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"Wenn die Unterdrückung zunimmt,
werden viele entmutigt,
aber sein Mut wächst.
wo immer geschwiegen wird,
dort wird er sprechen.
Und wo Unterdrückung herrscht
Und von Schicksal die Rede ist,
wird er Namen nennen."
Bert Brecht, Lob des Revolutionärs
Rosa Luxemburg wurde am 5.März 1871 in Zamost (Russisch-Polen) als jüngste von fünf Geschwistern geboren. Da ihr Vater, Elias Luxemburg, der Holzhändler war Geschäftsbeziehungen nach Deutschland unterhielt und außerdem ein großer Bewunderer Deutschlands war, waren die Umgangssprachen in der Familie Deutsch und Polnisch, -obwohl es sich um Juden handelte kein Jiddisch. Als Rosa drei Jahre ist, zieht die Familie nach Warschau um, weil der Vater hofft, dort bessere Geschäfte machen zu können. Rosa ist zwar ein ausgesprochen intelligentes Kind, aber häßlich (sie hat einen großen Kopf und eine unförmige, große Nase) und sehr klein. Als Fünfjährige ist sie gezwungen wegen eines Hüftleidens (durch das sie ihr ganzes Leben lang hinken wird) ein Jahr lang im Bett zu verbringen. In dieser Zeit bringt sie sich selbst Lesen und Schreiben bei. 1884 tritt Rosa in das Zweite Warschauer Frauengymnasium ein. Es ist die beste Schule, auf die ein Kind aus einer polnisch-jüdischen Familie überhaupt gelangen kann, dass sie ein Mädchen ist, macht sie zu einer noch größeren Besonderheit. Die Unterrichtssprache ist Russisch und es ist den Schülern polnischer Herkunft verboten, sich in ihrer Muttersprache zu unterhalten. Die Lehrer sind Russen, es besteht ein Spitzelsystem. Schüler, die gegen das Verbot Polnisch zu sprechen verstoßen, werden von der Schule verwiesen. Die Zustände an der Schule und die Unterdrückungspolitik des zaristischen Regimes in Russisch-Polen sind für Rosa der Anlaß, sich einem geheimen Fortbildungszirkel anzuschließen, in dem polnische Sprach und Kultur an die junge Generation vermittelt werden. Dort diskutiert man auch die politischen Ereignisse und über Studenten, die diesen Fortbildungszirkel leiten lernt Rosa die damals noch sehr kleine Partei "Proletariat", die Kontakte zu der tonangebenden revolutionären Partei "Narodnaja Wolja" (Volkswille) hat, kennen und tritt ihr bei. Am 14. Juni 1887 erhält ihr (ausgezeichnetes) Abschlußzeugnis vom Gymnasium. Nach dem Abitur wohnt sie weiterhin bei den Eltern und betreibt Propaganda für die revolutionäre Bewegung. Sie ist noch sehr unerfahren in diesen Dingen, doch der von ihrem Engagement begeisterte Dachdecker Kasprzak, ein erfahrener Sozialist, unterstützt sie und bringt ihr die Lehren Marx nahe. Im Herbst 1888 kommt die Polizei der Organisation auf die Spur, es kommt zu ersten Verhaftungen, aus denen im Dezember des gleichen Jahres Massenverhaftungen werden. Rosa taucht in der Provinz unter und holt sich eine starke Lungenentzündung. Kasprzak sorgt dafür, dass ein katholischer Priester, dem er erzählt, sie sei eine Jüdin , die zum Christentum übertreten möchte, deren Angehörige aber dagegen seinen und sie deshalb ins Ausland müsse, sie unter einer Fuhre Stroh über die Grenze bringt.
