.Überlegung: Was aber, wenn der andere, der sich unschwer vorstellen kann, daß ich zu

diesem Entschluß gekommen bin, die Situation ausnützt und die Tat gesteht?

Er wird dann freigelassen, was für ihn entscheidend ist, während ich nicht

6 Monate, sondern 20 Jahre bekomme. Ich bin besser dran, wenn ich gestehe,

denn wenn er nicht gesteht, bin ich derjenige, der freigelassen wird.

3.Überlegung: Wenn ich aber gestehe, so enttäusche ich nicht nur sein Vertrauen, daß ich

vertrauenswürdig genug bin, um die für uns beide vorteilhafteste Entscheidung

zu treffen (nämlich nicht zu gestehen und daher mit 6 Monaten davonzu-

kommen), sondern ich laufe Gefahr, daß ich, wenn er genauso egoistisch und

unzuverlässig ist wie ich selbst und daher aus derselben Überlegung heraus

gesteht, zu 2 Jahren verurteilt werde, was viel schlimmer wäre als die 6

Monate, die wir bekämen, wenn sie beide leugneten.

Dies ist ihr Dilemma und es hat keine Lösung.

Denn selbst wenn die Gefangenen es fertigbrächten, irgendwie miteinander zu kommunizieren und eine gemeinsame Entscheidung zu vereinbaren, würde ihr Schicksal trotzdem von der Frage abhängen, ob sie es ihrem Komplizen zutrauen können, sich im entscheidenden Moment der Gerichtsverhandlung an diese Vereinbarung zu halten. Da sie dies aber auf keinen Fall mit Sicherheit annehmen können, beginnt der obenerwähnte TEUFELSKREIS ihrer Überlegungen an diesem Punkte VON NEUEM.

Und bei längerem Nachdenken werden beide begreifen, daß die Vertrauenswürdigkeit ihres Komplizen weitgehend davon abhängt, wie vertrauenswürdig sie selbst dem anderen erscheinen, und dies wiederum hängt davon ab, wieviel Vertrauen jeder seinerseits dem anderen zu schenken bereit ist.

Menschliche Situationen, die die Struktur des Gefangenendilemmas haben, sind häufiger, als man annehmen möchte. Sie treten überall dort auf, wo Menschen sich in einem Zustand der Desinformation befinden, weil sie eine gemeinsame Entscheidung treffen MÜSSEN, sie andererseits nicht treffen KÖNNEN, da ihnen die Möglichkeit direkter Kommunikation (und damit der Vereinbarung des bestmöglichen Vorgehens) fehlt.

2 Gründe sind dafür verantwortlich: Mangel an gegenseitigem Vertrauen und die physische Unmöglichkeit zu kommunizieren.

WAS ICH DENKE, DASS ER DENKT, DASS ICH DENKE                                                                                              

Das zweitwichtigste Merkmal jedes Gefangenendilemmas ist die physische Unmöglichkeit, über die bestmögliche gemeinsame Entscheidung zu kommunizieren. Andererseits muß eine gemeinsame Entscheidung getroffen werden.

Die Antwort ist nicht einfach, und wie so oft bei der Lösung schwieriger Probleme ist es besser, die Frage umzudrehen: Was darf NICHT getan werden?

Offensichtlich darf mein Beitrag zu einer interdependenten Entscheidung nicht darauf beruhen, was ich aus rein persönlichen Gründen vorziehe und dafür für die beste Lösung halte. Ich muß vielmehr überlegen, was der andere für die beste Lösung hält.

Und wie im Falle der beiden Gefangenen wird auch seine Entscheidung weitgehend davon bestimmt sein, was er glaubt, daß sein Komplize für die beste Entscheidung hält.

Alle interdependenten Entscheidungen, in denen offene und freie Kommunikation aus irgendwelchen Gründen unmöglich ist, beruhen auf diesem theoretisch unendlichen Regress dessen, was ich denke, daß er denkt, daß ich denke..

