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deutsch referate |
Hermann
Hesse
Übersicht
über die Kindheits- und Jugendjahre von Hermann Hesse
1877 |
Hermann
Hesse wird am 2. Juli in Calw geboren. |
1881 |
Umzug der Familie nach Basel, da Hesses Vater dort Lehrer im Missionshaus ist. Dort erwirbt Hesse die Schweizer Staatsangehörigkeit. |
1886 |
Rückkehr nach Calw, Hesse besucht die Lateinschule. |
1890 |
Hesse besucht das Gymnasium in Göppingen zur Vorbereitung auf das Landexamen. Als staatlicher Schüler muss Hesse auf seine Schweizer Bürgerrechte verzichten und wird deshalb württembergischer Staatsbürger. |
1891 |
Hesse besteht im Juli das württembergische Landexamen und wird im September zum Seminarist im evangelisch-theologischen Klosterseminar Maulbronn. |
1892 |
Hesse flieht am 7. März auf Grund schwerer seelischer Konflikte aus dem Kloster, kehrt nach einem Tag wieder zurück, muss aber seine Ausbildung im Mai beenden, da sich seine Krise verschlimmert. Daraufhin wird Hesse in verschiedene Anstalten gebracht. Zuerst in die Anstalt Bad Boll. Dort begeht er einen Selbstmordversuch. Daraufhin muss er in die Anstalt Stetten, in der Nähe von Stuttgart. Zuletzt kommt er in die Knabenanstalt nach Basel. |
1892 |
Im Oktober wird Hesse zum Lehrling in der Buchhandlung Mayer in Esslingen, aber schon nach drei Tagen flieht er vor seiner neuen Aufgabe. Daraufhin beschäftigt ihn sein Vater einige Monate bei sich zu Hause. |
1893 |
Im Oktober wird Hesse zum Lehrling in der Buchhandlung Mayer in Esslingen, aber schon nach drei Tagen flieht er vor seiner neuen Aufgabe. Daraufhin beschäftigt ihn sein Vater einige Monate bei sich zu Hause. |
1894-1895 |
Hesse entschließt sich zu einer Mechanikerlehre, die er im Juni 1894 beginnt und 1895 im September beendet. |
1895- 1898 |
Im Oktober 1895 geht Hesse nach Tübingen und beginnt dort
eine mehrjährige Lehre in der Buchhandlung Heckenhauer. Trotz anstrengender
Arbeit und wenig Freizeit beginnt Hesse mit einem autodidaktischen Studium,
liest sehr viel - vor allem Goethe -und findet immer mehr zu sich selbst. |
Die
Kindheitsjahre
Hermann
Hesse verbringt seine ersten vier Kindheitsjahre (1877-1881) in seiner
Geburtsstadt Calw. Seine ungewöhnlichen Begabungen sowie sein starker Wille und
sein Eigensinn werden schon früh entdeckt. So schreibt seine Mutter Marie Hesse
im Dezember 1879 in ihr Tagebuch: 'Hermännle entwickelt sich sehr rasch, erkennt
alle Bilder sofort, ob sie aus China, Afrika oder Indien, und ist sehr klug und
unterhaltend, aber sein Eigensinn und Trotz ist oft geradezu großartig.'
Als die Familie 1881 nach Basel umzieht, besucht Hermann Hesse auf seinen
eigenen Wunsch die Sonntagsschule im Knabenhaus. Auch dort zeigen sich seine
Begabungen und er wird zum Musterschüler. Seine Eltern jedoch sind von seinem
'großartigen Trotz und Eigensinn' nicht mehr so begeistert und überlegen, was
sie mit dem schwer erziehbaren und intelligenten Jungen anfangen sollen.
'Hermann, der im Knabenhaus fast für ein Tugendmuster gilt, ist zuweilen
kaum zu haben. So demütigend es für uns wäre, ich besinne mich doch ernstlich,
ob wir ihn nicht in eine Anstalt oder in ein fremdes Haus geben sollten. Wir
sind zu nervös, zu schwach für ihn und das ganze Hauswesen nicht genug
diszipliniert und regelmäßig. Gaben hat er scheint's zu allem: er beobachtet
den Mond und die Wolken, phantasiert lang auf dem Harmonium, malt mit Bleistift
und Feder ganz wunderbare Zeichnungen, singt wenn er will ganz ordentlich, und
an Reimen fehlt es ihm nie.'
