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Referat Großbritannien - Land, Physische Geographie

geographie referate

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Großbritannien, offiziell United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland (Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland), Inselstaat und konstitutionelle Monarchie im Nordwesten Europas, Mitglied der Europäischen Union und des Commonwealth of Nations. Großbritannien ist die größte der Britischen Inseln. Der Name Großbritannien entstand als Gegenbegriff zu der im Englischen als Little Britain (Kleinbritannien) bezeichneten französischen Region Bretagne. Großbritannien umfasst neben zahlreichen kleineren Inseln, darunter die Isle of Wight, Anglesey, die Scilly- und Orkney-Inseln, die Shetland-Inseln und die Hebriden, die früher eigenständigen Länder England und Schottland sowie das Fürstentum Wales. Nordirland, auch als Ulster bezeichnet, umfasst den nordöstlichen Teil der ansonsten eigenstaatlichen Insel Irland (mit der Republik Irland). Das Vereinigte Königreich grenzt im Süden an den Armelkanal, der es vom europäischen Festland trennt, im Osten an die Nordsee und im Westen an die Irische See und den Atlantischen Ozean. Die einzige Landgrenze des Staatsgebiets ist die Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland. Die Landesfläche Großbritanniens beträgt 242 429 Quadratkilometer. Die Hauptstadt und zugleich größte Stadt ist London.

Die Isle of Man und die Kanalinseln unterstehen direkt der britischen Krone und gehören nicht zum Vereinigten Königreich. Sie verfügen über eigene Parlamente und ein eigenes Rechtswesen. Der britischen Regierung unterstehen sie nur in der Außen- und Verteidigungspolitik. Die verschiedenen abhängigen Gebiete (dependent territories) unterstehen in den Bereichen Landesverteidigung, Außenpolitik, innere Sicherheit und öffentliche Dienste ebenfalls der britischen Regierung, die im Allgemeinen durch einen vom Königshaus ernannten Gouverneur vertreten wird. Zu diesen abhängigen Gebieten gehören Anguilla, die Bermuda-Inseln, das British Antarctic Territory, das British Indian Ocean Territory, die British Virgin Islands (Jungferninseln), die Cayman-Inseln, die Falkland-Inseln, Gibraltar, Hongkong, Montserrat, Sankt Helena und zugehörige Gebiete (Ascension und Tristan da Cunha), Südgeorgien und die Südsandwich-Inseln sowie die Turks- und Caicos-Inseln. Alle diese Gebiete sind selbstverwaltet und haben sich aus verschiedenen politischen und wirtschaftlichen Gründen dafür entschieden, unter britischer Oberhoheit zu verbleiben. Ausnahmen hierzu bilden nur das British Antarctic Territory sowie das British Indian Ocean Territory; die dazu gehörigen Chagos-Archipele, insbesondere Diego Garcia, sind an die USA verpachtet und beherbergen wichtige Stützpunkte der amerikanischen Seestreitmacht. Die Kronkolonie Hongkong wurde 1997 an China zurückgegeben.

Land

Die maximale Flächenausdehnung Großbritanniens beträgt 1 264 Kilometer; der nördlichste Punkt ist Out Stack, vor Unst auf den Shetland-Inseln, der südlichste ist Saint Agnes auf den Scilly-Inseln. Die maximale Breite beträgt 670 Kilometer zwischen Lough Melvin im Südwesten Nordirlands und Lowestoft in Suffolk. Infolge der stark zergliederten Küste ist kein Ort der Inseln weiter als etwa 120 Kilometer vom Meer entfernt.

Gemessen an der Größe des Staatsgebiets ist die Landschaft überaus abwechslungsreich und weist oft scharfe Kontraste auf engstem Raum auf. Diese Vielfalt spiegelt zum Teil das geologische Fundament wider; es reicht von den alten präkambrischen Bergen der schottischen Highlands bis zu den jüngeren, aus dem Quartär stammenden Ablagerungen im Gebiet der Fens in Ostengland. Das gesamte Gebiet Großbritanniens mit Ausnahme des Bereichs südlich der Mündungen von Themse und Severn in England war während der Eiszeiten im Pleistozän von Gletschern überzogen; diese sind auch für die Entstehung der faszinierendsten Landschaften des Landes verantwortlich, einschließlich des englischen Lake District, der Seen Nordirlands, der Täler von Wales und des Großteils der schottischen Landschaft mit ihren Seen. Auch der Einfluss des wirtschaftenden Menschen hat seinen Teil zur Umgestaltung der Landschaft beigetragen. Dies zeigt sich vor allem im Flachland Südenglands, in den Norfolk Broads, in den Fens und in den Mooren Nordschottlands.

Physische Geographie

Gewöhnlich unterteilt man die britische Hauptinsel geographisch in zwei Hauptregionen, das Hochland und das Tiefland; die Trennungslinie verläuft von der Mündung des Flusses Exe in Devon in nordöstlicher Richtung zur Mündung des Flusses Tees. Schottland und Wales liegen im Hochlandbereich, ebenso der Norden, Nordwesten und Südwesten Englands. Schottland ist in drei geographische Räume gegliedert: die Highlands, die gebirgigste Region im Vereinigten Königreich, in der auch dessen höchster Gipfel, der Ben Nevis (1 343 Meter), liegt, ferner das schottische Tiefland (Central Lowlands) und die Southern Uplands. Wales wird hauptsächlich von den Cambrian Mountains eingenommen, in denen der höchste Gipfel in England und Wales, der Mount Snowdon (1 085 Meter), liegt. England besteht aus drei großen Hochlandregionen und den zwei Tieflandgebieten East Anglia und dem Südwesten, zwischen denen sich landwirtschaftlich genutzte, im Allgemeinen fruchtbare Ebenen erstrecken. Das Hochland im Südwesten umfasst Dartmoor, Exmoor (Exmoor Nationalpark) und Bodmin Moor, im Norden liegen die Pennines und im Nordwesten die Cumbrian Mountains des Lake District.

Das Sperrin- und das Antrim-Gebirge im Norden und Nordosten Nordirlands stellen die Fortsetzung der schottischen Highlands dar. Das dazugehörige Massiv der Mourne Mountains, in dem der höchste Gipfel Nordirlands, der Slieve Donard (852 Meter) liegt, grenzt an eine Tieflandregion in der Umgebung des Lough Neagh (396 Quadratkilometer), des größten Süßwassersees im Vereinigten Königreich.

Klima, Böden und Wälder

Das Klima Großbritanniens ist gemessen an der Lage des Landes recht mild. Seine geographische Breite entspricht der Labradors in Kanada; das milde Klima entsteht durch die Meeresnähe, vor allem durch den Einfluss des warmen Golfstromes. Die vorherrschenden Winde aus Südwest, die im Winter einen mildernden Einfluss auf die Temperaturen ausüben und die Tiefdruckgebiete heranführen, beeinflussen das tägliche Wetter der Insel. Die westliche Flanke des Landes ist tendenziell wärmer als der Osten, und der südliche Landesteil ist durch mildere Temperaturen als der Norden gekennzeichnet. Die durchschnittliche Jahrestemperatur liegt bei 6 °C im hohen Norden Schottlands und beträgt etwa 11° C im Südwesten Englands. Im Winter fallen die Temperaturen selten unter -10 °C, die Sommertemperaturen übersteigen selten 32 °C. Die Meereswinde bringen reichlich Feuchtigkeit; die durchschnittliche jährliche Niederschlagsmenge beträgt mehr als 1 000 Millimeter. Regen fällt grundsätzlich das gesamte Jahr hindurch, vor allem in Schottland, Wales und Nordengland. Der Westen des Vereinigten Königreiches ist weitaus niederschlagsreicher als der Osten; die durchschnittliche Niederschlagsmenge variiert zwischen 5 000 Millimetern in den westlichen schottischen Highlands und unter 500 Millimetern in Teilen East Anglias.

Die Böden im Vereinigten Königreich reichen von den dünnen, oft sauren Böden der Highlands bis zu den fruchtbaren Lehmerden East Anglias. Insgesamt sind etwa drei Viertel der Landesfläche des Königreiches für die Landwirtschaft geeignet. Circa 40 Prozent davon eignen sich zum Ackerbau; diese Böden konzentrieren sich vor allem in Ost- und Südmittelengland sowie Ostschottland. Der restliche, größere Teil ist Grasland, das als Weideland genutzt wird. Milchvieh und Schafe werden hauptsächlich in den schottischen Highlands und in den Hügel- und Moorgegenden von Wales, Nordirland und Nord- und Südwestengland gehalten.

Waldbestände bedecken etwa 7 Prozent der Fläche Englands, 15 Prozent in Schottland, 12 Prozent in Wales und 5 Prozent in Nordirland. Seit der Gründung einer Waldkommission (Forestry Commission) 1919 hat sich die Waldfläche verdoppelt. Bei dieser Kommission handelt es sich um ein Regierungsressort, das für den Schutz und die Entwicklung der Waldbestände im Vereinigten Königreich zuständig ist.

Flora und Fauna

Die Pflanzenwelt des Vereinigten Königreiches ist so vielfältig wie seine Landschaften. Jahrhunderte menschlicher Besiedlung haben die Vegetation stark geprägt. Weite Landesteile, mit Ausnahme der Berge und Moorgebiete im Norden und Westen sowie der Sumpfgebiete, waren früher in dichten, von Eichen dominierten Laubwald gehüllt. Heute sind nur noch Reste dieses ursprünglichen Waldes zu sehen, vorwiegend im Süden Großbritanniens.

Etwa ein Viertel des Staatsgebiets, hauptsächlich in Schottland, Südwestengland, Wales und Nordirland, weist Heide- und Moorland auf. Diese Gegenden mögen zwar wild und unberührt erscheinen, wurden aber durch Weidetätigkeit und Brandrodungen geprägt und bilden nun einen natürlichen Lebensraum für Federwild. Zu den Pflanzen dieser Gegenden gehören Heidekraut, Ginster, Torfmoos, Vogelbeere und Blaubeere. Mit der Trockenlegung der großen Sumpfgebiete des Landes, wie den Fens in East Anglia und den Somerset Levels, wurde schon vor über 200 Jahren begonnen. Allmählich wurden sie in Weide- und Ackerland umgewandelt. Kleinere Feuchtgebiete wie die Marschen, Sumpfwiesen und Flussmündungsgebiete entgingen bis 1945 solchen Veränderungen. Seither führte jedoch ein erhöhter Bedarf an Ackerland und Baugebieten auch hier zu umfangreichen Eingriffen.

Rothirsche in den schottischen Highlands und in Exmoor sowie Rehe in den Wäldern Schottlands und Südenglands sind die einzigen wild lebenden Großsäugetiere in Großbritannien. Daneben trifft man in Exmoor, auf den Shetland-Inseln und im New Forest noch auf halbwilde Ponys. Wildschweine und Wölfe waren früher zahlreich, wurden jedoch durch die Jagd restlos ausgerottet. Andere heimische Säugetiere sind Fuchs, Dachs, Otter, Hermelin, Wiesel, Luchs, Marder, Iltis, Baummarder, Eichhörnchen, Igel, Maulwurf, Wanderratte und Feldhase. Einige dieser Tiere sind recht selten geworden oder vom Aussterben bedroht. Luchse findet man nur noch in einigen Teilen Schottlands, Otter noch im Südwesten Englands und das rote Eichhörnchen fast nur auf der Isle of Wight und in Schottland. In den restlichen Gegenden wurde es vom Grauhörnchen verdrängt, einer ursprünglich nicht heimischen Art. Weitere vom Menschen eingeführte Arten sind Kaninchen, Hausratte, Bellhirsch, Wallaby und Nerz.

Die Britischen Inseln bieten zahlreichen Vögeln verschiedenartige Lebensräume und liegen im Zentrum eines Netzes von Vogelzugrouten. Rund 200 Arten sind hier das gesamte Jahr über heimisch, die häufigsten sind Sperling, Amsel, Buchfink und Star, weitere Arten sind Rotkehlchen, Königsfischer, Zaunkönig, Specht, Krähe und die verschiedenen Meisenarten. Schwalbe, Mauersegler und Kuckuck zählen zu den Arten, die man im Sommer auf den Britischen Inseln antreffen kann. In den Flussmündungsgebieten haben viele Entenarten, Gänse und andere Wasservögel ihr Winterquartier.

Die häufigsten Süßwasserfische sind Lachs, Forelle, Plötze, Flussbarsch und Hecht. Zahlreiche Fische fielen jedoch der Wasserverschmutzung zum Opfer; Speisefische kommen vorwiegend von Fischfarmen. Die Hauptfangsorten an Meeresfischen sind Kabeljau, Schellfisch, Seeteufel, Scholle, Makrele, Meerhecht, Weißling und Hering.

Bevölkerung

Die Mehrheit der Bevölkerung Großbritanniens ging aus den vielen Völkern hervor, die die Inseln in den zwei Jahrtausenden bis zur normannischen Eroberung 1066 besetzten und besiedelten, vor allem Kelten, Römer, Angeln, Sachsen, Skandinavier und Normannen. Im Lauf der Jahrhunderte haben sich jedoch auch Menschen vieler anderer Volksgemeinschaften im Königreich niedergelassen, z. B. Juden, Chinesen, Mittel-, Ost- und Südeuropäer sowie, vor allem seit den fünfziger Jahren unseres Jahrhunderts, Einwanderer aus der Karibik und Südasien.

Großbritannien ist unter den größeren Nationen der Welt einer der am stärksten urbanisierten Staaten. Mehr als 90 Prozent der Bevölkerung lebt in Großstädten oder mittleren und kleinen Städten. So konzentrieren sich ungefähr 40 Prozent der Bevölkerung Großbritanniens in den sieben großen städtischen und industriellen Ballungszentren der Insel. Diese erstrecken sich im Umfeld der Städte London, Manchester, Liverpool, Sheffield, Birmingham, Newcastle upon Tyne und Leeds. Alle außer London wuchsen im ersten Jahrhundert der industriellen Revolution zu bedeutenden Zentren der verarbeitenden Industrie, des Bergbaus oder des Handels heran. Die Konzentration von zwei Dritteln der walisischen Bevölkerung in den Tälern im Süden und von drei Vierteln der schottischen Bevölkerung im zentralen schottischen Tiefland rund um Glasgow und Edinburgh hat ähnliche Wurzeln. Die meisten dieser Ballungsräume müssen heute, angesichts des Niedergangs der Industrien, auf denen ihr Wohlstand aufbaute, lernen, mit den veränderten Bedingungen zurechtzukommen. Im 20. Jahrhundert konnte der Süden und vor allem der Südosten Englands seine geschichtlich fundierte Rolle als Kerngebiet des wirtschaftlichen Wohlstands und des Bevölkerungswachstums im Vereinigten Königreich behaupten.

Großbritannien hat etwa 58 Millionen Einwohner. Daraus errechnet sich eine Bevölkerungsdichte von durchschnittlich 240 Einwohnern pro Quadratkilometer. Die Bevölkerung Englands macht 80 Prozent der Gesamtbevölkerung im Königreich aus, zugleich ist England mit einer durchschnittlichen Bevölkerungsdichte von 372 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtesten besiedelte Teil des Gesamtstaates.

Nach den Ergebnissen der regelmäßigen Volkszählungen besteht die britische Bevölkerung zu 80 Prozent aus Engländern; 10 Prozent sind Schotten, 4 Prozent Iren (Nordirland) und 2 Prozent Waliser. Hinzu kommen 1 Prozent Inder und sonstige Einwanderer (3 Prozent). Die Angehörigen der ethnischen Minderheiten leben hauptsächlich in den städtischen und industriellen Ballungszentren Englands, besonders im Südosten und in den Midlands.

Wichtige Städte

Hauptstadt, Regierungssitz und zugleich größte Stadt Großbritanniens ist London (etwa 6,93 Millionen Einwohner, einschließlich der Randbezirke). London ist zugleich die Hauptstadt von England. Die schottische Hauptstadt ist Edinburgh (etwa 442 000 Einwohner), die Hauptstadt von Wales ist Cardiff (etwa 299 000 Einwohner) und von Nordirland Belfast (etwa 297 000 Einwohner). Abgesehen vom schottischen Glasgow (etwa 682 000 Einwohner) liegen alle anderen Großstädte des Königreiches in England, darunter Birmingham (etwa 1,01 Millionen Einwohner) im Herzen des industriellen Ballungszentrums der Midlands, Leeds (725 000 Einwohner), Sheffield (532 000 Einwohner), Manchester (432 000 Einwohner), das sich zum Zentrum der verarbeitenden Industrie und des Bergbaus in Nordengland entwickelte, und schließlich die Hafenstädte Liverpool (477 000 Einwohner) und Bristol (398 000 Einwohner).

Sprache

Die Amtssprache Großbritanniens ist Englisch. Als gesprochene Sprache ist das Englische jedoch keineswegs homogen. Ausgeprägte regionale und lokale Dialekte unterscheiden Sprecher aus verschiedenen Landesteilen des Königreiches, wenn auch die früher vorhandenen, über ein eigenes Vokabular verfügenden Dialektformen des Englischen heute weitgehend abgeschwächt sind. Die keltischen Sprachen der ursprünglichen Bevölkerung werden heute noch in Schottland und vor allem in Wales gesprochen. In jüngster Zeit erlebten sie sogar eine Art Renaissance, die mit dem Wiederaufkommen nationalistischer Tendenzen in beiden Ländern in Verbindung steht. In Wales sprechen etwa 19 Prozent der Einwohner Walisisch, das nach wie vor die Muttersprache der meisten Bewohner des Nordens und Westens von Wales ist. Viele Schulen bieten neben Englisch auch Walisisch als Unterrichtssprache. Auch das Fernsehen bietet ein walisischsprachiges Programm an. Nach jahrzehntelangen Kampagnen der Nationalisten ist das Walisische nun seit 1993 neben Englisch Amtssprache. In Schottland gibt es (vor allem auf den Hebriden) noch rund 80 000 Menschen, die Gälisch sprechen. Siehe auch keltische Sprachen; Englisch; Schottisch; kornische Literatur; Drama; englische Literatur; gälische Literatur; irische Literatur, schottische Literatur; walisische Literatur.

Religion

Die Glaubensfreiheit wird im Vereinigten Königreich durch mehrere zwischen dem 17. und frühen 20. Jahrhundert verabschiedete Gesetze gewährleistet. Seit dem 18. Jahrhundert spielt die Religion in der Politik des Staates kaum noch eine Rolle. Allerdings wurden in Nordirland die politischen und kulturellen Gegensätze zwischen den Nachfahren der ursprünglichen irischen Bevölkerung und der englischen und schottischen Siedler anhand des vordergründigen religiösen Gegensatzes offengelegt. Diese in Wahrheit ausschließlich politisch motivierten Konflikte entladen sich seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts in Gewalttaten und terroristischen Akten von katholischen und protestantischen Terrorgruppen. (siehe Nordirland: Geschichte). Die Nachfahren der englischen und schottischen Einwanderer, welche die Bevölkerungsmehrheit in Nordirland bilden, sind fast ausschließlich protestantisch und befürworten den Verbleib Nordirlands beim Vereinigten Königreich. Die ursprüngliche irische Bevölkerung ist überwiegend katholisch und mehrheitlich für den Anschluss an die Republik Irland.

Im Vereinigten Königreich sind fast alle größeren Religionen der Welt vertreten. Das Christentum stellt die weitaus größte Glaubensgemeinschaft dar. Es gibt zwei Staatskirchen, die anglikanische Kirche (Church of England) und die presbyterianische schottische Staatskirche (Church of Scotland). Rund 57 Prozent der Bevölkerung gehören nach eigener Aussage der anglikanischen Glaubensgemeinschaft an, die vor allem durch die Church of England vertreten wird, zu der jedoch auch die Church of Wales, die Scottish Episcopal Church und die Church of Ireland gehören. 1993 entschied die Jahressynode der anglikanischen Kirche, Frauen für das Priesteramt zuzulassen und beschwor damit für kurze Zeit die Gefahr einer Kirchenspaltung herauf. Da sowohl Gläubige als auch Priester die Entscheidung ablehnten, kam es zu einem Kompromiss, der jedoch nicht verhindern konnte, dass anlässlich der Priesterweihe der ersten Priesterinnen im März 1994 136 anglikanische Geistliche zum Katholizismus konvertierten. Von der Church of Wales wurde die Frauenordination 1994 abgelehnt, von der Church of Scotland hingegen angenommen.

15 Prozent gehören anderen protestantischen Kirchen an (davon 4 Prozent der presbyterianischen Kirche). Rund 13 Prozent der Gesamtbevölkerung im Vereinigten Königreich sind römisch-katholisch und 1 Prozent gehört den Methodisten an. Etwa 3 Prozent der Bevölkerung sind Muslime, daneben gibt es große Hindu-, Sikh- und jüdische Gemeinden. Die jüdische Gemeinde im Vereinigten Königreich zählt 300 000 Mitglieder und ist damit die zweitgrößte Europas. Weiterhin gibt es kleinere Gemeinden des Jainismus, des Zoroastrismus und des Bahaismus. Die am stärksten anwachsenden Glaubensgemeinschaften des Königreiches sind der Islam und das evangelische Christentum. Ein wachsender Prozentsatz der Bevölkerung bekennt sich zu keiner Religion und ist beispielsweise Mitglied in Körperschaften wie der British Humanist Association (Britische humanistische Gemeinschaft) und der National Secular Society (Nationale weltliche Gesellschaft).

Soziales

Medizinische Leistungen nimmt die große Mehrheit der Briten nach wie vor vom staatlichen Gesundheitsdienst (NHS: National Health Service) in Anspruch. Er wurde 1948 gegründet und wird vorwiegend aus allgemeinen Steuermitteln finanziert, wobei der Anteil der Sozialversicherungsbeiträge rund zehn Prozent der Gesamtkosten deckt. Der Gesundheitsdienst bietet vollständige medizinische Betreuung, die meist unentgeltlich oder gegen geringe Gebühren geleistet wird. Einige Personengruppen sind grundsätzlich von Gebühren befreit: Kinder, Frauen während der Schwangerschaft und im ersten Jahr nach der Geburt, Empfänger von Arbeitslosenunterstützung oder anderen staatlichen Hilfen und Menschen mit bestimmten chronischen oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Sie zahlen keine Gebühren für Verschreibungen, Zahnbehandlung und Zahnersatz, Sehtests und Brillen sowie von den lokalen Behörden angebotene Leistungen wie Impfungen. Die Gebühren für die nicht befreiten Leistungsempfänger sind seit den siebziger Jahren beständig angestiegen und entsprechen inzwischen in manchen Fällen den vollen Kosten der medizinischen Behandlung. Krankenhausaufenthalte sind jedoch nach wie vor gebührenfrei. Die meisten allgemeinmedizinischen Arzte im Vereinigten Königreich sind Mitglieder des staatlichen Gesundheitsdienstes, einige haben allerdings daneben auch Privatpatienten; dasselbe gilt für die meisten Apotheker sowie Fachärzte wie Chirurgen und Krankenhausfachärzte, Radiologen und Physiotherapeuten. Die Zahl der Zahnärzte, die im Rahmen des staatlichen Gesundheitsdienstes tätig sind, ist jedoch in den späten achtziger Jahren dramatisch zurückgegangen, was auch auf die Reduzierung der staatlichen Zahlungen an die Zahnärzte des NHS zurückzuführen ist.

Ein 1990 von den Konservativen verabschiedetes Gesetz zum NHS und Gesundheitswesen brachte tief greifende und oft äußerst umstrittene Anderungen in der Verwaltung des NHS und in der Patientenversorgung. Die Gesundheitsbehörden vor Ort wurden zu "Einkäufern" von Gesundheitsdiensten für die Patienten umfunktioniert; sie erhielten staatliche Finanzmittel, um durch Verträge mit Hospitälern und anderen medizinischen Einrichtungen des öffentlichen oder privaten Sektors medizinische Leistungen einkaufen zu können. Krankenhäuser werden direkt bezuschusst, die Höhe der Geldmittel richtet sich nach der Anzahl der behandelten Patienten. Die Krankenhäuser können außerdem beantragen, in selbstverwaltete Treuhandgesellschaften - unabhängig von den lokalen Gesundheitsbehörden, jedoch nach wie vor innerhalb des staatlichen Gesundheitsdienstes - umgewandelt zu werden. Allgemeinärzte, die in größeren Arztpraxen beschäftigt sind, können selbst Empfänger staatlicher Fonds werden; sie erhalten dann ein jährliches Budget direkt von der Gesundheitsbehörde, mit dem sie bestimmte medizinische Leistungen von Krankenhäusern für ihre Patienten erwerben können. Das Ziel dieser Gesundheitsreform war, die Effizienz des Gesundheitswesens durch die Einführung eines freien Wettbewerbs zu erhöhen und die Versorgung und Auswahlmöglichkeiten der Patienten zu verbesssern. Hierzu wurde auch eine Patientencharta erlassen, in der Richtlinien über maximale Wartezeiten für Krankenhausbehandlungen in nicht dringenden Fällen festgelegt sind. Außerdem versuchte die Regierung durch die Reformen, die Patienten verstärkt zum Abschluss privater Krankenversicherungen zu ermuntern. Kritiker sehen jedoch die Gefahr, dass durch die Reform ein Zweiklassengesundheitsdienst entsteht, der Patienten in Praxen mit staatlichem Budget rascher zu einer Behandlung verhilft als Patienten in traditionellen Praxen. Gegen die neu gegründeten Krankenhaus-Treuhandgesellschaften wurde vorgebracht, dass sie nicht ausreichend für ihre Ausgaben und ihre Praxis der Aufnahme von Patienten zur Verantwortung gezogen werden können.

