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Der chemische Prozeß der Ozonzerstörung
Der Ozonabbau läuft im wesentlichen über die folgenden drei Prozeß-Schritte:
Die Quellverbindungen für Chlor und Brom (z.B. FCKWs und Halone) werden photolysiert (durch UV-Licht der Sonne aufgebrochen). Die Bruchstücke formen weniger stabile Produkte, die Reservoirgase (vor allem HCl und ClONO2).
Diese weniger stabilen Reaktionsprodukte werden dann selbst durch Sonnenlicht gespalten. Dabei entstehen hohe Konzentrationen an reaktiven Chlor- und Chlormonoxid-Radikalen (Cl und ClO). Ahnlich wird Br und BrO geformt, jedoch noch schneller als die Chlor-Radikale, da Br nur schwach in seinen Reservoirgasen gebunden ist. Die Bindung von Jod in Reservoirgasen ist noch schwächer als die des Brom, so daß es fast vollständig als Radikal auftritt. Die Cl- and ClO-Radikale und ebenso Br and BrO zerstören dann das Ozon durch einen katalytischen Prozeß, bei dem am Ende die Radikale wieder unverändert vorhanden sind. Sie stehen dann für den Abbau des nächsten Ozonmoleküles zur Verfügung. Dieser Kreislauf läuft solange ab, bis die Ozonkiller durch Bindung in den Reservoirgasen aus dem Kreislauf vorübergehend ausscheiden.
1 Erster Prozeßschritt:
Abbau der FCKWs und Halone
Freisetzung von Cl*, ClO*, Br* und BrO*
Die Zersetzung der FCKWs und Halone in der Stratosphäre setzt in Höhen oberhalb von ca. 20 bis 25 km ein. Dort ist die solare UV-Strahlung intensiv genug, um die das Ozon gefährdenden Halogene freizusetzen. Das Prinzip ist für alle Stoffe dieser Stoffklassen gleich und sieht für das FCKW mit der chemischen Formel
CFCl3 beispielsweise folgendermaßen aus:
+ n O2 + OH*
CFCl3 + hv (l < 260 nm) ---------> CO2 + HF + 3 (Cl* oder ClO*) (1)
(* bedeutet in den Formeln, daß diese Atome bzw. Moleküle chemisch höchst reaktionsfreudig und energetisch
angeregt sind).
In Worten bedeutet das Reaktionsschema (1): UV-Strahlung (hv) mit Wellenlängen l von kleiner als 260 nm (1 nm = 1 milliardstel Meter) bricht den Kohlenstoff C, das Fluor F und die 3 Chlor-Atome (Cl) des CFCl3 auseinander. In Gegenwart des Luftsauerstoffes (n Moleküle O2, dargestellt durch '+n O2' über dem Reaktionspfeil) bildet sich Kohlendioxid (CO2). Das Fluor reagiert mit Methan (CH4) oder mit einem Hydroxyl-Molekül (OH*) so, daß sich HF bildet (Fluorwasserstoff; in wässriger Lösung ist HF als Flußsäure bekannt).
Und schließlich bildet sich im Prozeß (1) direkt ein freies Chloratom (Cl*) oder aber Chlormonoxid (ClO*) in energetisch angeregter Form. Die Radikale Cl* und ClO* sind extrem reaktiv. Sie sind, neben den Brom- und Jod-Radikalen, die Schlüsselspezies der anthropogenen Ozonzerstörung.
Exkurs:
Das für Reaktion (1) notwendige OH* ist in der Stratosphäre immer in geringen
Konzentrationen vorhanden und wird aus Wasserdampf gebildet, der in der
Stratosphäre durch eine Reaktion in Folge der Photolyse natürlich vor-
kommenden Methans entsteht.
Der Wasserdampf reagiert schließlich gemäß
H2O + O( 1D) -----> 2 OH*
mit einem Atom Sauerstoff, das sich energetisch im mit 1D (sprich:
singulett D) bezeichneten Zustand befindet, zu Hydroxyl OH*.