1886 kehrt die Familie wieder nach Calw zurück. Dort besucht Hesse die
Lateinschule. Auch dort lassen Hesses schulische Leistungen nicht nach
'Hermann Latein Erster, im Griechischen Siebenter. Er ist
ordentlich'
Daraufhin besucht er das Göppinger Gymnasium zur Vorbereitung auf das
Landexamen. Dort gefällt es ihm sehr gut.
So schreibt der Zwölfjährige an seine Schwester Adele:
'Lustig ist es und nett
In Göppingias Hallen
wo des Stadtbaches Wut
Schäumend am Ufer sich bricht.
Da kommt man in einen rechten Eifer. Da schafft man recht gern. Besonders in
der Religion ist Herr Rektor sehr nett. Über ein einziges Wort kann er
stundenlang sprechen. Da lernt man viel'
Der Erfolg seiner Göppinger Schulzeit zeigt sich in dem 1891 bestandenen Landexamen. Hesse darf nun das Maulbronner Klosterseminar besuchen. Doch diese Maulbronner Zeit verläuft für Hesse, der inzwischen vierzehn Jahre alt geworden ist, weniger erfreulich, sondern krisenhaft und verbunden mit Versuchen, vor der Wirklichkeit zu fliehen.
'Unterm
Rad'
1906
schreibt Hermann Hesse den Roman 'Unterm Rad'. Dieses Werk ist
größtenteils autobiographisch und handelt von einer krisenhaften Zeit in seiner
Jugend. Mit diesem Buch versucht Hesse, seine schlimmen Erlebnisse zu
verarbeiten.
Er selbst schreibt viele Jahre später:
'Es war die Zeit, die ich, auch da noch unsicher genug und weit vom
wirklichen Verstehen und Überwundenhaben entfernt, zehn Jahre später in der
Erzählung 'Unterm Rad' zum ersten Mal zu beschwören versucht habe. In der
Geschichte und Gestalt des kleinen Hans Giebenrath, zu dem als sein Mit- und
Gegenspieler sein Freund Heilner gehört, wollte ich die Krise jener
Entwicklungsjahre darstellen und mich von der Erinnerung an sie befreien, und
um bei diesem Versuche das, was mir an Überlegenheit und Reife fehlte, zu
ersetzen, spielte ich ein wenig den Ankläger und Kritiker jener Mächten
gegenüber, denen Giebenrath erliegt und denen einst ich selber beinahe erlegen
wäre: der Schule, der Theologie, der Tradition und Autorität.'
Hermann Hesse versucht schon früh, sich von dem Druck und Zwang, der auf ihn
ausgeübt wird, zu befreien. Er kann und will das Leben nicht annehmen, das für
ihn bestimmt ist. Er kämpft für seine Individualität gegenüber der breiten
Masse, was schließlich zu einer schweren Krise führt, die Hermann Hesse
überwindet, der aber Hans Giebenrath in 'Unterm Rad' erliegt.
Da ich mich ausführlicher mit dieser Jugendkrise
von Hermann Hesse beschäftigt habe, welche in dem Buch 'Unterm Rad'
geschildert wird, habe ich den Inhalt dieses Buches relativ ausführlich
zusammengefasst:
Hans
Giebenrath lebt in einer kleinen Stadt im Schwarzwald. Sein Vater ist
Zwischenhändler und Agent und somit ein 'normaler' Bürger. Sein Sohn
ist jedoch anders. Hans ist ein sehr begabter und intelligenter Junge und gilt
als etwas Besonderes. Deshalb wird er besonders gefördert, denn er soll am
Landexamen teilnehmen und es bestehen, damit er das Maulbronner Klosterseminar
besuchen darf. Da die meisten Kameraden von Hans weniger begabt sind, ist er
der größte Stolz der Stadt und es wird besonders viel von ihm erwartet. Hans bekommt
zusätzlich zum Schulunterricht in vielen Fächern Zusatzunterricht, um
bestmöglich auf das Examen vorbereitet zu werden. Dadurch hat er kaum Freizeit,
keine Freunde und keine Zeit mehr für seine früheren Hobbys. Durch die hohen
Erwartungen, die sein Vater, der Stadtpfarrer und der Rektor in Hans setzen,
ist Hans stark unter Druck gesetzt. Er will niemand enttäuschen, arbeitet
deshalb oft bis spät in die Nacht und leidet ständig unter Kopfschmerzen. Kurz
vor dem Examen wird sich Hans bewusst, wie sehr sich sein Leben verändert hat,
seitdem alle nur 'das Beste' für ihn wollen.