Das nationale Sozialversicherungssystem, das 1948 in vollem Umfang in Kraft trat, umfasst Leistungen im Falle von Arbeitsunfällen, Krankheit und Arbeitslosigkeit, Mutterschaftsgeld, Unterhalt für Kinder in bestimmten Situationen, Beihilfen für Personen, die als Vormund tätig sind, Witwengeld, Renten sowie Beerdigungskosten. Rentenanspruch besteht zurzeit für Männer ab 65 Jahren und Frauen ab 60 Jahren. Eine Angleichung des weiblichen Rentenalters auf 65 Jahre ist jedoch geplant und soll stufenweise ab dem Jahr 2010 umgesetzt werden. Kindergeld wird für alle Kinder bis zum Alter von 16 Jahren bzw. bis zur Beendigung der Schulzeit gezahlt. Das Sozialversicherungssystem leistet Bedürftigen Unterstützung in Form von wöchentlichen Geldzuschüssen und bietet besondere Leistungen für Behinderte. Der Großteil der genannten Leistungen wird zum Teil über wöchentlich entrichtete Pflichtbeiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert und zum Teil aus Mitteln des allgemeinen Steueraufkommens; nahezu alle Leistungen sind einkommensabhängig. Die Ausgaben für das Sozialwesen und den staatlichen Gesundheitsdienst betragen über ein Drittel des gesamten jährlichen Finanzhaushalts der Regierung.

Bildung und Kultur

Im Verlauf seiner Geschichte hat das britische Bildungswesen im Ausland vor allem durch den Ruf der so genannten Public Schools, privater Elitegymnasien mit Internat, ein hohes Ansehen erlangt. Viele dieser Schulen wurden im Mittelalter zunächst als wohltätige Einrichtungen zur Erziehung und Ausbildung der häufig mittellosen Knaben einer Gemeinde gegründet (daher der Name Public Schools, was eigentlich öffentliche Schule bedeutet, obwohl es sich heute durchweg um Privatschulen handelt). Schulen wie das Eton College, die Harrow School und Rugby School entwickelten sich jedoch schließlich zu Institutionen, die gegen Schulgebühren fast nur noch Jungen aus den wohlhabendsten Schichten des Vereinigten Königreiches und des Auslands unterrichteten. Daneben bieten die meisten dieser Schulen jedoch auch Stipendien für begabte Kinder aus sozial schwächer gestellten Familien an.

Tatsächlich besuchen jedoch nur etwa sieben Prozent der Kinder im Vereinigten Königreich eine Privatschule, die große Mehrheit besucht staatliche Schulen. Das staatliche Schulsystem weist in siehe England und Wales die gleiche Grundstruktur auf, verfügt aber in den beiden Ländern über unterschiedliche Entstehungsgeschichten und zeigt den jeweiligen kulturellen Einfluss der beiden Volksgruppen. Auch siehe Nordirland besitzt ein ähnliches staatliches Schulsystem. Das Schulsystem siehe Schottlands hingegen ist deutlich anders strukturiert.

Das britische Schulwesen weist einige Eigenwilligkeiten auf: Auf die freiwillige Vorschule (Nursery School) folgen die Infant (5.-8. Lebensjahr) und die Junior School (8.-12. Lebensjahr). Alternativ existiert die First School (6.-9., manchmal auch bis zum 11. Lebensjahr), die von der Middle School gefolgt wird. In der Sekundarstufe überwiegt die differenzierte Comprehensive School (mit oder ohne Oberstufe bzw. einem dem deutschen Abitur vergleichbaren Abschluss). Die Secondary Modern School entspricht in etwa der deutschen Hauptschule. Daneben gibt es in Schottland und Nordirland noch einige weitere Schultypen mit unterschiedlicher Ausrichtung und Altersstaffelung.

Neben dem mit zahlreichen berühmten Namen verbundenen traditionsreichen Hochschulwesen (Oxford, Cambridge etc.) wurde in den sechziger Jahren mit den Polytechnics ein der deutschen Fachhochschule entsprechender Ausbildungszweig geschaffen. Demgegenüber ist die berufliche Bildung wenig bis überhaupt nicht in allgemein verbindlichen Ausbildungswegen organisiert. Betriebe unterhalten häufig eigene Ausbildungseinrichtungen oder entsenden ihre Mitarbeiter auf private Berufsschulen. Staatliche Initiativen wie das 1983 ins Leben gerufene Youth Training Scheme (YTS), Fortbildungs- und Umschulungsprogramme (Job Training Scheme, JTS) versuchen in neuerer Zeit, die Defizite abzubauen. Einen hohen Stellenwert nimmt vor diesem Hintergrund die Erwachsenenbildung (Further Education) ein, die, zum Teil über Fernunterricht, qualifizierte Abschlüsse vermittelt.

Kunst

Das reiche kulturelle Erbe der Briten und ihr Reichtum an Traditionen locken jedes Jahr mehr als 19 Millionen Besucher aus dem Ausland ins Vereinigte Königreich. Zu den Hauptattraktionen gehören die zahlreichen Theater, Museen, Kunstgalerien und historischen Gebäude, die man in allen Teilen des Königreiches vorfinden kann, aber auch Kunstfestivals sowie der Hofstaat des britischen Königshauses. Die wachsende Tourismusbranche konnte gerade im Bereich der vielen vom wirtschaftlichen Niedergang betroffenen, traditionellen Erwerbstätigkeiten einen neuen Weg weisen; so wurden seit den achtziger Jahren mehr und mehr "lebende" Museen gegründet, in denen die ländliche und industrielle Vergangenheit des Landes anschaulich dargestellt wird. Dieser explosionsartig angewachsene Zweig der Tourismusindustrie trägt im Englischen die Bezeichnung British heritage (etwa: britisches Kulturerbe).

Die größte Konzentration an Theatern, Orchestern und Galerien findet sich in London. So erscheint London oft als die moderne britische Kulturhauptstadt schlechthin. Dabei sollte man jedoch nicht vergessen, dass auch Schottland, Wales und Nordirland sowie die Regionen Englands über ein lebendiges kulturelles Erbe verfügen und heute wie in der Vergangenheit ihren Teil zur Kultur im Vereinigten Königreich beitragen. Auch die Traditionen und Leistungen der verschiedenen ethnischen Minderheiten spiegeln sich in der modernen britischen Gesamtkultur wider, vor allem in den Bereichen Musik und Literatur. Bei Festivals wie dem Notting Hill Carnival im Westen Londons wird dies besonders deutlich.

Die Künste haben in allen Ländern des Vereinigten Königreiches ihre eigene lange Tradition und Geschichte. Unter den frühesten Manifestationen der bildenden Künste im Vereinigten Königreich war die Ornamentenkunst bedeutend. Sie zeigte häufig Einflüsse skandinavischer Holzschnitzereien. Die Malerei beschränkte sich während und nach der Christianisierung des Landes hauptsächlich auf die Illustration von Handschriften. Nordirland hatte zu dieser Zeit Anteil an der Blüte keltisch-christlicher Kunst in Irland. Auch im Bereich der Metallbearbeitung und Bildhauerei fand reges künstlerisches Schaffen statt, von der Bildhauerei zeugen vor allem noch die Steinkreuze aus Northumbria und dem Südwesten Schottlands. Vom 12. bis zum 16. Jahrhundert entstanden die romanischen und gotischen Kathedralen Englands als herausragende Kunstwerke ihrer Zeit. Im 17. und 18. Jahrhundert führten Architekten wie Inigo Jones und Sir Christopher Wren die Renaissance- und Barockarchitektur in England ein.

Die Malerei des Vereinigten Königreiches war wie die Architektur stark von den Entwicklungen auf dem europäischen Festland beeinflusst. So wurden die herausragendsten Gemälde Englands vor dem 18. Jahrhundert von Ausländern geschaffen, wie dem deutschen Maler Hans Holbein dem Jüngeren im 16. und dem flämischen Maler Sir Anthonis van Dyck im 17. Jahrhundert. Im 18. Jahrhundert begann sich allmählich ein eigenständiger britischer Stil in der Malerei herauszubilden, der sich vor allem in den Werken der Porträtmaler William Hogarth, Sir Joshua Reynolds, Thomas Gainsborough und George Romney in England sowie Sir Henry Raeburn in Schottland manifestierte. Gainsborough trug zusammen mit den Malern John Crome aus East Anglia und Richard Wilson aus Wales auch zur Entstehung der Landschaftsmalerei Entscheidendes bei, die ja für die britische Malerei besonders typisch ist. Spezifisch englische Stilrichtungen entstanden im 18. Jahrhundert aber auch im Bereich der Möbel- und Porzellanmanufaktur. Sie fanden ihre gelungensten Darstellungen im jeweiligen künstlerischen Schaffen von Thomas Chippendale, Thomas Sheraton und Josiah Wedgwood. Zur selben Zeit praktizierte Capability Brown einen naturalistischen Stil in der Landschaftsgärtnerei, der als English style berühmt und in ganz Europa nachgeahmt wurde.

Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Schaffensperiode zweier herausragender britischer Landschaftsmaler; John Constable und J. M. W. Turner. 1848 gründeten mehrere Künstler eine Gruppe, die sich den Namen Präraffaeliten gab. Ihre Mitglieder lehnten die inspirationslose britische Malerei des mittleren 19. Jahrhunderts ab und suchten Anregungen in der Kunst des Mittelalters und der frühen Renaissance. Führende Künstler dieser Gruppe waren die Maler William Holman Hunt, Dante Gabriel Rossetti und Sir John Everett Millais. Einflüsse der Kunst des Mittelalters zeigten sich auch im Kunsthandwerk und der Gestaltung von Gebrauchsgegenständen, vor allem im künstlerischen Schaffen von William Morris, dessen Textilien mit ihren Mustern nach wie vor beliebt sind. Das von Morris gegründete Arts and Crafts Movement (1861) war die wichtigste Inspirationsquelle des Jugendstils, der um die Jahrhundertwende aktuell war. In Schottland waren führende Vertreter des Jugendstils in der Glasgower Schule zusammengeschlossen, darunter die Architekten und Designer Arthur H. Mackmurdo und Charles Rennie Mackintosh. Das von Mackintosh entworfene Gebäude der Glasgow School of Art ist eines der bekanntesten Beispiele dieses Stils.

Kennzeichnend für die Kunst im 20. Jahrhundert ist die Abkehr vom Naturalismus und Hinwendung zur Abstraktion, die zunehmende internationale Bedeutung britischer Kunst und die Wiederentdeckung der Bildhauerei und Skulptur. Jacob Epstein, Barbara Hepworth, Henry Moore sowie in jüngerer Zeit Elisabeth Frink zählen zu den britischen Bildhauern, die international berühmt wurden. Britische Maler, die vor dem 2. Weltkrieg Bedeutung erlangten, waren vor allem Paul Nash, Sir Stanley Spencer und Graham Sutherland. Seit 1945 konnten beispielsweise Ben Nicholson, Victor Pasmore, Francis Bacon, David Hockney und Lucian Freud auf sich aufmerksam machen.

Weitere Informationen zu Kunstgeschichte und Architektur im Vereinigten Königreich siehe angelsächsische Kunst und Architektur; keltische Kunst; Kirche (Gebäude); elisabethanischer Stil; Georgian Style; gotische Kunst und Architektur; Neoklassizismus; Hepplewhite-Stil; Jacobean Style; normannische Architektur; Queen-Anne-Stil; Präraffaeliten; Regency; romanischer Stil; St.-Ives-Schule; Tudorstil; viktorianischer Stil.

Die Entwicklung der darstellenden Künste im Vereinigten Königreich war in der Neuzeit hauptsächlich von den Beiträgen Englands geprägt. Während der Regierungszeit Elisabeths I. entstanden die ersten öffentlichen Theater, die ein Sprachrohr für Dramenautoren wie William Shakespeare und Christopher Marlowe schufen. Das Londoner Globe Theatre, in dem auch Stücke von Ben Jonson aufgeführt wurden, war eine der ersten kommerziellen Bühnen im Vereinigten Königreich. Es wurde zwar im 17. Jahrhundert vollkommen zerstört, wird aber derzeit am Südufer der Themse, dem Originalstandort, als exakte Nachbildung wieder aufgebaut. Im 16. Jahrhundert tat sich auch eine Gruppe von Komponisten, vor allem John Taverner, Thomas Tallis und William Byrd, hervor; sie schrieben unvergessliche sakrale Musik und begründeten die Chormusik, die innerhalb der englischen Musik seither über eine ausgeprägte Tradition verfügt. Auch die weltliche Musik erlebte zu dieser Zeit eine Blüte. Hier ist erneut William Byrd sowie die Komponisten John Dowland, Thomas Morley und Orlando Gibbons zu nennen.

Die Restaurationsepoche in England ab 1660 brachte neue Entwicklungen im Bereich des Theaters, die sich bis ins 18. Jahrhundert hinein fortsetzten. Die aus Irland stammenden Dramatiker George Farquhar, Oliver Goldsmith und Richard Brinsley Sheridan schrieben geistreich-witzige, oft von beißendem Humor durchzogene Gesellschaftskomödien, die zum Inbegriff des Restoration Drama wurden. Der führende englische Dramatiker dieser Epoche war William Congreve. Im späten 17. Jahrhundert entstanden die ersten Opern im Vereinigten Königreich, deren gelungenste, Dido and Aeneas, von Henry Purcell stammt, dem einzigen bedeutenden britischen Komponisten jener Zeit. Der aus Deutschland stammende Komponist Georg Friedrich Händel ließ sich 1712 in London nieder und beherrschte mit seinen Opern und Oratorien die Musikszene des 18. Jahrhunderts.

Im 19. Jahrhundert entstanden nennenswerte Leistungen in den Bereichen Theater und Musik erst nach 1870: Im damaligen Victoria-Theater wurde die Sittenkomödie nach Vorlagen von Sir Arthur Wing Pinero und Oscar Wilde zu neuem Leben erweckt, und Sir Arthur Sullivan und Sir William Gilbert produzierten unvergessliche komische Opern. Zu Beginn unseres Jahrhunderts entstanden auch zwei spezifisch britische Formen des Boulevardtheaters, die Music Hall und die Pantomime. Die Music Hall war ein Varieté mit komischen Einlagen, artistischen Nummern und häufig anzüglichen Liedern. Sie starb nach dem 2. Weltkrieg aus, ihr Einfluss ist aber nach wie vor in der Pantomime und in manchen gegenwärtigen Formen der britischen Komödie spürbar. Die Pantomime geht ursprünglich auf die italienische Commedia dell'arte zurück, mit der sie jedoch inzwischen nichts mehr gemeinsam hat. Sie wird eigentlich nur in der Weihnachtszeit aufgeführt und ist eine Darstellung von Märchenstoffen mit den Mitteln von Lied, Tanz und Slapstick, mit aufwendiger Kostümierung und unter Einbeziehung des Publikums. Für viele britische Kinder ist die Pantomime der erste Kontakt mit dem Theater.

Die berühmtesten britischen Komponisten um die Jahrhundertwende waren Sir Edward Elgar und Frederick Delius, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts traten Ralph Vaughan Williams und Sir William Walton hervor. Nach 1945 bekannt gewordene britische Komponisten sind u. a. Sir Peter Maxwell Davies, Richard Rodney Bennett und Sir Harrison Birtwistle. Im 20. Jahrhundert erlebte auch die Oper im Vereinigten Königreich im künstlerischen Schaffen von Sir Michael Tippett und Benjamin Britten eine neue Blüte. Im späteren 20. Jahrhundert war das Vereinigte Königreich auch ein Nährboden der Pop- und Rockmusik, beginnend mit den Beatles und den Rolling Stones in den sechziger Jahren. Das musikalische Werk Sir Andrew Lloyd Webbers machte das Musical in den ausgehenden achtziger und frühen neunziger Jahren zur beliebtesten Form des Musiktheaters im Vereinigten Königreich.

Auch das Interesse an klassischer Musik, Oper und Tanz hat seit 1980 merklich zugenommen. Das Vereinigte Königreich unterhält zahlreiche professionelle Orchester. Führend sind das London Philharmonic, das London Symphony, das Royal Liverpool Philharmonic, das Hallé in Manchester, das City of Birmingham Symphony sowie das Ulster und das Royal Scottish Orchestra. Berühmte Kammerorchester sind das English Chamber Orchestra, die Academy of Saint Martin-in-the-Fields und die Bournemouth Sinfonietta. Der britische Fernsehsender British Broadcasting Corporation (BBC) unterhält sechs Orchester und ist Sponsor eines äußerst populären, jährlich stattfindenden Musikereignisses, der Promenade Concerts in der Royal Albert Hall. Neben dem Ensemble des Royal Opera House mit Sitz in Covent Garden in London hat jedes Land des Vereinigten Königreiches ein nationales Opernensemble, das vorwiegend auf Englisch singt. Die in Leeds angesiedelte Opera North gibt Gastspiele im Norden Englands. Jeden Sommer findet in Glyndebourne (East Sussex) ein Opernfestival statt, an dem internationale Stars teilnehmen. In der Sommersaison 1994 wurde ein für 33 Millionen Pfund Sterling erbautes Auditorium eröffnet.

Das Royal Ballet, das Birmingham (früher Sadler's Wells) Royal Ballet, das English National Ballet und das Northern Ballet Theatre zählen zu den führenden Tanztheatern der Welt. Das Ballet Rambert ist die erste Truppe des Vereinigten Königreiches im modernen Tanz. Weitere renommierte Ensembles sind Diversions mit Sitz in Cardiff, Adzido Pan African Dance Ensemble und Shobana Jeyasingh Dance Company.

Das Theater der frühen zwanziger Jahre wurde vom Revuetheater sowie den Komödien Sir Noël Cowards beherrscht. Seit dem 2. Weltkrieg zeigt sich im britischen Theater eine Tendenz zum Sozialrealismus, die erstmals in den Stücken John Osbornes zum Ausdruck kam. Aber auch die Tradition der witzig-geistreichen Verwechslungskomödie fand im Werk Alan Ayckbourns ihre Fortsetzung. Weitere namhafte Dramatiker der Nachkriegszeit sind Harold Pinter, Arnold Wesker, John Arden, Tom Stoppard, Peter Shaffer und Caryl Churchill. Das literarische Schaffen dieser Dramatiker hat in Verbindung mit den darstellerischen Leistungen berühmter britischer Bühnenschauspieler wie etwa Lord Olivier, Sir Alec Guinness, Sir John Gielgud, Dame Sybil Thorndike, Dame Judi Dench, Dame Maggie Smith, Sir Ian McKellen, Kenneth Branagh, Vanessa Redgrave und Emma Thompson dazu beigetragen, das Vereinigte Königreich seit 1945 zu einem der weltweit interessantesten Theaterschauplätze zu machen. Gegenwärtig gibt es über 300 professionelle Theater im Vereinigten Königreich, davon allein 100 in London und hiervon wiederum fast die Hälfte im Stadtteil West End. Des Weiteren gibt es 300 professionelle Theatergruppen, manche mit festen Aufführungsstätten, andere vorwiegend als Wandertruppen aktiv. Die bekanntesten Schauspielhäuser des Landes sind das Royal National Theatre, Royal Court und Old Vic in London; das Crucible Theatre in Sheffield; das Bristol Old Vic Theatre; das Nottingham Playhouse; das Citizen's Theatre in Glasgow; das Royal Exchange in Manchester; und das Festival Theatre in Chichester. Die Royal Shakespeare Company tritt im Barbican Arts Centre in London und im Royal Shakespeare Theatre in Stratford-upon-Avon auf.

Im Vereinigten Königreich finden jährlich rund 650 Kunstfestivals statt, die über vier Millionen Besucher anlocken. Neben dem Edinburgh Festival und dem Mayfest finden auch in Belfast, Brighton, Buxton, Chichester, Harrogate, Llangollen, Malvern, Pitlochry, Salisbury und York Festivals der Künste statt. Speziell im Bereich der Musik sind das Three Choirs Festival, das Cheltenham Festival und das Aldeburgh Festival zu nennen, letzteres wurde von Benjamin Britten und dem englischen Tenor Sir Peter Pears ins Leben gerufen. Viele Städte richten darüber hinaus ihre eigenen Festivals mit Darbietungen von Amateurkünstlern aus.

Siehe auch Kirchenmusik; frühe Musik.

Medien

Die Rechte zur Ausstrahlung von Fernseh- und Radioprogrammen liegen bei der britischen Fernsehgesellschaft BBC (British Broadcasting Corporation), der unabhängigen Fernsehbehörde ITC (Independent Television Commission) und der Rundfunkbehörde (Radio Authority), allesamt öffentlich-rechtliche Einrichtungen. Insgesamt besitzt das Vereinigte Königreich vier Erdsendestationen und knapp 200 Radiostationen. Außerdem gibt es eine Reihe von Satellitenfernsehsendern mit Sitz im Vereinigten Königreich sowie eine wachsende Zahl von Kabelfernsehgesellschaften.

Die BBC wurde 1922 gegründet und wird auf der Grundlage einer königlichen Charta geführt. Sie betreibt zwei landesweite Fernsehprogramme sowie fünf nationale und rund 38 lokale Radiosender. Finanziert wird sie vorwiegend über Lizenzgebühren und zusätzliche Einkünfte aus Gewerbetätigkeiten. Die BBC unterhält außerdem eine Vielfalt an Sendediensten im Ausland. Der World Service, 1932 als Sender für das Empire gegründet und von der öffentlichen Hand finanziert, bietet Programme in mehr als 38 Sprachen an und wird von einem Publikum von schätzungsweise 120 Millionen Menschen empfangen. 1991 gründete die BBC mit der World Service Television ein Tochterunternehmen für den Betrieb des Satellitenfernsehens. Die königliche Charta der BBC wird in regelmäßigen Abständen erneuert, wobei meist intensive Gespräche zwischen der Gesellschaft und der Regierung über Fragen der Finanzierung und andere Themen vorausgehen. Die gegenwärtige Charta enthält auch die Empfehlung, die BBC noch mindestens bis zum Jahr 2001 primär über Lizenzgebühren zu finanzieren und in der Zwischenzeit nach Bedarf die Möglichkeiten einer ganzen oder teilweisen Pivatisierung genauer zu untersuchen.

Die ersten regelmäßigen, unabhängigen Fernsehprogramme wurden 1955 in London unter der Aufsicht einer unabhängigen Fernsehbehörde (Independent Television Authority, ITA) ausgestrahlt. 1972 erhielten die ersten unabhängigen Radiostationen ihre Sendeerlaubnis, und die ITA wurde durch die Independent Broadcasting Authority (IBA) ersetzt, die nun sowohl den Fernseh- als auch den Radiobetrieb überwachte. Heute werden das vierte und fünfte Programm des nationalen Fernsehens von unabhängigen Sendern ausgestrahlt; das dritte Programm (ITV) wird von 15 regionalen Fernsehsendern und einem Frühstücksfernsehsender gestaltet; das vierte Programm, Channel  das 1984 gestartet wurde, hat die Ausstrahlung von Sendungen für diverse Minderheitengruppen zur Aufgabe. In Wales sendet über diesen Programmkanal ein walisischsprachiger Anbieter, SC4. Er wird größtenteils mit öffentlichen Mitteln finanziert, darüber hinaus finanziert sich jedoch Channel  wie auch die Sender des dritten Programmkanals, über Werbung und andere Geschäftstätigkeiten. Weiterhin gibt es im Vereinigten Königreich rund 150 unabhängige lokale Radiostationen und viele weitere sind in Planung. Während der neunziger Jahre nahmen die ersten drei unabhängigen landesweiten Radiosender den Betrieb auf; Classic FM (1991), Virgin 1215 (1993) und Talk Radio UK (1995).

Das Radio- und Fernsehgesetz von 1990 brachte die Regelungen im Privatfernsehen und privaten Rundfunk auf einen neuen Stand, der den jüngsten Entwicklungen in diesem Bereich, wie Satelliten- und Kabelfernsehen, Rechnung trug. 1991 wurde die Behörde IBA durch die Independent Television Commission (ITC) und die Radio Authority ersetzt. Gleichzeitig wurde die Cable Authority, die Aufsichtsbehörde für das Kabelfernsehen, in die zwei neuen Körperschaften eingegliedert. Die ITC ist für die Vergabe von Senderechten und andere Regelungen der Programmkanäle eins und zwei verantwortlich, Senderechte für den Kanal drei werden auf der Basis des freien Wettbewerbs vergeben. Die Behörde ist auch für den geplanten fünften Programmkanal zuständig sowie für Kabeldienste, private Teletextanbieter und Satellitendienste im Vereinigten Königreich. Der Rundfunkbehörde obliegen entsprechende Aufgaben im Bereich des Radiobetriebs.