Br* und BrO* entstehen sehr ähnlich wie in Reaktion (1) bei der Zersetzung der Halone. Da sich die Br-Radikale prinzipiell gleich wie die Cl-Radikale verhalten, werden im folgenden die weiteren
Zusammenhänge exemplarisch für Chlor dargestellt.
Halocarbone können auch durch Reaktionen mit energetisch angeregtem Sauerstoff abgebaut werden. Das geschieht für das Beispiel CF3Cl in der Form
CF3Cl + O(1D) -----> CF3 + ClO* (1a).
Die Bedeutung dieses Reaktionspfades ist jedoch geringer als die des Weges (1).
Sofort nach seiner Bildung greift Cl* die Ozon-Moleküle direkt unter Bildung von ClO* an:
Cl* + O3 ----> ClO* + O2 (2).
Die bei der Zersetzung der FCKWs und Halone gemäß Reaktion (1) und bei der Ozonzerstörung über (2) entstehenden ClO*-Radikale sind ebenfalls starke 'Ozonkiller', reagieren aber nicht direkt mit Ozon. Sie müssen zunächst noch einen oder mehrere Reaktionsschritte durchlaufen, bis am Ende ebenfalls Cl* frei wird, das wieder gemäß (2) O3 zerstören kann. Die Umwandlung von ClO* in Cl* kann z.B. mit Hilfe von freien Sauerstoffatomen (O) erfolgen, die in der Stratosphäre u.a. als Folge der Ozonphotolyse
O3 + hv (l < 1140 nm) -----> O2 + O (3)
vorkommen. Die ClO*-Zersetzung erfolgt dann im nächsten Schritt gemäß der Reaktion
ClO* + O ----> Cl* + O2 (4).
Damit sind bereits die wesentlichen Reaktionen beschrieben, über die Chlor, Brom und Jod Ozon zerstören. Auf Details dieses Prozesses wird unten zurückgekommen. Zunächst muß noch auf einen Vorgang eingegangen werden, der die reaktiven Halogene dem Ozonzerstörungsprozeß zeitweise entziehen kann: die Bildung der Reservoirgase der Halogene. Diese Reservoirgase spielen daher eine wesentliche Rolle bei der Zerstörung der Ozonschicht.
Bildung von Reservoirgasen
In der Stratosphäre reagieren ständig die reaktiven Halogene mit natürlichen Bestandteilen der Atmosphäre und bilden dabei die Reservoirgase, in denen die Halogene mehr oder weniger stabil zwischengelagert werden. Andererseits werden über weitere physikalische und chemische Prozesse die Reservoirgase ebenso gleichmäßig wieder zerstört und die Halogene dadurch dem Ozonzerstörungsprozeß erneut zugeführt. Das Maß der Ein- und Auslagerung ist wesentlich von der Temperatur der Stratosphäre mitbestimmt. Wie erfolgt nun die Bildung der Reservoirgase? Die Vorgänge werden wieder exemplarisch für das reaktive Chlor dargestellt, laufen ähnlich aber auch für Brom und Jod ab.
Die natürliche Bremse des Ozonabbaues greift am ClO* ein. Sie ist leider nicht so effektiv, daß sie neben der natürlich vorkommenden auch die zusätzliche Ozonzerstörung durch die anthropogenen reaktiven Halogene auffangen könnte. Die Bremse funktioniert so, daß der Katalysator der Reaktionskette (2) und (4), das ClO*-Radikal also, durch das natürlich vorkommende NO2 (Stickstoffdioxid) neutralisiert wird:
ClO* + NO2 + M -----> ClONO2 + M (5)
(das beliebige Molekül M, meist N2 oder O2, wirkt
als Stoßpartner und ist zur Erhaltung der Energie
und des Impulses in der Reaktion erforderlich)
Die Reaktion (5) entzieht dem Ozonabbau, der dem Prinzip nach gemäß den Reaktionen (2) und (4) abläuft, die Katalysator-Moleküle und verhindert so, daß die nun im Rerservoirgas Chlornitrat gebundenen Chloratome weiter Ozon abbauen. Solange sich das Chlor in der Verbindung ClONO2 befindet, kann es dem Ozon nichts mehr anhaben.