'Er dachte an die Zeit, da er das alles gebaut und geschnitzt und seine
Freude daran gehabt hatte. Es war auch schon zwei Jahre her - eine ganze
Ewigkeit. () Dabei fiel ihm sein Schulfreund August ein. Der hatte ihm
geholfen, das Wasserrad zu bauen und den Hasenstall zu flicken. Nachmittage
lang hatten sie hier gespielt, mit der Schleuder geschossen, den Katzen
nachgestellt, Zelte gebaut und zum Vesper rohe gelbe Rüben gegessen. Dann war
aber die Streberei losgegangen, und August war vor einem Jahr aus der Schule
getreten und
Mechanikerlehrling geworden.'
Nachdem Hans das Examen in Stuttgart bestanden hat, ist er glücklich und
erleichtert, denn damit hätte er nicht gerechnet. Nach diesem großen Erfolg hat
Hans Ferien, in denen er sich erholen kann, und er beginnt wieder zu angeln. Es
macht ihm großen Spaß, bis ihm der Stadtpfarrer vorschlägt, Hans in den Ferien
in Griechisch zu unterrichten, damit er im Seminar in seinen Leistungen nicht
nachlässt. Außerdem bekommt Hans auch noch Mathematik- und Hebräischstunden und
hat von da an ein schlechtes Gewissen, wenn er angeln geht. Er konzentriert
sich jetzt wieder ganz auf seine Leistungen und opfert seine Freizeit den
Vorbereitungen auf das Seminar.
'Die Arbeit stand nun wieder in erfreulichster Blüte, und wenn Hans je und
je doch wieder eine Stunde angelte oder spazieren lief, hatte er ein schlechtes
Gewissen.'
Nach den Ferien - Hans ist froh, dass sie endlich vorbei sind - wird er von
seinem Vater ins Klosterseminar nach Maulbronn begleitet. Dort wohnt er in der
Stube 'Hellas' mit acht weiteren Seminaristen, einer davon ist
Hermann Heilner
', ein Schwarzwälder aus gutem Hause. Man wusste schon am ersten
Tag, er sei ein Dichter und Schöngeist, und es ging die Sage, er habe einen
Aufsatz im Landexamen in Hexametern abgefasst. Er redete viel und lebhaft,
besaß eine schöne Violine und schien sein Wesen an der Oberfläche zu tragen,
das hauptsächlich aus einer jugendlich unreifen Mischung von Sentimentalität
und Leichtsinn bestand. Doch trug er weniger sichtbar auch Tieferes in sich. Er
war an Leib und Seele über sein Alter entwickelt und begann schon versuchsweise
eigene Bahnen zu wandeln.'
Hans befreundet sich mit Hermann Heilner, obwohl die beiden zwei sehr
unterschiedliche Menschen sind.
'Es gab auch ungleiche Paare. Für das ungleichste galten Hermann
Heilner und Hans Giebenrath, der Leichtsinnige und der Gewissenhafte, der
Dichter und der Streber.'
Eines Tages versetzt Hermann Heilner einem Mitschüler einen Tritt. Der
Ephorus wird Zeuge von dieser Tat und bestraft ihn mit einer schweren
Karzerstrafe. Allen Mitschülern wird der Kontakt zu ihm verboten. Hans hat zwar
ein schlechtes Gewissen und macht sich Vorwürfe, Heilner verraten zu haben,
aber er bricht den Kontakt zu ihm ab. Im Winter gibt es ein Unglück: Der
Seminarist Hindinger aus 'Hellas' bricht in einem gefrorenen See ein
und ertrinkt. Alle sind tief betroffen, doch das führt dazu, dass sich Heilner
und Hans wieder vertragen. Hans entschuldigt sich für seine Untreue und der
wegen der Karzerstrafe fast vereinsamende Heilner nimmt die Entschuldigung an.
Beide waren sehr froh darüber.
