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Eine Studie zum
Adoptionskinderhandel
Vom Juli 1995 bis März 1996 wurde eine Studie zum Thema 'Kinderhandel zum Zweck der Adoption' von der Journalistin Giesela Wuttke durchgeführt.
Obwohl unfreiwillige Kinderlosigkeit als bisher vermutetes dringendstes Motiv zur Auslandsadoption nicht die angenommenen Ausmaße zu haben scheint, ist die zunehmende Nachfrage nach Adoptivkindern Realität und wird beleuchtet durch die Tatsache, daß sich das Verhältnis Adoptivbewerber/Adoptivkind inzwischen auf 20-30:1 (1991 noch 10:1) eingependelt hat. Von den schätzungsweise 1100 ausländischen Adoptivkindern, die jährlich in die BRD kommen, gelangt nur ein ganz geringer Anteil über anerkannte Vermittlungsstellen in die Adoptivfamilien. Vor allem die Eröffnung der osteuropäischen 'Märkte' veränderte die Adoptionsszenerie derart, daß das bislang seltene Adoptivkind aus Osteuropa inzwischen 40% der jährlichen Auslandsadoptionen ausmacht. Interessant ist auch das tendenzielle Ausweichen deutscher Adoptivbewerber auf ausländische Adoptionsvermittlungsorganisationen (vor allem US-amerikanische), die einen im Sinne der Bewerber 'besseren Service' bieten als die anerkannten deutschen Vermittlungsstellen. Dazu gehört sicherlich auch das in den letzten Monaten publik gewordene Anbieten von Adoptivkindern im Internet als neueste aktuelle Entwicklung.
Dabei zeigt sich mal wieder deutlich, daß die Kinder 'Ware' auf einem Markt sind, der durch Angebot und Nachfrage geregelt wird Zusammenfassend läßt sich der Kinderhandel als ein 'soziales Problem einer Gesellschaft erkennen, in der Kinderlosigkeit und Armut eine ganz prekäre Verbindung eingegangen sind'.
Als Erkenntnis bleibt, daß es in der BRD einen fest etablierten Adoptionskinderhandelsmarkt gibt, für den auch in Zukunft mit Wachstum zu rechnen ist. Zwar liegt im internationalen Vergleich die BRD mit seinem 20%igen Anteil an Auslandsadoptionen noch im unteren Bereich, der 'run auf das Kind' geht jedoch weiter. Zusammen mit der zunehmenden Verabschiedung der legalen Vermittler wächst der Schwarzmarkt und somit die Notwendigkeit weiterhin im Kampf gegen Kinderhandel aktiv zu sein.
Bestandsaufnahme
In der Bundesrepublik Deutschland leben mehr als 20.000 Kinder, die als 'ausländische' Adoptivkinder in deutschen Familien Aufnahme fanden. Wieviel es tatsächlich sind, weiß niemand genau zu sagen, denn Adoptionen mit Auslandsberührung (Auslandsadoptionen) bewegen sich auf einem Terrain, in dem die Grenzen zwischen Legalität und Illegalität häufig nur schwer zu ziehen sind. Wer 'sein' Kind auf eigene Faust (privat) oder über einen 'Kinderhändler' vermittelt (kommerziell) der Adoption zuführt, weiß, daß die Preisgabe von Wissen - etwa gegenüber dem Jugendamt - eine Adoption unter Umständen gefährden könnte, Nicht-Wissen hingegen die Chance auf Adoption erhöht. Das Verschweigen von Wissen ebenso wie das Nicht-Wissen-Wollen, um weiteren Fragen vorzubeugen, dient in den meisten Fällen dazu, die eigene Mittäterschaft bei der Vermittlung bzw. Adoption des 'ausländischen' Adoptivkindes zu kaschieren bzw. die Frage nach der Verantwortung überhaupt gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Lateinamerikanische Kinder die adoptiert worden kamen aus:
Brasilien 143 Peru 35 Kolumbien 28 Bolivien 25 Chile 17 Mexiko 11 Paraguay 8 Guatemala 6
Für den asiatischen Kontinent, weist diese Statistik folgende. Länder aus:
Afghanistan 3 Indien 148 Israel 1 Korea 2 Pakistan 8 Philippinen 76 Sri Lanka 26 Thailand 58 Vietnam 12
Für die afrikanischen Länder werden folgende Herkunftsländer genannt:
Athiopien 22 Kamerun 1 Tunesien 3