Allerdings ist diese Verbindung nur von kurzfristiger Natur. Aus Chlornitrat kann u.a. durch UV-Einstrahlung das ClO* zurückgebildet werden, das danach erneut in die Ozonzerstörung eingreifen kann:
ClONO2 + hv ( l < 450 nm) -----> ClO* + NO2 (6).
Die Reaktionen (5) und (6) laufen überall in der freien Atmosphäre ab. Es sei schon hier darauf hingewiesen, daß die Bildung des Ozonloches wesentlich zusammenhängt mit einem weiteren Zersetzungspfad des Chlornitrats, der an die Stelle der relativ langsamen Reaktion (6) tritt. Darauf kommen wir im nächsten Kapitel noch zurück.
Ein weiteres Reservoirgas des reaktiven Chlors ist Hydrogenchlorid (HCl). Es entsteht durch eine Reaktion des Chlor mit dem natürlich vorhandenen Methan
Cl + CH4 -----> HCl + CH3 (7)
und spielt bei der Bildung des Ozonloches ebenfalls eine bedeutende Rolle. HCl wird auch durch Reaktion des Chlor mit OH* und HO2* gebildet.
Zusammenfassung:
Das durch die Photolyse (1) der FCKW und Halone und bei der Ozonzerstörung (2) entstehende ClO* kann teilweise durch den chemischen Prozess (5) wieder 'aus dem Verkehr gezogen werden' bis es durch Reaktion (6) erneut freigesetzt wird. In welchem Maße dies geschieht, hängt von den Randbedingungen ab,
die in der Atmosphäre herrschen (z.B. von der Temperatur der Stratosphäre). Reaktion (6) läuft in der Gasphase nicht sehr schnell ab und z.B. über dem winterlichen Süd- oder Nordpol wegen der fehlenden Sonneneinstrahlung gar nicht. Dort wird Chlornitrat aber über einen anderen Prozeß als (6) aufgelöst, dessen Folge dann das Ozonloch ist. Erst wenn im Frühjahr die Sonne aufgeht kommt auch die Reaktion (6) wieder in Gang. Ein weiteres Chlor-Reservoirgas ist HCl, das z.B. nach Reaktion (7) gebildet wird und ebenfalls an der Ozonloch-Bildung beteiligt ist.
2 Zweiter Prozeßschritt:
Produktion der freien Halogen-Radikale
Da sich Br*, BrO*, J* und JO* prinzipiell gleich wie die Cl-Radikale Cl* und ClO* verhalten, werden die Zusammenhänge wiederum exemplarisch für Chlor dargestellt.
Die homogenen Basisreaktionen
Im ersten Prozeßschritt des Ozonabbaues wird in der Atmosphäre reaktives Chlor (Cl*, ClO*) gebildet, das aber danach zum Teil in seinen Reservoirgasen gebunden ist. Das gebundene Chlor muß erst wieder freigesetzt werden, bevor es an der Zerstörung des Ozons teilnehmen kann. Dies ist der zweite Schritt des oben skizzierten Ozonzerstörungsprozesses.
Eine wichtige Freisetzungsreaktion ist die bereits oben behandelte Reaktion (6):
ClONO2 + hv ( l < 450 nm) -----> ClO* + NO2 (6).
Labor-Experimente zeigten, daß für die erneute Freisetzung des Chlors neben dieser Reaktion auch die folgenden Reaktionen eine Rolle spielen:
ClONO2 + HCl
---->
HNO3 + Cl2
ClONO2 + H2O
---->
HNO3 + HOCl
HOCl + HCl
---->
H2O + Cl2
N2O5 + HCl
---->
HNO3 + ClONO
N2O5 + H2O
---->
2 HNO3
Die in diesen Reaktionen auf den rechten Seiten gebildeten Chlorverbindungen werden durch Photodissoziation vollständig aufgebrochen, selbst dann, wenn nur wenig Sonnenlicht einfällt. Dies geschieht für Cl2 gemäß
Cl2 + hv ( l < 450 nm) -----> 2 Cl* (13),
womit das reaktive Chlor für die anthropogene Zerstörung der Ozonschicht erneut bereitsteht.