Im Vereinigten Königreich werden rund 124 Tages- und Sonntagszeitungen herausgegeben, davon 11 Tages- und 9 Sonntagszeitungen landesweit, sowie über 1 300 Wochenzeitungen. Die landesweiten Zeitungen wurden früher allesamt in der Fleet Street im Herzen Londons gedruckt, die dadurch zum Inbegriff der Zeitungsindustrie wurde. Inzwischen wurden alle Verlags- und Druckeinrichtungen in andere Gegenden Londons oder aber ganz aus der Hauptstadt weg verlegt. Die Besitzrechte für die Landespresse sind hochgradig konzentriert. Drei Verlagsgruppen, nämlich News International, im Besitz von Rupert Murdoch, die Mirror-Gruppe und United Newspaper besitzen zusammen 13 Zeitungen. Die Presselandschaft wird häufig in drei Marktkategorien unterteilt; die seriösen oder "Qualitäts"-Zeitungen, ein qualitätsmäßiges Mittelfeld und die Massenpresse. Zu den seriösen Zeitungen, sie werden im Englischen auch als broadsheets, "Großformatige", bezeichnet, da sie auf großformatigem Papier gedruckt werden, zählen die ältesten und angesehensten britischen Zeitungen, wie die Times (gegründet 1785), der Guardian (1821), der Daily Telegraph (1855), die Financial Times (1888), der Independent (1986) und der Observer (1791), letztere eine Sonntagszeitung. Zur zweiten und dritten Gruppe der Massenpresse gehören die Sun (1964), der Daily Mirror (1903) und der Daily Star (1978). Sie werden im Englischen auch als tabloids bezeichnet, was auf ihr kleineres Papierformat anspielt. Typisch für die Massenblätter sind Sensationsstorys und umfangreiches Bildmaterial. Infolge ihrer hohen Auflage sind sie sehr einflussreich.

Darüber hinaus werden im Vereinigten Königreich fast 7 000 monatlich oder wöchentlich erscheinende Zeitschriften veröffentlicht. Zu den renommiertesten gehören New Scientist, New Statesman and Society, der Spectator, der Economist und das Times Literary Supplement. Das Vereinigte Königreich besitzt außerdem zahlreiche berühmte Buchverlage.

Politik und Verwaltung

Das Vereinigte Königreich ist eine parlamentarische Monarchie. Sie gründet auf einer ungeschriebenen, d. h. nicht in Form eines einzigen Dokuments niedergelegten Verfassung, die sich im Verlauf von Jahrhunderten entwickelte und auf geschriebenes Gesetzesrecht (Statute Law), Gewohnheitsrecht (Common Law: beruht auf juristischen Präzedenzfällen) und Konventionen zurückgreift. Die Verfassung kann durch ein Parlamentsgesetz, durch eine allgemeine Übereinkunft und durch richterliche Entscheidungen verändert werden, wodurch sie den sich wandelnden politischen Gegebenheiten angepasst werden kann (siehe englische Verfassung). Die Grundprinzipien der Verfassung und Verfassungspraxis finden in den Regierungseinrichtungen ihren Ausdruck, die sich zwar in ihren Funktionen berühren, jedoch grundsätzlich eigenständige Institutionen bilden. Diese Einrichtungen sind die Krone, die Regierung und das Kabinett, der Privy Council (Geheimer Rat) und das Parlament. Siehe Parliament, Houses of.

Die Monarchie

Der Monarch des Vereinigten Königreiches ist das Staatsoberhaupt und damit dem Gesetz nach Oberhaupt der Exekutive, wichtiges Element der Legislative, Oberhaupt der Judikative, Oberbefehlshaber der königlichen Truppen und Oberhaupt der anglikanischen Staatskirche (Church of England). Darüber hinaus ist er Oberhaupt des Commonwealth of Nations und Staatsoberhaupt der 15 Commonwealth-Staaten. Das Amt des Monarchen ist erblich; es geht an die Söhne des Königshauses in der Reihenfolge ihrer Geburt über oder an die Töchter, sofern keine Söhne vorhanden sind. Der Act of Settlement, ein Erbfolgegesetz aus dem Jahr 1700, legte fest, dass nur protestantische Nachfahren von Prinzessin Sophia, Kurfürstin von Hannover und Enkelin von König Jakob I. von England und VI. von Schottland, die Thronfolge antreten dürfen. Die gegenwärtige Monarchin Königin Elisabeth II. bestieg den Thron am 6. Februar 1952, nach dem Tod ihres Vaters König Georg VI. Thronerbe ist ihr ältester Sohn Charles, Prinz von Wales.

Die Monarchie ist die älteste der Regierungsinstitutionen des Vereinigten Königreiches. Sie geht auf den sächsischen König Egbert zurück, der 829 England unter seiner Herrschaft vereinte. Die ehemals uneingeschränkte Macht des Königs wurde jedoch nach und nach beschnitten. Heute handelt der Monarch auf die Empfehlungen seiner Minister hin, die nach verfassungsmäßigem Recht nicht übergangen werden können. In der Praxis bedeutet dies, dass das Vereinigte Königreich heute von der Regierung ihrer Majestät im Namen der Königin und mit Zustimmung des Parlaments regiert wird. Innerhalb dieses Rahmens kommen dem Monarchen spezifische Funktionen zu, die als elementare Bestandteile der verfassungsmäßigen Regierung des Vereinigten Königreiches zu betrachten sind. Daher existieren auch für den Fall, dass der Monarch sein Amt nicht mehr ausüben kann oder noch minderjährig ist, gesetzlich festgelegte Bestimmungen zur Ernennung eines Regenten. Zu den spezifischen Funktionen des Monarchen gehören die Einberufung, Vertagung und Auflösung des Parlaments und die Zustimmung zu Gesetzesvorlagen, die in beiden Kammern des Parlaments verabschiedet wurden. Ohne diese königliche Zustimmung kann kein Gesetz in Kraft treten. Der Monarch ist auch für die offizielle Ernennung des Premierministers und der Regierungsminister zuständig sowie für die Ernennung von Richtern, Offizieren der Streitkräfte, Gouverneuren, Diplomaten, Bischöfen und Erzbischöfen sowie anderen höheren Geistlichen der anglikanischen Staatskirche. Der Monarch verleiht Ehrentitel und Auszeichnungen, hat als Staatsoberhaupt das alleinige Recht, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, ausländische Staaten anzuerkennen und Verträge abzuschließen. Im Rahmen des Regierungsalltags kommt dem Monarchen das Recht zu, zu allen die Nation betreffenden Fragen konsultiert zu werden, wobei er zu absoluter Unparteilichkeit verpflichtet ist. Die Königin sitzt Treffen des Privy Councils (siehe unten) vor, empfängt regelmäßig den Premierminister, erhält Berichte über Kabinettsentscheidungen und unterzeichnet Staatspapiere.

Exekutive

Die Exekutivgewalt der Staatsmacht liegt zwar im Vereinigten Königreich formal beim Monarchen, wird jedoch in der Praxis durch die Regierung ausgeübt. Die Regierung umfasst die Gesamtheit der Minister, an deren Spitze der Premierminister steht. Sie benötigt für ihre Amtsausübung die Unterstützung der Mehrheit der Parlamentsmitglieder, also der Abgeordneten im Unterhaus oder House of Commons. De facto bedeutet dies, dass die Regierung von der stärksten Partei im Unterhaus gebildet und der Premierminister vom Parteiführer derselben gestellt wird. Allerdings wurden in jüngerer Zeit, vor allem während der zwei Weltkriege, die Regierungen häufig durch Koalitionen größerer Parteien gebildet, oder es kam zu einer Minderheitsregierung (ohne Mehrheit im Unterhaus), wie beispielsweise 1974 und 1979, als die Labour Party ohne eigene Parlamentsmehrheit an der Regierung bleiben konnte, da die Liberale Partei bei Abstimmungen im Allgemeinen Labour unterstützte.

Das Amt des Premierministers bildete sich im 18. Jahrhundert unter der Regierung Robert Walpoles, wurde aber erst 1905 in der Verfassung verankert. Der Premierminister, er wird vom Monarchen ernannt, wählt seine Minister in der Regel aus dem Unterhaus, sie können jedoch auch der zweiten Kammer des Parlaments, dem Oberhaus oder House of Lords, angehören. Im 20. Jahrhundert ist es üblich geworden, dass der Premierminister immer ein Mitglied des Unterhauses ist. Traditionsgemäß trägt er außerdem den Titel eines Ersten Lords des Schatzamtes (First Lord of the Treasury) und ist zuständiger Minister für das Berufsbeamtentum. Zu seinen Befugnissen gehört auch die Empfehlung von Personen für zahlreiche Amter, für die das Ernennungsrecht eigentlich beim Monarchen liegt. Darunter fällt die Ernennung der oberen Geistlichen in der anglikanischen Staatskirche, der Richter, der Mitglieder des Privy Council, des Poeta laureatus und des Constable des Tower von London.

Minister, die einem Regierungsministerium vorstehen und Kabinettsmitglieder sind, tragen im Englischen meist die Bezeichnung Staatssekretäre (secretaries of state). Eine Ausnahme ist der Vorsitzende des Landwirtschaftsministeriums, der als Landwirtschaftsminister bezeichnet wird. Einige Minister tragen historische Titel, beispielsweise der Finanzminister, der als Schatzkanzler (Chancellor of the Exchequer) bezeichnet wird. Neben den Kabinettsministern gibt es in den jeweiligen Ministerien weitere untergeordnete Regierungsbeamte mit Ministerrang, wie Ressortminister und parlamentarische Staats- oder Unterstaatssekretäre.

Die oberste Regierungsgewalt liegt beim Kabinett, das die eigentlichen politischen Entscheidungen trifft und sie durchführt sowie für die Zusammenarbeit der Ministerien zuständig ist. Normalerweise gehören dem Kabinett 15 bis 20 Mitglieder an, die vom Premierminister ausgewählt und vom Monarchen ernannt werden. Das Kabinett umfasst die Kabinettsminister, die den jeweiligen Ministerien vorstehen, einige Minister ohne festen Geschäftsbereich aber mit traditionellen Amtern, z. B. der Lordpräsident des Geheimen Staatsrates (Lord President of the Council), der Oberste Zahlmeister (Paymaster General, für Lohn und Gehalt im öffentlichen Dienst zuständig) und der Lordsiegelbewahrer (Lord Privy Seal), sowie mitunter auch Ressortminister (so genannte Ministers of State), die ins Kabinett berufen wurden. Das Kabinettssystem entwickelte sich im Verlauf des 18. Jahrhunderts aus den informellen Zusammenkünften der Mitglieder des Privy Council (Geheimer Rat); diese, ebenfalls Regierungsminister, pflegten politische Beratungen und Entscheidungen in relativ kleinen Ausschüssen vorzunehmen, da dies einfacher und effektiver war. Zwei Grundsätze der Kabinettspolitik sind die kollektive und die ministerielle Verantwortlichkeit. Kollektive Verantwortlichkeit bedeutet, dass das Kabinett einstimmig agiert, auch wenn nicht alle Kabinettsmitglieder zu einem Thema einer Meinung sind. Die politische Linie der Minister muss mit der der Regierung als Ganzes übereinstimmen. Ministerielle Verantwortlichkeit besagt, dass die Minister für die Vorgänge in ihrem Ministerium verantwortlich sind und dafür vor dem Parlament zur Verantwortung gezogen werden können. Sie tragen die Konsequenzen für jegliche Fehlleistungen im Bereich der Verwaltung oder der politischen Arbeit ihres Ministeriums.

Der Privy Council (Geheimer Rat)

Vor der Herausbildung des Kabinettssystems war der Privy Council das Hauptinstrument der Exekutive im Staat. Seine Ursprünge können bis an den Hof der normannischen Könige zurückverfolgt werden. Die meisten seiner früheren Funktionen werden heute vom Kabinett wahrgenommen, und so hat der Privy Council heute fast nur beratende Funktion für den Monarchen beim Erlass königlicher Verordnungen (Orders in Council). Davon gibt es zwei Varianten: Zum einen kann der Monarch eine Verordnung auf der Grundlage der königlichen Prärogative (Vorrecht des Königs) erlassen, z. B. Verträge abschließen oder eine königliche Charta vergeben. Zum anderen kann er eine königliche Verordnung mit Zustimmung des Parlaments erlassen, wodurch der Gesetzgebungsprozess abgekürzt wird. Der Privy Council ist auch bei der Veröffentlichung königlicher Proklamationen beratend tätig, z. B. in der Frage der Einberufung oder Auflösung des Parlaments. Die Mitgliedschaft im Privy Council wird auf Lebenszeit ausgesprochen und umfasst alle amtierenden Kabinettsminister, ehemalige Kabinettsminister, die Erzbischöfe von Canterbury und York, den Sprecher (Speaker) des Unterhauses sowie hervorragende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens (vorwiegend Richter und Politiker) aus dem Vereinigten Königreich oder unabhängigen Monarchien des Commonwealth. Gegenwärtig hat der Rat etwa 400 Mitglieder.

Der Privy Council verfügt über eine Reihe von Ausschüssen. Einer davon ist für die Gesetzgebung in den Kronländern der Kanalinseln und der Isle of Man zuständig. Ein weiterer und wohl der wichtigste Ausschuss des Privy Council ist der Rechtsausschuss. Er fungiert als oberstes Appellationsgericht für die von der Krone abhängigen Territorien, Kronländer und Kronkolonien sowie für einige unabhängige Mitgliedsstaaten des Commonwealth.

Das Parlament

Das Parlament im Vereinigten Königreich ist eine der ältesten Volksvertretungen der Welt. Seine Entstehung beginnt bei den englischen Königen des Mittelalters; diese waren ständig bemüht, Gelder einzutreiben, vor allem um ihre Kriege finanzieren zu können. Zur Beschaffung der Gelder aber benötigten sie ursprünglich die Zustimmung der einflussreichen Feudalherren, der Barone, die sich mehrmals im Jahr zu einem Großen Rat versammelten. Die erstmalige Nennung des Begriffs "Parlament" im Jahr 1236 bezieht sich auf diese Adelsversammlung. Die finanzielle Unterstützung der Barone reichte jedoch schon bald nicht mehr aus, um die Ausgaben der königlichen Regierung zu decken, und so wurden Ende des 13. Jahrhunderts Vertreter der Grafschaften und Städte ebenfalls zum Großen Rat geladen, wo sie ihre Zustimmung zu einer verschärften Steuerlast geben sollten. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts existierte schließlich eine Art Parlament im heutigen Sinn. Es handelte sich um eine Versammlung, deren Aufgaben die Entscheidung über Steuern und die Gesetzgebung waren. Sie umfasste zwei getrennte Kammern, eine mit Vertretern der Gemeinden, das House of Commons, und eine mit Vertretern, die aufgrund ihres Titels geladen waren, das House of Lords. Es folgten jedoch noch jahrhundertelange Machtkämpfe zwischen den beiden Kammern einerseits und Parlament und Monarchie andererseits, bis die heutige parlamentarische Struktur des Vereinigten Königreiches entstanden war.

Der Verfassung nach ist die oberste gesetzgebende Instanz im Vereinigten Königreich die "Krone im Parlament". Dies bedeutet, dass eine Gesetzesvorlage von allen drei Bestandteilen des Parlaments gebilligt werden muss, bevor sie gültiges Recht werden kann, also vom Monarchen, vom Oberhaus (House of Lords) und vom Unterhaus (House of Commons). Seit nunmehr 280 Jahren erfolgte die Zustimmung der Krone immer automatisch.

Das Oberhaus (House of Lords)

Das Oberhaus setzt sich aus den weltlichen und geistlichen Lords zusammen. Die ersteren umfassen: erbliche Peers (so heißen die Mitglieder); auf Lebenszeit ernannte Peers, die speziell für die Wahrnehmung von Aufgaben im Bereich der Justiz zuständig sind; die Lords of Appeal oder Law Lords, angesehene Juristen; sowie weitere Peers auf Lebenszeit, die im Allgemeinen als Anerkennung für ihre Leistungen in der Politik oder in anderen Lebensbereichen ernannt worden sind. Die Lords of Appeal bilden das oberste Berufungsgericht für all jene Fälle, die vor das Oberhaus gebracht werden können. Die geistlichen Lords sind die Erzbischöfe von Canterbury und York, die Bischöfe von London, Durham und Winchester sowie die 21 nächstältesten Diözesanbischöfe der anglikanischen Staatskirche. Das Oberhaus hat etwa 1200 Mitglieder, von denen allerdings nur ein Drittel regelmäßig an Sitzungen teilnimmt, vor allem die Peers auf Lebenszeit. Die Beschlussfähigkeit ist mit drei anwesenden Mitgliedern gegeben.

Eine Gesetzesvorlage kann von der Regierung zunächst im Oberhaus eingebracht werden, normalerweise gehen die Vorlagen jedoch zunächst ins Unterhaus. Finanzgesetze gehen immer zuerst ins Unterhaus. Wird ein Gesetz im Unterhaus verabschiedet, so geht es zur Beratung ans Oberhaus weiter, muss jedoch dort nicht mehr per Abstimmung verabschiedet werden, um rechtskräftig zu sein. Seit dem Parlamentsgesetz von 1911 kann das Oberhaus keine Finanzgesetze mehr blockieren. Auch andere Gesetzesvorlagen können nach den Bestimmungen des Parlamentsgesetzes von 1949 nicht mehr vom Oberhaus blockiert werden, sofern sie vom Unterhaus in zwei aufeinanderfolgenden Sitzungen verabschiedet wurden. In der Praxis bedeutet dies, dass das Oberhaus nur aufschiebende Funktion bei der Gesetzgebung hat, indem es eine Gesetzesvorlage maximal ein Jahr lang blockieren kann. Die Ausnahme bilden Gesetzesvorlagen, die die Legislaturperiode des Parlaments verlängern würden; sie bedürfen der Zustimmung beider Kammern. Diese begrenzten Befugnisse des Oberhauses bringen die Ansicht zum Ausdruck, dass eine nicht gewählte Kammer in einer modernen Demokratie nur mehr als beratende und Revisionsinstanz fungieren kann. Sie ist dafür besonders geeignet, da ihre Mitglieder frei vom Parteienzwang urteilen können, und bildet somit eine Ergänzung zum Unterhaus. Dennoch werden auch immer wieder Forderungen nach einer Abschaffung des Oberhauses und der Einrichtung einer zweiten gewählten Kammer an deren Stelle laut. Sie erhielten vor allem durch Bestrebungen neue Nahrung, die Mitgliederzahl im Oberhaus durch die Einführung des Systems der Ernennung von Lords auf Lebenszeit weiter zu vergrößern.

Das Unterhaus (House of Commons)

Die Mitglieder des Unterhauses werden mit allgemeinem Mehrheitswahlrecht über geographisch festgelegte Wahlkreise gewählt. Das Mindestalter für die Wahlberechtigung wurde 1969 auf 18 Jahre gesenkt. Nicht ins Unterhaus gewählt werden können Mitglieder des Oberhauses, bestimmte Geistliche, Regierungsangestellte, Friedensrichter sowie einige mit der Durchführung der Wahlen betraute Beamte. Die Sitzverteilung im Parlament hängt von der Gesamtzahl der Abgeordneten, die allein vom Unterhaus festgelegt wird, und von der Bevölkerungszahl ab. Im Vereinigten Königreich umfasst jeder Wahlkreis ungefähr 60 000 Einwohner. In Nordirland, das mit 17 Abgeordneten im Parlament vertreten ist, sind die zugrunde liegenden Einwohnerzahlen der Wahlkreise etwas höher. Das Unterhaus verfügt über 651 Abgeordnete. Um sicherzustellen, dass die Einteilung der Wahlkreise politisch gerecht ist und die Anzahl der Wahlberechtigten pro Wahlkreis ungefähr ausgeglichen ist, wurden vier ständige Wahlkreiskommissionen eingerichtet. Veränderungen in der Wahlkreislandschaft werden alle acht bis zwölf Jahre durchgeführt. Die Beschlussfähigkeit des Parlaments ist mit 40 Abgeordneten gegeben. Die gesetzlich festgelegte Legislaturperiode beträgt fünf Jahre, sofern nicht gesonderte Beschlüsse, etwa in Kriegszeiten oder Zeiten nationaler Krisen, eine frühere Auflösung des Parlaments oder eine Verlängerung der Amtsperiode vorsehen. Am Ende der regulären Fünfjahresperiode oder auf Vorschlag des Premierministers wird das Parlament vom Monarchen aufgelöst. Alle Mitglieder des Unterhauses können sich dann einer Wiederwahl stellen.

Theoretisch kann zwar jeder Parlamentsabgeordnete eine Gesetzesvorlage einbringen, in der Praxis wird jedoch die Gesetzgebung meist durch den Kabinettsminister des zuständigen Ministeriums eingeleitet. Die im Parlament verabschiedeten Gesetze sind meist in allgemeinem Ton formuliert. Sie werden entweder in detaillierterer Fassung durch königliche Verordnungen verabschiedet, oder von den zuständigen Ministern vorbereitet und von der Krone verkündet. Das Kabinett tritt nach dem Grundsatz der kollektiven Verantwortlichkeit als Einheit auf. Die Niederschlagung einer wichtigen Gesetzesinitiative im Parlament oder die Einbringung eines Misstrauensvotums hat normalerweise den Rücktritt des gesamten Kabinetts und die Ausschreibung von Neuwahlen zur Folge. Der Premierminister kann auch einzelne Kabinettsminister entlassen oder wieder ernennen. Diese Machtbefugnis des Premierministers garantiert dessen Führungsposition gegenüber den Ministern. In den meisten Regierungen wurde und wird davon von Zeit zu Zeit Gebrauch gemacht. Kabinettsminister haben die Möglichkeit von ihrem Amt zurückzutreten, ohne ihre Mitgliedschaft im Unterhaus aufzugeben.

Angesichts der Handlungsbefugnisse des Kabinetts gab es im Unterhaus bis vor kurzem keine Spezialausschüsse, wie dies etwa im Kongress der Vereinigten Staaten der Fall ist. Seit 1979 hat sich jedoch allmählich ein System von Ausschüssen mit speziellen Funktionen herausgebildet. In diesen Spezialausschüssen finden detaillierte Beratungen und Bewertungen statt, die über die bloße Überarbeitung und Billigung der Vorlagen hinausgehen, und so kommt den Ausschüssen inzwischen eine wachsende Bedeutung innerhalb der parlamentarischen Arbeit zu.

Judikative

Die Länder England (mit Wales), Schottland und Nordirland besitzen jeweils eigene Rechtssysteme, die sich in Gesetzgebung, Aufbau des Gerichtswesens und Praxis der Rechtsprechung beträchtlich unterscheiden. Alle drei Systeme verfügen über getrennte Strafverfolgungs-, Strafvollzugs- und Polizeieinrichtungen. Die Zivilgerichte und das Zivilrechtswesen Schottlands unterscheiden sich von dem in England und Wales üblichen System. Das System Nordirlands ist in vielen Bereichen dem englisch-walisischen System sehr ähnlich. Das so genannte "Gewohnheitsrecht" (Common Law) spielt in allen drei Rechtssystemen eine wichtige Rolle. Weitere Informationen siehe Kodex: britische Kodizes; Gericht; Bevölkerung: englisches Recht; Schottland: politisches System: Rechtswesen.

Kommunalverwaltung

Seiner Verwaltungsstruktur nach ist das Vereinigte Königreich ein zentralistischer Einheitsstaat, d. h. dass die Befugnisse der Regional- und Kommunalverwaltungen unmittelbar vom Zentralparlament hergeleitet sind und die Verantwortung für die Gesamtverwaltung des Landes bei den Kabinettsministern des Parlaments liegt. Der Selbständigkeit der Regionalbehörden im Bereich des Budgets und teilweise in politischen Maßnahmen sind also durch die in London gemachte Politik Grenzen gesetzt. Diese Tendenz wurde durch mehrere Verwaltungsreformen seit 1980 noch verstärkt.

Eine umfangreiche Kommunalverwaltungsreform trat 1974 in England und Wales und 1975 in Schottland in Kraft. Die früheren Grafschaften und städtischen Bezirke mit Grafschaftsstatus wurden durch eine vereinfachte, in der Regel zwei Verwaltungsebenen aufweisende Struktur ersetzt. In England und Wales (mit Ausnahme von Greater London) wurde das System der Grafschaften beibehalten, die Verwaltungseinheiten jedoch weitgehend neu strukturiert. Insgesamt wurden 53 Grafschaften mit eigenen Verwaltungsbehörden, den Grafschaftsräten, geschaffen; diese sind ihrerseits in 369 Distrikte mit eigenen Distrikträten unterteilt. Sechs englische Grafschaften, die sich über städtische Ballungsräume erstrecken, wurden als städtische Grafschaften tituliert (metropolitan counties), die anderen als nichtstädtische Grafschaften (non-metropolitan counties). London verfügt über einen zentralen Verwaltungsrat, den Greater London Council, dem die Verwaltungsbehörden der 32 Londoner Stadtbezirke und der Londoner Innenstadt unterstehen.

In Schottland wurden die Grafschaften vollständig durch Regionen ersetzt; auf dem schottischen Festland wurden neun Regionen mit eigenen Verwaltungsräten geschaffen, die in 53 Distrikte mit eigenen Räten unterteilt sind; für die Orkney-Inseln, Shetland-Inseln und Western Isles wurden drei allumfassende Inselbehörden geschaffen. In Nordirland wurde eine einfache Gliederung in 26 Distrikte eingerichtet.

Die Mitglieder der Verwaltungsräte auf Grafschafts- und Distriktebene werden auf vier Jahre gewählt, wobei sowohl die Wahlen zu einer Ratsversammlung als auch die Wahlen zu verschiedenen Räten zeitlich gestaffelt sind, also eine Art Rotationsprinzip entsteht.

