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Bismarcks Innenpolitik
Vorgeschichte
1.April 8 5 Geburt Otto von Bismarcks als Sohn eines altmärkischen Landedelmannes, jedoch durch spätere politische Aktivitäten im Ausland ohne provinzielle Begrenztheit.
7 Später Beginn der politischen Laufbahn als Abgeordneter des preußischen vereinigten Landtages.
Anfangs Mitglied der Junkerpartei, mithin äußerst rechts.
4 / 9 Bekämpfte er die Revolution unerbittlich und unnachgiebig als Interessenvertreter seines Standes, ganz Kind seiner Abstammung.
51 Versetzung als preußischer Bundestagsgesandter nach Frankfurt. Hier erkannte er das Problem des preußisch- österreichischen Dualismusses im Deutschen Bund und kam zu dem Schlu , daß nur einer von beiden die Vormachtstellung erreichen konnte, weswegen Österreich werde ausscheiden müssen.
1859 Nach Ausbruch des italienisch- österreichischen Krieges wegen dieser anti-österreichischen
Einstellung nach St.Petersburg versetzt ("kaltgestellt").
1 62 Gesandter in Paris,
wenig später Berufung zum preußischen Ministerpräsidenten als "schärfster und letzter Bolzen" Königs Wilhelm I. , da sich der nach dem Versuch der Heeresreform der Verfassungskonflikt zwischen Krone und Parlament mehr und mehr zuspitzte und eine revolution re
Stimmung bemerkbar wurde.
Zu dieser Zeit war die öffentlich Meinung über Bismarck negativ und seine Ernennung umstritten. Er war bekannt als verbissener, gef hrlicher Mann, der Zugeständnisse, besonders an die Arbeiterschicht, nur dann machte, wenn sie ihn abgepreßt wurden.
Durch seine beachtlichen außenpolitischen Erfolge, namentlich dem Sieg über Österreich bei der
Schlacht von Königgrätz am 3 7 8 6, hatte sich dies völlig geändert und Bismarck erlangte große Popularität: Die Liberalen begrüßten die Beseitigung der "Konkurrenz" Österreich im Kampf um die Spitzenposition, andere bewunderten Bismarcks Entschlossenheit und Tatkraft, ohne die Deutschlands Einheit wohl nie hergestellt worden wäre. Nur Sozialisten blieben ihm gegenüber argwöhnisch, da seine Politik zu sehr an der Aristokratie orientiert war, um den Vertretern der Arbeiterklasse zusagen zu können.
Der Verfassungskonflikt
Als Bismarck sein Amt als preußischer Ministerpräsident antrat, begann er mit einer völlig verfahrenen Situation und gegen weite Teile der öffentlichen Meinung.
Wilhelm I. hatte ihn in seiner Notlage auf Anraten seines Kriegsministers angefordert, da die Liberalen aus den
letzten Wahlen nach der Parlamentsauflösung gestärkt hervorgegangen waren und nun noch mehr
Mitbestimmungsrecht als zuvor verlangten.
Bismarck nahm die Situation in die Hand: Er regierte ohne Budget weiter, knebelte die Presse und drohte aufmüpfigen Beamten mit Sanktionen, wenn diese ihn kritisierten.
Das Abgeordnetenhaus bezeichnete das budgetlose Regieren als verfassungswidrig und beschwerte sich auch über die Behandlung von Presse und Beamtenschaft.
Daraufhin begründete Bismarck sein Vorgehen mit der Lückentheorie: Es sei nicht geregelt, welcher der drei gesetzgebenden Instanzen (Krone, Herrenhaus, Parlament) nachgeben müsse.
Das war verfassungsrechtlich kaum haltbar, jedoch hätte nur eine Revolution oder der K nig ihn stoppen können und die Opposition war zu schwach und den König hatte er auf seiner Seite, da dieser im Falle eines Nachgebens gegenüber den Liberalen eine Verschiebung des Kräftegleichgewichts zu Ungunsten der Krone fürchtete. So war sich Bismarck seiner Unangreifbarkeit wohl bewußt.
In den nächsten Jahren regierte er dann weiter ohne und auch gegen das Parlament, wodurch er die Abgründe zwischen monarchisch- konservativer und parlamentarisch- liberaler Einstellung noch vergrößerte.
66 nutzte er die durch den Sieg über Österreich ausgelöste Hochstimmung, um den Streit mit dem Parlament beizulegen- in der nun greifbar erscheinenden, lang ersehnten Einigung Deutschlands schienen innenpolitische Konflikte nebensächlich.