In Osteuropa inkl. Türkei weist die Statistik folgende Zahlen und Herkunftsländer aus:
Bosnien-Herzegowina 5 Jugoslawien 79 Kroatien 9 Polen 109 Rumänien 206 Russ. Föderation 56 Türkei 77 Ukraine 6
Praktiken der Kindesbeschaffung
Wenn von kommerziellen bzw. Privatadoptionen die Rede ist, sind Adoptionen gemeint, deren Vermittlung unter Umgehung der offiziellen bzw. anerkannten Adoptionsstellen durch 'Babyhändler' oder Agenturen bzw. 'privat' herbeigeführt werden. Die definitorischen Grenzen zwischen kommerziellen und Privatadoptionen sind gleichwohl schwer zu ziehen. Während nämlich die kommerzielle Adoption über Geld definiert wird - Geld, das regelmäßig in die Taschen der 'Babyhändler' und ihrer Helfershelfer fließt -, scheint Geld bei Privatadoptionen weder eingesetzt noch verdient zu werden. Dennoch kosten auch Privatadoptionen Geld - Geld, das in die Taschen von Juristen, Hebammen, HeimleiterInnen usw. fließt. Wie eine solche Adoption in die Wege geleitet wird, soll das folgende Beispiel verdeutlichen:
'Ein relativ gut situiertes Ehepaar wünscht sich nach jahrelangem Aufbau seiner Existenz sehnlichst ein Kind und stellt fest, daß es leibliche Kinder nicht (oder nur mit großem Risiko) bekommen kann. Es entschließt sich deshalb zur Adoption und wendet sich ans Jugendamt, wo es die enttäuschende Nachricht erhält, daß es kaum Aussichten hat: 20 Paare bewerben sich gleichzeitig um ein Adoptivkind. Das Ehepaar sucht nach weiteren Lösungsmöglichkeiten und wird aus anderen Quellen darüber informiert, daß es in armen Ländern Millionen von Kindern gebe, die verlassen sind und Eltern brauchen. Es bleibt bei seinem Wunsch und erfährt des weiteren, daß eine Auslandsadoption über anerkannte Vermittlungsstellen ebenso schwierig ist (weil auch diese sehr lange Wartezeiten haben), daß jedoch auch andere, direktere Wege zum Ziele führen: Private Adresse, Kirchen, Botschaften könnten weiterhelfen. Was liegt näher, als sich den tiefverwurzelten Kinderwunsch auf eine Weise zu erfüllen, die gleichzeitig geeignet erscheint, das Elend anderer Menschen zu verringern? Eine privat durchgeführte Auslandsadoption bietet sich an.'
So oder so ähnlich kommen Privatadoptionen zustande , wobei sich die Mittel und Wege im Laufe der Jahre immer mehr verfeinert und ergänzt haben. 'Sie variieren je nach Ort, Zeitpunkt und Umfang des Geschäfts und reflektieren darüber hinaus die jeweilige Rechtslage im Empfänger- und Herkunftsland' des Kindes. Nicht abzuschätzen ist im Kontext von Kinderhandel die Zahl derer, die auf offener Straße entführt werden, um den Nachschub an Adoptivkindern zu sichern. Die Kindesentführung wird vor allem - aber nicht nur - in den Randzonen der Megastädte Asiens und Lateinamerikas angewandt. Dennoch bleibe unbestritten, 'daß ein erheblicher grauer und schwarzer Markt für Kleinkinder entstanden ist, der, wie jeder Schwarzmarkt, durch außerordentlich hohe Preise (für den Nachweis von Adoptionsgelegenheiten) gekennzeichnet ist. Freilich ist gerade in diesem Feld die Trennung von legitimer oder legaler Vermittlung einerseits und dem grauen oder schwarzen Markt nicht leicht. Die Größenordnung des Problems läßt sich daran ermessen, daß allein in Kolumbien über 100 ausländische Adoptionsagenturen offiziell registriert sein sollen, in Indien mehr als 300. Grund genug, die Mittel und Wege der illegalen Kindsbeschaffung nochmals etwas genauer ins Auge zu fassen. Wie wir sehen werden, ist Geld tatsächlich immer im Spiel. Die 'Babyhändler' treten jedoch häufig nicht als 'Babyhändler', sondern als ehrbare Bürger auf: Onkel, Rechtsanwälte, HeimleiterInnen. Die Adoption bleibt in diesen Fällen Privatsache.