Groß angelegte Verwaltungsreformen wurden erneut in den achtziger Jahren unter der Regierung der Konservativen durchgeführt. Der Greater London Council und die sechs städtischen Grafschaften wurden abgeschafft, ihre Funktionen größtenteils den Ratsversammlungen der Londoner bzw. sonstigen Stadtbezirke übertragen. In einigen dieser Gebiete wurden auch Aufgaben über Verwaltungsgrenzen hinweg verteilt und gemeinsame Zuständigkeiten von Behörden eingerichtet, beispielsweise für Abfallbeseitigung, Feuerwehr und (außerhalb Londons) öffentliche Verkehrsmittel. Die Verfassung des Vereinigten Königreiches sieht keine Trennung zwischen zentralen und kommunalen Behörden vor. Im Allgemeinen fallen jedoch folgende Bereiche unter die Zuständigkeit der Kommunalverwaltungen: Polizei, Feuerwehr, Schulwesen, Bibliotheken, Straßen, Verkehr, Wohnungswesen, Bauvorschriften und Umweltschutz. Die Zuständigkeit der Kommunalbehörden in diesen Bereichen wurde jedoch inzwischen durch Maßnahmen der Zentralregierung eingeschränkt. Die meisten der bisher von Kommunalverwaltungen erbrachten Leistungen müssen nun einem öffentlichen Wettbewerb ausgesetzt werden, wodurch sich der Bedarf an Angestellten bei den Verwaltungsbehörden verringert. Reformen im Schulwesen haben zu größerer Autonomie der Schulen geführt. Im Bereich des sozialen Wohnungsmarktes räumten Gesetzesänderungen Mietern von Sozialwohnungen die Möglichkeit ein, die Wohnungen zu kaufen. Außerdem wurde die Bildung von Wohnungsbaugesellschaften angeregt, und die Verwaltung einiger Wohnanlagen im Besitz der Kommunalbehörden wurde neu geschaffenen Wohnungs-Treuhandgesellschaften übergeben.

Die Autonomie der Kommunalverwaltungen wurde auch durch Anderungen in der Finanzordnung beschnitten. Die Regierung der Konservativen führte strenge Kontrollen über die Ausgaben der Kommunalbehörden ein. Seit 1984 ist sie befugt, die Budgets von kommunalen Behörden zu begrenzen, sofern sie diese für überzogen hält. Auch die Zuteilung von Geldern der Zentralregierung an die Kommunalbehörden - diese Zuschüsse bilden den Großteil der Budgets der Kommunalverwaltungen - wurde neu geregelt. Sie richtet sich jetzt nach einem komplizierten System, das seinerzeit beträchtliche Kontroversen auslöste. Ebenso wurden die Grundlagen für lokal erhobene Steuern verändert. Im April 1990 wurde das seit langem übliche System der Kommunalsteuern durch eine neue Gemeinschaftssteuer ersetzt, die sich schon bald den Namen "poll tax", "Schädel-Steuer", einhandelte, da sie pro Person, unabhängig vom Einkommen, bemessen wurde. Diese äußerst unpopuläre Besteuerung provozierte eine angeheizte politische Diskussion und Aufstände in London und wurde schließlich 1992 durch eine zumindest teilweise nach dem Einkommen bemessene Steuer ersetzt.

Politik

Die politischen Parteien, die sich im Vereinigten Königreich im 17. Jahrhundert herausbildeten, sind ein elementarer Bestandteil des politischen Systems. Im Unterhaus sind zwar mehrere Parteien vertreten, in der Vergangenheit war die politische Bühne des Königreiches jedoch über ein Jahrhundert lang von einem Zweiparteiensystem geprägt. Die stärkste Partei im Unterhaus bildet die Regierung, der zweitstärksten Partei kommt die Rolle der Opposition zu - der offizielle Titel lautet "ihrer Majestät loyale Opposition". Der Oppositionsführer erhält ein Gehalt aus öffentlichen Mitteln. Seit dem Ende des 1. Weltkrieges dominieren die Konservative Partei (Conservative Party) und die Labour Party das politische Geschehen. Die Labour Party war grundsätzlich immer sozialistisch orientiert, tendiert jedoch seit Anfang der neunziger Jahre stärker zur politischen Mitte hin. Nach ihrem überwältigenden Wahlsieg im Mai 1945 begann sie mit der Verstaatlichung einzelner Industrien. Die Labour Party wurde 1900 als politischer Arm der Gewerkschaften gegründet und war in ihrer geistigen Ausrichtung von der Fabian Society beeinflusst. Ihre Wählerschaft ebenso wie finanzielle Unterstützung bezog sie aus beiden Gruppen. In jüngster Zeit führten jedoch Veränderungen in der Parteisatzung zu einer Reduzierung des Gewerkschaftseinflusses auf die politische Linie der Partei. Der politische Kurs der Konservativen Partei verfolgt tendenziell die Unterstützung der privaten Wirtschaft und weniger Regulierung durch den Staat. Nach dem 2. Weltkrieg stimmte sie jedoch auch sozialpolitischen Maßnahmen wie dem Beveridge-Plan zu, der die Einrichtung eines umfassenden Sozialversicherungssystems vorsah. Der ebenfalls um diese Zeit gegründete staatliche Gesundheitsdienst (National Health Service) erfreut sich nach wie vor breiter Zustimmung in der Öffentlichkeit. In den achtziger Jahren versuchten die Konservativen, die zu dieser Zeit die Regierung bildeten, den Gesundheitsdienst zu reformieren, um Kosten zu senken und die Prinzipien des freien Marktes stärker einzubringen; die Bestrebungen stießen jedoch auf beträchtlichen Widerstand.

Die Liberale Partei (Liberal Party), die jahrzehntelang immer wieder Regierungen gestellt hatte, verlor in jüngerer Zeit ihren Rückhalt bei den Wählern. 1988 tat sie sich mit der Sozialdemokratischen Partei (SDP: Social Democratic Party, von Labour-Abtrünnigen gegründet) zusammen, woraus die Liberal-Demokratische Partei (Liberal Democrat Party) entstand. Anfang der neunziger Jahre gehörten zur Parteienlandschaft außerdem die nationalistischen Parteien von Schottland und Wales, Scottish Nationalist Party und Plaid Cymru, sowie die Parteien Nordirlands, die Ulster Unionist Party, die Democratic Unionist Party, die Social Democratic and Labour Party und Sinn Fein. Alle außer Sinn Fein sind im Unterhaus vertreten. Das Parlament Nordirlands ist seit 1972 suspendiert. Weitere, nicht im Parlament vertretene Parteien sind die Kommunistische Partei und die Partei der Grünen. In den Parlamentswahlen von 1992 errangen die kleinen Parteien insgesamt fast 25 Prozent der Stimmen, erhielten jedoch infolge des britischen Mehrheitswahlrechtes, bei dem nur der jeweilige Sieger eines Wahlkreises einen Sitz erhält, nur 44 von insgesamt 651 Sitzen im Unterhaus. Die Konservativen hingegen erhielten mit 41,9 Prozent der Stimmen 336 Sitze im Parlament, Labour erzielte 34,4 Prozent der Stimmen und 271 Sitze. Diese Diskrepanz zwischen dem Rückhalt der kleinen Parteien in der Bevölkerung und ihrer Repräsentation im Parlament hat inzwischen Forderungen nach der Einführung eines Verhältniswahlrechtes laut werden lassen, die vor allem von den Liberal-Demokraten mit Nachdruck vertreten werden.

Umweltschutz

In Großbritannien wurden vier staatliche Einrichtungen für den Naturschutz geschaffen. Dies sind die Countryside Commission und English Heritage in England, der Countryside Council in Wales und Scottish Natural Heritage in Schottland. In Nordirland obliegt der Naturschutz der Umweltbehörde. Anfang der neunziger Jahre waren diese Körperschaften für Nationalparks und als "landschaftlich besonders reizvolle Gegenden" ausgezeichnete Gebiete im Vereinigten Königreich zuständig. Diese Gebiete machen 22 Prozent der Fläche Englands, fast 25 Prozent von Wales, 13 Prozent von Schottland und 20 Prozent von Nordirland aus. Darüber hinaus gibt es eine Anzahl gemeinnütziger Einrichtungen, die sich um den Landschaftsschutz kümmern, allen voran der National Trust (Nationale Institution für Landschaftsschutz und Denkmalspflege), der sich auch um den Schutz der Küsten in England, Wales und Nordirland kümmert.

Für den Schutz der Tierwelt ist in erster Linie der Wildlife and Countryside Act, ein Gesetz von 1981, maßgeblich. Es wurden Programme zum Erhalt bedrohter Arten, beispielsweise der Schlafmaus und einer selten gewordenen Spinnenart in den Fens, gefördert. Anfang der neunziger Jahre existierten im Vereinigten Königreich über 340 staatlich unterhaltene Naturschutzgebiete mit einer Gesamtfläche von 190 000 Hektar sowie über 2 000 von anderen Organisationen eingerichtete Reservate. Zu diesen Organisationen zählt auch die Königliche Vereinigung zum Schutz von Vögeln (Royal Society for the Protection of Birds), Europas größte gemeinnützige Artenschutzinstitution.

Verteidigung

Eine Grundlage des britischen Sicherheitssystems ist die Mitgliedschaft in der NATO (North Atlantic Treaty Organization: Nordatlantischer Verteidigungspakt). Das Vereinigte Königreich leistet einen bedeutenden Beitrag zur Verteidigungspolitik der NATO. Die Verteidigungspolitik des Königreiches wird vom Ausschuss für Verteidigung und Außenpolitik beschlossen. Er wird geleitet vom Premierminister und schließt die Minister für Verteidigung, Außenpolitik und Innenpolitik mit ein. 1964 wurden die drei Waffengattungen der Streitkräfte zusammen dem neu geschaffenen Amt des Staatsekretärs für Verteidigung unterstellt. Der Verteidigungsrat, zu dem der Staatssekretär für Verteidigung, die Stabschefs der drei Waffengattungen, der oberste wissenschaftliche Berater für Verteidigungsfragen und der ständige Unterstaatssekretär für Verteidigung gehören, besitzt die Befehlsgewalt und die Oberaufsicht über die Verwaltung der Streitkräfte. Seit Ende der achtziger Jahre und der Beendigung des Kalten Krieges zwischen den weltpolitischen Machtblöcken wurde die Verteidigungspolitik neuen Richtlinien unterstellt und die Stärke der Streitkräfte deutlich reduziert.

Der Verteidigungsrat nimmt seine Oberaufsicht durch eine Armeebehörde wahr, die sich aus zivilen und dem Militär angehörenden Mitgliedern zusammensetzt. Die aktiven Streitkräfte selbst werden von freiwilligen Berufssoldaten, die sich im Allgemeinen für 22 Jahre verpflichten, gebildet. Seit 1972 besteht jedoch auch die Möglichkeit, sich nur für drei Jahre zu verpflichten. Eine Reservearmee aus Zivilisten, die so genannte Territorial Army, verfügt über mehr als 70 000 Mann und kann in Krisensituationen entsandt werden. Nordirland besitzt eine gesonderte, 6 200 Mann starke Reservearmee, das Ulster Defence Regiment, das die regulären Streitkräfte zeitweise unterstützt.

Die Marine (Royal Navy) wird vom Marineministerium, das dem Staatssekretär für Verteidigung untersteht, geleitet. 1993 und 1994 wurden im Bereich des Marinepersonals und -inventars umfangreiche Kürzungen, Anderungen und Rationalisierungen durchgeführt, die auch die Größe der Flotte betrafen.

Die Luftwaffe wurde 1912 gegründet. 1914 wurde die Abteilung des Seeflugwesens als eigenständige Division etabliert, und 1918 wurden beide Abteilungen zur heutigen Royal Air Force (RAF) vereinigt. Seit 1964 untersteht die Luftwaffe dem Verteidigungsministerium. Die Verwaltung obliegt der Luftwaffenbehörde, die ihrerseits dem Staatssekretär für Verteidigung untersteht. Die Luftwaffe verfügt über eigene Sektionen für das In- und Ausland. Die Luftwaffeneinheit für Frauen wurde 1994 in die Royal Air Force eingegliedert.

1990 waren noch über 85 000 britische Soldaten im Ausland stationiert. Es gab Kontingente in Deutschland, Belize, Brunei, Daressalam, auf den Falkland-Inseln, auf Gibraltar und in Hongkong. Während der frühen neunziger Jahre dienten britische Soldaten im Rahmen von zahlreichen UN-Missionen, z. B. im ehemaligen Jugoslawien, auf Zypern, im Irak, in Kuwait, Georgien, Kambodscha und Ruanda.

Wirtschaft

Das Vereinigte Königreich zählt zu den führenden Industrienationen der Welt. Gemessen am Bruttosozialprodukt steht es zusammen mit Italien an fünfter Stelle nach den Vereinigten Staaten, Japan, Deutschland und Frankreich. Umfangreiche Industrien, wie Transport, Kommunikation, Stahl, Erdöl, Kohle, Gas und Elektrizität, die von Labour-Regierungen verstaatlicht worden waren, wurden von den Konservativen in den achtziger und frühen neunziger Jahren wieder an private Investoren verkauft.

Im Januar 1973 trat das Vereinigte Königreich der Europäischen Union (damals Europäische Gemeinschaft) bei. In der Nachkriegszeit hatte die britische Wirtschaft mit einigen grundsätzlichen Problemen zu kämpfen, wie dem Druck auf die Währung, einem Defizit in der Handelsbilanz, Inflation und, zumindest bis vor kurzem, Ineffektivität der Industrie. Während der weltweiten Rezession des Jahres 1974 verschärften sich diese Probleme; die Arbeitslosenzahl stieg auf über eine Million, die Produktion ging zurück, die Löhne stiegen dramatisch und der Währungskurs sank auf ein Rekordtief. Im Juli 1975 leitete die Regierung einen strikten Antiinflationskurs ein, der von den Unternehmen und den Gewerkschaften mitgetragen wurde und im Großen und Ganzen den Anstieg der Löhne und die Inflation bremsen konnte. In den späten siebziger Jahren konnte dank der Einkünfte aus der Ölförderung in der Nordsee eine deutliche Verbesserung der Handelsbilanz erzielt werden. Seit 1979 konnte die Wirtschaftspolitik der Regierung den privaten Sektor beleben, während Staatsausgaben und staatliche Leistungen reduziert wurden. Oberstes Ziel der Regierung blieb die Sicherung einer niedrigen Inflationsrate, was jedoch zu Lasten des Beschäftigungsangebots ging. Die Arbeitslosenzahl lag Mitte der achtziger Jahre bei über drei Millionen und auch ein Jahrzehnt später noch bei 2,6 Millionen, was 1997 einer Arbeitslosenquote von 8 Prozent entsprach. Das jährliche Haushaltsdefizit entsprach in den frühen neunziger Jahren 1,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Die Struktur des Arbeitsmarktes hat sich in den letzten 40 Jahren grundlegend gewandelt. Nahezu drei Viertel der Angestellten sind heute im Dienstleistungssektor tätig, im Jahr 1955 war es nur rund ein Drittel. Die verarbeitende Industrie, 1955 mit 42 Prozent der Beschäftigten noch der größte Arbeitgeber, bietet heute nur noch 26 Prozent eine Beschäftigung. Der Wandel geht zu einem großen Teil auf den Rückgang manueller Tätigkeiten zugunsten nichtmanueller Tätigkeiten zurück. Darüber hinaus hat seit Mitte der fünfziger Jahre die Zahl der Frauen, die einer Beschäftigung außer Haus nachgehen, deutlich zugenommen. Heute beträgt der Frauenanteil an der arbeitenden Bevölkerung fast die Hälfte. Jüngere Entwicklungen waren beispielsweise die Ausweitung der Teilzeitbeschäftigungen und eine Zunahme an Beschäftigten mit befristeten Verträgen anstelle einer dauerhaften Anstellung.

Nach offiziellen Zahlen lag die Arbeitslosigkeit 1994 noch bei über 2,6 Millionen Arbeitslosen oder 9,2 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung. Dies bedeutete jedoch immerhin einen Rückgang gegenüber der Höchstzahl von drei Millionen Arbeitslosen während der Rezession in den späten achtziger Jahren. Die Arbeitslosenquote variierte je nach Region beträchtlich; so lag sie beispielsweise in East Anglia bei 7,1 Prozent und in Nordirland bei 13 Prozent.

Das Vereinigte Königreich war eine Wiege der Gewerkschaftsbewegung. Der Einfluss der Gewerkschaften nahm jedoch seit 1980 dramatisch ab. Der Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt, einschließlich des Rückgangs bei der verarbeitenden Industrie und der Zunahme an Teilzeitbeschäftigungen haben die Mitgliederzahlen der Gewerkschaften sinken lassen. 1993 hatten die 287 Einzelgewerkschaften, die dem Gewerkschaftsverband (Trades Union Congress) angehören, noch neun Millionen Mitglieder, was 35 Prozent der Beschäftigten entspricht. Darüber hinaus wurde die Macht der Gewerkschaften auch durch die seit 1980 von der Tory-Regierung verabschiedeten Gesetze stark beschnitten; danach muss nun jeder Streik vorher durch eine geheime Abstimmung unter den Gewerkschaftsmitgliedern gebilligt werden. Auch die Beschaffung von Geldmitteln seitens der Parteien wurde gesetzlich neu geregelt und trug zur Entmachtung der Gewerkschaften bei.

Landwirtschaft

Etwa 77 Prozent der Landesfläche des Vereinigten Königreiches werden landwirtschaftlich genutzt. Der Beitrag der Landwirtschaft zur Gesamtwirtschaft des Landes ist jedoch gemessen an der Beschäftigtenzahl und ihrem Anteil am Bruttoinlandsprodukt deutlich niedriger, als dies in den meisten anderen Industrienationen der Fall ist. Darin spiegelt sich die frühzeitige Industrialisierung Großbritanniens wider. Der Landwirtschaftssektor bietet heute nur noch 1 Prozent der Bevölkerung einen Arbeitsplatz und trägt nur minimal zum Bruttoinlandsprodukt bei. Er erreicht jedoch eine hohe Effektivität und Produktivität. So kann das Vereinigte Königreich immer noch fast 60 Prozent seines Bedarfs an sämtlichen Nahrungsmitteln und Tierfuttermitteln selbst decken; im Bereich der im eigenen Land produzierbaren Nahrungs- und Futtermittel beträgt die Selbstversorgungsquote sogar über 70 Prozent.

Weite Landesteile, vor allem in Schottland und Wales, eignen sich nur zur Weidehaltung. Insgesamt waren in den neunziger Jahren 39 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche weitläufiges Weideland, 27 Prozent wurden intensiv als Weidefläche genutzt und der Rest war kultiviertes oder brachliegendes Ackerland. Es gab rund 244 200 Landwirtschaftsbetriebe, 75 Prozent davon vom Eigentümer selbst bewirtschaftet. Die Durchschnittsgröße lag bei knapp über 70 Hektar, allerdings waren rund 44 Prozent der Betriebe nur gerade groß genug, um einen vollen Lebensunterhalt zu decken oder waren sogar noch kleiner. Mehr als die Hälfte der Vollerwerbsbauernhöfe betreiben Milchvieh-, Rinder- oder Schafhaltung. Die Bedingungen der landwirtschaftlichen Tierhaltung sind zunehmend ins öffentliche Interesse gerückt. Vor allem das Auftreten der Rinderseuche Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE) und die mit großer Wahrscheinlichkeit zu vermutenden (allerdings wissenschaftlich bisher nicht nachgewiesenen) Auswirkungen der Krankheit auf den Menschen führten zu großem Misstrauen gegenüber britischem Rindfleisch unter den europäischen Verbrauchern. Die EU verhängte im April 1995 ein Embargo gegen britisches Rindfleisch. Auf dem europäischen Festland traten unter Rindern britischer Herkunft ebenfalls Fälle von BSE auf, auf die die nationalen Regierungen reagieren mussten. Tausende von Rindern wurden vernichtet. Auch gegen die Haltung von Hühnern in Legebatterien und ähnliche Formen der Massentierhaltung regte sich nachhaltiger Widerstand. Eine Folgeerscheinung war die rasche Zunahme des Vegetariertums seit Anfang der achtziger Jahre.

Der Ackerbau konzentriert sich vor allem auf Ost- und Südmittelengland sowie den Osten Schottlands. Die wichtigsten Anbausorten sind Weizen, Gerste, Raps, Zuckerrüben, Kartoffeln und Hafer. Daneben spielt der Gartenbau eine nicht unbedeutende Rolle: Vielerlei Gemüsesorten, Baum- und Beerenfrüchte, Knollengewächse und Blumen werden kommerziell angebaut. Die hohe Produktivität in diesem Bereich wird durch die Bewirtschaftung großer Felder erzielt - Hecken als Feldbegrenzungen wurden entfernt - sowie durch einen hohen Mechanisierungsgrad der Arbeit und den intensiven Einsatz von Düngemitteln, Pestiziden und Fungiziden. Diese Trends in der Landwirtschaft stießen, wie auch die Bedingungen der Massentierhaltung, auf wachsende Bedenken in der Öffentlichkeit und begünstigten das Aufkommen der ökologischen Landwirtschaft, die allerdings noch nicht sehr verbreitet ist. Dennoch zeigt sich inzwischen ein Trend zur Reduzierung des Chemikalieneinsatzes in der Landwirtschaft, teils als Folge des neuen Verbraucherbewusstseins, teils aus Kostengründen.

Die Landwirtschaftspolitik im Vereinigten Königreich ist seit 1973 stark von der Landwirtschaftspolitik der Europäischen Union (EU) geprägt. Deren Ziele sind Stabilisierung des Marktes, Sicherung der Einkommen der Landwirte und Gewährleistung der Nahrungsmittelvorräte zu akzeptablen Preisen für die Verbraucher. Dazu werden u. a. die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse durch Zuschüsse und Förderungsmittel stabil gehalten und Schutzzölle auf ausländische Importwaren erhoben. Diese Mechanismen sowie die den EU-Steuerzahlern verursachten Kosten für die EU-Landwirtschaftspolitik - sie belaufen sich auf 50 Prozent des EU-Budgets - sind seit Anfang der achtziger Jahre zunehmender Kritik ausgesetzt, vor allem seitens der Briten, der USA und der Entwicklungsländer. Inzwischen wurden verschiedene Reformen durchgeführt, um Kosten und Zuschüsse zu senken und die enorme Überproduktion der siebziger und achtziger Jahre mit ihren Ausprägungen wie Butterbergen und Weinseen zu reduzieren. So wurden beispielsweise Bauern durch Anreize ermuntert, ihre landwirtschaftlich genutzten Flächen zu verringern oder weniger produktive, aber dafür umweltfreundlichere Methoden einzusetzen; auf bestimmte Erzeugnisse, z. B. Milch, wurden Produktionsquoten erlassen und bei anderen Produkten die Zuschüsse gestrichen.

Der Vertrieb der landwirtschaftlichen Erzeugnisse obliegt im Vereinigten Königreich dem privaten Handel, Erzeugergenossenschaften sowie Absatzkontrollstellen. Letztere haben im Verlauf der vergangenen 20 Jahre kontinuierlich abgenommen. Im November 1994 wurde mit der Milchverteilerstelle für England und Wales eine der größten dieser Vertriebsstellen aufgelöst und durch eine Erzeugergenossenschaft, Milk Marque, ersetzt.

Forstwirtschaft und Fischerei

Das Vereinigte Königreich verfügt über 2,4 Millionen Hektar Wald. Die häufigsten Baumarten sind Eiche, Buche, Esche und Ulme. Kiefer und Birke dominieren in Schottland. In den frühen neunziger Jahren belief sich die Produktion von Rundholz auf insgesamt 6,5 Millionen Kubikmeter. Die Waldkommission initiierte in den fünfziger Jahren ein Wiederaufforstungsprogramm; etwa 16 000 Hektar Boden wurden jährlich neu bepflanzt, hauptsächlich in Schottland. Auch private Eigentümer - sie besitzen insgesamt über 55 Prozent der Waldfläche - wurden zu Wiederaufforstungen angeregt, deren Umfang sich auf 8 000 Hektar pro Jahr belief. Darüber hinaus war die Wiederaufforstung weiterer 65 000 Hektar in Nordirland vorgesehen. Trotz dieser Anstrengungen führt das Vereinigte Königreich jedoch nach wie vor etwa 90 Prozent seines Holzbedarfs ein.

Die Fischerei im Vereinigten Königreich deckt etwa 5 Prozent des Eigenbedarfs und umfasst sowohl Hochseefischerei als auch Fischzucht. Die Hochseefischerei erlebte seit den sechziger Jahren einen Niedergang, der zum Teil auch auf EU-Beschränkungen zurückzuführen war. Für die Wirtschaft Schottlands und einzelner Gebiete im Südwesten Englands ist die Fischerei nach wie vor von Bedeutung und stellt in manchen Hafenstädten einen wichtigen Beschäftigungszweig dar. In den frühen neunziger Jahren wurden jährlich 700 000 Tonnen Fisch gefangen. Die Hauptsorten sind Makrelen, Kabeljau, Schellfisch, Weißling, Seeteufel, Meerhecht, Scholle und verschiedene Plattfische einschließlich Flunder sowie Hering und Schalentiere. Die für den Handel wichtigsten Süßwasserfische sind Lachs, Forelle und Aal. Zu den bedeutendsten Fischereihäfen gehören Hull, Grimsby, Fleetwood, North Shields, Lowestoft, Plymouth, Brixham und Newlyn in England, Aberdeen, Peterhead, Lerwick, Ullapool und Fraserburgh in Schottland und Kilkeel, Ardglass und Portavogie in Nordirland.

