Prosper Mérimée; CARMEN
In Sevilla begegnet der geachtete
baskische Dragonerkorporal Don Jóse Lizzarrabengoa der stolzen, zügellosen
Zigeunerin Carmen, die in einer Zigarrenfabrik arbeitet. Diese Begegnung wird
für ihn schicksalhaft. Obwohl Carmen ihn davor warnt, ihr seine Liebe
zuzuwenden, verfällt er ihr in unbezähmbarer Leidenschaft. Das Verhängnis nimmt
seinen Anfang: Jóse erhält den dienstlichen Befehl, Carmen wegen der
mutwilligen Verletzung einer anderen Arbeiterin festzunehmen. Er führt diesen
Auftrag zwar aus, läßt sich aber von Carmen überreden, ihr zur Flucht zu
verhelfen, was seine Bestrafung und Degradierung zur Folge hat. Haltlos
geworden, vom Dämon einer Leidenschaft bsesen, die ihn immer wieder in die Nähe
der geliebten Frau treibt, opfert er seine militärische Laufbahn und lebt als
Schmuggler mit Carmens Zigeunern in den Bergen. Nur die Gegenwart der Geliebten
und die Hoffnung auf endgültige Vereinigung ermöglichen ihm, die Qualen eines
von der Gesellschaft Verfemten zu ertragen. Je tiefer Jóse sinkt, um so mehr
wachsen seine Liebe und seine Eifersucht, um so herrischer fordert er von
Carmen, ihm allein zu gehören. Dieser nahezu psychopathische Anspruch auf
ausschließlichen Besitz läßt in Carmen Kälte und Überdruß wachsen. Stolz und
fatalistisch in ein dunkles, vorausgesehenes Schicksal ergeben, daß ihr einen
frühen Tod bestimmt hat, zeigt sie dem Mann, der verurteilt ist sie zu lieben,
ihre Abneigung immer offener. Als sie seine Entschlossenheit spürt, beginnt
sie, ihn spielerisch herauszufordern. Nach dem Zigeunergesetz schon
verheiratet, bevor sie Jóse kennenlernte, lebt sie wieder mit ihrem eben aus
dem Zuchthaus entlassenen Mann zusammen. Jóse ersticht diesen und beschwört
Carmen, mit ihm nach Amerika zu fliehen. Carmen lehnt ab, reizt Jóse weiter,
kokettiert mit dem Picador Lucas und täuscht ein Liebesverhältnis mit ihm vor.
In plötzlich ausbrechender Wut bedroht Jóse sie mit dem Tode. Sie weigert sich,
zu ihm zurückzukehren, nicht, weil sie einen anderen Mann liebt, sondern weil
sie ihre persönliche Ungebundenheit nicht aufgeben will. Carmens von ihr selbst
vorausgesagtes Schicksal erfüllt sich : Jóse tötet sie.
Das Bestreben des Autors, den berichteten
Vorgängen ein Höchstmaß an Distanz zu bewahren, ließ ihn eine Rahmenhandlung
erfinden: er gibt vor, seine Hauptfiguren Carmen und Jóse, während einer
archäologischen Studienreise in Spanien kennengelernt und von dem zum Tode
verurteilten Banditen diesen tragischen Lebensbericht erhalten zu haben.