'Für die beiden aber kamen nun wunderliche Wochen, ohne eigentliche
Erlebnisse, aber voll eines seltsam beglückenden Gefühls der
Zusammengehörigkeit und eines wortlosen, heimlichen Einverständnisses. Es war
etwas anderes als früher.'
Allerdings verschlechtert sich Hans immer mehr in der Schule. Deshalb redet
ihm der Ephorus ins Gewissen und rät ihm seine Freundschaft zu Heilner zu
beenden. Diesmal steht Hans aber zu seinem Freund und verteidigt ihre
Freundschaft vor dem Ephorus. Damit wird aber auch er zu einem ungeliebten
Schüler, der von den Lehrern strenger behandelt wird als früher. Eines Tages
flieht Heilner aus dem Kloster und wird erst nach zwei Tagen von einem
Landjäger zurückgebracht. Daraufhin wird er von der Schule verwiesen. Jetzt ist
Hans alleine und seine Schulleistungen verschlechtern sich kontinuierlich.
'Wie ein Hamster mit aufgespeicherten Vorräten, so erhielt sich Hans mit
seiner früher erworbenen Gelehrsamkeit noch einige Frist am Leben. Dann begann
ein peinliches Darben, durch kurze und kraftlose neue Anläufe unterbrochen,
deren Hoffnungslosigkeit ihn schier selber lächerte'.
Er hat immer wieder starke Kopfschmerzen und ist mit den Nerven am Ende.
Schließlich muss er wegen eines Nervenzusammenbruchs nach Hause entlassen
werden und keiner erwartet, dass er wieder zurückkommen wird.
Nach seiner Heimkehr wird Hans bewusst, dass er schon die letzten zwei Jahre
vor seinem Klosterbesuch keine Freude am Lernen mehr hatte. Jetzt ist er ohne
Hoffnung auf ein schönes Leben und spielt mit dem Gedanken, Selbstmord zu
begehen. Er denkt viel an seine Kindheit zurück, an die er sich in diesen Tagen
besonders gut erinnert und die für ihn fast Wirklichkeit ist.
'Wenn ein Baum entgipfelt wird, treibt er gern in Wurzelnähe neue Sprossen
hervor, und so kehrt oft auch eine Seele, die in der Blüte krank wurde und
verdarb, in die frühlingshafte Zeit der Anfänge und ahnungsvollen Kindheit
zurück, als könnte sie dort neue Hoffnungen entdecken und den abgebrochenen
Lebensfaden aufs neue anknüpfen. Die Wurzelsprossen geilen saftig und eilig
auf, aber es ist ein Scheinleben, und es wird nie wieder ein rechter Baum
daraus.'
Hans sieht in seinem Leben keinen Sinn mehr, gibt den Selbstmordgedanken
aber langsam auf und versinkt in einer tiefen Melancholie. Bei der jährlichen
Mostpresse hat er wieder etwas Freude und verliebt sich in Emma, die er noch zwei
weitere Male besucht. Als Emma abreist, ist Hans sehr traurig und erwacht aus
seinem Liebestraum. Aber es kommt eine neue Aufgabe auf ihn zu. Hans wird
Lehrling in einer Mechanikerwerkstatt. Es ist nicht einfach für ihn, eine Lehre
zu machen, da alle glaubten, dass aus ihm einmal etwas Besseres wird als aus
seinen Kameraden. Und jetzt hat er versagt und wird von seinen Kameraden
ausgelacht.
'So viel Plage, Fleiß und Schweiß, so viel hingegebene kleine Freuden, so
viel Stolz und Ehrgeiz und hoffnungsfrohes Träumen, alles umsonst, alles nur,
damit er jetzt, später als alle Kameraden und von allen ausgelacht, als
kleinster Lehrbub in eine Werkstatt gehen konnte! Was würde Heilner dazu
sagen?'
Doch mit der neuen Arbeit kommt sich Hans nicht mehr ganz so nutzlos vor
und hat wieder mehr Kontakt zu anderen Menschen. August, sein früherer Freund,
der auch Mechanikerlehrling ist, lädt Hans ein, seinen ersten Lohn mit ein Paar
Freunden zu 'versaufen'. Hans betrinkt sich das erste Mal in seinem Leben und
macht sich dann alleine von der Wirtschaft auf den Nachhauseweg. Am nächsten
Morgen wird seine Leiche im Fluss gefunden. Er ist ertrunken.