Wie die Landwirtschaft ist auch die Fischerei im Vereinigten Königreich im Großen und Ganzen von der gemeinsamen Fischereipolitik der EU bestimmt. Nachdem die Gewässer Europas lange Zeit überfischt worden waren, wurden nun von der EU strenge Fangquoten erlassen, um die verbleibenden Fischbestände zu erhalten und wieder zu vermehren. Diese Maßnahmen trafen das Vereinigte Königreich besonders hart, da es eine der größten Fischfangflotten der EU unterhält. Fischkutter mussten häufig zwangsweise stillgelegt werden, und die Regierung bot finanzielle Anreize und Programme, um Beschäftigte aus der Fischindustrie abzuziehen.

Bergbau

Das Vereinigte Königreich verfügt über eine Vielzahl von Bodenschätzen, vor allem Kohle und Eisenerz. Die Tatsache, dass die Lagerstätten dieser beiden Mineralien oft dicht beieinander liegen, war ein Schlüsselfaktor für die frühzeitige Industrialisierung des Landes. Die geographische Lage ebenso wie die historische Bedeutung dieser und anderer Bodenschätze spiegelt sich noch heute in der Bevölkerungsverteilung und in der Entwicklung verschiedener Städte wider. Der Bergbau verfügt in Großbritannien über eine lange Tradition. Der Salzabbau, besonders in Cheshire, reicht bis in die vorgeschichtliche Zeit zurück. In der vorchristlichen Zeit besuchten phönizische Händler das heutige England, um Zinn aus den Minen Cornwalls zu erwerben. Die Zinnlager sind inzwischen fast vollständig abgebaut, ebenso die Eisenerzvorkommen im Norden Englands.

Abgesehen von Kohle bilden heute Baustoffe den Hauptteil der Mineralienerzeugung. Kleinere Mengen Zink, Blei und Gold werden gefördert, der Goldbergbau ist in Wales angesiedelt. Das Eigentumsrecht an Gold und Silber (sowie an Öl und Erdgas) liegt beim Königshaus, und die Erzeuger können lediglich Förderrechte erwerben. Praktisch alle anderen Bodenschätze sind in Privatbesitz. Zu den außerdem abgebauten Bodenschätzen zählen Kalkstein und Dolomit, Sand und Kies, Sandstein, Lehm und Schiefer, Salz und Porzellanerde. Die letzte noch betriebene Mine Cornwalls, South Crofty, produziert Zinnkonzentrat, mit dem rund 20 Prozent des nationalen Eigenbedarfs gedeckt werden.

Industrie

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts war das Vereinigte Königreich als erstes Land der Welt zu einer Industrienation geworden. Die Gründe für das frühe Einsetzen dieses Prozesses waren vielseitig: eine führende Position im Wollhandel, günstige klimatische Bedingungen, Reichtum an Bodenschätzen, die Führungsposition auf den Weltmeeren, der Erwerb von Kolonien und damit von Absatzmärkten, kaum politische und religiöse Kriege wie in anderen europäischen Ländern, die Entwicklung effektiverer Produktionsmethoden (z. B. das Fabriksystem oder Arbeitskraft und -zeit sparende Maschinen) sowie die einschneidenden Veränderungen in der Landwirtschaft, die auch als "landwirtschaftliche Revolution" bezeichnet werden. Gerade die letztgenannte Entwicklung, die vor der industriellen Revolution einsetzte und diese begleitete, war von enormer Bedeutung. Neben den Herstellungsmethoden war auch die Qualität der Anbauprodukte und die Tierzucht verbessert worden, hinzu kam die Mechanisierung der Feldarbeit. Infolgedessen stieg die Nahrungsmittelproduktion derart an, dass auch die explosionsartig wachsende Stadtbevölkerung ernährt werden konnte. Darüber hinaus wurden Tausende von Landarbeitern entbehrlich und suchten Arbeit in den neuen städtischen Fabriken.

Der Zustrom von Flamen und Hugenotten während der protestantischen Reformation brachte einen Anstoß für die Wollindustrie, die seit dem Mittelalter die Grundlage der britischen Wirtschaft bildete. Auch neue Industriezweige, wie die Seidenweberei, Kleidungsfabrikation und die Herstellung von Hüten, Geschirr und Besteck, entstanden. Die Erfindung mechanisch betriebener Maschinen ließ die Textilindustrie rapide anwachsen und zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes werden. Die Entwicklung und Verbesserung mit Dampfkraft betriebener Maschinen durch die zwei schottischen Ingenieure James Watt und George Stephenson brachte die Industrialisierung Großbritanniens auf allen Gebieten voran und war insbesondere für die Entwicklung im Kohlesektor und in der Eisen- und Stahlerzeugung entscheidend. Der Wohlstand des Vereinigten Königreiches gründete im 19. Jahrhundert auf der Eisen- und Stahlproduktion, Schwerindustrie, Schiffsbau, Kohlebergbau, Textilindustrie und Handel.

Auch heute kommt der verarbeitenden Industrie im Vereinigten Königreich nach wie vor eine zentrale Rolle zu, trotz der zahlreichen Schwierigkeiten, mit denen der Sektor seit den siebziger Jahren zu kämpfen hat, wie z. B. wachsende internationale Konkurrenz und die verheerenden Folgen der Rezession der achtziger Jahre. In den frühen neunziger Jahren trug die verarbeitende Industrie 22 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Die Beschäftigungsrate ging in dem Sektor jedoch zurück, da Firmen schließen mussten und neue, produktionssteigernde Technologien eingeführt wurden. 1986 waren rund 5,2 Millionen Menschen in der verarbeitenden Industrie tätig, 1993 waren es noch 4,4 Millionen. Die Industriestruktur hat sich in den vergangenen 25 Jahren grundlegend verändert. Traditionelle Industrien, die bis in die dreißiger Jahre angewachsen waren und beispielsweise die Automobilherstellung mit einschlossen, sind seither im Umfang generell stark zurückgegangen, obwohl einzelne Firmen wie British Steel oder im Textilbereich Coats Viyella und Courtauld's in ihren jeweiligen Branchen zu den weltweit größten Unternehmen zählen. Auf dem Hochtechnologiesektor von Pharmaindustrie, Elektronik, Raumfahrt und Ölbohrinseln war ein Wachstum zu verzeichnen. Anfang der neunziger Jahre wurden rund 40 Prozent der in Europa verkauften Personalcomputer im Vereinigten Königreich gefertigt und das Königreich war in der Herstellung von Kommunikationsausstattung, u. a. Glasfaserkabel, führend auf dem Weltmarkt.

Gemessen an den erzielten Einkünften waren die wichtigsten Industriesektoren Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie, elektronisches und optisches Gerät, Zellstoff und Papierherstellung, Druckerei- und Verlagswesen, Chemikalien und Synthetikfasern, Maschinen, Transportgerät sowie Textil- und Lederwaren.

In Schottland und Nordirland besitzen Whiskyherstellung und Textilproduktion, vor allem Tweed und Leinen, eine lange Tradition. Heute ist Schottland aber auch innerhalb des Vereinigten Königreiches führend in der Computerherstellung. Die traditionellen Industrieregionen Englands sind Greater London und die städtischen Ballungszentren (mit Grafschaftsstatus) Greater Manchester, West Midlands (Birmingham), South Yorkshire und Tyne and Wear.

Währung, Banken und Finanzwesen

Die Landeswährung im Vereinigten Königreich ist das Pfund Sterling (= 100 New Pence). 1968 leitete das Vereinigte Königreich die auf drei Jahre angelegte Umstellung der Münzzählung auf das Dezimalsystem ein, indem zunächst die ersten beiden neuen Münzen eingeführt wurden, die 5-New-Pence-Münze (entspricht einem früheren Shilling) und die 10-New-Pence-Münze. 1969 wurde die 50-Pence-Münze eingeführt, die die frühere 10-Shilling-Banknote ersetzte. Die Umstellung war 1971 abgeschlossen. Das Pfund wurde im Juni 1972 mit flexiblem Wechselkurs gegen den Dollar und andere Währungen freigegeben.

Die Bank von England, gegründet 1694, wurde 1946 verstaatlicht. Sie ist die Zentralnotenbank für England und Wales. Verschiedene Banken in Schottland und Nordirland haben daneben das Recht, in beschränktem Umfang Banknoten auszugeben. Großbritannien verfügt außerdem über etwa 13 große Geschäftsbanken mit mehr als 10 000 Zweigstellen im In- und Ausland. Die meisten davon gehören zu einem der vier führenden Bankhäuser des Landes - Lloyds, Barclays, National Westminster und Midland. Finanzdienstleistungen werden auch vom Postwesen, den Sparkassen und Genossenschaftsbanken sowie Bausparkassen erbracht.

Des Weiteren umfasst das britische Bankwesen eine Reihe von inländischen Clearing- oder Girobanken, Diskontbanken und weiteren Finanzinstituten wie die Londoner Wertpapierbörse und den Versicherungsmarkt von Lloyd's, die zur Bedeutung des Vereinigten Königreiches als führendes Weltfinanzzentrum beitragen. Der Sitz des Finanzdienstleistungsgewerbes im Königreich ist seit jeher London, und zwar die berühmte "Quadratmeile" im Herzen der Stadt. Dies ist auch heute noch der Fall, obwohl sich Großstädte wie Manchester, Cardiff, Liverpool, Leeds, Edinburgh und Glasgow in den letzten Jahren ebenfalls zu Finanzzentren entwickelten. London weist jedoch die weltweit größte Konzentration an ausländischen Geldinstituten auf. Hier werden 20 Prozent der gesamten internationalen Bankkreditvergabe abgewickelt. London besitzt auch einen der weltweit größten Versicherungsmärkte, ist das Weltzentrum für den Handel mit ausländischen Stammaktien, besitzt einen der größten Märkte für den Handel mit finanziellen Derivaten und ist einer der wichtigsten Märkte für Handelsgüter wie Kupfer, Gold, Kakao und Kaffee.

Außenhandel

Dem Außenhandel kommt im Vereinigten Königreich seit Jahrhunderten eine zentrale Bedeutung zu. Die Führungsposition, welche die Nation im 18. und 19. Jahrhundert im Welthandel innehatte, geht wesentlich auf ihre abgeschiedene Insellage zurück; während auf dem europäischen Festland Kriege und politische Spannungen die Entwicklung der Handelszentren belasteten, blieben die Britischen Inseln davon verschont. Die Entstehung der großen Handelsgesellschaften (siehe Ostindische Kompanie; Hudson's Bay Company), die Ausdehnung des Kolonialreiches und die Beherrschung der Weltmeere waren weitere Faktoren. Vor dem 17. Jahrhundert lag der Außenhandel Englands fast ausschließlich in ausländischen Händen. Das Hauptexportgut war Wolle, eingeführt wurden vor allem gefertigte Güter. Im Sinne des Merkantilismus - der beherrschenden Wirtschaftstheorie des 17. und 18. Jahrhunderts - förderte die Regierung den Außenhandel, die Entwicklung der Seefahrt und die Entstehung von Handelsgesellschaften. Die überseeischen Besitzungen des Königreiches vermehrten sich im 18. und 19. Jahrhundert. In den Kolonien wurde die Wollegewinnung durch Schafzucht zur wirtschaftlichen Hauptbeschäftigung. Allmählich kehrte sich die bisherige Praxis des Wollexports und Warenimports um; das Vereinigte Königreich importierte nun Wolle und fertigte im eigenen Land Garn und Stoffe für den Export. Baumwolltextilien, Eisen und Stahl sowie Kohle wurden zu den typischen britischen Exportgütern.

Heute ist das Vereinigte Königreich die fünftgrößte Handelsnation der Welt und exportiert mehr Güter pro Kopf als die Vereinigten Staaten und Japan. Durch die Mitgliedschaft in der EU und, seit Januar 1994, im Europäischen Binnenmarkt gehört das Königreich auch zum größten Wirtschaftsraum der Welt. Die Hauptimporte sind Nahrungsmittel, Holz und Papierprodukte, Maschinen, chemische Produkte, Kraftfahrzeuge, Anlagen für elektronische Datenverarbeitung und andere gefertigte Güter. Die wichtigsten Exportartikel sind Maschinen, Kraftfahrzeuge, grundlegende Gebrauchsgegenstände, Erdöl, chemische Produkte, Präzisionsinstrumente sowie Raumfahrt- und Elektronikausstattung.

Der Warenhandel macht jedoch nur einen Teil des britischen Gesamthandels aus. Der Dienstleistungsverkehr einschließlich Finanzdienstleistungen und Tourismus, Einkünfte aus Kapitaleinlagen und weitere immaterielle Werte, die auch als unsichtbare Einkünfte bezeichnet werden, sind mindestens ebenso wichtig für die britische Wirtschaft wie der Handel mit materiellen Gütern. Bei den Einkünften aus Dienstleistungen gehört das Vereinigte Königreich zu den drei weltweit führenden Staaten; sein Anteil am gesamten internationalen Dienstleistungsverkehr beträgt 5 Prozent, der Anteil an Kapitaleinkünften 14 Prozent.

Der Einzelhandel im Inland wird größtenteils über private Einzelhandelsgeschäfte, Warenhäuser, Einzelhandelsketten, genossenschaftliche Läden und Supermärkte abgewickelt. Letztere sind in einem immer größer werdenden Umfang tätig. Über die Hälfte des gesamten Großhandels findet in London statt.

Verkehrswesen

Die erste öffentliche dampfgetriebene Eisenbahn der Welt, die Stockton-on-Tees und Darlington-Eisenbahn, ging 1825 in Betrieb. Es folgte ein Vierteljahrhundert grenzenloser Eisenbahnbegeisterung, die in einem neu entstehenden Streckennetz von über 9 600 Kilometern ihren Ausdruck fand. Die Ausweitung des Streckennetzes setzte sich etwas verlangsamt noch bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein fort. Während der ersten 100 Jahre der Eisenbahn schlossen sich die unzähligen kleinen Betreibergesellschaften allmählich zusammen, verschmolzen oder wurden von größeren geschluckt. 1923 gab es nur noch vier große Vereinigungen in Großbritannien: die London, Midland, and Scottish Railway, die London and North Eastern Railway, die Great Western Railway und die Southern Railway. 1948 wurden sie einschließlich der dazugehörenden Strecken, Bahnhöfe, Hotels und Kanäle verstaatlicht und der britischen Verkehrskommission der Regierung zur Verwaltung unterstellt. Die Kommission wurde 1963 durch den British Railways Board (BR) ersetzt. 1955 begann ein Modernisierungsprogramm, das nach und nach alle Dampfeisenbahnen durch Diesel- und elektrisch getriebene Lokomotiven ersetzte. Die letzte Dampflokomotive wurde von der Eisenbahnbehörde 1968 aus dem Verkehr gezogen. Ein weiterer Einschnitt war die Schließung vieler Strecken während der sechziger Jahre, wodurch Kosten gespart und die Leistungen rationalisiert werden sollten, um der wachsenden Konkurrenz durch den Frachttransport auf der Straße zu begegnen. Dieser Plan, der von Richard (später Lord) Beeching, dem Vorsitzenden des BR, in den Jahren 1963 bis 1965 entworfen und autorisiert worden war, wurde später im Volksmund als "Beeching-Act" bekannt.

Bis 1994 war der BR in sechs Verwaltungsregionen gegliedert: London Midland, den Westen, Süden und Osten sowie Anglia und Schottland. 1994 trat ein 1993 erlassenes Eisenbahngesetz in Kraft, das die Eisenbahnbehörde reorganisierte, um ihre Privatisierung ab 1995 vorzubereiten. Die Zuständigkeiten für das Schienennetz und die Züge wurden getrennt. Für das Streckennetz war nun eine Gesellschaft im Besitz der Regierung verantwortlich; der Gütertransport wurde, nach Gebieten getrennt, drei Betreibergesellschaften übertragen, die 1995 privatisiert wurden. Die Personenbeförderung wurde auf 25 innerhalb des BR operierende Abteilungen mit dem Ziel übertragen, durch die Vergabe von Konzessionen für einzelne Personenverkehrsstrecken an private Betreiber schließlich eine Privatisierung einzuleiten. In der ersten Hälfte des Jahres 1995 wurden Bewerbungen um die ersten sechs Streckenkonzessionen entgegengenommen. Für das Jahr 1996 waren weitere Konzessionsvergaben geplant. Es kam jedoch zu Verzögerungen, da die Bestrebungen zur Privatisierung der Eisenbahnbehörde äußerst umstritten waren und im Vereinigten Königreich auf massive Kritik stießen.

Heute sind etwa 30 Prozent des Streckennetzes elektrifiziert. Hinzu kommen circa 408 Kilometer Schienennetz in London, das von der Londoner U-Bahn-Gesellschaft (London Underground Ltd.) betrieben wird und zu etwa 42 Prozent unterirdisch verläuft. Dieses Streckennetz wird zurzeit durch den Bau neuer Verbindungen im Osten und Südosten Londons erweitert. Darüber hinaus gibt es in Glasgow, Liverpool, Tyne and Wear und Manchester städtische Schienennetze. Die Eisenbahnlinien in Nordirland werden von der dortigen Eisenbahngesellschaft Northern Ireland Railway Company Ltd. betrieben. Anfang der neunziger Jahre waren rund 330 Kilometer Schienen in Betrieb.

Ein historischer Traum, die - allerdings immer auch kontrovers diskutierte - Verwirklichung einer festen Landverbindung zwischen der britischen Hauptinsel und Europa, nahm im 20. Jahrhundert Gestalt an. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts begannen Arbeiten an einem Tunnel unter dem Armelkanal. Das Vorhaben wurde zunächst wieder aufgegeben, 1957 jedoch erneut aufgegriffen. Die wieder aufgenommenen Arbeiten kamen angesichts der hohen Kosten auf britisches Bestreben hin 1973 erneut zum Erliegen. 1987 wurde der Bau endgültig fortgesetzt und 1990 zunächst ein Hilfstunnel fertig gestellt. Der eigentliche Tunnel verbindet die Städte Folkestone und Calais und besitzt eine Länge von 52 Kilometern. Die Baukosten beliefen sich auf über 16 Milliarden US-Dollar. Der Tunnel verläuft 130 Meter unterhalb des Meeresspiegels. Er wurde 1993, mehr als ein Jahr später als geplant, fertiggestellt. In den beiden großen Tunnelröhren (eine dritte, kleinere dient zu Rettungs- und Wartungszwecken) verkehren Spezialzüge, die neben den Reisenden auch deren Personen- und Lastkraftwagen aufnehmen. Die Fahrzeit reduziert sich gegenüber dem Fährverkehr erheblich. Am 6. Mai 1994 wurde der Euro-Tunnel offiziell eröffnet und zu diesem Anlass von Königin Elisabeth II. und dem französischen Präsidenten François Mitterrand erstmals durchfahren. Der Güterverkehr wurde noch im selben Monat freigegeben, die Personenbeförderung begann jedoch erst ein knappes Jahr später. Bislang hat die von privaten Geldgebern mitfinanzierte Tunnelbetreibergesellschaft Verluste in Rekordhöhe eingefahren. Sie gefährdet andererseits die wirtschaftliche Grundlage der Fährschifferei, die auf die neue Konkurrenz mit massiven Preiszugeständnissen reagieren musste. Zwei spektakuläre Brände in den Tunnelröhren blieben ohne größere Auswirkungen.

Die britische Fluggesellschaft British Airways entstand 1972 durch die Fusion der beiden damaligen staatlichen Fluggesellschaften für Übersee und Europa, British Overseas Airways Company und British European Airways. British Airways wurde 1987 privatisiert. Das Unternehmen zählt zu den größten Fluggesellschaften der Welt und betreibt mit 155 Zielorten in 72 Ländern das weltweit größte Streckennetz. 1976 führte British Airways zusammen mit der französischen Fluggesellschaft Air France mit der Concorde das erste Überschallflugzeug zur Personenbeförderung im Linienverkehr ein. Neben der nationalen Fluggesellschaft gibt es im Vereinigten Königreich zahlreiche unabhängige Anbieter. Zu den größten zählen Air UK, British Midland, Virgin Atlantic und Britannia Airways, letztere ist die weltweit größte Charterfluggesellschaft. Die zwei großen Londoner Flughäfen Heathrow und Gatwick gehören zu den verkehrsreichsten Drehscheiben des internationalen Personenverkehrs der Welt. In Heathrow werden Jahr für Jahr an die 50 Millionen Passagiere abgefertigt. Damit ist Heathrow der Flughafen mit dem weltweit größten internationalen Verkehrsaufkommen. In Gatwick werden jährlich etwa 20 Millionen Passagiere gezählt. Darüber hinaus gibt es weitere 146 lizenzierte Zivilflugplätze im Vereinigten Königreich. Elf davon haben ein Verkehrsaufkommen von über einer Million Passagieren pro Jahr.

1970 trat das Vereinigte Königreich der europäischen Airbus Industrie, einem europäischen Konsortium der Luftfahrtindustrie, als Geschäftspartner bei, 1979 wurde es Vollmitglied. Die Airbus Industrie baut mittlere bis große Großraum-Passagierflugzeuge, wobei jedes Konsortiumsmitglied ganz spezifische Beiträge leistet. Mitgliedsstaaten sind Frankreich, Deutschland, Belgien, die Niederlande und Spanien.

Das öffentliche Straßennetz im Vereinigten Königreich ist unterschiedlich gut ausgebaut: In England liegen über 71 Prozent des gesamten Straßennetzes und fast 85 Prozent des Autobahnnetzes. 1994 verlangsamte die Regierung ihr Straßenbauprogramm. Dies war zum Teil eine Reaktion auf wissenschaftliche Erkenntnisse, wonach der Bau neuer Fernstraßen und Autobahnen nicht, wie beabsichtigt, zu einem fließenderen Verkehr, sondern zu mehr Verkehrsaufkommen insgesamt geführt hatte - eine Bestätigung der bereits früher von Umweltschützern erstellten Prognose.

Tourismus

Der Tourismus macht einen entscheidenden Teil der Einkünfte des Vereinigten Königreiches aus und stellt einen Wirtschaftszweig von wachsender Bedeutung dar; der Sektor beschäftigt 7 Prozent der arbeitenden Bevölkerung und trägt rund 48 Milliarden US-Dollar jährlich zur Gesamtwirtschaft bei. Das Vereinigte Königreich zählt zu den sechs beliebtesten Urlaubszielen der Welt. In den frühen neunziger Jahren zog es fast 20 Millionen Besucher aus dem Ausland an, ein Zuwachs von 50 Prozent gegenüber den frühen achtziger Jahren. Mit dem Tourismusförderungsgesetz von 1969 wurde die British Tourist Authority (Britische Fremdenverkehrszentrale) gegründet, eine staatliche Organisation, die für Öffentlichkeitsarbeit und die Verbesserung des Unterkunfts- und Transportangebots für Touristen zuständig ist.

Energie

Das Vereinigte Königreich besitzt die umfangreichsten Rohstoffe aller EU-Länder und ist darüber hinaus ein weltweit bedeutender Erdöl- und Erdgaslieferant. Weitere wichtige Energiequellen sind Kohle und Atomenergie. Wasserkraft war in der Frühphase der Industrialisierung die wichtigste Energiequelle, spielt aber heute abgesehen von einigen Wasserkraftwerken in Schottland kaum noch eine Rolle. Die Entwicklung alternativer Energien befindet sich noch in den Anfängen, vor allem der Bau so genannter Windfarmen in Gebieten Nord- und Südwestenglands, in Wales und in Schottland.

Der Untergrund der Insel Großbritannien weist über weite Strecken hinweg Kohleablagerungen auf und tatsächlich kann der Kohleabbau bis in die Zeit der römischen Besetzung zurückverfolgt werden. Kohlesteuern lieferten die nötigen Finanzmittel, um London nach dem großen Brand von 1666 (siehe großer Brand von London) wieder aufzubauen, und Kohle war auch die Hauptenergiequelle und ein Schlüsselfaktor der industriellen Revolution. Die Kohleförderung erreichte 1913 ihren Höhepunkt; damals wurden 292 Millionen Tonnen produziert, 74 Millionen Tonnen exportiert, und eine Million Menschen waren in dem Sektor beschäftigt. Seither erlitt die Kohleindustrie jedoch einen Niedergang. Die schlimmsten Einschnitte ereigneten sich während der letzten 20 Jahre, vor allem seit dem Ende des erbitterten Bergarbeiterstreiks, der sich über das ganze Jahr 1984 hinzog. Als die Kohleindustrie 1947 verstaatlicht wurde (siehe unten, Geschichte), wurden von fast 900 Zechen mehr als 200 Millionen Tonnen produziert. Als die staatliche Kohlegesellschaft (British Coal Corporation) Ende 1992 im Rahmen einer Reprivatisierung die ersten 28  Zechen zur Verpachtung an private Betreiber anbot, war die Produktion unter 84 Millionen Tonnen gesunken und es waren nur mehr 50 Zechen übrig. Knapp die Hälfte davon war noch in Betrieb, als British Coal im Januar 1995 privatisiert wurde, und die Gesamtproduktion lag inzwischen bei rund 60 Millionen Tonnen. Die Zahl der Arbeitsplätze war von rund 200 000 im Jahr 1985 auf etwa 11 000 ein Jahrzehnt danach abgesunken, was für die Bevölkerung der Bergbauregionen wie Yorkshire, Nottinghamshire, Derbyshire und Südwales tief greifende soziale Probleme mit sich brachte.