Das Parlament sollte das Budget der letzten Jahre nachträglich genehmigen und Indemnität(Straffreiheit)
gewähren. Damit versöhnten sich die beiden Parteien: Die Lückentheorie war entwertet, man bekannte sich öffentlich zum Verfassungsstaat, gab jedoch gleichzeitig zu, daß man sich am Rande, vielleicht sogar außerhalb der Legalität bewegt hatte. Das Haushaltsrecht des Parlaments war damit bestätigt.
Bei der späteren Diskussion über den Entwurf des Indemnit tsgesetzes räumte Bismarck jedoch keinen eigenen Fehler ein, sondern bot aus einer Position der Stärke herab jovial Vergessen und Frieden an, da das "Vaterland den inneren Frieden angesichts der bevorstehenden Aufgaben" (Einigung) brauche.
Damit war der Verfassungskonflikt beigelegt.
Bismarck und die Parteien
Für Otto von Bismarck war Preußen der Ausgangspunkt allen Denkens. Auch die deutsche Einigung entsprach durchaus nicht seinem Wunsch; für ihn war sie jedoch unausweichlich aufgrund der europäischen Tendenz zur Nationalstaatenentwicklung, da sonst Preußens Machtposition gefährdet worden wäre. Ebenso verhielt es sich mit den Parteien.
Bismarck konnte sich zeitlebens mit den Parteien nicht anfreunden. Für das Parlament empfand er kaum mehr als lästige Verachtung; er disziplinierte es mit Härte und stellte dabei die Einheit ber das Prinzip der demokratischen Freiheit, war ruppig und kompromißfeindlich.
Nie ließ er sich von einer Partei bestimmen; h chstens benutzte er sie und spielte sie gegeneinander aus. Sie wurden toleriert, solange sie kein allzu großes Argernis darstellten; andernfalls zögerte er nicht, sie erbarmungslos zurechtzuweisen. Für ihn waren Parteien und allgemeines Wahlrecht nicht mehr als unbedingt nötige Zugeständnisse an den Zeitgeist. Ohne es zu wissen, schädigte er damit den demokratischen Geist. Das Parteienwesen verkümmerte im wesentlichen durch Bismarck zu wirtschaftlichen Interessengruppen und unpolitischem Spießertum. Kritiklose, blinde Staatsloyalität entstand, was Deutschland später auch anfällig für Totalitarismus machen sollte.
Einige Beispiele:
Der Kulturkampf gegen das Zentrum:
Er wurde ausgelöst durch die Grundsatzerklärung der Zentrum- Partei direkt nach der Reichsgründung.
Sie erkannten das deutsche Reich zwar rückhaltlos an, verlangten jedoch auch ein festes nationales B ndnis mit Österreich, die Aufrechterhaltung eines föderativen Charakters im Reich und einen Schutz des Rechtes der Religionsgemeinschaften vor Eingriffen durch den Staat. Dies konnte zu einer Herrschaft der Kirche neben dem Monarchen führen, vielleicht sogar zu einer indirekten Mitherrschaft des Papstes, was, so dachte Bismarck, schon zur Zersetzung des deutschen Reiches im Mittelalter geführt hatte.
Ferner bestritten die anderen beiden Punkte Preußens hegemoniale Regierungsgewalt in Deutschland.
Als das Zentrum in den ersten Reichstagswahlen (am 3 3 8 1)als zweitstärkste Partei hervorging, also ihm gefährlich werden konnte, reagierte Bismarck.
Schon 4 Monate später begann eine ganze Reihe von Maßnahmen, welche die Macht der katholischen Kirche als Institution beschränken und sie dem Staat unterordnen sollten: Die Schließung der katholischen Abteilung im preußischen Kultusministerium, das Verbot der Kritik am Staat durch Geistliche, Ersetzung der geistlichen Schulaufsicht in Preußen durch eine Staatliche, Verbot von Niederlassungen der Jesuiten, die Verwaltung der kirchlichen Finanzen durch Gemeindevertretungen und schließlich, 1 7 , die ausschließliche Gültigkeit der standesamtlichen Ehe vor der Kirchlichen.
Da all dies nicht den gewünschten Erfolg hatte, sondern nur die öffentliche Meinung gegen sich aufbrachte und das politische Klima in Deutschland vergiftete, griff Bismarck zu einer anderen seiner Taktiken und machte sich den unbesiegbaren Feind zum Freund: Nach dem Tod Pius IX 1 78 nutzte er die Gelegenheit, ein weniger angespanntes Verhältnis zu dem neu gewählten Papst Leo XIII zu beginnen.
Der Papst half Bismarck unauffällig, einen Ausgleich mit dem Zentrum zu erlangen; im Gegenzug nahm dieser schrittweise die rabiatesten Erlasse zurück.