Da sind zum einen die Kleinanzeigen, mit denen sich die 'Babyhändler' und privaten Vermittler, die Adoptiveltern und Adoptionsinteressenten gegenseitig ins Gespräch bringen. Zwar sind diese seit Inkrafttreten des Adoptionsvermittlungsgesetzes 1989 eher selten geworden, doch lassen sie sich bei aufmerksamer Lektüre insbesondere der Regionalzeitungen und Anzeigenblättchen leicht aufspüren. Die folgenden Kleinanzeigen wurden sämtlich im Jahre 1991 geschaltet: 'Adoptivbewerber suchen ernsthaft 2 Adoptivkinder bis 5 Jahre gerne aus dem Ausland. Wir wollen ihnen ein liebevolles Zuhause geben' ; 'Erfahrungsaustausch - wir möchten gern ein Kind aus Rumänien adoptieren. Wer hat Erfahrung und kann sie an uns weitergeben? Wir sind für jeden Hinweis dankbar'; 'Kinderadoption? Wir helfen. Zuschriften u. Nr. Z 035 a. d. Mini-Markt Ostfriesl., Postfach 1408, 2960 Aurich' . Die Anzeigen sind ihrer Art nach ausgesprochen typisch, geben sie doch - auf den ersten Blick - keinen Hinweis darauf, daß mit ihr eine illegale Vermittlung von Adoptivkindern in die Wege geleitet werden soll. Man trifft sich, bespricht sich, faßt Vertrauen, tauscht Adressen, zeigt sich erkenntlich, bezahlt für Informationen, die die Aussicht auf eine Adoption wahrscheinlicher werden lassen. Eine höchst private Angelegenheit, die auf die Verschwiegenheit aller Beteiligten baut.
Diese höchst effektive Methode bietet zwei Varianten. Entweder adoptiert der 'Vater' das Kind im Heimatland der Mutter, die vor Gericht aussagt, daß der 'Vater' der rechtmäßige Vater des Kindes sei - wobei es sich bei der 'Mutter' allerdings keineswegs zwangsläufig um die wirkliche Mutter des Kindes handeln muß -, oder die Mutter reist mit dem Kind in die Bundesrepublik ein, um es hier direkt dem 'Vater' zu übergeben - wobei die 'Mutter' auch in diesem Fall keineswegs zwangsläufig die Mutter des Kindes sein muß. Der 'Vater' erkennt auf einer notariell beglaubigten Urkunde seine angebliche Vaterschaft für das nicht-eheliche Kind an und läßt es später für ehelich erklären. Die Ehefrau wiederum adoptiert nach einer gewissen Zeit das legitimierte Kind ihres Mannes und wird dadurch Kindesmutter. Die wirkliche Mutter - sofern es sich nicht um eine bezahlte 'Reise-' bzw. 'Transportmutter' handelte - hat die Bundesrepublik zu diesem Zeitpunkt bereits längst wieder verlassen. Das wahrheitswidrige Vaterschaftsanerkenntnis wird offenbar immer häufiger bereits während der Schwangerschaft 'eingefädelt'. In diesem Fällen reist die Mutter des Kindes noch während ihrer Schwangerschaft in die Bundesrepublik ein, um das Kind schließlich in einer hiesigen Klinik zur Welt zu bringen. Nach der Geburt, spätestens jedoch innerhalb von drei Monaten, verläßt die Mutter des Kinder die Bundesrepublik wieder oder taucht unter. Dieses Verfahren wurde bereits vor einigen Jahren auch gegenüber srilankanischen Frauen angewandt, die sich auf sog. Babyfarmen auf ihre Geburt vorbereiteten, während die 'Väter' und deren Ehefrauen bereits im Wartesaal Platz genommen hatten. Man erspart sich auf dem umgekehrten Weg allerdings die Unbequemlichkeiten eines Aufenthalts im fremden Land und hat zudem das Kind, hinter der Glasscheibe einer Neugeborenenstation, in sicherer Verwahrung. So waren MitarbeiterInnen der Jugendamtes Mönchengladbach im Januar 1990 auf Annoncen in der Tagespresse gestoßen, die Kinderhandel vermuten ließen. Tatsächlich konnte die Kripo zwei Männer überführen, die philippinische Frauen zur Entbindung in die Bundesrepublik eingeschleust hatten, um deren Kinder an private Adoptionsinteressenten zu verkaufen. Der Verkauf der Kinder kam nicht zustande, die Frauen wurden abgeschoben, die beiden Männer erkennungsdienstlich behandelt. Strafrechtliche Konsequenzen hatte der Fall nicht.
