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Konrad Lorenz
Konrad Zacharias Lorenz wurde am 7. Nov. 1903 in Wien als Sohn des Orthopäden Dr. Adolf Lorenz und seiner Frau Emma geboren. Nach Abschluß des Schottengymnasium Wien studierte er Medizin in New York und Wien.
1927 heiratete er Dr. Med. Margarethe Gebhardt. Von 1928-33 studierte er Zoologie in Wien. Währenddessen war er Assistent am II. Anatomischen Institut der Universität Wien und später Privatdozent für vergleichende Anatomie und vergleichende Tierpsychologie an der Universität Wien. 1941-44 war er Arzt im Kriegsdienst. 1944-48 Arzt in russischer Gefangenschaft.
1949 gründete er das Institut für Vergleichende Verhaltensforschung in Altenberg und wurde 1951 an das Max-Planck-Institut berufen. Er wird zum Honorarprofessor der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster und kurz darauf zum Honorarprofessor der Ludwig-Maximilians-Universität München ernannt. Von 1961-73 war er Direktor am Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie in Seewiesen bei Starnberg.
1973 wurde ihm, zusammen mit Karl von Frisch und Nikolaas Tinbergen, der Nobelpreis für Medizin und Physiologie zuerkannt. Die Max-Planck-Gesellschaft schuf für ihn dann die Forschungsstation in Grünau im Almtal, wo er im Rahmen des Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung der österr. Akademie der Wissenschafter seine Forschungen fortsetzte. Konrad Lorenz starb am 27.02.1989.
ETHOLOGIE
Konrad Lorenz ist einer der Begründer der Vergleichenden Verhaltenskunde, der Ethologie.
Die Ethologie hat im Laufe der letzten Jahrzehnte gewaltige Fortschritte gemacht, nicht nur in wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern auch hinsichtlich der Würdigung, die ihre Ergebnisse in der öffentlichen Meinung gefunden haben.
Im Zusammenhang damit hat die Zahl der Forscher, die sich mit ihr beschäftigen, gewaltig zugenommen.
Die Arbeit der jungen Wissenschaft hat mit der Erforschung verhältnismäßig niedriger Lebewesen begonnen, um später zu höheren Organismen überzugehen und schließlich auch den Menschen in das Blickfeld ihrer Betrachtung einzubeziehen.
So verschieden menschliches Verhalten von dem der Tiere auch ist, wohnt ihm doch eine Fülle uralter, fester Strukturen inne, die nicht durch die kulturelle Tradition festgelegt wurden, sondern in der Stammesgeschichte des Menschen entstanden und erblich festgelegt sind. Sie sind denen der höchstorganisierten Tiere unmittelbar vergleichbar. Durch den Nachweis der erblichen Verhaltensnormen des Menschen geriet die Verhaltensforschung in das Kreuzfeuer von philosophischen und politischen Meinungen, die ihr, ebenso wie einander, widersprachen. Von idealistischer Seite wird ihr vorgeworfen, blind für das Wesentliche des menschlichen Geistes zu sein. Von der Lehrmeinung der psychologischen Schule des Behaviorismus hingegen wird sie zum Beispiel des "Präformationismus" angeklagt. Beide Vorwürfe schließen einander aus und können nicht gleichzeitig stimmen. Tatsächlich ist keiner der beiden gerechtfertigt.
Die suggestive Kraft einer Lehre wächst mit der Zahl derer, die an sie glauben, und es gehörte, zumindest in der Frühzeit ethologischer Forschung, ein erhebliches Maß an Zivilcourage dazu, den ethologischen Standpunkt sowohl gegen die idealistischen als auch gegen die behavioristischen Lehrmeinungen aufrechtzuerhalten.
Einen besonderen Auftrag findet die Ethologie auch in ethischer Hinsicht. Die stammesgeschichtlich entstandenen, in unserer Erbmasse verankerten Verhaltensnormen erzeugen nicht nur BEDÜRFNISSE, ohne deren kein Mensch glücklich zu leben vermag, sie stellen auch unabdingbare MENSCHENRECHTE dar, deren Verlust den unserer Menschlichkeit nach sich ziehen würde.