BEISPIEL: Wenn ein Mann seine Frau in einem Kaufhaus aus den Augen verliert und die beiden keine Vereinbarung darüber getroffen haben, wo sie in diesem Fall aufeinander warten werden, sind ihre Chancen, sich wiederzufinden, trotzdem gut.

Man stellt sich nicht einfach vor, wohin der andere gehen wird, denn der andere wird dorthin gehen, wovon er sich vorstellt, daß man selbst hingehen wird.

Dieses Beispiel zeigt, daß eine interdependente Entscheidung (in Abwesenheit direkter Kommunikation) nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn sie auf der Basis einer von beiden Partnern geteilten Wirklichkeitsauffassung beruht.

DROHUNGEN:

Eine Drohung ist eine Forderung nach einem bestimmten Verhalten. Sie ist mit der Ankündigung bestimmter Folgen im Falle der Nichtausführung verbunden.

Um erfolgreich zu sein, muß eine Drohung 3 Voraussetzungen erfüllen:

Sie muß glaubhaft, das heißt überzeugend sein, um ernstgenommen zu werden.

Sie muß ihr Ziel, also den zu Bedrohenden, erreichen.

Der Bedrohte muß imstande sein, der Drohung nachzukommen.

Wenn auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht gegeben ist oder verunmöglicht werden kann, ist die Drohung wirkungslos.

DIE GLAUBHAFTIGKEIT EINER DROHUNG:

In der Regel muß man damit drohen, BESTIMMT und nicht VIELLEICHT zu handeln, wenn der Forderung nicht stattgegeben wird. Vielleicht zu handeln bedeutet, daß man vielleicht nicht handeln wird - daß man sich nicht festgelegt hat.

Möglichkeiten einer Gegenmaßnahme ist eine Gegendrohung von ähnlicher oder sogar größerer Glaubwürdigkeit und Schwere. Auch hier hängt der Erfolg von der richtigen Einschätzung dessen ab, was für den anderen (und nicht für einen selbst) ein zwingender Grund ist.

DIE DROHUNG, DIE IHR ZIEL NICHT ERREICHEN KANN:

Es dürfte einleuchten, daß eine Drohung, die entweder nicht an ihrem Ziel ankommt oder die, aus welchen Gründen auch immer, vom Bedrohten nicht verstanden wird, scheitern muß. Geistesgestörte, Fanatiker, Schwachsinnige oder Kinder mögen für Drohungen unzulänglich sein, da sie sie nicht begreifen (oder dies zumindest glaubhaft vorschützen).

Eine wirkungsvolle Maßnahme gegen eine Drohung besteht darin, ihren Erhalt unmöglich zu machen. Dies läßt sich auf verschiedene Weise bewerkstelligen. Es reicht manchmal eine vorgebliche Verstehensbehinderung aus: Zerstreutheit, Taubheit, Unaufmerksamkeit, Betrunkenheit, die Vermeidung eines warnenden Blickes durch Wegsehen, die Behauptung, Ausländer zu sein und die Landessprache nicht zu verstehen, usw.

Selbstverständlich muß es glaubhaft sein, daß man die Drohung nicht begreift.

Es zeigt sich, daß eine Drohung interdependente Merkmale hat: ihr Urheber wie der Bedrohte müssen versuchen, den anderen im richtigen Erraten dessen zu übertreffen, was jener für plausibel und überzeugend hält.

Geistesgegenwärtigen Bankbeamten gelingt manchmal bei einem Banküberfall eine erfolgreiche Weigerung, die die Lage von Grund auf umdeutet und auf die der Räuber daher nicht vorbereitet ist. Bei der Planung des Überfalls hat er versucht, alle nur möglichen Aspekte der Wirklichkeit, in der er zu handeln hat, in Betracht zu ziehen. Nun ist er plötzlich mit einer anderen Wirklichkeit konfrontiert. Der Schalterbeamte spielt sozusagen ein anderes Spiel, auf das die Spielregeln des Räubers nicht anwendbar sind.

"Nein, was für eine merkwürdige Idee!"

