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Die anthropogenen Ozonkiller
In der Stratosphäre wird Ozon ständig durch OH-Radikale und Stickstoffoxide (NO) in molekularen
Sauerstoff umgewandelt. Solares UV-Licht trägt durch Photolyse zu dem natürlichen Ozonabbau bei. Diese
Ozon-Verluste stehen jedoch mit natürlichen Produktionsprozessen so im Gleichgewicht, daß die
Ozonmenge in der naturbelassenen Stratosphäre langfristig stabil bleiben würde. Die natürlich
vorkommenden Auf- und Abbauprozesse des Ozons werden im Kapitel 'Was ist Ozon und wo in der
Atmosphäre kommt es vor?' näher beschrieben. In diesem Kapitel wird der Prozeß der Ozonzerstörung
durch Substanzen beschrieben, die durch menschliche Tätigkeiten in die Atmosphäre gelangen.
Seit einiger Zeit wird ein zunehmender Nettoverlust stratosphärischen Ozons beobachtet. Die Ozonschicht
wird offenbar nachhaltig zerstört. Diese Zerstörung ist nachweislich eine Folge künstlicher Produkte, die der
Mensch produziert und in die Atmosphäre eingebracht hat. Bei deren Abbau entstehen Stoffe, die Ozon
zerstören. Dieser künstlichen (anthropogenen) Ozonzerstörung steht keine ausgleichende, zusätzliche
Produktion des Ozons gegenüber. Die Natur ist nicht in der Lage, diesen anthropogenen Ozonverlust durch
einen Kompensationsprozeß aufzufangen.
Hinweise auf die Beeinflussung der Ozonschicht durch menschliche Aktivitäten ergaben sich schon vor über
25 Jahren. Wissenschaftler vermuteten damals bereits, daß die Freisetzung von Chlorfluorkohlenstoffen
(CFC, FCKW) zum Abbau des Ozons in der Stratosphäre führt. Die Geschichte der Entdeckung der
Ozonzerstörung und der FCKW in der Stratosphäre ist im Kapitel 3 dargestellt. Eines dieser CFCs ist
schematisch in der folgenden Abbildung dargestellt, die von der NASA zur Verfügung gestellt wurde (Ref.).
Verantwortlich für diese Ozonzerstörung sind bestimmte
Abbauprodukte der FCKWs (CFCs) und der Halone, nämlich Chlor (Cl)
, Brom (Br) und Jod (J). Darauf machten für den Fall des Chlors M.J.
Molina und F.S. Rowland schon 1974 aufmerksam (Molina und
Rowland, 1974).
Der Anteil anthropogener Chloratome in der Stratosphäre hat bis heute
ca. 3 ppbv erreicht. Durch natürliche Prozesse wird Chlor dagegen nur
in unbedeutenden Mengen von etwa 0,6 ppbv in die Stratosphäre
transportiert (Graedel und Crutzen, 1994, S. 154). Verantwortlich für
den natürlichen Cl-Anteil sind gelegentliche Vulkanausbrüche, vor
allem durch deren Emission von HCl, und das Methylchlorid (CH3Cl),
das aus der Troposphäre aufsteigt.
Als das Ozonloch über dem Südpol entdeckt wurde, brachten die
Wissenschaftler es durch Messungen schnell mit den anthropogenen Chlorverbindungen in Zusammenhang.
Diese Untersuchungen am Ozonloch bewiesen endgültig die Rolle des Chlors als 'Ozonkillers' in der
gesamten Stratosphäre, also nicht nur innerhalb des winterlichen Luftwirbels (
Übertragung unterbrochen
ber dem Südpol. Betroffen sind außerhalb der polaren Breiten vor allem die mittleren Breiten (30 - 60 °) und
somit auch die dicht besiedelten Gebiete Europas (vgl. auch Langzeit-Trends der Ozondichten). Und überall
tritt das Chloratom als einer der wirkungsvollsten Ozonkiller auf.
Nach Chlor wurde auch die Bedeutung der Brom-Atome für den Ozonabbau deutlich. Brom zerstört Ozon in der Straosphäre nach heutiger Kenntnis sogar noch effektiver als Chlor. Im 1994 erschienenen
WMO-Report (Ref., S. 13.14) wird festgestellt, daß Brom über seine verschiedenen Reaktionsketten Ozon insgesamt ca. 40-mal effektiver zerstört als Chlor (für weitere Details siehe: Brom).
Brom kommt in den Halonen vor, die zu den halogenierten Kohlenwasserstoffen gehören. Es wird durch denn Abbau dieser Stoffgruppe in der Stratosphäre freigesetzt. Eine wichtige Quellverbindung des Brom in der Stratosphäre ist Methylbromid (CH3Br), das vor allem in den Entwicklungsländern als Antipilzmittel eingesetzt wird. CH3Br und Dibrommethan (CH2Br2) sind die bedeutendsten Ausgangsstoffe des stratosphärischen Broms. Etwa ein Drittel des Brombestandes der Stratosphäre steuern die Halone H-1301
(CBrF3), H-1211 (CBrClF2) und H-2402 (CBr2F4) bei, die fast ausschließlich als Feuerlöschmittel verwendet wurden (Butler et al., 1998).
