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Sein Leben:
Hermann Hesse, 7 in Calw geboren, hatte einen Estl nder zum Vater und eine Stuttgarterin zur Mutter, welche aus der Ehe eines Schwaben und einer Westschweizerin entstammte. In der alamannischen Mitte zwischen Gottfied Keller, Heinrich Hans-Jakob, zwischen H lderlein und Mörike lag seine Heimat, bis ihn der Krieg aus dieser geistigen Mitte wegschob.
Nach der Flucht aus dem theologischen Seminar in Maulbronn wurde er zuerst Mechaniker, dann Buchhändler. Seit 4 betätigte er sich als freier Schriftsteller und ver ffentlichte die Geschichte eines verträumten Naturburschen, Peter Camencind' , der von einem Bauern kommend, die Kultur durchl uft, um dann wieder zum Bäuerlichen zur ckzufinden. 5 schrieb er die Erz hlung 'Unterm Rad' . Es ist die Geschichte eines Jungen, der, usserlich heil, innerlich jedoch schwer beschädigt, sich von einer Klosterschule losreisst. Seine Jugenderlebnisse sind in seiner Novelle Diesseits' , niedergeschrieben und Sonderlinge in seiner Erzählung Nachbarn' . Die Geschichte Gertrud' gilt einem Sch chternen, dem der Freund bei der Geliebten zuvorkommt, der aber der Witwe Freund und Weggefährte bleibt. Im Jahre 2 siedelte Hermann Hesse in die Schweiz über. Rosshalde'
ist das Buch einer Ehe, die dem Kinde zum Verh ngnis wird. Seit 9 lebte Hesse in
Montagnola am Luganersee. Ueber die Kindheitsgeschichte Demian' , welche er im selben Jahr schrieb, geht es schliesslich in ein Werk hinein, das immer fremdartiger wird und, wie Der
Steppenwolf' 8 zeigt nur noch zunahm, ohne sich zu ver ndern. Im Jahre 2 schrieb Hesse die bekannten Bücher: 'Siddhartha eine indische Dichtung' , Narziss und Goldmund' , 'Das Glasperlenspiel' 3 und 'Die Gedichte' (Gesamtausgabe - ). Im Jahre 2 wurde Hermann Hesse die Ehrenbürgerschaft von Montagnola erteilt. Dort starb er am . August 2 an Gehirnschlag. Vielleicht diente seine Prosa nur zur Befreiung von inneren Zust nden, damit die Seele sich desto reiner in den lyrischen Versen aussprechen konnte, die Hesse seit den Romantischen Liedern' 9 immer wieder neu gesammelt hat.
Knulp:
Das 5 von ihm ver ffentlichte W erk Knulp' zeigt drei Geschichten aus dem Leben Knulps auf. Die drei, an usseren Begebenheiten armen Erz hlungen, vergegenwärtigen in loser Verkn pfung beispielhafte Situationen, Gespr che und innere Monologe aus dem Leben Knulps.
Die erste Geschichte, Vorfr hling' , stellt den heiteren und unterhaltsamen Menschen' vor, der nach der Entlassung aus dem Spital, in der kalten Jahreszeit seine W anderschaft im Hause eines fr heren Weggenossen unterbricht. Der ungesicherten Existenz Knulps wird hier das häusliche Behagen eines sesshaft gewordenen Freundes gegen bergestellt, dessen Frau sich weit mehr um ihn k mmerte als ihm lieb ist. Knulp hingegen freundet sich mit der Nachbarsmagd Barbara Flick an. Aber auch von ihr nimmt er bald Abschied.
Mit Meine Erinnerungen an Knulp' ist die folgende Geschichte überschrieben. Sie enthält Gespr che
zwischen Knulp und einem Kameraden ber den Sinn des Lebens, der Sesshaftigkeit und der
Wanderschaft, ber Freundschaft und Liebe.
