Alfred Hitchcock
13.08.1899 (London) - 29.04.1980 (Los Angeles CA)
Am 13. August 1899 wird
Alfred Joseph Hitchcock als drittes Kind des Gemüsehändlers William Hitchcock
und seiner Frau Emma, geb. Whelan in Leytonstone bei London geboren. Er genießt
eine strenge und katholische Erziehung.
Er besucht Jesuiten-Schulen, 1908-13 die School of Engineering and Navigation,
und arbeitet von 1914 bis 1919 bei einer Telegrafen-Gesellschaft. Für die
britische Niederlassung von Famous Players-Lasky gestaltet er ab 1919
Zwischentitel im Studio von Islington, das 1922 von Michael Balcon übernommen
wird. 1921 lernt Hitchcock bei Famous Players-Lasky die Cutterin Alma Reville
kennen, seine spätere Ehefrau. Sie ist fortan wichtige Bezugsperson für sein
Schaffen, nicht wenige seiner Arbeiten entstanden in enger Absprache mit ihr.
Vom amerikanischen Regisseur George Fitzmaurice und anderen Filmschaffenden
lernt Hitchcock Techniken der Filmarbeit und wird 1922 unerwartet mit den
Dreharbeiten zu Mrs. Peabody (Number Thirteen) beauftragt, der Film wird
jedoch nicht fertiggestellt. 1924 kommt Hitchcock im Rahmen seiner Mitarbeit an
The Blackguard, der in den Berliner Studios der UFA gedreht wird, nach
Deutschland. Hier lernt er den deutschen expressionistischen Film kennen und
Regisseure wie Friedrich Wilhelm Murnau und Fritz Lang, deren Techniken das
Werk Hitchcocks nachhaltig beeinflussen. 1925 entstehen in München seine ersten
eigenständigen Regiearbeiten: The Pleasure Garden und The Mountain
Eagle.
Der erste Film, den Hitchcock nach seiner Rückkehr aus Deutschland dreht, The
Lodger (1926), zeigt bereits Merkmale seiner typischen Handschrift: das
Thema, ein unschuldig verfolgter Mann (hier wird er fast von einem
aufgebrachten Mob gelyncht), wird in einem raffinierten Spannungsaufbau
(Suspense) inszeniert.
Blackmail (1929), der noch als Stummfilm begonnen wird, zeigt bereits
Hitchcocks meisterhaften Umgang mit Ton. Da die Hauptdarstellerin Anny Ondra,
mit der bereits große Sequenzen des Filmes abgedreht waren, mit starkem
tschechischen Akzent spricht, lässt er sie zeitgleich von der jungen
Schauspielerin Joan Barry synchronisieren. Zudem setzt er bereits in diesem
Film Ton als gestalterisches Element ein.
Hitchcock wird bald einer der bekanntesten britischen Regisseure und ist in
vielen Genres zuhause: Er arbeitet an der musikalischen Mustershow Elstree
Calling mit, führt Regie bei der Literaturverfilmung Juno and the Peacock
(1930) nach Sean O'Casey und dem Operetten-Film Waltzes from Vienna
(1933), ehe er mit einer Reihe von Thrillern seinen Ruf als Meister der
Spannung begründet.
The Man Who Knew Too Much (1934), der Film über einen Mann und seine
Familie, die unschuldig in ein Attentatskomplott verwickelt werden, wird so
erfolgreich, dass Hitchcock sich 1955 zu einem Remake entschließt. In The 39
Steps (1935) ergänzt Hitchcock den meistervollen Spannungsaufbau mit
komödiantischen Nebenhandlungen, die jedoch den Effekt auf den Zuschauer
keineswegs mildern. Secret Agent (1936), nach zwei Kurzgeschichten von
Somerset Maughan, nimmt wieder eines von Hitchcocks Leitthemen, das des
'wrong man', des zu Unrecht Verdächtigten auf, Sabotage nach
Joseph Conrad ist eine Sozialstudie des Londoner Armenmilieus innerhalb einer
Thriller-Handlung. Hitchcocks englische Periode endet mit dem komödiantischen Young
and Innocent (1937), der Krimikomödie The Lady Vanishes (1938) sowie
dem Kostümdrama Jamaica Inn (1939). Manchen Kritikern gilt die britische
Phase des Regisseurs als eigentlicher Höhepunkt, da sich hier noch nicht alle
filmischen Mittel auf die gezielte Manipulation des Zuschauers richten, sondern
einer größeren Spontaneität Raum für politischen Kommentar, Komödie und soziale
Dokumentation gibt.
1939 engagiert der Produzent David O. Selznick, der gerade Gone with the
wind abgedreht hatte, Alfred Hitchcock nach Hollywood. Er beauftragt ihn
mit den Regiearbeiten der Daphne du Maurier-Adaption Rebecca. Selznick
erhält für diesen Film einen Oscar als Produzent des 'besten Films' des Jahres,
Hitchcock erhält eine Nominierung für die beste Regie - die erste von insgesamt
sechs - er wird den begehrten Preis aber nie erhalten.
Hitchcocks Filme der vierziger Jahre sind durch Experimente gekennzeichnet, so
in Lifeboat die Beschränkung der Film-Handlung auf ein Rettungsboot, in Spellbound
der Einsatz von Freudscher Traum-Dekoration, die Salvador Dalí entwirft, und in
Rope eine durchgehende Handlung mit wenigen, kaum wahrnehmbaren
Schnitten. Neben diesen Experimenten entstehen in den vierziger Jahren auch
klassische Thriller wie Shadow of a Doubt und Notorious, die auf
seine reifen Werke der fünfziger Jahre in diesem Genre vorausdeuten.
Seit dem Beginn ihrer Zusammenarbeit gibt es Spannungen zwischen Hitchcock und
Selznick. Hitchcock gründet 1947 seine eigenen Produktionsfirma Transatlanic
Pictures. In diesem Jahr dreht Hitchcock The Paradine Case, ein
letztes Mal für Selznick. Rope (1948) ist Hitchcocks erster Farbfilm und
zugleich der erste für Transatlantic Pictures.
Dial M for Murder (1954), Rear Window (1954), das Remake von The
Man Who Knew Too Much (1955), The Wrong Man (1956), Vertigo
(1957) und North by Northwest (1959) zeigen Hitchcocks meisterhafte
Techniken der Zuschauermanipulation, seine Vorliebe, Schauspieler wie
Requisiten einzusetzen und machen ihn zum wohl berühmtesten Regisseur
überhaupt, der durch die Moderation der TV-Serie Alfred Hitchcock Presents
(1955-65) und die Kurzauftritte in seinen Filmen den Zuschauern auch als Person
bekannt ist.
Psycho (1960) markiert in seiner pessimistischen Weltsicht, offenen
Gewaltdarstellung und Zersetzung tradierter Erzählmuster einen Wendepunkt nicht
nur für Hitchcock, der seine Hauptdarstellerin Janet Leigh schon in der ersten
Hälfte des Films sterben lässt, sondern auch für das Hollywood-Kino. Zu
Hitchcocks interessanten und meisterhaften Spätwerken gehören The Birds
(1963), Marnie (1964) und Frenzy (1972). Mit dem ironischen Krimi
Family Plot dreht Hitchcock 1975 seinen letzten Film. In einem
buchlangen, mittlerweile legendären Interview, das sein Bewunderer François
Truffaut mit ihm führt, erzählt Hitchcock etwas über 'Le Cinéma selon
Hitchcock' ('Das Kino nach Hitchcock').