Rosa geht nach Zürich, wo sie an der einzigen Universität immatrikuliert, an der damals Männer und Frauen gleichberechtigt studieren können. Zürich galt zu der Zeit als der bedeutendste Sammelpunkt der polnischen und russischen Emigration und seine Universität als eine Hochschule für Revolutionäre. Studenten debattierten stundenlang über die Revolution, alles Andere erscheint unwichtig. Rosa hat nur ein mokantes Lächeln für Diskussionen, die zu nichts führen: Sie möchte arbeiten. An der Universität belegt sie zunächst Mathematik und Philosophie, später Volkswirtschaft und Öffentliches Recht, außerdem anfangs "zum Spaß" Astronomie, Botanik und Zoologie. Sie ist eine überzeugte Marxistin, was sie aber nicht davon abhält, die Marxsche Lehre kritisch zu betrachten. So sehr sie einerseits für die Durchsetzung der sozialistischen Gesellschaftsordnung kämpft und lebt, so besteht sie auf der anderen Seite auch darauf, für sich ein bißchen individuelles Glück zu beanspruchen. Sie verliebt sich in Leo Jogiches, einen schwierigen, verschlossen wirkenden, von Selbstzweifeln geplagten Mann, der sich voll und ganz auf den Sozialismus konzentriert. Sein Wahlspruch ist: "Mann muß arbeiten, das ist alles" Für fünfzehn Jahre sind sie ein Paar, doch aus Gründen der Staatsbürgerschaft und der Tarnung können sie nicht heiraten. Sie führen eine sehr enge, aber auch sehr konfliktbeladene Beziehung. Was ihm Rosa bedeutet hat, wird eigentlich erst nach ihrem Tod sichtbar, als er sich für die Aufklärung des Mordes an ihr einsetzt und dafür mit dem Leben bezahlt. In Rosas kleinem Zimmer in Zürich treffen sie häufig mit Freunden zusammen, die ähnliche Ansichten haben, wie sie. Gemeinsam erarbeiten sie ein politisches Programm, in dem sie die Revolution in ganz Rußland und allen kapitalistischen Ländern fordern. Um auf ihr Programm aufmerksam zu machen, gründen sie eine Zeitung und versuchen auf diesem Weg Propaganda zu machen. Es kommt zu Auseinandersetzungen mit der, unter Führung ehemaliger Mitglieder der Partei "Proletariat" entstandenen, Partei PPS (Polska Partia Socjalistyczna - Vereinigte Polnische Sozialistische Partei), die auf dem dritten Internationalen Sozialistenkongreß, der vom 6. Bis 12. August in Zürich stattfindet, dafür sorgt, dass Rosas Mandat angefochten wird. Im März 1894 gründen Rosa, Leo und einige andere Freunde die SDKP - "Sozialdemokratie des Königreiches Polen"-. Durch diese Parteigründung wird Rosa endgültig zur Berufsrevolutionärin. In den Jahren zwischen 1893 und 1896 reist sie ständig zwischen Zürich und Paris, wo die Zeitung der Partei gedruckt wird, hin und her. Sie ist gekränkt, das Leo in seine Briefen immer nur über Revolution spricht und in den Briefen aus dieser Zeit an ihn, die fast alle erhalten sind, wird deutlich wie kompliziert die Beziehung zwischen ihnen ist. 1896 wird die Zeitung wegen mangelndem Erfolg eingestellt. Rosa schreibt nun in Zeitungen in Italien und Deutschland gegen den Nationalismus. Vom 27. Juli bis 1. August 1896 findet in London ein weiterer Sozialistenkongreß statt. Diesmal wird Rosas Mandat nicht angefochten, -die SDKP stellt sogar eine ganze Delegation. Am 1. Mai 1897 promoviert sie mit magna cum laude als Doktor des öffentlichen Rechts. Kurz darauf fährt sie mit Leo in Urlaub und die beiden diskutieren Rosas Entschluß nach Deutschland zu gehen, um dort arbeiten zu können. Leo stimmt ihr zu, und um in Deutschland öffentlich auftreten zu dürfen, geht sie am 19. April 1898 mit dem in Zürich lebenden deutschen Gustav Lübeck eine Scheinehe ein.