In diesem Fall reisen die Adoptionsinteressenten in ein Land ihrer Wahl ein und bekommen in einer Privatklinik einen Säugling ausgehändigt, dessen Geburtsbescheinigung auf ihren Namen ausgestellt ist. Die angeblichen Eltern lassen die Geburt ihres Kindes sodann in das örtliche Personenstandsregister eintragen, um das Eltern-Kind-Verhältnis (wahrheitswidrig) offiziell zu dokumentieren. Diese Methode wird vorwiegend - aber nicht nur - in Lateinamerika angewandt. Ob die tatsächlichen Mütter von der Abgabe und Übertragung ihrer Kinder an fremde 'Eltern' überhaupt in Kenntnis gesetzt werden oder ihnen weisgemacht wird, daß ihr Kind 'tot' auf die Welt gekommen sei, bleibt in den meisten Fällen ungewiß.
Häufig werden die für eine legale Adoption benötigten Dokumente und Urkunden von den Adoptionsinteressenten (Kaufeltern) selbst - z.B. die sog. home-studies oder Referenzen, die ihre Glaubwürdigkeit und Seriösität unterstreichen sollen - oder von Dritten ('Babyhändler', Rechtsanwälte, Arzte, auch Pfarrer ) ausgestellt, die aber deswegen keineswegs der Wahrheit entsprechen müssen. Im Falle von Auslandsadoptionen werden vor allem Praktiken vermutet, die mit der Einreise von ausländischen Kindern und der Herstellung der Reisedokumente den Tatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung erfüllen könnten. Die Probleme liegen darin, es geht um Vorgänge internationaler und privater Adoption, primär in der praktischen Durchsetzung und der Nachweisbarkeit.'
Häufig machen sich die Adoptionsinteressenten (Kaufeltern) auch selbst auf den Weg. Dabei fungieren die Medien mehr oder weniger unfreiwillig als Wegweiser. So erschien erst vor kurzem in dem Nachrichtenmagazin FOCUS ein Bericht über die abgelegten Kinder slowakischer Prostituierter, die in tschechischen Waisenhäusern 'auf ihre Adoption warten'. Insgesamt sollen es 1200 'Kleinkinder' sein, die in den als überfüllt beschriebenen Waisenhäusern versorgt werden müssen. 'Viele Mütter kommen ohne Dokumente oder mit gefälschten Papieren zur mir', berichtet eine Schwester. Focus nennt sowohl den Namen der Klinik ('Childrens Home') als auch den des Ortes (Teplice), zumal die Kinder 'zu 99%' von Deutschen gezeugt wurden, 'vor allem aus der ehemaligen DDR und Bayern'. Reportagen wie diese üben auf die lauernden Adoptionsinteressenten (Kaufeltern) einen besonderen Reiz aus, sehen sie sich doch damit in ihrem Vorhaben geradezu aufgefordert, ihr Wunschkind direkt vor Ort in Augenschein zu nehmen. Dies war auch in Rumänien der Fall, als die Medien über die beklagenswerte Situation rumänischer Heimkinder berichteten, von denen ja in den ersten Monaten und Jahren wenigstens 15.000 ins Ausland adoptiert wurden.
Diese Methode wurde sowohl in einer spanischen als auch in einer türkischen Privatklinik angewandt. In diesen Fällen teilte man den Müttern mit, ihr soeben geborenes Kind sei tot oder kurz nach der Geburt gestorben. Die Leiche des Kindes wird ihnen in der Regel vorenthalten. Auf hartnäckiges Fragen hin zeigt man ihnen manchmal auch die Leiche eines Säuglings, der eigens zu diesem Zweck aus dem Kühlraum geholt wird. Während die Mütter die Klinik mit einem Totenschein in der Hand verlassen, erhalten die Adoptionsinteressenten (Kaufeltern) bzw. privaten Vermittler eine Geburtsurkunde, in denen ihr eigener Name eingetragen ist. 'Von den 10.000 DM, die die Adoptiveltern Herrn A. zur Abgeltung seiner Unkosten übergeben, zahlen die Eheleute 2.000 DM auf das eigene Konto privaten Vermittler ein. Der Rest wird in die Türkei überwiesen.' Mit Zustimmung der 'Eltern' A. wird das 'tote' Kind später in der Bundesrepublik von den Kaufeltern adoptiert. Die Totenschein-Methode wird jedoch auch in anderen Ländern angewandt, so in Griechenland , Mexiko , Indien und Kolumbien , und - wie vor kurzem aufgedeckt wurde - auch in der Ukraine, wo die Zahl der 'toten' Kinder für den Adoptionsmarkt auf mindestens 114 geschätzt wird.