Wie begann alles?
Konrad Lorenz hatte schon als Kind sehr viele Gelegenheiten, seinen Interessen folgend sich mit Tieren zu befassen. Die nahe Au, die Donau, die ländlichen Wiesen, der unmittelbar an das Elternhaus heranreichende Wienerwald sind ideale Gebiete, um zoologische Erfahrungen zu sammeln.
Schon als kleines Kind war er davon überzeugt mit dem Tiere verwandt zu sein. Daß das Tier genauso ein lebendes Subjekt ist, wie er, um nichts besser oder schlechter. Die Wildgänse haben in der Tat seit seiner Jugend das besondere Interesse des Verhaltensforschers und Nobelpreisträgers Konrad Lorenz gefunden. Beim Namen Konrad Lorenz dürften die meisten an Graugänse denken. Und darum möchte ich heute über die Lebens- und Verhaltensweisen dieser Tiere, die Konrad Lorenz beobachtet hat, berichten. Denn keine Erkenntnis der Verhaltensforschung ist schließlich so ins Allgemeinwissen übergegangen wie die vom monogamen Familienleben dieser Gänsevögel, und vage wird es auch als Vorwurf empfunden.
Mit seinen Mitarbeitern Sybille und Klaus Kalas hat er im Almtal bei Grünau in Oberösterreich, dieser Ort und die besondere Form der Gänsestation wurden durch das Entgegenkommen der Cumberland- Stiftung bestimmt, in unmittelbarem Zusammenleben mit einer Grauganskolonie die Lebens- und Verhaltensweisen beobachtet. Die Forschungsstation war eine reizende alte Mühle. Sie wurde mit allen Erfordernissen eines Forschungsinstitutes, Dunkelkammer, Büro, Tierhaltungsräume u.s.w. ausgestattet.
Nun zum Untersuchungsobjekt Graugans:
Graugänse bewohnen im allgemeinen die nördlichen Regionen von Europa und Asien; die uns am nächsten liegende wilde Population ist die des Neusiedlersees.
Im allgemeinen ist die Graugans ein Zugvogel, nur in Schottland gibt es nichtwandernde Populationen. Der Weg, auf dem die Graugänse im Herbst nach Süden ziehen, scheint nicht angeboren zu sein, sondern durch Tradition weitergegeben zu werden. Jungaufgezogene Gänse, deren Pflegeeltern ihnen nicht den Weg der herbstlichen Wanderung zeigen können, bleiben diesen Menschen und dem Ort ihrer Aufzucht treu.
Auch bei strenger Kälte bleiben die Gänse nicht nur dem Ort, sondern auch ihren täglichen Gewohnheiten treu. Tiefe Temperaturen machen ihnen gar nichts aus, da das Wasser im Winter Temperaturen erheblich über dem Gefrierpunkt behält. Bei strengem Frost stehen die Gänse gern in dem verhältnismäßigen warmen Wasser. Die Eisklümpchen, die sich manchmal an ihren Kopffedern bilden, entfernen sie durch Putzen.
Nie wieder ist das Gefieder einer Gans so schön, wie unmittelbar nach dem Flüggewerden.
Nirgends ist der Frühling so schön wie in den Alpen, und auch in den Gänsen erwacht der Frühling, die Zeit der Liebe. [Junge Gänse lösen sich nun aus dem Familienverband, teils aus eigenem Antrieb, zum Teil aber auch, weil ihre Eltern ja selbst wieder brüten wollen und erwachsene Kinder nicht mehr in ihrer Nähe dulden. Die selbständig gewordenen jungen Ganter nahen sich nun vorsichtig ihrer Auserkorenen und nehmen dabei eine sehr kennzeichnende Stellung des Körpers und des Halses ein, der in einer gespannten Haltung vorgestreckt und gleichzeitig nach unten abgewinkelt wird.