Das Ende' ist der Titel der abschliessenden Geschichte, die von Knulps R ckkehr in die Gegend seiner Heimat berichtet. Der ausgezehrte, dem Tod nahe Vagabund blickt auf die Zeit zur ck, in der noch alles aus mir hätte werden k nnen . Der Jugendfreund und Arzt Dr. Machold, findet ihn und nimmt ihn mit in sein Haus nach Bülach. Hier legt er die Beichte seines Lebens ab: die Entt uschung von der
zwei Jahre lteren Franziska und der schlechte Einfluss von deren Bruder haben ihn aus der Bahn geworfen. Das Böse hat nie Gewalt über ihn gewonnen, hat ihn aber in die Vereinsamung gef hrt, Der Winter r ckt n her, und in fiktiven Gespr chen mit dem 'lieben Gott' beklagt er sich ber die 'Zwecklosigkeit seines Lebens . Aber seine Wanderschaft wird zuletzt von Gott legimitiert: Er habe 'den sesshaften Leuten immer wieder ein wenig Heimweh nach Freiheit mitbringen m ssen . F r Knulp ist am Ende alles wie es sein soll', und im Alter von vierzig Jahren schläft er auf der Landstrasse, nach der Vers hnung mit Gott und in dem heiteren Bewusstsein, dass er überall ein St ck Kindertorheit und Kinderlachen hintragen konnte , im Schnee f r immer ein.
In dieser Geschichte von Hermann Hesse finden wir haupts chlich nur fiktive Figuren, die er in seiner Phantasie zum Leben erweckte. So auch die Hauptgestalt in diesen drei Geschichten Karl Eberhard Knulp, in dem Mark Boulby , in der Ver ffentlichung von 7 in der Cornell University Press, einen Fortläufer des Altmusikmeisters im 'Glasperlenspiel' sieht. Mit der heutigen Zeit verglichen, k nnte man Knulp als einen neumodischen 'Aussteiger' bezeichnen, der nur vor Gott und sich selbst Rechenschaft abzulegen hat. In Zeiten der Not nimmt er jede Arbeit an und gilt als arbeitsamer, unkomplizierter Mensch Das Böse kann ihn nie berw ltigen, treibt ihn aber in eine ausweglose Einsamkeit, und er stirbt in innerlichem Frieden mit sich , mit Gott und der brigen W elt. Auch alle anderen Gestalten, die Knulp auf seiner Wanderschaft begleiten, sind fiktive Figuren Hesses. Jede Person erinnert sich mit Freude an die gemeinsam verbrachte Zeit und nimmt ihn bei jedem Wiedersehen mit Gutmütigkeit zeitweise bei sich auf. Doch kurze Zeit später versp rt Knulp wieder den Drang nach Freiheit und berlässt seine Freunde wieder ihrem Alltag.
In diesen Erzählungen wird das Motiv aus Peter Camencind' wieder aufgegriffen. War Camencind ein Dichter, so ist Knulp ein wandernder Handwerksbursche, der auch dichtet. Seine Ueberlegenheit zeigt sich in der endg ltigen Absage an alle Illusionen, an das Gl ck des Besitzes und b rgerlicher Häuslichkeit. F r ihn gibt es keinen R ckzug in irgendeine patriarchische Idylle, sondern nur das freie Durchgehen auf den eingeschlagenen Weg eines sonderbaren Vagabunden. Das Motiv vom Vagabunden steht in weiteren geistesgeschichtlichen Beziehungen. In dieser Geschichte fassen wir ein interessantes St ck Literaturgeschichte zusammen. Wanderschaft als Sinnbild und Ausdrucksform einer ganz bestimmten Lebensauffassung kennen wir in vielen dichterischen Varianten. Diese Wanderschaft bedeutet vor allem ein Verzichten, ein Loslassen dessen, was der Sesshafte an egoistischem Besitz um sich anh uft. Hesse Vagabund f hrt nicht zu einem respektablen b rgerlich- humanen Ziel, nicht zu einem gl cklichen Ende, wie in Wilhelm Meisters Taugesnichts' . Er ist nur ein armer Handwerksbursche, der nach Abschluss seiner Lehrzeit und der langen Freiheit seiner Wanderjahre als Geselle den Anschluss ans nahr- und sesshafte b rgerliche Dasein nicht recht hat finden k nnen und der nun ins wunderliche bunte Bilderbuch der W elt jahraus jahrein seine ziellose Wanderschaft fortsetzt. Er weilt immer nur gastweise unter den Leuten, aber daf r, dass er Aussenseiter bleibt, erwächst ihm das innige, naive Verstehen der Natur, jener Blick ins Wesentliche, der eigentlich den Dichter ausmacht. Knulp ist ein Volkspoet, das heisst, er hat niemals etwas von seinen Versen und Liedern aufgeschrieben oder gar ver ffentlicht.