Selbst Modernisierungs- und Mechanisierungsmaßnahmen, die die britische Kohleindustrie gemessen an der Beschäftigtenzahl zu einer der effizientesten und produktivsten ihrer Art in der ganzen Welt werden ließen, konnten dies nicht verhindern. Weitere Faktoren des Niedergangs waren das Auslaufen der Zuschüsse für die Kohleindustrie seitens der Regierung der Konservativen nach 1979 sowie wachsende Bedenken angesichts der Umweltverschmutzung durch Verbrennung von Kohle. Fast drei Viertel der britischen Kohle werden im Untertagebau, der Rest im Tagebau gewonnen. Trotz der Schwierigkeiten, welche die Industrie in den letzten Jahren durchlief, werden nach wie vor rund 25 Prozent der britischen Energie durch Kohle erzeugt.

Die ersten Erdöllagerstätten in der Nordsee wurden 1969 vor der Nordostküste Schottlands entdeckt; die Ölförderung begann 1975. Im Jahr 1980 wurden in 15 Ölfeldern zusammen 1,6 Millionen Barrel pro Tag gefördert und damit praktisch der gesamte Bedarf des Vereinigten Königreiches gedeckt. Außerdem wurde Erdöl zu einem wichtigen Exportgut. Die Gewinnung von Erdgas aus der Nordsee vor der Ostküste Englands setzte 1967 ein und ist seither ständig angewachsen. Seit 1980 wurden neue Erdöl- und Erdgaslager vor den Küsten entdeckt sowie kleinere Erdöllager zu Lande, beispielsweise bei Wytch Farm in Dorset. 1994 war das Vereinigte Königreich mit rund 66 Ölfeldern (62 davon im Meer) der zehntgrößte Erdölproduzent der Welt und mit seinen 48 Erdgasfeldern im Meer der fünftgrößte Erdgaslieferant. Der Gesamtumfang der geförderten Rohstoffe betrug rund 2,06 Millionen Barrel Rohöl pro Tag und 65,488 Millionen Kubikmeter Erdgas.

Das Vereinigte Königreich gehörte zu den ersten Staaten, die Kernkraftwerke zur Stromerzeugung einsetzten. Das erste große, kommerziell genutzte Atomkraftwerk der Welt, das Kraftwerk Calder Hall in Cumberland, ging 1956 in Betrieb. Anfang der neunziger Jahre lieferte die Atomenergie ungefähr 18 Prozent des Stroms im Vereinigten Königreich. Der restliche Bedarf wurde zu 75 Prozent mit fossilen Brennstoffen (vor allem Kohle und Öl) gedeckt, Gasturbinenkraftwerke lieferten knapp 4 Prozent, Wasserkraftwerke 3 Prozent. Der jährliche Elektrizitätsausstoß betrug in den frühen neunziger Jahren über 300,5 Milliarden Kilowattstunden. 36 Prozent wurden von den Haushalten, 34 Prozent von der Industrie verbraucht. Die Elektrizitätsindustrie wurde 1989 privatisiert, die Gasindustrie 1986.

Geschichte

Das Königreich Großbritannien entstand im Jahr 1707 durch die Vereinigung des englischen und schottischen Parlaments (siehe Act of Union: Vereinigung Englands und Schottlands). England, einschließlich des im 14. Jahrhundert annektierten und im 16. Jahrhundert per Gesetz an England angeschlossenen Fürstentums Wales, und Schottland waren seit dem frühen Mittelalter getrennte Königreiche. Ab 1603, nach dem Tod von Königin Elisabeth I., wurden beide Länder in Personalunion vom selben König regiert, erhielten jedoch erst 1707 eine gemeinsame gesetzgebende Versammlung. London wurde zur Hauptstadt des gesamten Inselreiches. Damit verfügte Großbritannien von nun an nicht nur über ein gemeinsames Parlament, sondern auch über ein gemeinsames, landesweites Verwaltungssystem, einheitliche Besteuerung und ein einheitliches Maß- und Gewichtssystem. Alle Zollgrenzen innerhalb des Landes wurden aufgehoben. England und Schottland behielten jedoch weiterhin getrennte Gerichtssysteme und Staatskirchen, die presbyterianische Kirche in Schottland und die anglikanische Kirche in England und Wales. Zur Geschichte Großbritanniens vor 1707 siehe Britannien, in der Frühgeschichte; England; Schottland; Wales.

Ein Jahrhundert der Konflikte

Eines der Hauptziele der Vereinigung der Länder lag darin, das Königreich angesichts der Belastung durch den Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714) zu stärken. Unter der Führung John Churchills, des 1. Herzogs von Marlborough, hatten England bzw. später Großbritannien und seine Verbündeten zahlreiche Schlachten gegen Frankreich, den damals bevölkerungsreichsten und mächtigsten Staat Europas, gewonnen. Um 1710 zeichnete sich jedoch ab, dass auch Marlborough den französischen König Ludwig XIV. nicht daran hindern konnte, einen ihm verwandten Bourbonen auf den spanischen Thron zu bringen. Marlborough und seine politischen Gefolgsleute wurden von Mitgliedern der Tory-Partei abgelöst, die in angemessener Zeit einen Friedensschluss mit Frankreich herbeiführten. Im Frieden von Utrecht (1713) erkannte Großbritannien den Anspruch der Bourbonen auf den französischen Thron an. Zur selben Zeit überließ Frankreich dem Königreich Großbritannien die nordamerikanischen Gebiete Hudson Bay, Nova Scotia und Neufundland. Spanien trat Gibraltar und die Mittelmeerinsel Menorca ab und räumte britischen Handelstreibenden begrenzte Handelsverbindungen mit den spanischen Kolonien in Amerika ein. Bis 1750 umfassten die spanischen Zugeständnisse auch die des asiento, des Rechtes, afrikanische Sklaven nach Spanisch-Amerika einzuführen.

Da die britische Königin Anna bei ihrem Tod keine Kinder hinterließ, folgte ihr, gemäß der 1701 im Act of Settlement festgelegten Erbfolgeregelung, der ihr nächststehende protestantische Verwandte auf den Thron. Dies war ein Deutscher, der Kurfürst von Hannover, der 1714 als König Georg I. den Thron Großbritanniens bestieg. Damit begann eine neue Ara in der britischen Geschichte.

Die Regierung im 18. Jahrhundert

In die ersten Jahre der Regierungszeit Georgs I. fielen zunächst zwei größere Krisen: der jakobitische Aufstand von 1715, eine Revolte von Anhängern Jakob Eduard Stuarts, des Halbbruders von Königin Anna, sowie der so genannte "South Sea Bubble" (etwa: "Südseeschwindel"), ein umfassender Börsenkrach im Jahr 1720. Trotz dieser Krisen brachen in Großbritannien zu dieser Zeit zwei Jahrzehnte an, die relativen Frieden und Stabilität bringen sollten. Die Verwaltung des Landes blieb weitgehend den Grund besitzenden Landadeligen überlassen. Sie sorgten in ihrer Funktion als Friedensrichter auch für die Beilegung der meisten Rechtsstreitigkeiten. Sie waren für die Verwaltung von Straßen, Brücken, Gasthöfen und Märkten zuständig und beaufsichtigten vor Ort die Umsetzung der Armengesetze, der Hilfe für Waisen, Arme, Alte und all jene, die wegen Krankheit nicht arbeiten konnten. Als Gesamtnation entwickelten die Briten in zunehmendem Maße einen Stolz auf ihre gemischte Regierungsform, in der sich monarchische Elemente (das Erbkönigtum), aristokratische Elemente (die Erbmitgliedschaft im Oberhaus) und demokratische Elemente (das gewählte Unterhaus) verbanden und in dem daneben ein unabhängiges Gerichtswesen existierte. Die Regierungszeit Königin Annas war von häufigen Parlamentswahlen (alle drei Jahre) und ausgeprägten Rivalitäten zwischen den Parteien der Whigs (Liberale) und Tories (Konservative) geprägt gewesen. Seit der Thronbesteigung Georgs I. erfreuten sich die Whigs größerer Beliebtheit, da viele Tories noch die Thronansprüche der Stuarts unterstützten. Der "Septennial Act", ein Gesetz von 1716, legte fest, dass Parlamentswahlen nur alle sieben Jahre stattfinden sollten, anstatt alle drei Jahre wie bisher, und so ging die direkte politische Beteiligung der Bevölkerung zurück. Das Parlament umfasste 122 Grafschaftsvertreter und 436 Vertreter der Gemeinden. Nahezu alle Grafschaften und Gemeinden entsandten zwei Mitglieder ins Parlament, aber jede Gemeinde, ob Stadt oder Dorf, besaß ihre eigenen Gepflogenheiten in der Auswahl der Parlamentsabgeordneten. Sogar jene Bürger, die kein Wahlrecht besaßen, konnten sich auf Rechte wie das Gesuch, die Geschworenengerichtsbarkeit oder den Schutz vor willkürlicher Verhaftung berufen. Den Anspruch auf die vollen politischen Privilegien hatten nur Mitglieder der anglikanischen Kirche, aber auch nichtanglikanische Protestanten durften dem Recht nach ihren Glauben ausüben, sofern sie bereit waren, einmal pro Jahr die anglikanische Kommunion zu empfangen.

Zwei Jahrzehnte der Kriege

Zwischen 1739 und 1763 war Großbritannien fast ständig in Kriege verwickelt; der Krieg gegen Spanien (siehe War of Jenkins's Ear) ging schon bald in den Österreichischen Erbfolgekrieg über (Kriegsausbruch 1740), in dem Preußen, Frankreich und Spanien gegen Österreich standen. Großbritannien wurde Österreichs Hauptverbündeter, und so kämpften britische Armeen und Kriegsschiffe in Europa, Nordamerika und auf hoher See gegen die Franzosen; sogar in Indien, wo die Ostindiengesellschaften der Briten und Franzosen um die Vorherrschaft rivalisierten, wurde der Krieg ausgetragen. Die Schotten machten sich die außenpolitische Belastung des Königreiches zu Nutze, indem sie 1745 ein letztes Mal versuchten, die Stuarts auf den britischen Thron zu bringen. Als Prinz Charles Edward Stuart schottischen Boden betrat, konnte er sich die Unterstützung Tausender von Highland-Bewohnern sichern. Mit ihrer Hilfe eroberte er im September Edinburgh und rief seinen Vater als Jakob III. zum König aus. Sodann marschierte er mit seiner Armee südwärts, näherte sich London bis auf eine Entfernung von 161 Kilometern, konnte jedoch nicht mehr genügend englische oder schottische Anhänger für sich begeistern und musste sich im Dezember nach Schottland zurückziehen. Im April des folgenden Jahres wurden er und seine jakobitischen Gefolgsleute in der Schlacht bei Culloden besiegt, und Charles floh nach Frankreich.

Der Österreichische Erbfolgekrieg endete 1748 mit dem Aachener Frieden und der Wiederherstellung des territorialen Status quo, zumindest aus britischer Sicht (siehe Friede von Aachen). In der Zwischenzeit war im Vereinigten Königreich nach einer Reihe kurzlebiger Regierungskabinette eine relativ stabile Regierung unter Henry Pelham an der Macht (1748-1754). Mitte der fünfziger Jahre des Jahrhunderts sah sich das Königreich in einen inoffiziellen Krieg gegen Frankreich verwickelt, dessen Schauplätze Nordamerika und Indien waren. 1756 kam es erneut zum offenen Krieg. Im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) standen sich Großbritannien und Preußen einerseits und Frankreich, verbündet mit Österreich, andererseits gegenüber. Für Großbritannien begann der Krieg mit einer Reihe von Niederlagen in Nordamerika, in Indien, im Mittelmeer und auf dem europäischen Festland, wo die Franzosen Hannover besetzt hatten. Unter dem starken Druck der Öffentlichkeit ernannte Georg II. schließlich den tatkräftigen William Pitt den Alteren zum Minister. Er sollte den Krieg gegen das Ausland führen, während der Herzog von Newcastle das politische Geschehen im Inneren beaufsichtigte. Pitt war ein hervorragender Stratege und führte den Krieg voller Eifer. Die französische Flotte wurde vor der Küste Portugals besiegt, die britische Ostindienkompanie triumphierte in Bengalen und anderswo über ihre französische Konkurrenz und britischen Truppen gelang es mit Unterstützung der Kolonien, in Nordamerika Fort Duquesne (heutiges Pittsburgh, Pennsylvania, USA) sowie Quebec und Montreal in Kanada zu erobern. Zwar musste Pitt 1761 von seinem Amt zurücktreten, und Großbritannien nahm an den Friedensverhandlungen getrennt von Preußen teil, dennoch wurde der Friede von Paris (1763) ein diplomatischer Triumph für Großbritannien. Alle französischen Ansprüche auf Kanada und auf Ländereien östlich des Mississippi wurden an Großbritannien abgetreten, ebenso die meisten französischen Besitzrechte in Indien. Spanien, das 1762 auf französischer Seite in den Krieg eingetreten war, trat Florida ab. Durch den Frieden von Paris erreichte das britische Empire im 18. Jahrhundert seinen Höhepunkt.

Die ersten Jahre der Regierung Georgs III.

1760 übergab König Georg II. im hohen Alter die Krone seinem Enkel, der als König Georg III. den britischen Thron bestieg. Dieser, in Großbritannien gebürtig, besaß ein tiefes Pflichtgefühl für seine Aufgabe und versuchte, in der Regierung des Landes eine aktive Rolle zu spielen. Im Hinblick darauf besetzte er die Regierung mit Männern, denen er voll vertraute, wie z. B. seinem früheren schottischen Hauslehrer Lord Bute, den er 1762 zum Premierminister ernannte. Bute war jedoch nicht besonders erfolgreich, die vier nachfolgenden Minister waren ebenfalls nur kurz im Amt. 1770 ernannte Georg III. mit Lord North schließlich einen Regierungschef, der sowohl ihm als auch der Mehrheit des Parlaments zusagte.

In den sechziger Jahren des Jahrhunderts schürte eine Gruppe von Politikern ohne festes Amt die öffentliche Kritik gegen Georg III., insbesondere wegen dessen Protektion bestimmter Politiker. Der Zeitungsherausgeber John Wilkes wurde wegen der scharfen Kritik in seinen Veröffentlichungen der aufrührerischen Verleumdung für schuldig befunden (1764), eingesperrt und seines Parlamentsmandats enthoben, das er jedoch von den Wählern später wieder erhielt. Seine Anhänger, die sich zur Gesellschaft der Befürworter der Bill of Rights zusammenschlossen (eines Gesetzes aus dem 17. Jahrhundert, das die Rechte des Einzelnen vor Übergriffen des Staates schützt), wurden zum Vorbild für spätere radikale Reformbestrebungen. In ihrem Programm forderten sie die Freiheit der Presse, die Abschaffung so genannter "rotten boroughs" ("korrupter Wahlbezirke", d. h. Wahlbezirke, die trotz minimaler Wählerzahl mit einem Sitz im Parlament repräsentiert sind), eine Ausweitung des Wahlrechtes und häufigere Parlamentssitzungen.

Der Nordamerikanische Unabhängigkeitskrieg

Die von den Anhängern Wilkes' geäußerten Befürchtungen für das Staatswesen bestärkten die weit radikaleren Führer der amerikanischen Kolonien in ihrem Misstrauen gegen die Regierung Großbritanniens. Die Kolonien hatten seit langem ein beträchtliches Ausmaß an Selbstverwaltungsrechten genossen. Seit 1763 waren sie zudem von der Bedrohung durch Frankreich befreit. Vor diesem Hintergrund lehnten sie die von mehreren aufeinanderfolgenden britischen Regierungen vorgebrachten Forderungen, sich an den Kriegskosten des Empires in Form von gemischten Steuern und Zöllen zu beteiligen, heftig ab. Ebenso waren sie aufgebracht über die britischen Bestrebungen, merkantilistische Handelsgesetze durchzusetzen und erzürnt darüber, dass die Londoner Regierung die gesetzgebenden Versammlungen der Kolonien nicht als ebenbürtig akzeptierte. Die widerstrebende Haltung der amerikanischen Kolonien führte schon bald zur Einberufung des 1.  Kontinentalkongresses in Nordamerika (1774) und schließlich zum Ausbruch kriegerischer Auseinandersetzungen (1775). Während Kritiker im Parlament, wie Edmund Burke, weiterhin auf eine friedliche Aussöhnung drängten, vertraten Georg III. und Lord North die Ansicht, dass die Kolonien wieder in ihre Schranken verwiesen werden mussten.

Die britische Regierungsgewalt in den 13 Kolonien brach 1775 zusammen. Obwohl britische Truppen zunächst Boston und später New York (1776) und Philadelphia (1777) einnehmen konnten, gaben die Amerikaner nicht auf. Nach der Niederlage General John Burgoynes bei Saratoga (1777) weitete sich der Bürgerkrieg innerhalb des britischen Empire zu einem internationalen Krieg aus. Auf die Seite der Kolonien, also gegen Großbritannien, stellten sich zunächst Frankreich (1778), dann Spanien (1779) und Holland (1780). Weitere Staaten bildeten einen Bund, der sich neutral verhielt. Erstmals seit mehr als einem Jahrhundert war Großbritannien diplomatisch isoliert. Nach der Kapitulation General Charles Cornwallis' bei Yorktown (1781) zwang der im britischen Mutterland wachsende Unmut über die Niederlagen und die hohe Besteuerung, die die Kriegskosten verursachten, Lord North zum Rücktritt (1782) und seinen Nachfolger zur Unterzeichnung eines neuen Pariser Friedens (1783). Die 13 Kolonien wurden als unabhängige Staaten anerkannt und erhielten alle britischen Besitzungen südlich der Großen Seen. Florida und Menorca mussten an Spanien zurückgegeben werden, einige Westindische Inseln und mehrere afrikanische Hafenstädte an Frankreich.

Die napoleonischen Kriege

Im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts setzten sich die Kriege der Französischen Revolution in den napoleonischen Kriegen fort, nachdem Napoleon I. (Napoleon Bonaparte) die französische Revolutionsregierung übernommen hatte. Pitts erste Koalition (daher auch 1. Koalitionskrieg) gegen die Franzosen (mit Preußen, Österreich und Russland) zerbrach 1796. 1797 setzten Niederlagen und Meutereien der Flotte Großbritanniens zu, während gleichzeitig französische Truppen eine Invasion Großbritanniens versuchten. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges waren ein Boom in der landwirtschaftlichen Produktion und in diversen Industrien einerseits, aber auch rapide Inflation andererseits; die Löhne blieben deutlich hinter der Preissteigerung zurück und die Aufwendungen für die Umsetzung der Armengesetze wuchsen an. 1797 war die Bank von England gezwungen, das System der Deckung von Papiergeld durch Gold auszusetzen, und das Parlament verabschiedete erstmals eine Einkommenssteuer. Rebellionen und die drohende Invasion französischer Truppen bewogen Großbritannien zum politischen Zusammenschluss mit Irland; so kam es 1801 zur Bildung des Vereinigten Königreiches Großbritannien und Irland. Das Parlament in Dublin wurde abgeschafft und 100 irische Vertreter im Londoner Parlament aufgenommen. In Dublin verblieben als Vertreter der Regierungsgewalt nur ein irischer Statthalter und eine von London ernannte Verwaltungsbehörde.

Obwohl die Franzosen in der Schlacht am Nil (vor Abukir) 1798 geschlagen wurden, verlief der Krieg aus britischer Sicht ungünstig. Auch die zweite Koalition europäischer Mächte brach 1801 zusammen, und 1802 schloss das Königreich in Amiens Frieden mit Napoleon. Im folgenden Jahr brach erneut Krieg aus und eine dritte Koalition zerfiel zwischen 1805 und 1807. Die Invasionspläne Napoleons konnten durch die unter Lord Nelson siegreich geführte Seeschlacht bei Trafalgar (1805) vereitelt werden. Daraufhin versuchte Napoleon das Vereinigte Königreich durch eine Blockade des Seehandels, die so genannte Kontinentalsperre, in den Ruin zu treiben. Da die Blockade nur schwer durchzuhalten war, versuchte sich Napoleon an der Invasion Russlands (1812). Dieser Schritt beschwor die vierte Koalition seiner Gegner herauf (Vereinigtes Königreich, Russland, Österreich und Preußen), die schließlich, nach Ablauf von zwei Jahren, den Sturz Napoleons zuwege brachte. Der Beitrag der Briten war u. a. eine von Arthur Wellesley, Herzog von Wellington, geführte Armee, die von 1809 bis 1813 in Spanien kämpfte. Darüber hinaus waren Briten an der Schlacht von Waterloo im Juni 1815 beteiligt, der vernichtenden Schlacht gegen Napoleon nach dessen Rückkehr aus der Verbannung auf Elba. Der Krieg gegen die USA (1812) war für das Vereinigte Königreich nur von marginaler Bedeutung und brachte keine territorialen Veränderungen.

Ein Jahrhundert des Friedens

1811 wurde Georg III., der inzwischen unter offensichtlicher geistiger Umnachtung litt, als König von seinem ältesten Sohn abgelöst. Dieser regierte zunächst als Prinzregent und ab 1820 als König Georg IV. Obwohl er ein Mäzen der Künste und besonders der Regency-Architektur war, machte er sich zunehmend unbeliebt, zum Teil wegen seiner Verschwendungssucht und Extravaganzen, vor allem aber wegen seines Verhaltens gegenüber seiner Frau Karoline von Braunschweig, von der er sich 1820 scheiden lassen wollte, und der er untersagte, seiner Krönung 1821 beizuwohnen.

Die Reformen der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts

Im Zentrum des politischen Geschehens der Jahre 1831 und 1832 stand das von den liberalen Whigs vorgelegte Reformgesetz (siehe Reform Bills: Reformgesetze). Nach ausgiebigen Debatten sowohl im Unterhaus als auch außerhalb, und angesichts der Drohung an das Oberhaus, im Falle einer Ablehnung des Gesetzes ein Woge neuer, reformerisch gesinnter Peers ins Oberhaus zu berufen, wurde die Gesetzesvorlage im Juni 1832 verabschiedet. Das Gesetz beinhaltete eine Neuverteilung der Parlamentssitze zugunsten der Wahlkreise in den rapide wachsenden Industriestädten und eine einfache Besitzstandsermittlung der Wahlanwärter, die der männlichen Bevölkerung der oberen Mittelschicht das Wahlrecht zukommen ließ. In England und Wales wuchs daraufhin die Zahl der Wahlberechtigten um die Hälfte, in Irland um mehr als das Doppelte und in Schottland um das Fünfzehnfache. Das Gesetz führte ein System der Wählerregistrierung ein, das zur Bildung von politischen Parteien auf nationaler wie auch regionaler Ebene ermunterte. Die Maßnahmen schwächten gleichzeitig die Position des Monarchen und des Oberhauses. Weitere Reformgesetze folgten (siehe Factory Reforms Acts: Gesetze zur Fabrikreform). Das Fabrikgesetz von 1833 legte eine Obergrenze für die Arbeitszeit von Frauen und Kindern fest und sah eine Kontrolle durch Zentralinspektoren vor. Im selben Jahr wurde auch die Sklaverei abgeschafft. Das umstrittene neue Armengesetz (New Poor Law) von 1834 sah ebenfalls die Errichtung einer zentralen Aufsichtsbehörde vor. Ein Gesetz über städtische Einrichtungen (Municipal Corporations Act, 1835) führte gewählte Stadtratsversammlungen ein. 1836 wurde eine Kirchenkommission eingerichtet, die die anglikanische Staatskirche Reformen unterziehen sollte. Ein gesondertes Gesetz von 1836 übertrug die Registrierung von Geburten, Todesfällen und Eheschließungen, für die bisher die Kirche zuständig gewesen war, dem Staat.

1837 wurde der inzwischen gealterte König Wilhelm IV. von seiner 18-jährigen Nichte Viktoria auf dem Thron abgelöst. Königin Viktoria und ihr Gatte Albert wurden zur Verkörperung der Werte der viktorianischen Gesellschaft; inniges Familienleben, Pflichtgefühl gegenüber der Gesellschaft und Respektabilität. Die Überzeugungen und Ansichten der Viktorianer wurden auch durch das Wiederaufleben evangelikaler Glaubenslehren sowie durch die Philosophie des Utilitarismus mit ihren Vorstellungen von Nützlichkeit und praktischem Geschäftssinn geprägt.