"Ich habe jetzt Mittagspause, bitte gehen Sie zum nächsten Schalter."

"Ich bin noch in Ausbildung und darf daher keine Auszahlungen machen - bitte gedulden Sie sich, bis der Schalterbeamte zurückkommt."

DIE UNBEFOLGBARE DROHUNG:

Selbst dann, wenn eine Drohung glaubhaft ist und ihr Ziel erreicht hat, ist noch nicht alles verloren. Wenn ich meinen Bedroher überzeugen kann, daß es mir unmöglich ist, seiner Drohung nachzukommen, wird die Drohung unwirksam

BEISPIEL: Wenn jemand von mir unter Todesdrohung eine Million Schilling fordert, wird es mir nicht zu schwer fallen, ihm zu beweisen, daß ich diese Summe nicht besitze und auch nicht aufbringen kann. Verlangt er dagegen hundert oder zehntausend Schilling, ist meine Lage viel gefährlicher.

Manchmal kann die unmittelbare Wirkung einer Drohung selbst eine Situation herbeiführen, die ihre Erfüllung unmöglich macht. Eine Ohnmacht, ein Herzanfall oder ein epileptischer Anfall, ob tatsächlich oder nur vorgetäuscht, setzt nicht nur das Opfer, sondern auch den Urheber der Drohung außer Gefecht.

Eine Todesdrohung kann auch dann unwirksam werden, wenn der Bedrohte eiserne Nerven hat und überzeugend glaubhaft machen kann, daß er ohnehin im Begriff war, Selbstmord zu begehen, oder daß er an einer unheilbaren Krankheit leidet und sich bereits mit dem Tode abgefunden hat.

Jede Drohung hat ein zugrunde liegendes Kommunikationsmuster. Der Erfolg einer Drohung oder einer Gegenmaßnahme beruht fast ausschließlich auf der korrekten Einschätzung der Wirklichkeitsauffassung des anderen. Drohungen sind ebenso Phänomene der Interdependenz.


DIE ZWEI WIRKLICHKEITEN:

Es gibt keine absolute Wirklichkeit, sondern nur subjektive, zum Teil völlig widersprüchliche Wirklichkeitsauffassungen, von denen naiv angenommen wird, daß sie der "wirklichen" Wirklichkeit entsprechen.

Wir vermischen meist 2 verschiedene Begriffe der Wirklichkeit: Der erste bezieht sich auf die rein physischen und daher weitgehend objektiv feststellbaren Eigenschaften von Dingen und damit entweder auf Fragen des sogenannten gesunden Menschenverstands oder des objektiven wissenschaftlichen Vorgehens. Der zweite beruht ausschließlich auf der Zuschreibung von Sinn und Wert an diese Dinge und daher auf Kommunikation.

BEISPIEL: GOLD

Die Wirklichkeit erster Ordnung sind seine physischen Eigenschaften.

Die Bedeutung, die das Gold aber seit Urzeiten im menschlichen Leben spielt hat mit seinen physischen Eigenschaften sehr wenig zu tun. Diese andere, zweite Wirklichkeit des Goldes ist es aber, die einen zum Krösus oder Bankrotteur machen kann.

Ganz offensichtlich gibt es keinen objektiv "richtigen" Abstand zwischen zwei Personen, und ebenso offensichtlich kann Küssen, je nach den Normen einer Kultur, im Frühstadium oder erst gegen Ende des Paarungsverhaltens für "richtig" gelten. Diese Regeln sind also subjektiv. Im Bereich dieser WIRKLICHKEIT ZWEITER ORDNUNG ist es also absurd, darüber zu streiten, was "wirklich" wirklich ist.

Wir verlieren diesen Unterschied nur zu leicht aus den Augen oder sind uns des Bestehens dieser zwei verschiedenen Wirklichkeiten überhaupt nicht bewußt. Wir leben dann unter der naiven Annahme, die Wirklichkeit sei natürlich so wie WIR sie sehen, und jeder, der sie anders sieht, müsse böswillig oder verrückt sein.



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