Es gilt mittlerweile als gesichert, daß der Ozonabbau in der Stratosphäre vor allem durch reaktives Chlor und Brom verursacht wird. Chlor und Brom können jedoch diesem Prozeß zum Teil wieder entzogen werden. Sie werden dabei in der Stratosphäre zunächst in chemischen Verbindungen so 'zwischengelagert',
daß sie eine Zeit lang fixiert und erst danach wieder freigesetzt werden. Nach ihrer erneuten Freisetzung können sie wieder zum Ozonabbau beizutragen. Die relativ langlebigen Trägersubstanzen, in denen Chlor und Brom gebunden sind, werden auf Grund dieses zeitweiligen 'Speicherverhaltens' als Reservoirgase bezeichnet. Durch Auswaschung der Reservoirgase können Chlor und Brom auch endgültig aus der Stratosphäre entfernt werden; jedoch ist dies ein Vorgang, der nur sehr träge abläuft. Die Halogene verbleiben in der Regel für viele Jahre bis Jahrzehnte in der Stratosphäre, bevor sie über diesen Prozeß abgebaut werden.
Reservoiregase, in denen Chlor ausgelagert werden kann, sind Hydrogenchlorid (HCl, in wässriger Lösung als Salzsäure bekannt) und Chlornitrat (ClONO2). HCl bildet sich durch Reaktion des Cl mit Methan (CH4), das in der Stratosphäre natürlich vorhanden ist. Die Stickstoffoxide für die Bildung des Chlornitrats entstammen dem Reservoirgas Distickstoffpentoxid (N2O5). Salpetersäure (HNO3) steht mit Distickstoffpentoxid in Wechselwirkung und ist von besonderer Wichtigkeit für die Vorgänge um den extremen, spätwinterlichen Ozonabbau über dem Südpol (Ozonloch) und über dem Nordpol (siehe weiter unten). HNO3 ist dort in Form von Eispartikeln in der Lage, hohe Anteile des reaktiven Chlors (ebenso: Br, J) aus den Reservoirgasen freizusetzen und für den späteren Ozonabbau verfügbar zu halten. Die Brom-Reservoirs HBr und BrONO2 sind chemisch sehr instabil. Daher kommt Brom in der Stratosphäre überwiegend als freies Radikal (Br, BrO) und weniger eingebunden in seine Reservoirgase vor.
Neben Chlor und Brom werden durch die Zersetzung der FCKW und der Halone in der Stratosphäre auch Fluor (F) und in geringeren Menge Jod freigesetzt. Beide Halogene sind prinzipiell ebenfalls in der Lage, Ozon zu zerstören. Fluor wird jedoch nach seiner Freisetzung schnell und stabil in sein Reservoirgas Hydrogenfluorid (HF) überführt und so dem Prozeß der Ozonzerstörung wirkungsvoll entzogen (s.a. HF).
Wegen der vergleichsweise geringen stratosphärischen Mengen des Jod, trat dieser Ozonkiller erst in letzter Zeit in das Blickfeld des Forscherinteresses (Solomon et al., 1994). Die Bindung des Jod in dem
Reservoirgas HJ ist nicht sehr stabil. Der Grund dafür ist: je größer ein Halogenatom ist, um so schwächer ist es in seinen Reservoirgasen gebunden und umso eher kann es durch Photolyse oder Reaktion mit OH* wieder freigesetzt werden (WMO-Report, 1994). Stratosphärisches Jod wird also schnell und umfassend für den Ozonabbau verfügbar gemacht, womit es eine vergleichbar hohe, wenn nicht sogar eine höhere
Zerstörungskraft wie Brom besitzt. In Höhen um 20 km wird die Zerstörungskraft des Jod als bis zu etwa 2000-mal höher als die des Chlors eingeschätzt (Solomon et al., 1994)! Allerdings sind die Jod enthaltenden halogenierten Kohlenwasserstoffe wegen der relativ schwachen Kohlenstoff-Jod-Bindung selbst weniger stabil als andere FCKW und Halone, so daß sie zu einem großen Teil bereits zerstört werden, bevor sie die
Stratosphäre erreichen können. Es gibt daher sogar Überlegungen, ob Halocarbone wie CF3J als Substitute der gefährlichen FCKWs und Halone denkbar sind (WMO-Report, 1994, S. 13.15).
Nachdem die Ozonkiller und ihre Quellen vorgestellt worden sind, stellt sich nun die Frage, wie die Freisetzung der ozonzerstörenden Halogene und der anschließende Ozonabbau im einzelnen eigentlich
ablaufen. Dies wird im folgenden Abschnitt ausführlich behandelt.
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