Hesses
Zeit im Klosterseminar im Vergleich zu seinem Roman 'Unterm Rad'
Zwischen
Hermann Hesse und Hans Giebenrath lassen sich einige Parallelen ziehen. Hermann
Hesse, der Musterschüler, scheint am Anfang seiner Zeit in Maulbronn ein
zufriedener und glücklicher Seminarist zu sein, dem das Lernen Spaß macht und
der sich in seine neue Umgebung gut eingelebt hat. Neben seinen schulischen
Aufgaben beschäftigt er sich zusätzlich mit Schiller.
Im Januar 1892 schreibt er in einem Brief an seine Eltern:
'Mit einem Kameraden habe ich ein kleines , klassisches Museum
gegründet, wir haben gegenwärtig zehn Mitglieder. Wir lesen klassische
Schillerstücke mit verteilten Rollen, deklamieren eigene und andere Gedichte,
versuchen uns in kritischen Vorträgen etc. () Es geht mir in Schule und
Leben ganz ordentlich, hoffentlich auch Euch.'
Doch kurz darauf flieht Hesse unerwartet aus dem Kloster.
Was bringt ihn so weit, dass er es in dem vor kurzem noch so geliebten Kloster
nicht mehr aushielt?
Die Gründe dafür kann man mit den Problemen von Hans Giebenrath und Heilner aus
dem Roman 'Unterm Rad' gut vergleichen: Hans ist ein sehr strebsamer und
intelligenter Junge, dem das Lernen leicht fällt. Aber seine Begabungen werden
von Vater, Stadtpfarrer und Rektor ausgenutzt, die nur 'das Beste' für Hans
wollen. In Wirklichkeit wollen sie aber, dass Hans das erreicht, was sie nicht
erreicht haben. Hans' Vater ist nur ein einfacher Zwischenhändler. Er will,
dass sein Sohn 'etwas Besseres' wird. Doch es war zu viel des Guten. Hans und
auch Hesse erfahren zu viel Druck, religiöse Erwartungen und sind Zwängen
ausgesetzt, die irgendwann nicht mehr ausgehalten werden können. Doch es wird
nicht nur Druck von Fremden ausgeübt, auch Hans Giebenrath selbst ist sehr
streng mit sich und sehr ehrgeizig, was dazu führt, dass er sich keine Pause
gönnt und immer unter den Besten sein möchte. Hesse war schon von früher
Kindheit an ein eigenwilliger Mensch und wollte sich in seine vorbestimmte
Zukunft nicht einfügen.
'Die Sache war so: von meinem dreizehnten Jahr an war mir das eine klar,
dass ich entweder ein Dichter oder gar nichts werden wolle. Zu dieser Klarheit
kam aber allmählich eine andre, peinliche Einsicht. Man konnte Lehrer, Pfarrer,
Arzt, Handwerker, Kaufmann, Postbeamter werden, auch Musiker, auch Maler oder
Architekt, zu allen Berufen der Welt gab es einen Weg, gab es Vorbedingungen,
gab es eine Schule, einen Unterricht für den Anfänger. Bloß für den Dichter gab
es das nicht! Es war erlaubt und galt sogar für eine Ehre, ein Dichter zu sein:
das heißt als Dichter erfolgreich und bekannt zu sein, meistens war man leider
dann schon tot. Ein Dichter zu werden aber, das war unmöglich, es werden zu
wollen war eine Lächerlichkeit und Schande, wie ich sehr bald erfuhr.'
So
scheitert Hesse im Kloster Maulbronn bei dem Versuch, ein Dichter zu werden.
Ahnlich ergeht es Heilner. Er ist auch sehr begabt und manche nennen ihn ein
Genie. Doch für solch außergewöhnlich Begabte gibt es in einer Einrichtung wie
dem Seminar keinen Platz.
'Ein Schulmeister hat lieber einige Esel als ein Genie in seiner
Klasse, und genau betrachtet hat er ja recht, denn seine Aufgabe ist es nicht
extravagante Geister heranzubilden, sondern gute Lateiner, Rechner und
Biedermänner.'