Dieser Variante der Kindesbeschaffung liegt meist eine soziale oder wirtschaftliche Notlage junger bzw. armer Frauen zugrunde. In manchen Fällen werden die soeben niedergekommenen, meist jungen Mütter mit 'guten Worten' unter Druck gesetzt, ihr Baby zur Adoption freizugeben, um diesem 'eine bessere Zukunft' zu geben. Hier und da werden auch geringe Geldbeträge eingesetzt. Fälle wie diese wurden auch in Sri Lanka ruchbar, wo junge Mütter zur Abgabe ihrer Kinder veranlaßt wurden, weil sie diese - wie ihnen gesagt wurde - nicht selbst ernähren konnten. Es ist darüber hinaus offenbar auch vorgekommen, daß Mütter, die ihre Krankenhausrechnung nicht bezahlen konnten, erpreßt wurden, ihre Kinder zur Adoption freizugeben. Ebenso ist bekannt, daß ledige Mütter mit falschen Versprechungen in die Bundesrepublik gelockt wurden, wo sie alsdann gezwungen wurden, ihre Kinder zur Adoption freizugeben. Da die Mütter mit Touristenvisum einreisen und in der Regel in der Bundesrepublik niemanden kennen, an den sie sich in ihrer Notlage wenden können - abgesehen davon, daß sie weder über deutsche Sprachkenntnisse noch über größere Geldbeträge verfügen -, haben die Babyhändler und Kaufeltern leichtes Spiel.
In diesen Fällen wird die Identität des entführten Kindes durch gefälschte Dokumente verändert bzw. ausgelöscht. In ihren Identitätsdokumenten erscheinen diese Kinder schließlich als leibliche Kinder der Personen, die sie den Entführern abkaufen. Solche Entführungen bzw. Verkäufe von Kindern sind in den vergangenen Jahren in Thailand und auf den Philippinen aufgedeckt worden. Schlagzeilen machten auch Kindesentführungen in Albanien, wo in den vergangenen Jahren mehr als 3000 Kinder spurlos verschwanden. In der Bundesrepublik ist (1993) ebenfalls ein Fall von Kindesentführung bekanntgeworden. So verurteilte das Berliner Landgericht zwei Kinderhändler zu einer Haftstrafe von 2 Jahren und sechs Monaten, nachdem diese gestanden hatten, ein einjähriges Kind aus einem Spandauer Asylbewerberheim entführt und für 12.000 Mark an ein holländisches Paar verkauft zu haben.
Belege für Kinderhandel
Als Beispiel einer Adoption, die - obwohl privat bzw. kommerziell vermittelt - vom Jugendamt gleichwohl ohne jede Beanstandung abgewickelt wurde, sei die Adoption eines Kindes durch Thomas Gottschalk und seiner Frau Thea genannt. Obwohl diese Adoption als Kinderhandel durch die Presse ging, sah sich weder die bayerische Landesregierung noch die Staatsanwaltschaft aufgefordert, die vom Jugendamt Starnberg legalisierte Adoption in irgendeiner Weise zu korrigieren. Dabei war sowohl der Name des Vermittlers als auch der Preis (10.000 Mark), den Gottschalk für die Adresse der Mutter gezahlt hatte, bereits in aller Munde. Der Moderator zu dem Fall befragt: 'Auch dabei hatte ich schon ein schlechtes Gewissen. Ich wußte einfach nicht, an wen ich da geraten war. Für Adoptionen ist das Jugendamt zuständig. Es weiß über alles Bescheid, auch über die 10.000 Mark.' Den Kontakt zur werdenden Mutter nahm Gottschalk übrigens über einen ihm verwandtschaftlich verbundenen Pfarrer auf. Gottschalk übernahm Krankenhauskosten, Pflegekosten, alles nahm seinen legalen Weg. Das die schwangere Frau noch vor der Geburt 30.000 Mark von ihm erhielt, d.h. 10.000 Mark vor und 20.000 Mark nach der Geburt, wurde offenbar als Privatsache des Kaufvaters angesehen. Dies kann auch der Antwort der bayerischen Landesregierung entnommen werden. So weist sie darauf hin, daß Geld Fragen 'rein private Vorgänge der persönlichen Lebensführung' der Familie G. beträfen. Das Landratsamt Starnberg jedenfalls soll zunächst keine Anhaltspunkte über den kommerziellen Hintergrund der Vermittlung gehabt haben. Es erhielt erst mehrere Wochen später Kenntnis davon - wie zu vermuten ist, aus der Boulevardpresse. Dennoch blieb alles so, wie es war. 'Das Adoptionsverfahren, soweit es die Unterbringung des Kindes betrifft, widerspricht im vorliegenden Fall nicht dem Adoptionsvermittlungsgesetz. Die aufnehmenden Adoptiveltern handeln auch bei einer Geldzahlung an einen Adoptionsvermittler nicht ordnungswidrig. Das Adoptionsvermittlungsgesetz in seiner Fassung vom 02.07.76 sah insoweit keine Sanktion für die Adoptionsbewerber vor. Die Neufassung des Adoptionsvermittlungsgesetzes vom 27.11.89 regelt erstmals in § 14a ausdrücklich die Straffreiheit der aufnehmenden Adoptiveltern für den Fall des sogenannten Kinderhandels.' Für die bayerische Landesregierung war die Zahlung von Geld deshalb bedeutungslos. Nach dem Buchstaben des Gesetzes sei es nämlich lediglich Aufgabe des Kreisjugendamtes, 'das Wohl des Kindes im Auge zu behalten und festzustellen, ob sich zwischen ihm und den Adoptionspflegeeltern ein Eltern-Kind-Verhältnis entwickelt. Für beides ist die Höhe früherer Geldleistungen ohne jede Bedeutung.'
