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Beobachtungslernen
Aus Zweckm igkeitsgr nden einer exakten wissenschaftlichen Untersuchung wird der Lernbegriff - im Gegensatz zur Alltagsauffassung - als eine überdauernde Anderung der Verhaltensmöglichkeiten definiert. Im Alltag versteht man unter Lernen das schulische Lernen , das den Erwerb und die Anderung kognitiver Strukturen meint.
Die rein behavioristische Psychologie betrachtet nur äu ere Reize, die zu einer dauerhaften Verhaltensänderung und damit zu einem Lernen führen. Die Experimente der Behavioristen haben berhaupt dazu gef hrt eine 'Binnensteuerung' des Menschen abzulehnen. Der Mensch wird als passives Wesen betrachtet, das auf Umwelteinflüsse reagiert.
Einen mehr differenzierten Blickwinkel nimmt die kognitive Theorie des sozialen Lernens ein:
Aus ihrer Sicht wirken Verhalten, Pers nlichkeitsfaktoren und Umwelteinfl sse in wechselseitiger Interaktion zusammen.
Nat rlich wird unser Verhalten wie die Behavioristen sagen von der Umwelt beeinflu t, aber umgekehrt gestalten wir erhebliche Teile unserer Umwelt.
Mit diesen Gedanken hat Albert Bandura in Theorie und Experiment der behavioristischen Psychologie eine neue Perspektive gewiesen.
(kurzer Exkurs über Albert Bandura: Bandura wurde 1 25 in einem kleinen kanadischen Dorf geboren. Seine psychologischen Studien absolvierte er an der University of British Columbia und der University of Iowa. Seit 9 3 lehrt und forscht Bandura an der bekannten Stanford University. Bandura ist Tr ger zahlreicher psychologischer Auszeichnungen und Preise )
Seine Konzeption ber das menschliche Funktionieren betrachtet den Menschen weder als ein Wesen, das von inneren Kr ften getrieben wird, noch als eines, das hilflos Umwelteinfl ssen ausgesetzt ist; vielmehr ist der Mensch in der Lage eine gewisse Kontrolle ber sein Verhalten auszuüben. Umwelteinflüsse werden durch kognitive Prozesse vermittelt, also definiert, gedeutet, verglichen, gegenübergestellt, erkannt und integriert.
Diese kognitive Orientierung, also die Ausrichtung an der Erkenntnisfähigkeit des Menschen, hat Bandura dazu veranla t, bisher
vernachlässigte Aspekte von Lernprozessen zu untersuche, wie eben das Beobachtungslernen.
Diese Form des Lernens tritt auf, wenn eine Person Beobachtungen des Verhaltens und der
Verhaltenskonsequenz bei einer
anderen Person nutzt, um sp ter ihr eigenen Verhalten zu gestalten. Statt Beobachtungslernen spricht man auch von Lernen
durch Nachahmung oder von Imitationslernen. Es geht um das Erlernen von neuem durch die Beobachtung bestimmter Modelle, deren
Verhalten nachgeahmt wird.
Beobachtungslernen tritt also dort auf, wo nach klassischer Lerntheorie kein Lernen zu erwarten wäre, weil der
Lernende
keine aktiven Reaktionen auf u ere Reize gezeigt hat und keine sichtbare Verst rkung auftrat.
Man hat zum Beispiel nur zugesehen, wie jemand anderer etwas getan hat, das belohnt oder bestraft worden ist. Sp ter hat man das
gleiche in hnlichen Situationen getan oder unterlassen. Menschen sind zwar prinzipiell auf aktives Handeln ausgerichtet, aber ihre
Handlungen orientieren sich gew hnlich an früheren Beobachtungen.
Die klassische Demonstration des Beobachtungslernens stammt aus dem Labor von Albert Bandura. Diese
Untersuchungen aus dem
Jahr 19 5 sind als Das Experiment von Bandura' oder im Englischen als Bobo Doll Studies' bekannt.
Versuchsbeschreibung: An der Untersuchung nahmen Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren teil. Alle Kinder sahen einen Film, in
dem ein Erwachsener ('Rocky ) eine im Wege stehende Puppe angriff und beschimpfte. Entscheidend war, dass
die Kinder nach dem
Zufallsprinzip in drei verschiedene Gruppen geteilt worden sind, f r die der Ausgang des Films unterschiedlich war. In einer Version
wurde Rocky durch einen Erwachsenen belobigt und mit S igkeiten beschenkt, in einer anderen Version getadelt und mit einer
zusammengerollten Zeitung geschlagen und in der dritten Version blieb Rockys Verhalten folgenlos.