Deshalb flieht Heilner, genau wie Hesse aus dem Seminar. Hans dagegen wird in
der Schule immer schlechter und bekommt schließlich einen Nervenzusammenbruch.
Auch Hesse verschlechtert sich immer mehr in seinen Leistungen und wird nach
einem Nervenzusammenbruch nach Hause entlassen. Hesse vergleicht sich
einerseits mit Heilner, dem Dichter, dem Genie, andererseits aber auch mit dem
strebsamen Hans, den man durch Zwänge um seine Jugend bringt.
'Man erinnere sich: die erste Wandlung war eingetreten in dem Augenblick,
wo mir der Entschluss bewusst wurde, ein Dichter zu werden. Der vorherige
Musterschüler Hesse wurde von da an ein schlechter Schüler, er wurde bestraft,
er wurde hinausgeworfen, er tat nirgends gut, machte sich und seinen Eltern
Sorge um Sorge - alles nur, weil er zwischen der Welt, wie sie nun einmal ist oder
zu sein scheint, und der Stimme seines eigenen Herzen keine Möglichkeit einer
Versöhnung sah.'
Die
Zeit in den Anstalten
Nach
dem misslungenen Klosterbesuch begannen für Hermann Hesse Jahre, in denen er
immer wieder neue Versuche beginnt seinem Leben einen Sinn zu geben, jedoch
immer wieder scheiterte.
'Mit der Flucht aus Maulbronn, die zunächst nicht viel anderes als die
Kurzschlussreaktion eines sensiblen, phantasievollen und leicht erregbaren
jungen Menschen war, begann eine Zeit schwerer seelischer Konflikte, die sich
in Nervenkrisen äußerten, im Grunde aber ein verzweifelter Kampf um
Selbstbehauptung waren, um Verteidigung des eigenen Ichs und des früh bewusst
gewordenen Dichtertums gegenüber den starren religiösen Traditionen der Familie
und gegenüber all den mächtigen und so gesicherten Autoritäten, von denen er
sich umstellt sah.'
Hesse wird in verschiedene Anstalten geschickt, um sein Nervenleiden zu
behandeln, aber es zeigen sich keine Erfolge. Der erste Versuch ist die Anstalt
Bad Boll. Doch auch dort kann sich Hesse nicht von seinen Depressionen
befreien.
Er schreibt in einem Brief an seine Eltern:
'In meinem Kopf ist's so heiß, ich spüre meist so einen unbestimmten,
drückenden Schmerz, besonders in Brust und Stirn, dass ich mich noch nicht
recht hier anschließen konnte.'
Danach wechselt Hesse in die Anstalt Stetten. Er versinkt in eine tiefe
Melancholie und Hoffnungslosigkeit, die sich in einem sehr bewegenden Gedicht
äußert, das der vierzehnjährige Hesse an seinem ersten Tag in der neuen Anstalt
schreibt:
Auch ich hab einst nach dem Glücke gestrebt,
Auch ich bin nicht lächelnd durchs Leben geschwebt,
Doch alles ist lange verflogen,
Verflogen der Traum von Freude und Scherz,
Erfroren, erstarrt das glühende Herz,
Und die kindliche Unschuld betrogen.
Die Kindheit, sie ist so schnell verschäumt
Und der Traum der Liebe so schnell verträumt,
Verklungen die heiteren Lieder,
Und der Glaube, der frohe, hoffende Sinn,
Mit Lenz und Tugend ist lange dahin
Und nimmer kehret er wieder.
Das Leben, es war so hell und so süß
Und die blühende Erde ein Paradies,
Und jetzt ist alles verdorben,
Das Spiel und der Scherz und der Erde Tand
Und der wagende Mut erlosch, entschwand,
O wär ich doch lange gestorben!
Der Sommer ging und der Winter kam
Und im Herzen wohnt mir ein ewiger Gram
Und ein ewiges, schmerzliches Sehnen,
Der Morgen kommt und der Morgen geht
Und am Abend ist alles, alles verweht
Und bleiben mir nur die Tränen.