Derzeit ermittelt die Münchener Staatsanwaltschaft gegen ein Ehepaar aus München, die im Mai d.J. einen 15 Tage alten argentinischen Säugling gekauft haben. 'Nach den bisher bekannt gewordenen Details hatte das Münchner Ehepaar die 15 Tage alte Tochter einer 22jährigen ledigen Mutter aus der Stadt Goya mit Hilfe bestechlicher Beamter in einem Standesamt und auf dem Flughafen von Buenos Aires außer Landes gebracht. Im Standesamt war das Mädchen auf den Namen der Deutschen registriert worden. In diesem Fall waren die Ermittlungen von den argentinischen Behörden aufgenommen worden. Die Polizei habe die Täter schnell gefaßt, doch sei ihr Einsatz von der Justiz wieder zunichte gemacht worden, da der Richter die Beschuldigten gegen Kaution frei ließ. Insgesamt sollen 24 argentinische Kinder verkauft worden sein, wie viele in die Bundesrepublik gelangten, ist ungewiß. Für den Bundesgrenzschutz ist es nämlich außerordentlich schwierig, Kinderhandel zu erkennen, da die gefälschten Papiere teilweise qualitativ sehr gut sind. Dort schätzt man, daß jedes 2. ausländische Kind illegal in die Bundesrepublik eingeführt wird. Wieviel Geld das Münchner Ehepaar für den Säugling zahlten, ist nicht sicher. Es mögen 50.000 Dollar gewesen sein oder 15.000 Mark, die Angaben stimmen nicht überein. Die Mutter erhielt für ihr Kind 1.000 Dollar. Einer der drei Täter soll seine Geschäfte aus der Bundesrepublik heraus führen. Er soll mehrere Namen führen.
In den folgenden Fällen gibt es lediglich Namen, Orte, Adoptionen, die als Indizien für kommerzielle bzw. Privatadoptionen wie Wegweiser gelesen werden müssen, um Kinderhandel auf die Spur zu kommen. So der Fall von 'Janetta', einem polnischen Kind, das im März 1993 in einer Düsseldorfer Familie aufgenommen wurde. Ihre Mutter, eine alleinerziehende junge Frau, die mit ihren zwei Kindern in einer 1-Zi-Wohnung lebte, nahm den Kontakt zum 'Babyhändler' der seinerseits häufig in der Nähe von schwangeren Frauen, Geburtsstationen und Krippen gesehen wurde - von sich aus auf, da sie ein drittes Kind nicht versorgen zu können glaubte. Die Staatsanwaltschaft von Stary Zamosc, einer südöstlich gelegenen Stadt nahe der Grenze zur Ukraine, spricht in diesem Zusammenhang ganz unverblümt von einer Mafia. Kommerzielle Vermittlungen verstoßen in Kanada - ebenso wie in den USA - nicht gegen geltendes Recht. Auch die Düsseldorfer Adoptiv(pflege)familie bezog Janetta, die seither einen deutschen Namen trägt, über Kanada. Der Adoptionsantrag selbst wurde offenbar noch in Polen gestellt, das Kind jedoch noch vor Abschluß des Verfahrens in die Bundesrepublik gebracht. Wieviel Geld die Kaufeltern für Janetta bezahlt haben, ließ sich nicht in Erfahrung bringen.. Janetta ist jedoch nur eine von vielen, die in den vergangenen Jahren auf illegalen Wegen in die Bundesrepublik gelangten. 12.675 Kinder wurden in den Jahren 1984-1994 allein aus Polen adoptiert. Wir leben doch in einem Land, in dem Armut und Not herrschen. Polen ist ein Markt für weiße Babys.'