Hier tritt noch mehr die eigentliche Unvereinbarkeit von B rgerlichtkeit und K nstlertum zutage, als bei
seinen ber hmten Literaturkollegen. Hermann Hesse hat daran sein Leben lang gelitten. Denn Knulps Wandern versteht sich nicht nur als reales Unterwegssein, sondern ist zugleich Metapher für die Existenz des K nstlers, der in der b rgerlichen Gemeinschaft nicht heimisch werden kann. Mit dieser Antithese schlägt Hesse ein Thema an, das in der ersten H lfte des zwanzigsten Jahrhunderts immer wieder zum Gegenstand literarischer Reflexionen wird und in Hesses Romanen ebenso leitmotivisch wiederkehrt, wie im Werk Thomas Manns. Die Knulp Geschichten behandeln dieses Thema auf einem nicht anspruchsvollerem Niveau. Typische Motive wie Wanderschaft, Einsamkeit, Sehnsucht, Heimat und Ferne werden in verbrauchten Metaphern und konventionellen Wendungen vergegenwärtigt. Dadurch wirkt das Gefühlsleben Knulps ebenso imitiert und bertholt wie seine 'Philosophie , die sich in einer betont naiven Sprache Ausdruck verschafft und die immer wieder in unverbindliche Einfalt ableitet.
Ein weiteres Thema l sst sich aus diesen Geschichten ablesen: die Selbstverwirklichung des Menschen. Erkenne dich selbst' und werde, der du bist' sind Forderungen, die in Hesses Werk h ufig auftreten. Knulp sucht seine Rechtfertigung bei Gott; der bis dahin mit dem Schicksal Hadernde erkennt, was ihm lag und was ihm zu tun oblag.
Mit diesem Werk zeigt sich bereits ein gewandelter Hermann Hesse, der sich aus der romantischen Vertr umtheit, die am liebsten aus seinem idyllischen Vagabundenroman spricht, und aus den lyrischen Selbstbekenntnissen seiner ersten Romane, zu einer energischen Suche nach seiner gestigen Bestimmung fortentwickelt. Er weiss jetzt, dass sich in seinen pers nlichen Spannungen die krisenhafte Situation seiner Zeit niederschlägt, und sucht nach einer objektiven Gestaltung seiner
Erfahrung. Er muss diese Spannung auf sich nehmen und durch sie hindurch sein eigentliches, tieferes Selbst verwirklichen. Der erste Schritt dazu ist wahrhafte Selbsterkenntnis; sie darf auch den Blick auf die dunklen M chte nicht scheuen, welche die die helle Lebensordnug bedrohen.
Hesses Spache ist durch impressionistische Bilder gekennzeichnet, das heisst, er wurde nach der Stilrichtung um die Jahrhundertwende geformt. Diese Stilrichtung der Literatur versucht, Stimmungen, seelische Differenzen, bestimmte Augenblicke zu erfassen. Es ist eine scheinbar leicht hingeworfene Prosaskizze. Sehr wichtig ist hier die stilistische Bedeutung des Rhythmus, das syntaktisch Unverbundene und die feine Abt nung in W ort und Bild. Knulp' ist letzten Endes ein gefällig geschriebenes Werk der Selbstenttäuschung und des R ckzuges in die Tr ume, das W erk eines romantisierenden Infantilismus, ein durch Störung verursachtes k rperliches und geistiges Verharren auf einer kindlichen Entwicklungsstufe; vielleicht ist es nicht allzu unfair, auf die Mundharmonika als zentrales Symbol des Buches hinzuweisen, welche als Zeichen eines freien' Wanderers gilt.
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