Hermann Hesse, Stetten, 28. Juni 1892
Diesem Gedicht folgen noch einige dieser Art. Hermann Hesse entwickelt einen
Hass auf seinen Vater. Er gibt ihm die Schuld an seiner Lage. Er möchte in
Briefen nicht mehr 'Lieber Hermann' von ihm genannt werden. Aus der Anstalt
schreibt der depressive und verzweifelte Hesse an seinen Vater:
'Da Sie sich so auffällig opferwillig zeigen, darf ich Sie vielleicht um 7
M oder gleich um den Revolver bitten. Nachdem Sie mich zur Verzweiflung
gebracht, sind sie doch wohl bereit, mich dieser und sich meiner rasch zu
entledigen. Eigentlich hätte ich ja schon im Juni krepieren sollen. () Aus
dem 'lieben Hermann' ist ein anderer geworden, ein Welthasser, eine Waise,
deren 'Eltern' leben'
Er unterschreibt diesen Brief mit ' H. Hesse, Gefangener im Zuchthaus zu
Stetten'. In Stetten begeht Hesse einen Selbstmordversuch, nachdem seine Liebe
zu einer Frau nicht erwidert wird. Auch hier zeigen sich wieder Parallelen
zwischen ihm und seiner Romanfigur Hans Giebenrath. Hans will sich nach seinem
schulischen Versagen im Wald erhängen. Es bleibt jedoch bei dem Vorhaben. Im
Oktober 1892 verlässt Hesse die Anstalt Stetten. Daraufhin verbringt er ein
paar Wochen in der Knabenanstalt in Basel. Im November geht Hesse nach Bad
Cannstatt und besucht dort das Gymnasium. Er beginnt langsam an sich zu
arbeiten.
Hermann
Hesses Lehrjahre
Mit
sechzehn Jahren beginnt Hesse eine Buchhändlerlehre, die er jedoch schon nach
drei Tagen abbricht. Daraufhin holt ihn sein Vater zurück nach Calw, wo er sich
jedoch sehr unwohl fühlt. Hesses Verhältnis zu seinem Vater ist schwer gestört.
Er schreibt ihm einen Brief, in dem er ihn um Geld bittet. Er möchte nun seine
eigenen Träume verwirklichen und nicht das sein, was andere für ihn vorgesehen
haben.
'ich fühlte zu allem, was Ihr aus mir machen wolltet, keine Lust, keine
Kraft, keinen Mut. Wenn ich so ohne jedes Interesse an meiner Arbeit Stunde um
Stunde im Geschäft oder Studium war, ergriff mich der Ekel. () Mit Euren
Plänen, zu denen ich ja gesagt, ist es nichts geworden; darf ich es, ehe ich
ins Irrenhaus gehe oder Gärtner oder Schreiner werde, nicht doch einmal mit
meinen Plänen versuchen.'
Hesse nennt seinem Vater allerdings nicht sein Ziel. Er spricht nicht
davon, dass er sein Glück als Dichter versuchen will. Sein Vater bleibt seinem
Vorhaben gegenüber skeptisch und traut Hesse keinen Erfolg zu. Hesse
entschließt sich dann jedoch, in die Calwer Turmuhrenfabrik als
Mechanikerlehrling einzutreten. In dieser Zeit ergeht es ihm ähnlich, wie es
Hans Giebenrath während seiner Mechanikerlehre ergeht. Hesse fühlt sich nicht
mehr nutzlos. Die Arbeit ist zwar hart und anstrengend, aber sie hilft ihm,
seine Krise zu überwinden. Nach diesem ersten Erfolg seit einiger Zeit
entschließt sich Hesse, eine Buchhändlerlehre zu machen.
1895 geht Hesse nach Tübingen und wird dort vier Jahre lang zum Lehrling in der
Buchhandlung Heckenhauer. Schon allein dieser lange Zeitraum zeigt, wie stark
sich Hesse in der letzten Zeit verändert hat. Er hat sich jetzt zu einem Beruf
entschlossen, den er selbst gewählt hat. Das ist wahrscheinlich der
entscheidende Punkt, warum Hesse diese vier Jahre in Tübingen bleibt und nicht
auch diese Lehre frühzeitig abbricht. Die Lehrjahre waren nicht immer schön und
interessant und eigentlich will Hesse ein Dichter werden, aber er bleibt
vorerst bei seiner Arbeit. Die schweren Jahre der Pubertät und Rebellion sind
überstanden. Hesse ist erwachsener geworden.
'Die Tübinger Jahre bilden eine Zeit strenger Selbsterziehung.'