Der Wohlstand der hochviktorianischen Zeit

Ab den späten vierziger bis in die späten sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts traten die gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen hinter einem wirtschaftlichen Hoch zurück, das nur gelegentlich durch reale oder drohende Kriege auf dem Kontinent und in Übersee beeinträchtigt wurde. Die Weltausstellung, die 1851 in London stattfand, war ein Ausdruck der industriellen Überlegenheit des Vereinigten Königreiches. Das Eisenbahnnetz, das 1850 eine Gesamtlänge von 10 600 Kilometern aufwies, wurde während der mittleren Periode des Viktorianischen Zeitalters auf mehr als das Doppelte ausgebaut, und die Menge der jährlich beförderten Fahrgäste versiebenfachte sich. Das Telegraphensystem ermöglichte rascheste Nachrichtenübermittlung. Sir Henry Bessemer entwickelte 1856 eine neue Methode der Stahlerzeugung, die den Herstellungspreis von Stahl sinken ließ, und in den sechziger Jahren setzte ein Boom im Dampfschiffbau ein. Der Gesamtwert britischer Exporte verdreifachte sich und die Kapitaleinlagen in Übersee stiegen auf das Vierfache ihres bisherigen Umfangs. Auch die Lebensbedingungen der Arbeiterschicht verbesserten sich. Der Zulauf, den die Gewerkschaften beispielsweise im Maschinenbau, der Tischlerei und anderswo verzeichnen konnten, führte 1868 zur Gründung eines Gewerkschaftsdachverbandes (Trades Union Congress).

Angesichts der Stimmung, die auf dem europäischen Kontinent nach den dortigen Revolutionen von 1848 herrschte, ließ sich eine britische Regierung aus Peel-Anhängern und Liberalen (1852-1855) unter Premierminister Lord Aberdeen in einen Krieg gegen das autokratische und expansionistische Russland verwickeln. Das Vereinigte Königreich trat, alliiert mit dem Frankreich Napoleons III., in den Krimkrieg ein (1854). Parlamentarische Kritik an der Führung der Armee zwang jedoch Lord Aberdeen zum Rücktritt. Sein Nachfolger im Amt des Premierministers wurde Lord Palmerston, ein überzeugter britischer Nationalist und Verfechter eines europäischen Liberalismus. Er führte den Krieg zu Ende; 1856 wurde ein partieller englisch-französischer Sieg erzielt. 1857 und 1858 ereignete sich der Sepoy-Aufstand, der schließlich niedergeschlagen werden konnte. In der Folge nahm die britische Regierung der britischen Ostindienkompanie die administrative Verantwortung für die Region ab und erklärte Indien zur Kronkolonie. Im Gegensatz dazu wurden in den von Weißen besiedelten Kolonien des Vereinigten Königreiches Schritte in Richtung einer Selbstverwaltung der Gebiete eingeleitet, und zwar in Kanada (vereinigt durch den British North America Act von 1867), Australien, Neuseeland und Cape Colony (Südafrika). Während des Amerikanischen Bürgerkrieges (1861-1865) gelang dem Vereinigten Königreich der Balanceakt einer neutralen Position. Das Königreich befürwortete die Entstehung eines italienischen Gesamtstaates, beobachtete jedoch mit Besorgnis die Bemühungen Fürst Otto von Bismarcks, ein deutsches Reich unter preußischer Führung zu schaffen.

Spätviktorianischer Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft

Die Krise in der Landwirtschaft, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Irland zu sozialen Unruhen führte, wirkte sich auch auf die Landwirtschaft Großbritianniens und den Wohlstand der Landbesitzer aus. Auf den Wirtschaftsboom der hochviktorianischen Zeit folgte eine Periode der Deflation, fallender Löhne und phasenweise weitverbreiteter Arbeitslosigkeit. Sowohl die Vereinigten Staaten als auch Deutschland überholten das Vereinigte Königreich in der Stahlproduktion und in der Herstellung anderer Güter. Das Königreich blieb jedoch noch weltweit führend im Schiffbau, in der Spedition und im Finanzwesen, und die Mehrheit der Briten konnte eine wachsende Kaufkraft verzeichnen. Die Mitgliedschaft in den Gewerkschaften nahm kontinuierlich zu, und es gab unübersehbare Bemühungen, auch die angelernten Arbeiter gewerkschaftlich zu organisieren. Der Streik der Londoner Hafenarbeiter 1889 war ein Ergebnis solcher Bemühungen. Sozialforscher ebenso wie bekennende Sozialisten machten auf die grassierende Armut etwa in den Slums Londons und anderer Großstädte aufmerksam. Sowohl die Regierung als auch freiwillige Vereinigungen waren nun gefordert, das soziale Elend zu bekämpfen. Obwohl zahlreiche Bürger des Vereinigten Königreiches in überseeische britische Kolonien und in die USA auswanderten (während der achtziger Jahre des Jahrhunderts mehr als 200 000 Menschen), verdoppelte sich die Bevölkerung von England und Wales zwischen 1851 und 1911 auf nun über 36 Millionen Einwohner. In Schottland war die Bevölkerung in diesem Zeitraum um über 60 Prozent auf fast fünf Millionen angewachsen. In Irland hingegen war infolge der Auswanderung, die dort das größte Ausmaß zeigte, die Bevölkerungszahl um zwei Millionen gesunken; zwischen 1847 und 1861, in der Zeit, die auf die Hungersnot folgte, traten über zwei Millionen Iren die Reise über den Atlantik in die Vereinigten Staaten an. Sowohl die Sterbe- als auch die Geburtenrate im Vereinigten Königreich ging etwas zurück. Ein Reihe von Gesetzesänderungen verschaffte einer winzigen Minderheit von Frauen die Möglichkeit, eine Universität zu besuchen und bei Kommunalwahlen ihre Stimme abzugeben, sowie das Recht, auch innerhalb eines Ehebündnisses über ihr Eigentum selbst zu verfügen.

Das britische Empire in spätviktorianischer Zeit

Während in der mittleren Phase der Viktorianischen Ara die Stellung des Königreiches in der Welt kaum Interesse im eigenen Land auf sich gezogen hatte, wurde diese Thematik in den letzten zwei Jahrzehnten des Jahrhunderts immer drängender. Da die USA, Deutschland und Frankreich wachsende Einfuhrzölle erhoben, kam den Kolonien als Handelspartner erneut große Bedeutung zu. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich eine Rivalität zwischen dem Vereinigten Königreich und Russland um Gebiete im Mittleren Osten und entlang der indischen Grenze. Zwischen dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Deutschland entbrannte ein "Gerangel um Afrika": Jede der Nationen sicherte sich umfangreiche Territorien auf diesem Kontinent. Für das Vereinigte Königreich waren Hongkong und Singapur wichtige Handelszentren sowie Stützpunkte im Streben nach Einfluss in China und im Südpazifik. Die Fertigstellung des Suezkanals im Jahr 1869 führte indirekt ein britisches Protektorat über Agypten herbei (1882). Königin Viktoria wurde 1876 Kaiserin von Indien. Ihr fünfzigjähriges und sechzigjähriges Amtsjubiläum (1887 bzw. 1897) gerieten zu Feierstunden des britischen Weltreiches. Auch die konservativen Regierungskabinette unter Lord Salisbury (1885, 1886-1892 und 1895-1902) waren vorwiegend mit den Belangen der Weltstellung des Königreiches beschäftigt. Der Kolonialminister Salisburys, Joseph Chamberlain, trug mit seiner Kolonialpolitik zum Ausbruch des Burenkrieges im Jahr 1899 bei. Darin musste das Vereinigte Königreich einige anfängliche Niederlagen hinnehmen, konnte 1900 jedoch Johannesburg und Pretoria einnehmen. Der Konflikt konnte jedoch erst im Jahre 1902 nach langem Kleinkrieg endgültig beigelegt werden. Inzwischen war Königin Viktoria gestorben.

Die Regierungszeit König Eduards (1901-1914)

Nach Beendigung des Burenkrieges unterzeichnete das Vereinigte Königreich einen Bündnisvertrag mit Japan (1902) und setzte einer jahrzehntelangen Rivalität mit der Kolonialmacht Frankreich durch das Bündnis der Entente Cordiale 1904 ein Ende. Nachdem auch die britisch-russischen Konflikte beigelegt waren, wurde dieses Bündnis 1907 unter Einbeziehung Russlands zur Tripelentente erweitert. Diesem Dreierbund stand der Dreibund zwischen Deutschland, Österreich und Italien gegenüber. Als die Regentschaft König Eduards VII. anbrach, waren jedoch die meisten Briten vorwiegend an nationalen Angelegenheiten interessiert. Das Gesetz zum Bildungswesen von 1902, von Arthur Balfour eingebracht, legte den Grundstein für ein staatliches Sekundarschulwesen und reagierte damit auf die Forderung nach wachsender Leistungsfähigkeit der Nation. Gleichzeitig brachen dadurch auch alte Auseinandersetzungen zwischen Staat und Kirche wieder auf. Während der Amtszeit der Regierung Balfour (1902-1905) zeigte sich die Konservative Partei in der Frage der Handelspolitik gespalten; ein Parteiflügel forderte die Wiedereinführung von Schutzzöllen, der andere vertrat den freien Handel. In den Parlamentswahlen von 1906 erhielten die Liberalen eine überwältigende Mehrheit. Der Einfluss der Gewerkschaften manifestierte sich erstmals auch in Form einer eigenen, im Parlament vertretenen Arbeiterpartei, der Labour Party, die 29 Parlamentsabgeordnete stellte. Die liberale Regierung - sie wurde zunächst von Sir Henry Campbell-Bannerman (1905-1908) und später von Herbert Henry Asquith (1908-1916) geführt - gewährte der neu gegründeten Union Südafrika 1910 die Selbstverwaltung im Inneren sowie Britisch-Indien eine partielle, regionale Selbstverwaltung (1909). Auf Anregung von David Lloyd George und Sir Winston Churchill wurden im Vereinigten Königreich die Fundamente des Wohlfahrtsstaates gelegt. Hierzu gehörten die Einführung einer Altersrente (1908), die Schaffung staatlicher Behörden für Stellenvermittlung (1909), die Einführung einer Arbeitslosenversicherung (1911) und eines Beitragssystems für eine nationale Krankenversicherung, die die meisten Arbeiter umfasste (1911), sowie die Gründung von Behörden, die Minimallöhne für Minenarbeiter und andere Arbeitnehmer festlegten (1909, 1912). Lloyd Georges heftig umstrittenes Programm eines "Volksbudgets" ("people's budget", vorgelegt 1909) zielte darauf ab, durch Besteuerung der oberen Schichten soziale Reformen und die Wiederaufrüstung der Marine zu finanzieren. Die Blockade dieses Vorhabens im Oberhaus zog das Parlamentsgesetz von 1911 nach sich, das die politische Macht des Oberhauses auf nur mehr ein aufschiebendes Vetorecht in der Gesetzgebung reduzierte. Die Konservativen errangen jedoch in den Parlamentswahlen von 1910 wieder einen Stimmenzuwachs, so dass die Liberalen in der Folgezeit auf die Unterstützung durch die irischen Nationalisten angewiesen waren, um sich an der Macht zu halten. Obwohl die Wirtschaft zu florieren schien, konnten die Löhne mit der Preissteigerung kaum Schritt halten, und so kam es in den Jahren 1911 bis 1914 zu ausgedehnten, sozialen Unfrieden schaffenden Streiks der Minen- und Hafenarbeiter und der Beschäftigten im Transportwesen. Die als "Suffragetten" bezeichneten Frauenrechtlerinnen demonstrierten massiv, zum Teil auch gewaltsam, für eine Ausweitung des Wahlrechtes auf Frauen. Als die liberale Regierung Anstalten zeigte, die politische Eigenständigkeit Irlands in die Wege zu leiten, drohten nichtkatholische Iren aus der nordirischen Provinz Ulster mit gewaltsamen Aktionen; sie wollten um jeden Preis verhindern, Teil eines halbunabhängigen Irlands zu werden. Während sich das Vereinigte Königreich mit all diesen Konflikten im Inneren beschäftigte, eskalierte eine Krise auf dem Balkan und entfachte den 1. Weltkrieg.

Das Vereinigte Königreich im 1. Weltkrieg

Das Vereinigte Königreich entsandte umgehend ein Expeditionskorps nach Frankreich, das mithalf, den deutschen Vormarsch an der Marne zu stoppen. Die Kämpfe an der Westfront kamen schon bald inmitten schlammiger Schützengräben, Stacheldrahtverhau und Maschinengewehrstellungen zum Stocken und gingen in einen blutigen Stellungskrieg über. Versuche, die Deutschen zurückzudrängen, blieben wiederholt ohne Erfolg und kosteten Hunderttausende von Menschenleben. Auch Bemühungen die Mittelmächte (Deutschland, Österreich und die Türkei) auf dem Balkan von zwei Flanken her anzugreifen, schlugen fehl, darunter auch die Gallipoli-Kampagne 1915 und 1916. In der Seeschlacht vor dem Skagerrak (1916) konnten die Briten einen deutschen Vorstoß in die Nordsee verhindern, aber die Präsenz deutscher U-Boote erschwerte den Handel, so dass zu Beginn des Jahres 1917 im Vereinigten Königreich eine Hungersnot drohte. Die Gefahr wurde schließlich gebannt, als Handelsschiffkonvois unter dem Schutz von Zerstörern Waren lieferten.

Im Mai 1915 wurde Asquiths liberale Regierung zu einer großen Koalition aus Liberalen, Konservativen und einigen Labour-Abgeordneten erweitert. Lloyd George war als Minister für das Kriegsmaterial zuständig. Die andauernde Unzufriedenheit über ausbleibende Kriegserfolge führte jedoch schon bald zur Ablösung Asquiths durch Lloyd George, der im Dezember 1916 an die Spitze einer vorwiegend von Konservativen gebildeten Regierung trat. In Irland spitzten sich derweil die Probleme zu und entluden sich 1916 im Osteraufstand, der mehrere hundert Tote forderte. 1918 betrug der Staatshaushalt das Dreizehnfache des Jahres 1913. Die Steuersätze waren auf das Fünffache und die gesamte Staatsverschuldung auf das Vierzehnfache ihres Vorkriegswertes angestiegen.

Das Ende der Zarenherrschaft in Russland durch die Revolution von 1917 wurde von vielen Briten begrüßt, die Entscheidung der Bolschewiki, einen separaten Frieden mit Deutschland zu schließen (1918), empfanden sie jedoch als einen Verrat. Die Wende im Krieg kam jedoch schließlich mit dem Kriegseintritt der USA im April 1917. Er ließ die Machtverhältnisse zugunsten der Alliierten kippen und ermöglichte eine Panzeroffensive nach Plänen von General Douglas Haig, die im Sommer 1918 erfolgreich durchgeführt wurde und die Kapitulation Deutschlands im November desselben Jahres herbeiführte. Aus den Parlamentswahlen, die unmittelbar nach dem Waffenstillstand abgehalten wurden, ging die Koalition von Lloyd George als überwältigender Sieger hervor. Die Labour Party, die sich nun fest dem Sozialismus verschrieben hatte, wurde stärkste Oppositionspartei, während der Asquith-Flügel der Liberalen fast völlig bedeutungslos geworden war. Mit dem 1918 verabschiedeten Reformgesetz hatten nun alle Männer über 21 und alle Frauen über 30 das Wahlrecht erhalten.

Folgen des 1. Weltkrieges

Bei der Pariser Friedenskonferenz von 1919 vertrat Lloyd George das Vereinigte Königreich, das dort zu den "Großen Drei" (neben Frankreich und den USA) zählte. Die dort verabschiedeten Beschlüsse vergrößerten das britische Empire; die ehemaligen deutschen Kolonien in Afrika und die türkischen Besitzungen im Mittleren Osten wurden britischer Verwaltung unterstellt. Zur selben Zeit traten die selbstverwalteten britischen Dominions Kanada, Australien, Neuseeland und Südafrika als eigenständige Unterzeichner der Verträge auf und wurden selbständige Mitglieder des neu geschaffenen Völkerbundes. Ein inzwischen in Irland ausgebrochener Bürgerkrieg wurde 1921 mit einem von Lloyd George ausgehandelten Vertrag beigelegt. Auf dem Großteil der irischen Insel entstand der irische Freistaat, der praktisch völlig unabhängig vom Vereinigten Königreich war und ihm nur noch formal als Teil des Commonwealth angehörte. Die sechs Grafschaften Nordirlands erhielten zwar eine eigene Provinzregierung, verblieben aber beim Königreich, in dessen Parlament sie weiterhin mit Abgeordneten vertreten waren. Die unmittelbaren Nachkriegsjahre waren geprägt von wirtschaftlichem Aufschwung, rascher Demobilisierung und Arbeiterunruhen. Um 1922 war der wirtschaftliche Schub erstorben. Im selben Jahr bewerkstelligte eine Gruppe von Parlamentariern aus den Reihen der Konservativen den Sturz des Premierministers Lloyd George, und mit dem konservativen Kabinett Andrew Bonar Laws setzte eine Konsolidierung ein.

Zwischen den Weltkriegen

In den frühen zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts vollzog sich in der politischen Landschaft des Vereinigten Königreiches ein grundlegender Wandel. Aus den Parlamentswahlen von 1922 gingen die Konservativen noch als Sieger hervor. Ein Jahr später beraumte Bonar Laws Nachfolger im Premierministeramt, Stanley Baldwin, Neuwahlen an, in denen am Ende keine Partei mehr eine eindeutige Mehrheit erzielen konnte. Schließlich wurde mit Ramsay MacDonald, dem Führer der Labour Party, zum ersten Mal ein erklärter Sozialist Premierminister des Vereinigten Königreiches. Sein erstes Regierungskabinett (1924), von der Unterstützung der Liberalen abhängig, hielt sich nur ein knappes Jahr, dann brachten erneute Neuwahlen die Konservativen unter Baldwin wieder an die Regierung. Die Bemühungen Lloyd Georges und Asquiths, die Liberalen wieder zu einen, konnten letztlich nichts mehr daran ändern, dass die Partei nun endgültig zu einer Randpartei mit geringer Wählerschaft abgesunken war. Das Regierungskabinett Baldwins (1924-1929) sah sich mit bisher ungekannten Manifestationen gewerkschaftlicher Solidarität konfrontiert, die im Generalstreik von 1926 gipfelten. Der Streik diente der Unterstützung der Minenarbeiter, die sich gegen niedrigere Löhne und längere Arbeitszeiten zur Wehr setzten. Zwar wurde seine Wirkung durch den Einsatz von Soldaten, welche die Aufrechterhaltung der allernotwendigsten Dienstleistungen gewährleisteten, geschmälert, und er dauerte letztlich nur neun Tage. Der Generalstreik wurde jedoch damals als eine direkte Herausforderung des Staatswesens interpretiert und zog daher Veränderungen im Gewerkschaftsrecht nach sich. So wurde etwa die Regelung, Mitgliedsbeiträge automatisch vom Lohn abzuziehen, dahingehend verändert, dass die Arbeiter nun selbst einer Gewerkschaft beitreten mussten. Darüber hinaus setzte die Baldwin-Regierung jedoch auch verschiedene soziale Reformmaßnahmen um: Unter anderem verabschiedete sie ein Gesetz über Beitragsleistungen zu Witwen-, Waisen- und Altersrenten (1925), richtete ein landesweites Stromnetz ein (1926) und reformierte die Kommunalverwaltung (1929). 1928 wurde das Frauenwahlrecht dem der Männer vollständig angeglichen.

Zwischen 1929 und 1932 zeigten sich die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auch im Vereinigten Königreich, indem die dortige, zu der Zeit bereits hohe Arbeitslosenquote nahezu auf das Doppelte anstieg. Im Verlauf von drei Jahren gingen sowohl die wirtschaftliche Aktivität als auch die Preise um ein Viertel zurück, und einige Industrien, wie etwa der Schiffsbau, brachen völlig zusammen. MacDonalds zweite Labour-Regierung (1929-1931) war nicht in der Lage, der Krise Entscheidendes entgegenzusetzen. 1931 wurde sie zu einer als "National government" bezeichneten Koalitionsregierung unter starker Beteiligung der Konservativen erweitert, die zunächst von MacDonald und dann von Baldwin (1935-1937) geführt wurde. Die Labour Party warf MacDonald Verrat vor, die neue Regierung erhielt jedoch in den Wahlen von 1931 ein überwältigend positives Mandat. Sie setzte den Goldstandard der britischen Währung aus, erhob Schutzzölle nach außen und bezuschusste den Wohnungsbau. Zwischen 1933 und 1937 erholte sich die Wirtschaft kontinuierlich, wobei Fahrzeug-, Bau- und Elektroindustrie die Zugpferde waren. Die Arbeitslosigkeit blieb jedoch hoch, besonders in Wales, Schottland und Nordengland. Das gesellschaftliche Leben jener Zeit war geprägt von der Verbreitung des Radios (für das die 1927 gegründete BBC, die Britische Rundfunkgesellschaft, ein Monopol hatte) sowie des Kinos. Die auf dem europäischen Festland dominierenden Ideologien des Kommunismus und Faschismus zeigten im Königreich jedoch kaum Wirkung. Das Empire existierte weiterhin, wenn auch 1931 im Westminster-Statut einige Commonwealth-Mitglieder, wie Kanada und Australien, zu gleichberechtigten Staaten erklärt wurden. Der Einfluss der Kirche ging zurück, das Ansehen der Monarchie war jedoch unter König Georg V. ungebrochen. Als dessen Sohn Eduard VIII. darauf bestand, eine bereits zweimal geschiedene Amerikanerin zu heiraten, war er 1936 zur Abdankung gezwungen. Unter der Regentschaft von Eduards Bruder Georg VII. nahm die königliche Familie erneut Vorbildcharakter für die Nation an.

Das Vereinigte Königreich im 2. Weltkrieg

Nach den Erfahrungen des 1. Weltkrieges war die britische Regierung bestrebt, weitere Konflikte auf jeden Fall zu vermeiden. Das Vereinigte Königreich spielte eine führende Rolle im Völkerbund und bei den Abrüstungskonferenzen nach dem 1. Weltkrieg, wie etwa bei der Washingtoner Konferenz von 1921 bis 1922 und der Londoner Konferenz von 1930, die eine Begrenzung der Seestreitkräfte durchsetzte. Das Königreich räumte auch ein, dass die Bestrafung Deutschlands bei der Pariser Friedenskonferenz von 1919 möglicherweise überzogen ausgefallen war, und so verfolgte die britische Regierung nach 1933 Deutschland gegenüber, das inzwischen von Adolf Hitler regiert wurde, eine versöhnliche Politik weit reichender Zugeständnisse, wenn auch unter Protest (so genannte Appeasement-Politik: Beschwichtigungspolitik). Als das nationalsozialistische Deutschland 1934 den Völkerbund verließ, mit der Wiederaufrüstung des Landes begann (1935) und 1936 das entmilitarisierte Rheinland besetzte (durchwegs Maßnahmen, die dem Vertrag von Versailles widersprachen), reagierte das Vereinigte Königreich mit einer Politik der Billigung. Dasselbe traf für den Anschluss Österreichs an Deutschland im Jahr 1938 zu. In dem Bestreben, den Frieden um jeden Preis zu erhalten, stimmte Premierminister Neville Chamberlain auch dem Münchner Abkommen von 1938 zu, nach dem die Tschechoslowakei das Sudetenland an Deutschland abtreten musste. Erst nach dem deutschen Einmarsch in Prag im März 1939 sicherte das Vereinigte Königreich Polen und Rumänien militärische Unterstützung für den Fall einer deutschen Invasion zu.

Als Hitler im September 1939 in Polen einmarschierte, erklärten das Vereinigte Königreich und Frankreich Deutschland den Krieg (siehe 2. Weltkrieg). Auf die Unterwerfung Polens folgte im Frühjahr 1940 die deutsche Invasion in Dänemark, Norwegen, Holland, Belgien und Frankreich. Im Mai trat Winston Churchill, seit jeher ein ausgesprochener Gegner der britischen Appeasement-Politik und seit 1939 Kabinettsmitglied, an die Stelle Chamberlains als Premierminister der Kriegsregierung (1940-1945), an der alle drei Parteien beteiligt waren. Nach der Kapitulation Frankreichs im Juni 1940 stand das Vereinigte Königreich allein. Unter der Führung Churchills wurden alle Kräfte des Landes für den Krieg mobilisiert, und diese Anstrengungen waren umfassender als bei irgendeiner anderen Nation. In einer historischen Radioansprache schwor Churchill die Briten auf eine Zeit von "Blut, Schweiß und Tränen" ein, die es durchzustehen gelte. Eine geplante deutsche Invasion Großbritanniens konnte zwar dank der Überlegenheit der britischen Luftwaffe vereitelt werden, jedoch wurden bei deutschen Luftangriffen große Teile Londons und anderer Städte zerstört und rund 60 000 britische Zivilisten getötet. Anfang des Jahres 1941 begannen die nach wie vor neutralen Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich mit Kriegsmaterial zu unterstützen (Leih- und Pachtsystem).

Der Krieg nahm mit dem deutschen Einmarsch in die Sowjetunion im Juni 1941 und dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbor im Dezember 1941 eine neue Dimension an. Churchill bildete mit dem sowjetischen Staatschef Jossif Stalin und US-Präsident Franklin Delano Roosevelt eine "Große Allianz" gegen Deutschland, Italien und Japan. Unmittelbar nach dem japanischen Angriff wurden weite Teile des britischen Empire in Südostasien von den Japanern besetzt, 1942 kam jedoch die Wende. Die Briten trugen dazu mit der Atlantikschlacht gegen die deutsche U-Boot-Flotte bei, sowie durch den von General Bernard Montgomery geführten Nordafrikafeldzug gegen die dortigen deutschen Truppen. Churchill stand in ständigem Informationsaustausch mit Roosevelt, auch häufige Treffen zwischen beiden fanden statt. Britische Truppen waren auch massiv an der Invasion Siziliens und Italiens 1943 beteiligt, sowie an der Invasion in Frankreich 1944 und der endgültigen Niederwerfung der Achsenmächte 1945.