Aus der erzeugten Salpetersäure bildet sich das natürlich vorkommende Stickstoffdioxid (NO2) zurück:
HNO3 + hv ( l < 330 nm) -----> OH* + NO2 (14),
das über die Reaktion (5) erneut reaktives Chlor in sein Reservoir Chlornitrat überführen kann. Damit
schließt sich dieser Reservoir-Kreislauf.
Die Reaktionen (8) bis (14) erfolgen in einer Weise, daß die Reaktionspartner als Gase direkt miteinander in Wechselwirkung stehen ohne gleichzeitig in eine sonstigen Beziehung zu anderen Stoffen ihrer Umwelt zu stehen. Bei solchen Reaktionen spricht man davon, daß sie in der (freien) Gasphase ablaufen. Gasphasen-Reaktionen sind jedoch relativ langsam, da ihre Wahrscheinlichkeit von der Anzahl der zufälligen
Zusammenstöße der Reaktionspartner abhängt. Diese Stöße sind in der Gasphase relativ selten, und ihre Zahl ist um so höher je höher die Temperatur des Gases ist. Reaktion (8) z.B., bei der ja gleich zwei Chlor-Reservoir-Moleküle zerlegt würden, läuft in der Gasphase so langsam ab, daß sie im Vergleich zu (6) unbedeutend ist. Sie hat daher für den globalen Ozonabbau nur eine untergeordnete Bedeutung.
Verstärkung der Ozonzerstörung durch heterogene Prozesse
Die gleichen Reaktionen können aber wesentlich schneller ablaufen, wenn sie auf der Oberfläche von Partikeln oder in wässriger Lösung (wenn also die Gase in Wassertropfen aufgelöst sind) stattfinden. An den Oberflächen sammeln sich die Reaktionspartner an und werden so regelrecht zusammengeführt. Für chemische Reaktionen ist die Zeit, über die die Reaktionspartner dabei zusammengehalten werden, relativ
lang. Die Folge ist, daß durch diese Vermittlung chemische Reaktionen sehr viel effektiver ablaufen können. Die durch Oberflächen katalysierten Reaktionen werden als heteroge Reaktionen bezeichnet.
Die Besonderheiten des Ozonloches - Ein Überblick
Damit kommen wir zu der Frage, warum die Ozonzerstörung in den Frühjahren über dem Südpol zu einem Ozonloch führt, während es über gemäßigteren Breiten 'nur' zu einem moderateren Abbau der Ozonschicht kommt. Der Grund dafür sind die physikalischen und chemischen Prozesse um die Zersetzung der Reservoirgase, die im Falle des Ozonloches nicht über die Gasphasen-Reaktionen (6) und (8) bis (14) ablaufen.
Die Reservoirgase befinden sich in den winterlichen und frühjährlichen Polarregionen in einer besonderen Situation: sie sind dort in der Gasphase sehr langlebig, da bei den vorherrschenden niedrigen Temperaturen
die homogenen Reaktionen (6) und (8) bis (14) kaum noch funktionieren. Im Winter kommt es fast gar nicht
zu (6), (13) und (14), weil das erforderliche Sonnenlicht ganz oder größtenteils fehlt. Die Reservoirgase
werden erst durch heterogene Reaktionen und durch das Sonnenlicht des Frühlings massiv zersetzt. Dieser
heterogene Prozeß läuft aber wesentlich massiver ab als der homogene Abbau des Halogen-Reservoirgase,
mit entsprechend großen Folgen für die polare Stratosphäre.