Hesse selbst schreibt zu dieser Zeit: 'Es muss jeder selber sorgen,
dass er lernt und wird, dass er frei wird und sich das Auge bewahrt fürs Wahre
und Edle.'
Er nutzt nach seiner anstrengenden Arbeit jede freie Minute zum Lesen. Er
betreibt ein autodidaktisches Studium, in dem er sich hauptsächlich mit Goethe
beschäftigt. Es zeigen sich auch erste kleine dichterische Erfolge. Es werden
erste Gedichte von Hesse in Zeitschriften gedruckt. 1898 erscheint seine erste
selbstständige Veröffentlichung 'Romantische Lieder'.
Hermann Hesse schreibt in einem Brief zu seiner nicht einfachen, aber
erfolgreichen Entwicklung folgendes:
' Ich verließ Maulbronn, krank und verdorben durch allzu bunte Lektüre,
ich fühlte mich unverstanden, elend, die Ahnung des Weltschmerzes quälte mich -
nervenkrank musste ich Bad Boll besuchen. Und da begann innen und außen ein
neues Leben. Nach einigen recht glücklichen Wochen musste ich auch Boll
verlassen, ganz krank und trostlos, von Selbstmordgedanken gequält. Es war eine
Liebesgeschichte. Damals geriet ich in die haltlose, revolutionäre, düstere
Stimmung, abwechselnd mit Zeiten der ausgelassensten Lustigkeit, in den
grausten Weltschmerz, ich war in Stetten, in Basel, im Winter jenes Jahres kam
ich nach Cannstatt. Jetzt erst habe ich allmählich wieder Ruhe und Heiterkeit
gefunden, bin geistig gesund geworden - von jener bösen Zeit voll Zorn und Hass
und Selbstmordgedanken will ich nimmer sprechen, () Jetzt ist diese Zeit
vorbei. Immerhin hat sie mein dichterisches Ich ausgebildet; die tollste Sturm-
und Drangzeit ist glücklich überstanden.'
Schlusswort
Die
Beschäftigung mit Hermann Hesses Jugendjahren hat mich fasziniert: Die
Literatur mit den authentischen und spannenden Zeugnissen war interessant zu
lesen. Das ist auch der Grund, warum ich relativ viele dieser Quellen in Form
von Zitaten in meine Hausarbeit aufgenommen habe und Hesse damit selbst viel
aussagen ließ. Besonders Quellen, die von Hesse selbst stammen, wie sei ne
Briefe und Gedichte, bringen seine inneren Kämpfe, sein dichterisches Talent in
jungen Jahren und seine bewegenden Auseinandersetzungen mit seinen Eltern zum
Ausdruck. Besonders in den Briefen wird klar, wie weit die Zeit, in der Hesse
aufwächst, von unserer modernen heutigen Zeit entfernt ist. (Heute würde kein
Kind oder Jugendlicher seine Eltern mehr mit 'Sie' ansprechen!) Trotzdem sind
seine Probleme in gewisser Weise auf heute übertragbar. Viele Jugendliche
finden sich darin wieder.
Peter Härtling schreibt dazu 1977: 'Ich war vierzehn oder fünfzehn, als
ich 'Unterm Rad' las. Hier sprach einer das aus, was mich schier erstickte. Er
tat es nicht in der distanzierten Sprache der besserwisserischen Erwachsenen,
er schien mir vielmehr noch im nachhinein verstrickt, und seine Phantasien
glichen den meinen. So habe ich auch andere Bücher Hesses gelesen. Er war mir
vertrauter als die meisten Schriftsteller, denn ihm habe ich mich wenigstens
einmal, ohne dass ich ihn kannte, anvertrauen können.'
Hesses Schicksal ist aber auch ein hoffnungsvolles Beispiel für all
diejenigen, die denken, dass es nicht mehr weitergeht und dass es keinen Ausweg
mehr gibt. Er kann ein Vorbild sein für alle, die sich in einer ähnlichen Krise
befinden. Außerdem zeigt Hesse, dass man seine eigenen Träume nicht so einfach
aufgeben soll, auch wenn alles dagegen spricht. Mit einem starken Willen und
viel Selbstbewusstsein, aber auch mit viel Talent, ist es Hesse gelungen, sich
durchzusetzen und seinen Traum zu verwirklichen.
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