Die Regierung Clement Attlees (1945-1951)

In den folgenden Jahren versuchte die Labour-Regierung unter Clement Richard Attlee, mehr soziale Gerechtigkeit im Vereinigten Königreich zu schaffen, während gleichzeitig die Not der Nachkriegszeit, der Zerfall des Empire und die neue Situation des Kalten Krieges mit der UdSSR bewältigt werden mussten. Großer Popularität erfreuten sich die zwei Maßnahmen, die das Vereinigte Königreich zu einem Wohlfahrtsstaat umgestalteten, das Sozialversicherungsgesetz von 1946 (ein Bündel von Einzelgesetzen, die Leistungen im Falle von Mutterschaft, Arbeitslosigkeit, Behinderung, Alter und für Hinterbliebene garantierten) und die Einrichtung des staatlichen Gesundheitswesens (National Health Service) 1948. Beide Maßnahmen griffen auf die Vorschläge des so genannten Beveridge Report zurück, eines während des Krieges von dem Liberalen William Beveridge verfassten Untersuchungsberichts zur sozialen Situation im Lande. Die Verstaatlichung der Bank von England, der Kohleindustrie, der Gas- und Stromversorgung, der Eisenbahn sowie der meisten Fluglinien war relativ unumstritten, die Verstaatlichung des Güterfernverkehrs und der Eisen- und Stahlindustrie stieß jedoch auf heftigen, wenn auch letztlich erfolglosen Protest der Konservativen. Die letzten undemokratischen Reste des Wahlrechtes - noch bestand vereinzelt die Möglichkeit mehrmals, nämlich in mehr als einem Wahlkreis, abzustimmen - wurden 1948 abgeschafft, die aufschiebende Gewalt des Oberhauses bei der Gesetzgebung wurde von bisher zwei Jahren auf ein Jahr verkürzt. All diese Reformen wurden während der entbehrungsreichen Nachkriegszeit in Gang gesetzt. Ein Ergebnis des Krieges war auch die Verdreifachung der Staatsschulden, wodurch das Vereinigte Königreich zum ersten Mal seit dem 18. Jahrhundert zu einer Schuldnernation geworden war. Mit dem Auslaufen des Leih- und Pachtsystems (Lieferung von US-Kriegsmaterial ohne sofortige Bezahlung), mit dem die USA im Krieg die Gegner der Achsenmächte unterstützt hatten, im Jahr des Kriegsendes 1945, waren die Kosten der britischen Einfuhren abrupt angestiegen, noch lange bevor die Demobilisierung des Militärs und die Umstellung der Industrie auf Friedenszeiten vollzogen waren. Daher waren zunächst noch Maßnahmen aus der Kriegszeit beibehalten worden. Die Nahrungsmittelrationierung wurde 1946 und 1947 strenger gehandhabt als im Krieg.

Das Nachkriegsdeutschland war zwischen der UdSSR, den USA, dem Vereinigten Königreich und Frankreich in vier Besatzungszonen aufgeteilt worden. Bemühungen, einen endgültigen Friedensvertrag mit Deutschland auszuhandeln, mussten jedoch aufgegeben werden, als deutlich wurde, dass die UdSSR ganz Osteuropa einschließlich der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands in einen sowjetischen Machtbereich umgestalten würde. Um der sowjetischen Bedrohung entgegenzutreten, schloss sich das Vereinigte Königreich, das inzwischen Aufbauhilfe aus den USA in Form des Marshallplanes erhielt (1948-1952), mit den USA und anderen westlichen Staaten zum Nordatlantischen Verteidigungspakt (North Atlantic Treaty Organization: NATO, 1949) zusammen. Die britische Regierung sah sich jedoch nicht in der Lage, eine eigenständige Rolle im Mittleren Osten zu spielen. 1948 gab sie das Verwaltungsmandat für Palästina auf, was zur Errichtung des Staates Israel und dem 1. Arabisch-Israelischen Krieg führte. Angesichts der leeren Kassen und der immer drängenderen Forderungen nach Selbstverwaltung entließ die britische Regierung 1947 Indien und Pakistan und 1948 Birma und Ceylon in die Unabhängigkeit.

Eine Phase konservativer Regierungszeit (1951-1964)

Nachdem die Labour-Regierung ihr Reformprogramm im Großen und Ganzen verwirklicht hatte, verlor sie in den Parlamentswahlen von 1950 und erneut 1951 unter starken Verlusten ihre Parlamentsmehrheit. Dies ermöglichte den Konservativen unter Winston Churchill die Rückkehr an die Macht. Mit Ausnahme der Reprivatisierung der Eisen- und Stahlindustrie ließen die Konservativen die Labour-Gesetze zum Wohlfahrtsstaat unangetastet, und die frühen fünfziger Jahre wurden zu einer Phase kontinuierlicher wirtschaftlicher Konsolidierung. Die Senkung der Einkommenssteuer und der Abbau von Sonderbestimmungen aus der Kriegs- und Nachkriegszeit hatten einen Boom im Wohnungsbau zur Folge und auch der Außenhandel florierte. Während mit Churchill ein international renommierter Veteran der Politik an der Spitze der britischen Regierung stand, bestieg mit Elisabeth II. eine noch junge Königin den Thron und zog anlässlich ihrer Krönung in London im Juni 1953 die Aufmerksamkeit der Welt auf sich. Zu dieser Zeit wurde im Vereinigten Königreich an der Fertigung eigener Atom- und Wasserstoffbomben gearbeitet und eine Pionierleistung in der Stromerzeugung durch Atomkraft erbracht. Churchills außenpolitische Hoffnungen auf ein erneutes Gipfeltreffen mit den Führern der Großmächte wurden zwar enttäuscht, der Tod Stalins 1953 milderte jedoch das Klima des Kalten Krieges ein wenig.

Eden und Macmillan

Churchills Nachfolger im Premierministeramt wurde der damalige Außenminister Sir Anthony Eden (1955-1957), unter dem die Konservative Partei im Frühjahr 1955 einen zweiten Wahlsieg erringen konnte. Im selben Jahr war Eden an den Verhandlungen über einen Friedensvertrag mit Österreich beteiligt und nahm an einer Gipfelkonferenz in Genf teil.

Edens Amtszeit fand jedoch ein frühes Ende - eine Folge der Suezkrise, die sich entwickelte, als Agypten 1956 den Suezkanal verstaatlichte. Erst ein Jahr vorher hatte das Vereinigte Königreich seine Truppen vom Suezkanal abgezogen; eine erneute Besetzung durch britisch-französische Truppen 1956 musste auf Druck der UdSSR und der USA abgebrochen werden. Die Folgen dieser Episode waren der Verlust des noch verbliebenen britischen Einflusses im Mittleren Osten sowie der Rücktritt Edens. Edens Nachfolger Harold Macmillan stand der Regierung in einer Zeit auflebenden Wohlstands und Konsums der Bevölkerung vor (1957-1963). 1959 errangen die Konservativen unter Macmillan ihren dritten Wahlsieg in Folge.

Entkolonialisierung

Macmillans Regierung verfolgte eine gezielte Politik der Entkolonialisierung in Afrika. Der Sudan war bereits 1956 unabhängig geworden, und in den folgenden sieben Jahren erlangten auch Ghana, Nigeria, Somalia, Tansania, Sierra Leone, Uganda und Kenia die Unabhängigkeit. Die meisten dieser Staaten blieben Mitglieder des Commonwealth of Nations, der sich in eine hochgradig dezentralisierte Vielvölkergemeinschaft auf freiwilliger Basis verwandelt hatte. Das von einer weißen Minderheit regierte Südafrika verließ hingegen den Commonwealth 1961 und rief eine Republik aus. Auch Malaysia, Zypern und Jamaika wurden während der Amtszeit Macmillans in die Unabhängigkeit entlassen.

Noch während sich die Bindungen des Empire lockerten, kamen Immigranten vor allem von den Westindischen Inseln und aus Pakistan in großer Zahl ins Vereinigte Königreich. Viele von ihnen waren gezielt angeworben worden, da Bedarf an Arbeitskräften, beispielsweise im Verkehrssektor, bestand. Die Ankömmlinge mussten jedoch häufig feststellen, dass sie in vielen Gegenden alles andere als willkommen waren. Die wachsenden Spannungen zwischen Briten und Immigranten veranlassten die Regierung zu einer scharfen Begrenzung der Zuwanderung, während im Lande die rechtliche Gleichstellung der Eingewanderten und ihrer Nachkommen sichergestellt wurde.

Nach dem Zerfall des Empire richtete sich die Aufmerksamkeit der Briten verstärkt auf die Situation im Vereinigten Königreich: Es wurde zunehmend deutlich, dass die britische Wirtschaft weniger schnell wuchs als die der europäischen Nachbarstaaten auf dem Festland. So bewarb sich das Vereinigte Königreich 1961 um Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft (EG; inzwischen Europäische Union: EU). Zahlreiche Briten waren nicht darauf vorbereitet, ihr Schicksal an das des europäischen Festlands zu koppeln. Vorerst waren ihre Befürchtungen jedoch noch nicht relevant, da der französische Präsident Charles de Gaulle Einspruch gegen die Bewerbung erhob. 1963 wurde Premierminister Macmillan von seinem Parteikollegen Sir Alexander Douglas-Home abgelöst. Unter dessen Führung unterlag die Konservative Partei in den Parlamentswahlen von 1964 knapp der Labour Party unter Harold Wilson.

Der Kampf gegen die Inflation

Ein zentrales Thema der britischen Geschichte seit Mitte der sechziger Jahre war der Kampf gegen zweistellige Inflationsraten. Die von der konservativen Heath-Regierung (1970-1974) vertretene Strategie eines langsamen aber beständigen Wirtschaftswachstums verfehlte jedoch dieses Ziel. Darüber hinaus erzeugten die Bestrebungen der Regierung, die Rechte der Gewerkschaften zu beschneiden (1971), eine Stimmung des zivilen Ungehorsams bei den Gewerkschaftsführern. 1972 wurde mehr gestreikt als je zuvor seit dem Generalstreik von 1926. Heath hoffte, die Wirtschaftsprobleme durch ein "Floaten" des Pfundes lösen zu können, d. h. durch die Lösung der britischen Währung von ehemals festgelegten, stabilen Wechselkursen. Eine weitere, langfristige Maßnahme war die erneute Bewerbung um Aufnahme des Vereinigten Königreiches in die EG (EU). 1973 wurde der Beitritt schließlich vollzogen, und zwei Jahre später ergab das erste landesweite Referendum der britischen Geschichte, dass dieser Schritt von zwei Dritteln der Bevölkerung unterstützt wurde. 1972 und 1973 versuchte Heath zunächst Löhne und Preise einzufrieren und dann die Lohn- und Preissteigerung schärfstens zu limitieren, stieß jedoch auf den Widerstand der Minenarbeiter. Als Heath sich mit vorzeitigen Neuwahlen im Februar 1974 direkt an die Öffentlichkeit wandte, kamen keine eindeutigen Mehrheiten zustande. Ein Wiederaufleben der Liberalen Partei, das sich im Wahlergebnis manifestierte, versetzte Harold Wilson in die Lage, eine Labour-Minderheitsregierung zu bilden, die sich insgesamt fünf Jahre hielt und zunächst von ihm, ab 1976 von James Callaghan geführt wurde.

Die irische und schottische Frage

Die Regierungen der siebziger Jahre waren auch mit Problemen in Irland und Schottland konfrontiert. Zunächst kam es zwischen einer Bürgerrechtsbewegung, die die soziale Gleichberechtigung der römisch-katholischen Minderheit in Nordirland forderte, und protestantischen Extremisten zu blutigen Zusammenstößen. 1969 stationierte die britische Regierung Truppen in Nordirland, um die öffentliche Ordnung sicherzustellen. 1972 löste sie das selbständige Parlament Nordirlands auf. Daraufhin setzte eine Terrorismuskampagne der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) ein, deren Ziel die Vereinigung Nordirlands mit der Republik Irland ist. Die protestantische Mehrheit Nordirlands fordert weiterhin den Verbleib des Gebietes beim Vereinigten Königreich. Die Maßnahmen der britischen Regierung konnten die Welle von Bombenanschlägen und Morden in Nordirland und England allmählich etwas eindämmen, jedoch nicht zum Stillstand bringen. In Schottland konnte die Partei der schottischen Nationalisten in den Parlamentswahlen von 1974 beeindruckende Ergebnisse erzielen, so dass die Regierung Callaghan (1976-1979) erwog, ein teilselbständiges Parlament in Schottland mit Sitz in Edinburgh einzurichten. Da in einem 1979 durchgeführten Referendum jedoch nur 33 Prozent der schottischen Wähler die Pläne unterstützten, wurde das Projekt, zumindest vorerst, fallengelassen.

Wirtschaftsprobleme unter der Labour-Regierung

Die Labour-Regierung der Jahre 1974 bis 1979 hob zunächst alle gesetzlichen Beschränkungen bei Lohn- und Preissteigerungen auf. Als die Inflationsrate 1975 einen Höchststand von 25 Prozent erreichte, konnte die Regierung schließlich seitens der Gewerkschaften freiwillige Beschränkungen in der Höhe der Lohnforderungen erzielen. Die Inflationsrate ging zwischen 1976 und 1979 etwas zurück. Als Gegenleistung forderten die Gewerkschaftsführer eine Aufhebung gesetzlicher Einschränkungen ihrer Macht und eine verstärkte staatliche Finanzierung von Wohnungsbau und Sozialleistungen. Gegen Ende der siebziger Jahre deutete sich in der politischen Landschaft des Königreiches eine Polarisierung zwischen dem linken Flügel der Labour Party und den Konservativen an; Erstere erhofften sich durch ein stärkeres Eingreifen des Staates in Wirtschaft und Gesellschaft mehr soziale Gerechtigkeit, Letztere wollten der Privatwirtschaft und der Leistungsfähigkeit des Einzelnen wieder eine zentrale Rolle zukommen lassen. Zu Beginn des Jahres 1979 war die Regierung Callaghan von zwei kleinen Parteien abhängig. Der folgende Winter war von Arbeiterunruhen geprägt, die Callaghans Anspruch, mit den Gewerkschaften erfolgreich verhandeln zu können, den Boden entzogen. Im März 1979 wurde im Parlament ein Misstrauensvotum gegen ihn eingebracht, das zu seinen Ungunsten ausging.

Die Thatcher-Ara

Aus den Neuwahlen im April 1979 gingen die Konservativen mit einer soliden Mehrheit der Sitze hervor, und so wurde mit ihrer neuen Parteichefin Margaret Thatcher zum ersten Mal in der britischen und europäischen Geschichte eine Frau Premierministerin eines Staates. Thatcher blieb die nächsten elf Jahre im Amt und absolvierte damit die längste Amtszeit eines Premierministers seit dem Ende der napoleonischen Kriege.

Thatchers erste Regierungsjahre waren schwierig. Thatcher versuchte, die Inflation nicht durch Einfrieren der Löhne und Preise, sondern mit einer Hochzinspolitik und Kürzungen im Regierungshaushalt einzudämmen. Um 1981 und 1982 begannen diese Maßnahmen einen gewissen Erfolg zu zeigen, der jedoch mit der höchsten Arbeitslosenquote seit den dreißiger Jahren erkauft worden war. Aufgerüttelt wurde die Regierung im April 1982, als Argentinien die Falkland-Inseln besetzte, ein Archipel im Südatlantik, das in britischem Besitz war und seit langem von Argentinien reklamiert wurde. Thatcher entsandte Truppen für eine Gegeninvasion, denen es im Juni gelang, die Inseln zurückzuerobern (siehe Falklandkrieg).

Die deutlichen Wahlsiege der Konservativen im Juni 1983 und Juni 1987 waren zum Teil ein Ergebnis der breiten Zustimmung, die das Vorgehen der Regierung in der Falkland-Krise bei der Bevölkerung ausgelöst hatte, ging zum Teil aber auch auf eine tief greifende Kluft in den Reihen der politischen Opposition zurück. 1980 spaltete sich eine Gruppe von Abgeordneten der Labour Party unter der Führung von Roy Jenkins und David Owen ab und gründete im Jahr darauf die Sozialdemokratische Partei. Diese verbündete sich mit den Liberalen zu einer recht einflussreichen Koalition, die zwar letzten Endes nur relativ wenige Parlamentssitze gewinnen konnte, jedoch immerhin 25 Prozent der abgegebenen Stimmen in den Wahlen von 1983 und 23 Prozent 1987 auf sich vereinen konnte. Durch diese Spaltung war die Opposition insgesamt geschwächt und die Konservativen konnten in den Wahlen erneut Siege davontragen. Labour erzielte in den zwei Wahlen 28 und 31 Prozent der Stimmen und die Konservativen 42 Prozent, sowohl 1983 als auch 1987.

Die Jahre 1982 bis 1988 brachten dem Vereinigten Königreich einen wirtschaftlichen Boom, der von erhöhtem Konsum getragen wurde. Der Lebensstandard der Mehrheit der Briten stieg, und die Arbeitslosenzahl sank, nachdem sie einen Höchststand von drei Millionen überschritten hatte, allmählich ab. Die Industriebetriebe des Vereinigten Königreiches konnten ihre Wirtschaftlichkeit steigern, allerdings schrumpfte der Sektor insgesamt, da viele Unternehmen schließen mussten. London behielt seine Stellung als eines der weltgrößten Finanzzentren. Die direkte Beteiligung der Regierung an der Wirtschaft wurde durch eine von Thatcher eingeleitete Privatisierungswelle reduziert; so wurden beispielsweise das staatliche Monopol für den Betrieb der Fluggesellschaft British Airways, des Telefondienstes und der Strom- und Wasserversorgung privaten Investoren übertragen. Die Bewohner von Sozialwohnungen wurden angehalten, die von ihnen gemieteten Wohnungen zu kaufen. Während dieser Zeit wurden auch Gesetze erlassen, die die Macht der Gewerkschaften drastisch reduzierten. Die Gewerkschaften mussten außerdem einen Schwund ihrer Mitgliederzahlen hinnehmen, ein Ergebnis der hohen Arbeitslosigkeit und des schrumpfenden Industriesektors.

Die Regierung John Major

Zwar hatte Thatcher den Wohlfahrtsstaat nicht abgeschafft, in den Augen ihrer Kritiker aus den Reihen der Opposition hatte die"Eiserne Lady" jedoch den Sozialstaat empfindlich getroffen, etwa in Bereichen wie dem Bildungswesen und dem staatlichen Gesundheitsdienst. Thatchers Rücktritt im November 1990 wurde durch massiven Druck aus ihrer eigenen Partei erzwungen. Entscheidende Faktoren für ihren Sturz waren jedoch auch ein zeitweiser Wiederanstieg der Inflation auf einen zweistelligen Wert, die Einführung der unpopulären "poll tax" (einer Kopfsteuer als Ersatz für die bisherige, einkommensabhängige Kommunalsteuer) sowie die zunehmend ablehnende Haltung der Premierministerin zur Europäischen Union, die einige ihrer Parteikollegen auf deutliche Distanz zu ihr gehen ließ. Thatchers Nachfolger als Parteichef der Konservativen wurde John Major, der die unter Thatcher praktizierte enge Zusammenarbeit mit den USA fortsetzte. Britische Truppen kämpften an der Seite der multinationalen Streitkräfte im Golfkrieg. Bei den Parlamentswahlen im April 1992 konnte Major trotz der damaligen wirtschaftlichen Rezession einen Sieg seiner Partei davontragen, jedoch war die konservative Mehrheit im Unterhaus deutlich reduziert. Labour-Chef Neil Kinnock, der in den vorhergehenden Jahren eine Kurswende seiner Partei vom äußeren linken Spektrum zur politisch-ideologischen Mitte hin herbeigeführt hatte, trat nach den Wahlen zurück, und John Smith trat an seine Stelle. Die Regierung Major sah sich nach den Wahlen mit einer ausufernden Finanzkrise konfrontiert, deren Auslöser die Abwertung des Pfundes innerhalb des Wechselkurssystems, hohe Inflation und Arbeitslosigkeit sowie eine landesweite Rezession waren. Dies bescherte Major in Umfragen die schlechtesten Ergebnisse, die je ein britischer Premierminister erzielte, nämlich nur 14 Prozent Zustimmung seitens der Bevölkerung. 1993 war in der Presse von Kontakten zwischen der Major-Regierung und Sinn Fein, dem politischen Arm der IRA, die Rede. Major und der irische Premierminister Albert Reynolds gaben eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie die IRA zu einem dreimonatigen Waffenstillstand aufforderten, nach Ablauf dessen Sinn Fein an Gesprächen über die Zukunft Nordirlands teilnehmen würde. Die Forderung des Sinn-Fein-Chefs Gerry Adams nach Gesprächen ohne jegliche Bedingungen wurde abgelehnt.

Im März 1994 bekannte sich die IRA zu zwei Bombenanschlägen auf dem Londoner Flughafen Heathrow. Die Bomben explodierten jedoch nicht, was zu der Vermutung Anlass gab, dass die IRA versuchte, ihre Verhandlungsposition gegenüber der britischen Regierung zu verbessern. Noch im selben Monat erklärte die IRA einen 72-stündigen Waffenstillstand in Belfast, setzte jedoch nach Ablauf der Frist ihre Terroranschläge fort. Am 31. August 1994 erklärt die IRA einen bedingungslosen Waffenstillstand und sagte zu, zugunsten der Friedensverhandlungen alle Militäraktionen auszusetzen. Im Oktober kündigte auch die Gegenseite, die loyalistisch-protestantische paramilitärische Vereinigung, einen Waffenstillstand an. Beide Waffenruhen hielten bis Mitte des Jahres 1995. Die britische Regierung reagierte auf die Beendigung der Terroraktivitäten mit einer allmählichen Reduzierung ihrer Militärpatrouillen in Nordirland. In März 1995 wurden die ständigen Patrouillen während des Tages in ganz Nordirland ausgesetzt. Die Schritte zur Aufnahme von Gesprächen über die Zukunft des Landes mit allen beteiligten Parteien gerieten jedoch erneut ins Stocken, da die demokratisch-unionistische Partei sich jeglicher Veränderung des Status quo gegenüber ablehnend zeigte und die IRA sich weigerte, ihre Waffen abzugeben. Dennoch wurden im Dezember 1994 direkte Gespräche zwischen Sinn Fein und der britischen Regierung aufgenommen.

Im Mai 1994 starb der Labour-Chef John Smith unerwartet an einem Herzinfarkt. Sein Nachfolger Tony Blair vollendete die Umgestaltung der Labour Party in eine Mitte-Links-Partei, die von Kinnock eingeleitet und von Smith fortgeführt worden war. Im April 1995 stimmte die Partei auf einem Sonderparteitag für den Bruch mit ihrem traditionellen Bekenntnis zur Verstaatlichung, das in Klausel IV der Parteisatzung festgelegt war. Diese und andere Reformen, vor allem die Distanzierung der Partei von den Gewerkschaften, wurden weithin als Zeichen dafür interpretiert, dass Labour sich wieder zu einer potentiellen Regierungspartei gewandelt habe. Den Konservativen bescheinigten die Meinungsumfragen in dieser Zeit eine kontinuierlich niedrige Zustimmung bei der Bevölkerung. Hinzu kamen haushohe Niederlagen bei Kommunalwahlen im April und Mai 1995 sowie eine Reihe von Skandalen. Das schwerwiegendste Problem war jedoch die wachsende Kluft innerhalb der Partei über die Frage der Europapolitik. Im November 1994 weigerten sich neun so genannte Euro-Rebellen aus den Reihen der konservativen Abgeordneten, die Regierung in einer Abstimmung über Finanzleistungen an die EU zu unterstützen und brachen damit demonstrativ aus der Parteidisziplin aus. Im Juli 1995 trat Major als Parteiführer der Konservativen zurück und erzwang eine Neuwahl des Parteichefs. Dies war als Versuch gedacht, den Zusammenhalt der Partei wieder herzustellen. John Major gewann zwar gegen einen antieuropäisch gesinnten Gegenkandidaten, ein Drittel der Abgeordneten stimmte jedoch gegen ihn oder enthielt sich.

Im Februar 1996 brach die IRA ihren Waffenstillstand. Am 9. Februar detonierte in den Londoner Docklands eine Autobombe, die zwei Menschen das Leben kostete; mehr als hundert Menschen wurden verletzt. Die IRA ließ am Abend der Explosion verlauten, dass die britische Regierung und die protestantischen Unionisten ihre Chance auf eine friedliche Lösung des Konflikts verspielt hätten.

Die Regierung Blair

Bei den Unterhauswahlen im Mai 1997 erlebte die konservative Partei unter John Major eine vernichtende Niederlage. Tony Blair erzielte mit New Labour den höchsten Wahlsieg der Parteigeschichte und beendete damit die 18-jährige konservative Ara. Blair ist der jüngste Premierminister Großbritanniens in diesem Jahrhundert. Er kündigte an, die Distanz Großbritanniens zu Europa beenden und das Land zu einem führenden Mitglied der EU machen zu wollen.[1]



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