Nachdem der junge Mann diese Form der Werbung, oft mit großer Geduld viele Tage hindurch fortgesetzt hat, beginnt er etwas intimer zu werden, indem er der Gans das sogenannte Triumphgeschrei anträgt. Er kommt mit lang vorgestrecktem Hals auf sie zu und äußert dabei eine ganz bestimmte Form des Schnatterns.
Zunächst antwortet die Gans nicht auf diesen Liebesgruß, ja die fürchtet sich zunächst ein wenig vor ihm. Nach einiger Zeit aber beginnt sie, erst schüchtern, dann immer energischer, in das Geschrei des Ganters einzustimmen, und wenn dies erst einmal der Fall ist, kann die "Verlobung" als geschlossen gelten.
Gänsepaare bleiben einander "im allgemeinen" treu bis zum Tode.
Die eigentliche Fortpflanzung folgt zwar bald nach der Phase der großen Aufregung, des Sich-Verliebens und der Eifersucht, ist aber doch ziemlich scharf von ihr abgesetzt. Die einzelnen Paare sondern sich von der Schar ab und beginnen nach Nistgelegenheiten zu suchen.
Das Paarungsvorspiel beginnt damit, daß der Ganter eine stolze Haltung annimmt, die der des Höckerschwanes in manchen Punkten ähnelt, er hebt die Flügel an und krümmt den Hals in einem eleganten Bogen. Dabei wird das Halsgefieder so gesträubt, daß seine Rillen besonders deutlich hervortreten. In dieser Stellung beginnt der Ganter den Hals tief ins Wasser zu tauchen. Die Gans reagiert darauf, indem sie ebenfalls ihren Hals eintaucht, zuerst nur schüchtern und andeutungsweise, allmählich dann in immer größeren Erregung. Dann duckt sie sich flach hin und hält dem Ganter ihren Nacken entgegen, an dem er sich mit dem Schnabel festhält, worauf er die Gans besteigt und die Kopulation Vollzieht.]
Das Paar beginnt nun eifrig nach einem Nestplatz zu suchen und die Brutzeit beginnt. Nach ungefähr einem Monat schlüpfen die Gössel. Während der ersten Lebenstage müssen die Gössel sehr oft von der Mutter gewärmt werden. Nach wenigen Tagen vermögen sie schon unglaublich weit zu laufen und noch weiter zu schwimmen. Innerhalb weniger Wochen wird das Daunenkleid der jungen Gänse von den endgültigen Federn verdrängt und sie lernen fliegen.
Konrad Lorenz wurde oft gefragt, warum er gerade Graugänse zum Gegenstand so ausgedehnter Studien machte. Die Antwort: das Familienleben und Gesellschaftsleben zeigt einige verblüffende Ahnlichkeiten zu dem unseren und gibt uns genug Rätsel auf. Er will die Tiere keineswegs vermenschlichen, sondern er findet völlig objektiv, daß z. B. die Eheschließung bei Gänsen fast genauso verläuft wie bei uns selbst.
[Einem plötzlichen Sich-Verlieben des jungen Männchens folgt eine intensive Werbung um ein bestimmtes junges Weibchen. Die Werbung ist in vielen Einzelheiten der eines jungen Menschenmannes geradezu lächerlich ähnlich: Der junge Ganter protzt mit Mut und Kraft. Er sucht etwas darin, andere Ganter, darunter auch solche, vor denen er normalerweise Angst hat, anzugreifen und zu vertreiben, wohlgemerkt aber nur, wenn die "Umworbene" zusieht. In ihrer Gegenwart prahlt er durch Zur-Schaustellung seiner Körperkraft. Selbst um kleine Strecken zurückzulegen, die jede nicht verliebte Gans vernünftigerweise zu Fuß durchschreiten würde, fliegt er auf, beschleunigt seinen Abflug stärker, als jede "normale" Gans es je tut, um, bei der Dame angekommen, scharf abzubremsen. Er benimmt sich in dieser Hinsicht also genau wie ein junger Mann auf einem Motorrad oder einem Sportwagen.]
Das Gesellschaftsleben der Wildgänse zeigt eine Unzahl von erstaunlichen Analogien mit dem des Menschen. Konrad Lorenz meinte: (Seite 176)
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