Als Rosa am 12. Mai 1898 in Berlin eintrifft, wirkt die Stadt auf sie "kalt, massiv und geschmacklos". Unterwegs hat der Zug gegen 12 Uhr nachts einen Menschen überfahren, was sie als unangenehmes Omen ansieht. Die ersten Tagein Berlin verbringt sie mit Wohnungssuche, sobald sie eine gefunden hat, stellt sich Rosa bei der Geschäftsstelle des SPD-Parteivorstandes vor. Sie kann der Partei in den Ostgebieten nützlich sein und reist noch im gleichen Jahr nach Oberschlesien, um Propaganda für die SPD zu betreiben. Die Arbeit erweist sich als körperlich sehr anstrengend, die Unterbringungsmöglichkeiten sehr primitiv. Am 17. Juni fährt Rosa nach Berlin zurück , - am Ende ihrer Kräfte. An Leo schreibt sie :"Ich sehe aus wie der Tod und krieche kaum." Nach der Wahl stellt sich raus, dass ihr Einsatz nicht umsonst gewesen ist: In einigen Gebieten stiegen die für die Sozialdemokraten abgegebenen stimmen um über das Doppelte. Auf dem Parteitag der SPD, der zwischen dem 3. Und 8. Oktober 1898 in Stuttgart stattfindet, ist unter den zweihundertfünfzehn Delegierten auch Rosa. Auch für sie eine Überraschung. Innerhalb der Partei muß sie sich jedoch von Anfang an dagegen wehren, nur als Vorkämpferin der Frauenrechte zu gelten. Für sie geht es nicht allein um die Emanzipation der Frau, sonder um die Emanzipation der Menschen. Im September 1898 wird ihr die Leitung der "Sächsischen Arbeiterzeitung" übertragen. Doch durch Streitigkeiten mit der Redaktion legt sie bald darauf ihr Amt nieder. Auf dem Parteitag in Stuttgart hat Rosa Luxemburg Clara Zetkin kennengelernt, mit der sie ein Leben lang befreundet sein wird.
In den Jahren zwischen 1899 und 1914 bereist Rosa neben ihrer theoretischen Arbeit als Agitatorin für die SPD fast alle Gegenden des Deutschen Reiches. Sie wird zu einer bekannten und bei den Massen beliebten Rednerin, die ihre Zuhörer mitreißen kann. Auf einer Rede 1903 kritisiert sie Wilhelm II : "Der Mann, der von der guten und gesicherten Existenz der deuschen Arbeiter spricht, hat keine Ahnung von den Tatsachen." Sie wird wegen Majestätsbeleidigung angeklagt und zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Ende August tritt sie die Strafe in Zwickau an, wird aber nach sechs Wochen wieder entlassen, da es durch die Krönung des Königs Friedrich August von Sachsen zu einer Amnestie politischer Straftäter kommt. Da sie von einem König keine Gnade will, weigert sich Rosa zunächst, ihre Zelle zu verlassen, -man muß sie regelrecht rauswerfen. Während dieser Zeit kommt es in ihrer Beziehung zu Leo zu immer größeren Konflikten. Er ist eifersüchtig auf ihre Karriere, sie enttäuscht, ihn immer aus seiner Verschlossenheit rütteln zu müssen. Sie überlegt, ob sie sich von ihm trennen soll. 1900 schreibt sie an ihn: "Um Dir meinen Zustand und mein Handeln in der letzten zeit zu erklären, sage ich nur kurz, dass ich aus der ganzen letzten zeit, geschlossen habe, dass du aufgehört hast, mich zu lieben, vielleicht sogar mit jemandem anderes beschäftigt bist, dass ich jedenfalls aufgehört habe, für Dich der Mensch zu sein, der Dich im Leben glücklich machen könnte - soweit das überhaupt möglich ist. Mir ist das Herz schon so schwer vor Ermüdung vom äußeren und inneren Herumzigeunere, dass ich direkt ohnmächtig werde, wenn ich Deine Briefe öffne und sechs Bögen allein Abhandlungen über die PPS oder über unsere Beziehungen zueinander lese, aber nicht ein Krümelchen sichtbaren, praktischen, normalen Lebens. Ich bin so müde, so müde. Laß uns um Himmels willen anfangen zu leben. Lieber Leo, laß und doch anfangen zu leben." Als 1905 in Rußland die erste Revolution ausbricht, reist Rosa Ende des Jahres nach Warschau, in der Hoffnung, dort die Revolution mit vorantreiben zu können, in Warschau trifft sie auch Leo wieder, die beiden geben sich unter falschem Namen als deutsche Journalisten aus. Später sagt Rosa über die Zeit in Warschau, es sei mit die Glücklichste ihres Lebens gewesen. Im Januar 1906 entschließt sie sich nach Petersburg zu reisen, um bei einem Parteitag der russischen Sozialdemokratie Deutschland zu vertreten. Doch bevor sie abreisen kann, wird sie am Abend des 4. Januars 1906 verhaftet. Die Haftbedingungen sind unzumutbar, sie erleidet einen Anfall von Gelbsucht, der nicht