Bedeutend ist ferner, daß über dem Südpol die Bedingungen für diese heterogenen Prozesse von denen
über dem Nordpol deutlich abweichen und so eine unterschiedliche Ausprägung der polaren 'Ozonlöcher'
verursachen. Eine detailliertere Darstellung der Theorie des Ozonloches folgt im nächsten Kapitel. An
dieser Stelle wird der Prozeß vorab kurz zusammengefaßt.
In der Stratosphäre treten unter bestimmten Umweltbedingungen im Winter und Frühjahr über den
Erdpolen sogenannte Polare Stratosphärenwolken (polar stratospheric clouds = PSC) auf. Die PSC
bestehenden aus Eis-Partikel. Nach gegenwärtigem, als gesichert angesehenem Erkenntnisstand bestehen
die Eiskristalle hauptsächlich aus Salpetersäure und Wasser. PSCs bilden sich in der unteren Stratosphäre
bei Temperaturen unter 195 K (-78 °C), also bei Temperaturen, die nur in der Nähe der Pole und im Winter
erreicht werden. Grund für diese auch dort extrem tiefen Temperaturen ist die Bildung stabiler
Tiefdruckgebiete über den winterlichen Polen, den sogenannten Vortices, die eine Folge der fehlenden
Sonneneinstrahlung sind.
Die Oberflächen dieser Eispartikel bieten nun die Möglichkeit, die chemischen Prozesse (8) bis (12)
heterogen ablaufen zu lassen (s.a.: 'Was ist das Besondere am Ozonloch? '). Daher sind diese Reaktionen
in Gegenwart der PSC im Vergleich zu Gebieten, in denen PSC nicht auftreten, deutlich beschleunigt.
Reaktion (8) wird an der Oberfläche der PSC-Eiskristalle zu einer schnellen und nicht mehr
vernachlässigbaren chemischen Umsetzung.
Das dabei gebildete molekulare Chlor (Cl2) löst sich in der umgebenden Luft auf, während die Salpetersäure
(HNO3) fest in die Eismatrix der PSC eingebunden wird. Das Cl2 kann in der winterlichen
Polar-Stratosphäre zunächst nicht in reaktives Chlor verwandelt werden, da die Reaktion (13) in der dunklen
Stratosphäre nicht ablaufen kann. Erst wenn im Frühjahr die Sonne wieder über den Horizont erscheint,
beginnt die massive und schnelle Bildung des Cl* nach (13) und somit die extreme Ozonzerstörung, die sich
als Ozonloch äußert (Details siehe: 'Was ist das Besondere am Ozonloch? '). Ohne die Gegenwart der PSC
verliefe die Ozonzerstörung in den winterlichen Polargebieten ausgehend von Gleichung (6) und damit
wesentlich langsamer bzw. zeitweise sogar überhaupt nicht.
Ein Sekundär-Effekt der Salpetersäure
Die in den Reaktionen (8), (9), (11) und (12) entstehende Salpetersäure (HNO3) wird in den polaren
Winterregionen in die Eismatrix der PSC eingebunden. Der Prozeß (14) wird infolgedessen auch noch im
Frühjahr unterbunden, wenn er mit der aufgehenden Sonne langsam wieder in Gang kommen könnte. Erst
nach der Auflösung der PSC-Eiskristalle läuft auch (14) wieder an. Bis dahin sind aber die Konzentrationen
der Stickstoffoxide (NOx) in der Gasphase vermindert, da sie in den Reaktionen (8) bis (12) als
Ausgangsmaterial für die Bildung des HNO3 dienten und so aus der Stratosphäre entfernt wurden. Dieser
Vorgang wird als Denoxifizierung bezeichnet.
Die Folge ist wiederum ein zusätzlicher Abbau von Ozon, weil weniger NOx verfügbar ist, um das
ozon-wirksame Molekül ClO* über die Reaktion
ClO + NO2 + M ----> ClONO2 + M (5)
zu binden.