Nach Anschauen des Films wurden die Kinder einzeln in ein Zimmer gef hrt, in dem sich die Gegenst nde befanden, die in dem Film zu
sehen gewesen waren, also eine Puppe und die Gegenstände, mit denen Rocky die Puppe traktiert hatte,
au erdem befanden sich in
dem Zimmer noch andere Gegenst nde. Das Kind wurde alleine gelassen, konnte also imitative und nicht- imitative Verhaltensweisen
ausf hren. Es zeigte sich unterschiedliches Verhalten nach der jeweiligen Filmversion:
Kinder der Gruppe, die Rockys Bestrafung gesehen hatten, imitierten am wenigsten, diejenigen, die Rockys
Belobigung
gesehen hatten am meisten Vergleich ber die durchschnittliche Imitationshäufigkeit)
Anschlie end wurden die Kinder unter Belohnung aufgefordert möglichst viele Verhaltensweisen aus dem
Modell Rocky zu zeigen. Nun
war kein Unterschieg mehr hinsichtlich der durchschnittlichen Imitationsh uigkeit mehr beobachtbar. Offenbar wirkte sich die direkte
Verst rkung darauf aus, wieviel von dem Gelernten in Verhalten umgesetzt wird. Die direkte Verstärkung ist aber in diesem
Experiment keine Bedingung des Lernens, sie ist hier nur Anreiz das Gelernte zu zeigen.
Interessanterweise war das unterschiedliche Verhalten bei den Kindern stärker, wenn ihnen das ganze als
Zeichentrickfilm vorgef hrt wurde.
Graphische Darstellung des klassischen Versuchsergebnisses:
Nach Bandura wird das Beobachtungslernen am Modell durch vier wichtige Teilprozesse geprägt:
Aufmerksamkeitsphase attention)
Damit Beobachtungslernen berhaupt stattfinden kann, muß die Aufmerksamkeit auf die wesentlichen
Merkmale eines
Modells gerichtet sein, und sie müssen wahrgenommen werden. Das Vorhandensein bestimmter Modelle
grenzt
natürlich die Auswahl und das Angebot möglicher Verhaltensweisen, die beobachtet werden können, ein.
Gewaltt tigkeit wird öfters im Umfeld von Jugendbanden beobachtet, Drogenmi brauch in der
Drogenszene und
Vorurteile dort, wo Eltern oder andere Vorbilder intolerant sind
2. Behaltensprozess retention)
Symbolische Vorstellungen tats chlich stattgefundener Vorgänge ermöglichen uns ihre Speicherung im
Gedächtnis und
den Abruf gespeicherter Inhalte, wenn die Situation es erfordert.
3. Motorische Reproduktionsprozesse reproduction)
Wenn ein Verhaltensmuster nachvollzogen werden soll, so muß der Beobachtende alle Teilkomponenten beherrschen
oder sie einzeln von Grund auf lernen. Bevor man in einem Chor singen kann, darf man nicht falsch singen: man muß
ein bestimmtes Gef hl f r Rhythmik besitzen und Noten lesen könne.
Motivationale Prozesse motivation)
Es ist wichtig zwischen dem Prozeß des Lernens und der Ausf hrung des Gelernten zu unterscheiden. Die
Ausführung
des Gelernten ist dadurch motiviert, ob wir motiviert sind oder nicht. Der zweite Teil des Experiments von
Bandura
zeigt dies deutlich.
Unsere F higkeit, aus Beobachtung zu lernen, bringt eine Reihe wichtiger Vorteile mit sich. Wir können uns umfangreiche
Verhaltensmuster aneignen ohne diese mit Hilfe der Versuch-und-Irrtum Methode erwerben zu müssen; wir können aus den
Fehlern anderer Nutzen ziehen. Indem wir zuh ren, lesen oder zuschauen eignen wir uns Kenntnisse an, die f r
unsere Entwicklung und
unser Überleben von Vorteil sind. Wir lernen giftige von ungiftigen Schlangen zu unterscheiden, wir erfahren von der Hinrichtung eines
Massenmörders. Dies sind Lektionen, die wir am besten nicht in pers nlicher Erfahrung lernen sollten.
Au erdem werden neue und komplexe Verhaltensmuster wirksamer durch verbale Anweisung oder Beobachtung als durch
direkte Methoden.
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