behandelt wird, doch trotzdem verweigert sie die Hilfe von außen, aus dem Gefängnis entlassen zu werden. Schließlich kauft der Parteivorstand der SPD sie frei. Am 8. August 1906 darf sie Warschau endlich verlassen, sie ist in schlechter körperlicher Verfassung. Sie reist nach Kuokkala in Finnland, wo sie mit Gleichgesinnten das Scheitern der Revolution diskutiert. Am 14. September 1906 verläßt Rosa Finnland. Bei ihrer Landung in Hamburg ist erwartet sie, verhaftet zu werden, doch ihre Befürchtung erweist sich als unbegründet. Am 23. September des gleichen Jahres ist sie auf dem SPD-Parteitag in Mannheim. Gegen Ende des Jahres kommt es zum Bruch mit Leo. Die Gründe dafür sind nicht ganz klar. Einerseits wird behauptet Leo hätte in Krakau ein Verhältnis mit einer gewissen Izolska gehabt, andererseits wird behauptet, Rosa hätte ihn wegen einem Anderen, Kostja, der 22jährige Sohn ihrer Freundin Clara Zetkin, verlassen. Leo weigert sich aus Rosas Wohnung in Berlin auszuziehen und macht ihr wiederholt Eifersuchtsszenen. Er droht sogar, sie und Kostja umzubringen. In Angelegenheiten der polnischen Partei muß sie weiterhin mit Leo verkehren, was in rein sachlich gehaltenen Briefen geschieht. Trotzdem ist es auch für sie nicht leicht die letzten fünfzehn Jahre ihrer Beziehung zu Leo einfach zu vergessen. Sie wird skeptischer in der Haltung gegenüber Anderen und auch sich selbst. "Deshalb glaube ich auch nie ein Wort niemandem". Sie beginnt ihre Zuneigung auf Katzen zu konzentrieren.
Am ersten Oktober 1907 nimmt Rosa Luxemburg die Tätigkeit als Dozentin an der SPD-Parteischule auf. Neben der Lehrtätigkeit aber geht für Rosa die kritische Auseinandersetzung mit anderen SPD-Parteimitgliedern weiter. Innerhalb der SPD kommt es zu immer größeren Konflikten. Die Partei spaltet sich in drei Blöcke: Die Reformisten neigen immer mehr der offiziellen Regierungspolitik zu, das marxistische Zentrum verteidigt angeblich die reine Lehre, im revolutionär-radikalen Flügel treffen Rosa, Clara Zetkin und einige -wenige- zusammen. Rosa kämpft mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gegen den Krieg. Sie versucht, die Massen darüber aufzuklären, dass ihnen ein Krieg nichts bringen würde, was dazu führt, dass sie sich am 20. Februar 1914 vor der zweiten Strafkammer des Landesgerichts Frankfurt am Main wegen "Aufwiegelung der Massen zum Ungehorsam gegen die Obrigkeit" verantworten muß. Sie wird zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr verurteilt, sie legt Berufung ein. Überall in Deutschland protestieren Arbeiter gegen ihre Verurteilung. In dem zweiten Prozeß, der am 29. Juni 1914 vor dem Landgericht II Berlin beginnt kommt es zu einer Vertagung des Prozesses auf unbestimmte Zeit. Am abend des 29. Juli 1914 findet im Cirque Royal ein großes Antikriegsmeeting der belgischen Arbeiter statt. Für Stunden kommt bei manchen Delegierten kommt die Illusion auf, es sei noch nicht alles verloren. Doch Rosa sitzt nur da, die Hände vors Gesicht geschlagen und lehnt es trotz mehrfacher Aufforderung ab, das Wort zu ergreifen. Sie hat begriffen, dass auch eine leidenschaftliche rede jetzt nichts mehr ändern würde. Niedergeschlagen reist sie kurz darauf ab. Während noch einmal eine Delegation der SPD nach Paris reist, um mit französischen Sozialisten zu sprechen, kommt es in der Parteiführung zu dem Entschluß zu Kaiser und Reich zu stehen. Als Deutschland am 1. August 1914 Rußland und Frankreich den Krieg erklärt; ist Rosa verzweifelt. Sie ist entsetzt, mit welcher Selbstverständlichkeit die SPD der patriotischen Stimmung, die im ganzen Land herrscht folgt. Sie schreibt: "Im Frieden gelten im Inneren jedes Landes Klassenkampf, nach außen die internationale Solidarität, im Krieg gelten im Inneren des Landes die Klassensolidarität, nach außen der Kampf zwischen den Arbeitern verschiedener Länder." Die kleine Gruppe um Rosa in Berlin diskutiert darüber, ob man zum Zeichen des Protests aus der Parte austreten soll. Rosa lehnt das ab, - man könne schließlich nicht aus der ganzen Menschheit austreten. Durch ihren hartnäckigen Kampf gegen die offizielle Politik trifft sie auf Karl Liebknecht, die Beiden beschließen zu handeln und unternehmen eine Agitationsreise durch West- und Süddeutschland.