Einfluß von Sulphat-Aerosolen auf den globalen Ozonabbau
Sulphat-Aerosole sind Tropfen von in Wasser gelöster schwefliger Säure. Sie sind für die Ozonzerstörung
von Bedeutung, weil sie es ebenfalls ermöglichen, daß einige der Reaktionen (8) bis (12) heterogen ablaufen
können. Dieser Prozeß kann überall in der Stratosphäre auftreten (s. z.B. Weisenstein et al., 1998).
Die Sulphat-Aerosole sind immer in der unteren Stratosphäre vorhanden. Sie bilden sich in der Folge der
Oxidation (Reaktion mit Sauerstoff) von Carbonyl-Sulfid (OCS, eine Verbindung von Sauerstoff, Kohlenstoff
und Schwefel). OCS ist ein natürlicher Bestandteil der Atmosphäre. Es ist ausreichend stabil und daher
langlebig genug, um von der Troposphäre unverändert in die Stratosphäre aufzusteigen zu können.
Durch größere Vulkuneruptionen, die genügend gewaltig sind, um Stoffe bis in die Stratosphäre
hochzutransportieren, kann Schwefeldioxid (SO2) direkt in die Stratosphäre gelangen. Dies trägt dort zur
Bildung der Aerosole bei und kann kurzfristig die Aerosolkonzentration gegenüber den üblichen Werten
(den sogenannten Hintergrundwerten) um das mehrfache anheben. Auch hochfliegende Flugzeuge und
Stratosphärenflugzeuge sind Sulphat-Quellen.
Sulphataerosole beschleunigen die Reaktionen (9) und (12) und möglicherweise auch (10). Sie tragen also
zur Freisetzung von aktivem Chlor und zur Minderung des NOx bei, das ansonsten Chlor in das
Reservoirgas Chlornitrat überführen könnte.
Heterogene Reaktionen an Aerosolen sind jedoch temperaturabhängig. Schnelle Reaktionen sind nur bei
Temperaturen möglich, die ähnlich denen sind, die für die PSC-Bildung erforderlich sind. Außerhalb polarer
Breiten und in polaren Breiten zu wärmeren Zeiten ist der Effekt des Hintergrund-Aerosols daher eher
gering. Nur zu Zeiten massiver Vulkanausbrüche erreicht das Aerosolniveau Werte, bei denen ein deutlicher
zusätzlicher Ozonabbau eintritt. Daher wurde teilweise auch spekuliert, ob nicht der Abbau der Ozonschicht
einfach durch vorübergehende verstärkte Tätigkeit von Vulkanen vorgetäuscht worden sein könnte. Das
wird mittlerweile aber eindeutig ausgeschlossen.
3 Dritter Prozeßschritt:
Katalytischer Abbau des Ozons
Da sich Br*, BrO*, J* und JO* prinzipiell gleich wie die Cl-Radikale Cl* und ClO* verhalten, werden die
Zusammenhänge wiederum exemplarisch für Chlor dargestellt.
Im dritten Schritt des Ozonzerstörungsprozesses kommt es zur eigentlichen Zerstörung des Ozons in der
Stratosphäre. Er unterscheidet sich für die polaren Ozonloch-Regionen und für die restliche, globale
Stratosphäre nicht. Lediglich die Menge der pro Zeiteinheit verfügbaren reaktiven Halogene ist verschieden
groß (wie im letzten Kapitel beschrieben wurde). Die folgende Erläuterung der Vorgänge erfolgt wieder
exemplarisch für Chlor, gilt aber analog auch für Brom und Jod.
Die Produktion des reaktiven Chlors erfordert Sonnenlicht, wie bei der Darstellung des zweiten
Prozeßschrittes erläutert wurde. Ebenso werden die meisten der katalytischen Kreisläufe der
Ozonzerstörung durch UV-Licht der Sonne angetrieben (in den Gleichungen wird das UV-Licht als hv
bezeichnet).
