Bauernkrieg
Das Unverständnis und die Kompromißlosigkeit der Obrigkeit führte zur
Radikalisierung der politischen Forderungen und damit zur militärischen
Eskalation im Bauernkrieg. Nach anfänglichen Rechtfertigungen wandte sich auch
Luther gegen die aufständischen Bauern.
Da sich die Wortführer vieler Bauernaufstände auf Luthers Lehre berufen hatten,
zerstörte er mit seiner Kampfschrift »Wider die räuberischen und mörderischen
Rotten der Bauern« deren moralische und religiöse Basis. Dabei waren die
bäuerlichen Forderungen der »Zwölf Artikel« in ihren Rechtswünschen eher
maßvoll: »Es ist unsere Meinung, uns nach alter festgesetzter Strafe zu strafen
() und nicht nach Willkür.« Die Abgabe des »Zehnten« wurde anerkannt. Aber
für den herrschenden Adel schien das politische Manifest der Bauern doch zu
sehr an seiner Machtbasis zu rütteln, da u.a. bei der Predigt »ohne allen
menschlichen Zusatz« eine ideologische Trennung von Geistlichkeit und adeliger
Grundherrschaft gefordert worden war und besonders beklagt wurde, daß über die
Allmende nicht mehr von der Gemeinde verfügt werden konnte: »Unsere
Herrschaften haben sich die Wälder alle allein angeeignet, und wenn der arme
Mann etwas bedarf, muß er es für doppeltes Geld kaufen.«
Mit der Ablehnung der in den »Zwölf Artikeln« erhobenen Forderungen, die auf
das göttliche Recht Bezug nahmen, eskalierte der Bauernkrieg. Die mit ihm
verknüpften politischen Zielvorstellungen differierten in der Folgezeit
erheblich. Sie reichten von den reaktionären Forderungen nach einem reinen
Bauernstaat mit eingeebneten Städten in Tirol bis zu den chiliastischen und
kommunistischen Vorstellungen Thomas Müntzers in Thüringen, den der Philosoph
Ernst Bloch in seiner 1921 erschienenen Studie als »Theologen der Revolution«
vorstellt und dabei harte Worte gegen den Widersacher Luther, den »Partisanen
der Fürstenklasse«, findet.
Die Struktur des Bauernkrieges spricht gegen Überlegungen, nach denen ein
militärischer und politisch denkender Kopf die Stoßkraft der Bauern hätte
zentralisieren können. Denn die Aufstände waren spontan aus zahlreichen
regionalen Unruheherden, in denen die Notwendigkeit der bäuerlichen Forderungen
herausgestellt wurde, entstanden. Zunächst von raschen Anfangserfolgen
getragen, die - ebenso wie die drucktechnische Vervielfältigung von
Flugblättern - die Publizität und das revolutionäre Bewußtsein verstärkten,
verdichteten sich die Aufstände nicht zu einer organisierten Erhebung, die
gegen die von den Fürsten durchgeführten Feldzüge hätte bestehen können.
Mit der Ausschaltung der Bauern und vielfach auch des Bürgertums aus dem
politischen Leben hatten die Landesfürsten die Voraussetzungen für den modernen
absolutistischen Territorialstaat geschaffen. Somit wurde erst fast drei
Jahrhunderte später mit der Bauernbefreiung die mittelalterliche
Agrarverfassung und das Hörigkeitsverhältnis zwischen Gutsherr und Bauer
überwunden. Ausschlaggebend waren dann vor allem fiskalische und militärische
Gründe, die im Zusammenhang mit Modernisierungsstrategien zu sehen sind.