Am 18. Februar 1915 wird Rosa zwecks Strafantritt aus dem Frankfurter Prozeß verhaftet. Im Gefängnis schreibt sie jedoch weiter Artikel, die mit Hilfe einer sympathisierenden Gefängnisbeamtin herausgeschmuggelt werden. Als im März die erste Ausgabe der Zeitschrift "Internationale", die Rosa und Karl Liebknecht gegründet haben, erscheint, werden Rosa, Clara, der Drucker und der Verleger der Zeitschrift des Hochverrats angeklagt. Das Verfahren wird zwar eingestellt, aber die Zeitschrift wird konfisziert. Während ihres Gefängnisaufenthaltes verschlechtert sich Rosas Gesundheitszustand zusehends. Ihre Sekretärin und Freundin Mathilde Jacob, die in Rosas Abwesenheit auch für deren geliebte Katze Mimi sorgt, darf ihr einmal pro Woche Zusatznahrung bringen. Am 22. Januar 1916 wird Rosa endlich entlassen, doch schon im Juli des gleichen Jahres in Sicherheitshaft genommen. Zuerst bringt man sie in das Weibergefängnis in Berlin, doch da sie eine Tafel Schokolade nach einem Beamten schleudert, wird sie in das Polizeipräsidium strafverlegt. Ihre Zelle dort ist elf Kubikmeter groß, schmutzig, verwanzt und sehr primitiv eingerichtet, trotzdem schreibt sie weiterhin Flugblätter und Artikel. Ende Oktober 1916 kommt Rosa auf die Festung Wronke in Posen, -Luxus im Vergleich zu dem Polizeipräsidium in Berlin. Während dieser Zeit steht sie in regelmäßigem Briefwechsel mit Hans Diefenbach, einem alten Freund, der ihr durch seine Briefe hilft, die einsame zeit im Gefängnis zu überstehen. Im Juli 1917 wird Rosa in das Gefängnis nach Breslau verlegt, "ein düsterer Bau". Wenig später erreicht sie die Nachricht, dass Hans Diefenbach in der Nacht vom 24. Auf den 25. Oktober 1917 von einer Granate zerrissen worden ist. In seinem Testament hinterläßt er ihr die Zinsen von fünfzigtausend Mark aus seinem Vermögen bis an ihr Lebensende. Zwischen dem 6. Und 9. April 1917 wird die "Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands" (USPD) unter der Führung Karl Kautskys gegründet. Auch der Spartakusbund um Rosa schließt sich der USPD an. Durch die lange Zeit im Gefängnis wird Rosa immer depressiver. 1918 schreibt sie: "Meine Nerven, meine Nerven. Ich kann nicht mehr schlafen."
Am 9. November 1918 wird Rosa endlich entlassen. Vorerst bleibt sie in Breslau bei freunden, da noch keine Züge nach Berlin verkehren. Sobald es möglich ist, reist sie nach Berlin. Am Bahnhof wird sie von Leo und Karl Liebknecht erwartet, die sie bitten die Redaktion der "Roten Fahne", einem Konkurrenzblatt zu dem von der SPD kontrollierten Blatt "Vorwärts". Mit ungeheurer Energie stürzt sich Rosa sofort in die Arbeit. Doch es wird nicht leicht für sie und die anderen Mitglieder des Spartakusbundes, denn die SPD sorgt unter Anderem dafür, dass am 11. November das Setzer- und Druckerpersonal sich weigert, die Zeitung zu drucken. Auch durch regierungstreue Soldaten, die immer wieder in der Redaktion des Blattes erscheinen, kommt es zu Auseinandersetzungen. Schon bald kommt es in der Öffentlichkeit, durch die schonungslosen Artikel der Zeitung angestachelt, zu dem Vorwurf, Rosa und der Spartakusbund wollen einen Sowjetstaat russischer Prägung in Deutschland herstellen. Wie weit dieser Vorwurf gerechtfertigt ist, bleibt umstritten. Anfang Dezember spricht Rosa auf sechs öffentlichen Versammlungen des Spartakusbundes, um dessen Programm bekannt zu machen. Ungefähr um die gleiche Zeit tritt der Spartakusbund aus der USPD aus. Immer wieder werden Gerüchte ausgestreut, Spartakus sei für Mordtaten verantwortlich und befürworte den Terror. Am 29. Dezember 1918 treten im Festsaal des Preußischen Abgeordnetenhauses die Delegierten des Spartakusbundes zur Reichskonferenz zusammen. Man beschließt eine eigene Partei, die KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) zu gründen. Bereits am folgenden Tag schreibt die "Deutsche Allgemeine Zeitung": Zur Niederwerfung dieser Partei werden Theorien nicht genügen. Es kommt darauf an, ihr Gewalt gegenüberzustellen."