Die Kreisläufe starten mit dem im zweiten Prozeßschritt freigesetzten reaktiven Halogen X (X steht
stellvertretend für Cl, Br oder J). Am Ende der Reaktionskette wird wieder das reaktive Halogen gebildet,
so daß dieses in unveränderter Menge für weitere katalytische Abbaukreisläufe zur Verfügung steht. Es gibt
mehrere verschiedene Kreisläufe, in denen Ozon zerstört wird. Der bedeutendste Kreislauf funktioniert
nach folgendem allgemeinen Muster, das für natürliche (z.B. OH*) wie für anthropogene 'Ozonkiller'
gleichermaßen gilt:
( M ) X* + O3 -----> XO* + O2
O3 + hv ( l < 1140 nm) -----> O2 + O (3)
O + XO* -----> X* + O2
netto also: 2 O3 + hv -----> 3 O2
Reaktives Chlor und Brom zerstören Ozon über diesen Kreislauf äußerst effektiv und es dauert sehr lang,
bis sie ihrerseits durch die konkurrierenden chemischen Reaktionen der Reservoirgasbildung [(5) und (7)]
dem Kreislauf vorübergehend entzogen oder gar durch Auswaschung in die Troposphäre ganz entfernt
werden. Ein Chloratom kann den Zyklus (M) größenordnungsmäßig 1000-mal durchlaufen, bevor es
endgültig aus der Stratosphäre verschwindet.
Bei den natürlichen Kreisläufen ist die wichtigste reaktive Spezies XO* die Substanz NO*, die als Folge von
bodennahen Emissionen von Lachgas (N2O) aus diesem Gas in der Stratosphäre gebildet wird. Eine zweite
natürliche katalytische Kette des Ozonabbaues läuft über OH* und HO2* (X=OH).
Neben dem wichtigen Prozeß nach dem Muster (M) erfolgt die katalytische Zerstörung der Ozonschicht
über zwei weitere Kreisläufe, die von Bedeutung sind. Die drei Zyklen sehen für das reaktive Chlor (und
analog für Br und J) konkret folgendermaßen aus:
(I)
(M)
Cl* + O3 -----> ClO* + O2
O3 + hv (l < 1140 nm) -----> O2 + O (3)
O + ClO* -----> Cl* + O2
netto:
2 O3 + hv -----> 3 O2
(II)
ClO + ClO + M -----> Cl2O2 + M
Cl2O2 + hv (l < 400 nm) -----> Cl + ClO2
ClO2 + M -----> Cl + O2 + M
und schließlich der Schritt des Ozonabbaus
2 Cl + 2 O3 -----> 2 ClO + 2 O2
netto:
2 O3 -----> 3 O2
(III)
ClO + BrO -----> Br + Cl + O2
Cl + O3 -----> ClO + O2
Br + O3 -----> BrO + O2
netto:
2 O3 -----> 3 O2
(Zu den Nettoreaktionen kommt man, indem jeweils für sich alle links oder alle rechts des Reaktionspfeiles und
oberhalb der horizontalen Summen-Linie stehenden Reaktionspartner ähnlich wie mathematische Größen addiert
und subtrahiert werden!)
Das Dimer des Clormonoxid-Radikals (Cl2O2), das im Kreislauf (II) auftritt, ist thermisch instabil. Es zerfällt
also bei höheren Temperaturen schnell wieder in ClO. Daher ist dieser Kreislauf nur bei niedrigen
Temperaturen effektiv. Über ihn wird etwa 70% des Ozons über der kalten Antarktis zerstört. Da die
Nordpolregion generell wärmer ist als die Südpolregion, hat dort der Kreislauf II einen geringeren Anteil an
der Ozonzerstörung.
Die hier vorliegende Darstellung umfaßt die wichtigsten Prinzipien der Ozonzerstörung. Tatsächlich sind
noch eine große Anzahl weiterer chemischer Reaktionen an den Prozessen um die Ozonzerstörung beteiligt;
deren Bedeutung ist aber eher sekundär und nur für ein Verständnis der Details der Vorgänge von
Interesse. Darauf soll hier nicht weiter eingegangen werden.
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