Soweit sich die Kinder nicht über kanadische, amerikanische , französische und niederländische Agenturen beschaffen lassen, machen sich die Kaufeltern lieber selbst auf den Weg, um sich 'ihr' Wunschkind - die privateste aller Varianten - persönlich auszusuchen. Es sind die Kinderheime und Empfangshallen der sog. besseren Hotels, die dabei als Marktplätze fungieren. 'Dort wird die 'Handelsware', Säuglinge zumeist, zwischen Dinner und Cocktail zur Begutachtung herumgereicht', beschrieb der Rheinische Merkur zum Beispiel die Szene in dem rumänischen Hotel 'Presidente'. Tatsächlich ersetzt die öffentliche Berichterstattung häufig die im übrigen untersagte Annoncierung von Adoptionsmöglichkeiten, 'wie sich an den mit dem Hinweis auf besonders leichte Beschaffung von Adoptivkindern verbundenen Ansteigen der Nachfragen belegen läßt'. So erfuhr man etwa über die Illustrierte QUICK, daß 'nur zwei Straßen hinter dem protzigen Hotel 'Intercontinental' das Wallfahrtsziel für Babytouristen aus der ganzen Welt' liegt, wo Deutsche, Franzosen und Amerikaner 'sich einen Lebenswunsch erfüllen'. Die namentlich genannte Brigitte Dittmann (41) allerdings 'hat sich ihr Baby am Schwarzen Meer geholt, in der Hafenstadt Konstanza. 2.000 Dollar in bar für Vermittler, Anwalt, Dolmetscher, Gericht und Unterkunft. 500 Dollar und ein paar Lippenstifte für die Mutter. Ledig (19), arbeitslos.'
Mutterwechsel auch zwischen der 46jährigen Traudl Steinert und der 16jährigen Mariana, die ihrem Baby Adrian ein besseres Leben in Deutschland wünscht. So bezahlte auch ein Limburger Ehepaar die 2.000 Mark gerne. Nach elf erfolglosen Versuchen mit künstlicher Befruchtung. Der Anwalt verschaffte ihnen einen vierjährigen Jungen. Der Anwalt könnte Peter Vancea gewesen sein, dessen deutsch-rumänische Gesellschaft nach Auskunft der QUICK in der Bukarester Rosetti-Straße zu finden ist. Der widmete sich speziell dem deutschen Klientel und schnürte Adoptionen gleich im 'Paket': 'Babys, Anwälte, Gerichtstermine, Appartements, Auto mit Fahrer, Dolmetscher. Alles inklusive 4.000 Mark aufwärts.'
'Wrapping The Earth in Family Ties' überschrieb das Magazin TIME seine Titelstory über 'The Global Baby Chace'. Weil es in Zeiten niedriger Geburtenraten schwierig sei, ein Adoptivkind im eigenen Land zu finden, mache man sich eben auf den Weg nach 'overseas'. Auch Lothar Matthäus und seine Ex-Lebensgefährtin Lolita Morena machten sich ohne langes Drumherum auf den Weg, um sich ihr Kind selbst zu suchen. 'Wir möchten ein Mädchen aus Brasilien adoptieren', präzisiert der Fußballstar seine Absichten gegenüber der Hamburger Morgenpost. Sein Mannschaftskollege Jorginho erkundigte sich derweil schon einmal über die 'bürokratischen Hürden', die in Brasilien noch zu überwinden seien. 'Lolita und ich müßten vier Wochen in Brasilien leben, um ein Kind adoptieren zu können', beschreibt der Bayern-Libero die mißliche Lage, 'aber wir werden die Botschaft einschalten'. Mehr als eine Woche Zeit ist nicht drin. Das Paar wolle sich dennoch alles ansehen, 'um festzustellen, was machbar ist'. Das kleine Mädchen wurde als 'ein- bis zweijähriges Schwesterchen für ihren Sohn Loris' kalkuliert. Über den Ausgang des Unternehmens fand ich leider keine Hinweise. Ob die Deutsche Botschaft in Brasilien in diesen und anderen Fällen zu Diensten war, läßt sich aufgrund der vorliegenden Informationen nicht klären. Daß die Deutschen Botschaften de facto Kinderhandel begünstigen, ist jedoch nicht von der Hand zu weisen. So hat sich in der Vergangenheit auch die Deutsche Botschaft in Addis Abeba (Athiopien) immer wieder bemüht gezeigt, dem Klientel aus dem eigenen Land in dieser persönlichen Angelegenheit hilfreich zu sein.