Am 15. Januar 1919 erscheint in der letze Ausgabe der "Roten Fahne" bis zum Februar ein Artikel Karl Liebknechts, der mit dem Satz endet: "Und ob wir dann noch leben werden, wenn das Ziel erreicht wird - leben wird unser Programm. Es wird die Welt der erlösten Menschen beherrschen. Trotzalledem." Noch am selben Abend werden er und Rosa verhaftet und in das Eden-Hotel in Berlin gebracht. Rosa wird brutal zusammengeschlagen und über den Boden geschleift. Schließlich wird sie in ein Auto gezerrt, das anfährt. Nach etwa hundert Metern zieht einer der Bewacher einen Revolver und legt auf die Gefangene an. Sie ist noch bei Bewußtsein. Leise sagt sie: "nicht schießen." Beim ersten Versuch versagt die Waffe, der zweite Schuß aber löst sich. Rosa ist tot. Ihre Leiche wird von den Männern in das schlammige Wasser des Landwehrkanals geworfen. Erst am 31. Mai wird ihre Leiche angeschwemmt. Nachdem sie zur Beerdigung freigegeben ist, wird sie am 13. Juni 1919 neben dem Grab von Karl Liebknecht beigesetzt. Ihre Mörder werden zu nicht einmal zwei Jahren Gefängnis verurteilt.
5.März geboren in Zamost
Rosa tritt in das zweite Warschauer Mädchengymnasium ein
14.7., Abitur
Flucht aus Polen
Immatrikulation Rosas an der Universität Zürich
Rosas Mandat wird auf dem Internationalen Sozialistischen Arbeiterkongreß in Zürich abgelehnt
1.Mai, Rosa promoviert magna cum laude als Doktor des öffentlichen Rechts
Scheinehe mit Gustav Lübeck, Rosa geht nach Berlin
(Ende Dezember) Reise nach Oberschlesien
Rosa auf dem Internationalen Sozialistenkongreß in Berlin
Scheidung von Gustav Lübeck
Reise in östliche Provinzen des Deutschen Reiches
Gefängnisstrafe wegen Majestätsbeleidigung
., Reise nach Warschau
Haft in Warschau
(August) Reise nach Finnland
(September) SPD-Parteitag in Mannheim
(gegen Ende des Jahres) Trennung von Leo Jogiches
., Beginn als Dozentin an der SPD-Parteischule
20.2., Verurteilung zu einem Jahr Gefängnis
Teilnahme an der Sitzung des Internationalen Sozialistischen Büros in Brüssel
18.2., Rosa wird zwecks Strafantritt verhaftet
Rosa von Februar bis Juli in Freiheit
dann in Sicherheitshaft, erst auf dem Berliner Polizeipräsidium, dann Frauengefängnis Barnimstraße
ab Oktober: Festung Wronke, Provinz Posen
Rosa im Gefängnis in Breslau, Verschlimmerung des nervösen Magenleidens
9.11., Haftentlassung Rosas
Reise Rosas nach Berlin
Arbeit in der Redaktion der >>Roten Fahne<<
, Gründungsparteitag der KPD
15.1. abends, Verhaftung Rosas in Berlin-Wilmersdorf, Mißhandlung im Eden-Hotel, -Ermordung
, ihre Leiche wird angeschwemmt
, Beerdigung in Berlin-Friedrichsfelde
>>Eine Welt muß umgestürzt werden, aber jede Träne, die geflossen ist, obwohl sie abgewischt werden konnte, ist eine Anklage.<<
R.L. 1918
Quelle:
Frederik Hetmann "Rosa L."
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