Daß auch Kinder aus der westukrainischen Stadt Lemberg in die BRD verkauft wurden steht ganz außer Zweifel, auch wenn in keinem Fall Bedenken oder Strafanzeige erhoben wurden. Nichts schien in der Ukraine einfacher zu sein, als 'sein' Kind direkt von der Säuglingsstation nach Hause zu holen. 'Die adoptionswillige Ausländerin nimmt das Kleine, bekommt vom Krankenhaus eine gefälschte Geburtsurkunde, geht zu ihrer Botschaft und meldet die glückliche Geburt eines Kindes an. Niemand forscht nach'
Im Hinblick auf den osteuropäischen Markt scheint sich ein Trend zu den amerikanischen Vermittlungsbüros abzuzeichnen, die im allgemeinen als seriös gelten, Lieferungen binnen kürzester Zeit versprechen und ihre Klientel nicht, wie die deutschen Jugendämter und Wohlfahrtsverbände, mit psychologischen Tests und ethischen Bedenken in Selbstzweifel stürzen. Neben dem 'Hawaii International' ist vor allem das 'European Adoption Consultans' mit Sitz in Ohio im Geschäft. Profit darf die Agentur jedoch nicht erwirtschaften, da es als Non-Profit-Organisation anerkannt ist, was als gemeinnützig gilt. Ms. Margaret Cole, die Besitzerin der Agentur, makelt in elf Ländern, darunter auch Rußland, Moldawien, die Ukraine, Usbekistan, Kasachstan und China. 'Über die aktuelle Lage an der heiß umkämpften Adoptionsfront klärt eine telefonische Hotline auf: Rußland wird schwieriger, Rumänien dauert länger als erwartet, China läuft phantastisch, aus Kasachstan und Usbekistan sind Videos unterwegs.' Sechs deutsche Ehepaare hat das 'European Adoption Consultans' bereits bedient. Eines erhielt gegen Zahlung von 8.000 Dollar ein Girlchild aus China. 787 Mädchen exportierte der Ein-Kind-Familien-Staat China im vergangenen Jahr (1994) allein in die Vereinigten Staaten. China ist groß im Kommen, seitdem ein Gesetz in Kraft trat, das die Vermittlung chinesischer Kinder (Mädchen) ins Ausland offeriert. Chinas 'Market in Orphan Girls' floriert. Vor allem das Wuhan Foundling Hospital gilt international als gute Adresse.
Daß immer häufiger auch junge Frauen und Mütter geworben werden, um ihre Kinder möglichst noch vor der Geburt ins gelobte Land bringen, deutet sich an vielen Orten an. Sei es in Ungarn, wo rumänische Frauen ihre Kinder für den freien Markt entbinden, sei es in Griechenland, wo illegal eingereiste Bulgarinnen ihre neugeborenen Kinder zu verkaufen versuchten , sei es in der Bundesrepublik selbst, wo nach einer Studie der Universität Münster ein Schleppernetz existieren soll, 'über das asiatische Frauen via Deutschland in andere europäische Länder geschleust werden. Ansteigend ist die Zahl von Frauen, die mit Kind oder hochschwanger angeworben werden', wobei die Neugeborenen zum Preis von 11.000 Mark als Adoptivkinder 'regelrecht verkauft' werden. Derartige Geburtenvermittlungen sind auch in Berlin, Stuttgart und Hamburg anrüchig geworden. 'Die schwangeren Frauen kommen aus Rußland und Polen, aus Bulgarien und Rumänien. Sie reisen nach Hamburg (Berlin, Stuttgart), um hier ihr Baby zur Welt zu bringen. Kurz nach der Geburt verschwinden sie fluchtartig'. Dabei häufen sich die Fälle, in denen hier lebende Roma-Familien ihre Kinder - über kommerzielle Vermittler - zum Verkauf anbieten. Wie hoch die Dunkelziffer ist, weiß niemand zu sagen. Allerdings ist bekannt, 'daß die 'neuen' Eltern die leibliche Mutter häufig zur Geburt nach Holland begleiten, wo sie eine Geburtsurkunde auf ihren Namen erhalten'. Es kommt jedoch auch vor, daß die Kinder direkt zum Verkauf angeboten werden. So zum Beispiel in Hameln, wo ein rumänisches Ehepaar versucht hatte, ihr zwei Monate altes Kind für 15.000 Mark an eine Familie in Hameln zu verkaufen. Die Mutter des Jungen sowie ein Mittelsmann wurden verhaftet, jedoch schnell wieder freigelassen, 'als sich herausstellte, daß es im Strafgesetzbuch keinen Paragraphen gegen derartigen Menschenhandel gibt'.
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