Die Verstimmungen und Verunsicherungen, die der sogenannte Kulturkampf im Verhältnis des Staates zur
Kirche geschaffen hatte, blieben jedoch noch bis in die Geschichte der Bundesrepublik hinein.
Bismarck und die Sozialdemokraten:
Die Sozialdemokratische Partei war zwar nicht groß genug, um den Plänen des Reichskanzlers gef hrlich werden zu können, jedoch war für ihn die Lösung der Arbeiterfrage keine Parteiangelegenheit, sondern zentrale Aufgabe des Staates. Da die sozialistische Arbeiterpartei eine breite Wählerschaft für sich gewinnen konnte und da diese Partei zudem noch eine Volksherrschaft im marxistischen Sinne forderte, d h. heißt einen Umsturz des Systems, für das Bismarck einstand (die Monarchie), hatte er Gründe genug, gegen sie vorzugehen.
Ein Attentat auf Wilhelm I am 1 . Mai 8 8 nahm er trotz mangelnder Indizien zum Anlaß, ein Ausnahmegesetz vorzuschlagen, welches sozialistisch Gesinnten das Presse-, Versammlungs- und Vereinsrecht entziehen sollte. Das Gesetz wurde jedoch am 4.Mai nicht angenommen, da die liberale Partei ihre Zustimmung verweigerte. Nach einem zweiten Attentat am . Juni nutzte Bismarck die entstandene ffentliche Empörung, um den Reichstag aufzulösen und im neu gewählten Parlament sein "Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" annehmen zu lassen. Er wußte jedoch, daß er das Problem durch pure Unterdrückung
nicht lösen konnte. Um die Ursachen der Beliebtheit des sozialdemokratischen Gedankens bei den Arbeitern zu beseitigen, begann er, eine staatliche Sozialpolitik einzuführen.
In den folgenden Jahren wurden mehrere Gesetze verabschiedet:
Unfallversicherung (April 8 , Krankenversicherung (Juli8 , Invalidit ts- und Altersversicherung (Juni 8 ) sollten die Arbeiter direkt absichern. Gleichzeitig wurden Mindestlöhne festgelegt, die Steuerlast besser verteilt und Arbeitslosigkeit gemindert durch "Merkantillismus".
Die Sozialdemokratie erlebte trotz dem nach zeitweiliger Schwächung einen kontinuierlichen Zulauf; 8 0, nach
Aufhebung des Sozialistengesetzes war sie schon zweitstärkste Partei im Reichstag.
Jedoch machte die Ausgrenzung der Arbeiterpartei die Integration der Sozialdemokratie schwerer, als sie aufgrund der Ansicht der politisch maßgeblichen Schichten ohnehin schon war. Dies war zwar beabsichtigt gewesen, doch so vergrößerte sich auch die Kluft zwischen Arbeitern und Staat; später mangelte es zudem an einer Tradition zur parlamentarischen Bewältigung von Meinungsgegensätzen; allseits akzeptierte "Spielregeln" fehlten.
Abgang
In den zwei Jahrzehnten seiner Amtszeit hatte Bismarck das deutsche Reich geschaffen, ihm Frieden und
Monarchie bewahrt.
Wilhelm I hatte ihn währenddessen gestützt und in Schutz genommen; schließlich hatte er sich ganz darauf beschränkt, zu repräsentieren und seinen Kanzler im Amt zu halten und ihm freie Hand gelassen. Nachdem der deutsche Kaiser und preußische König am . März 1 88 gestorben war, bernahm sein todkranker Sohn Friedrich für 9 Tage die Regentschaft. Als dann Wilhelm II das Kaiseramt antrat, gerieten die beiden energischen Geister in Konflikt, nicht zuletzt durch sozialpolitische Bestrebungen des Thronerben.
Wilhelms Verbitterung über Bismarcks Dominanz, die all die Jahre das Herrscherhaus der Hohenzollern überschattet hatte, war so groß, daß er den Konkurrenten um die Spitzenposition am 0. März 8 0 endgültig aus dem Amt verdrängte. Mit Wilhelm II begann eine neue Ara, welche auf den Erfolgen von Bismarcks Friedenspolitik aufbaute und sie schließlich im ersten Weltkrieg zunichte machte.
Bismarck selbst starb am 3 . Juli 1 98 auf seinem Landsitz im Sachsenwald.
Bismarck heute
Die Meinung ber Otto von Bismarck sind bis heute gespalten: Einige bewundern seine durchdachte Real- und Sicherheitspolitik, welche, auch über Deutschland hinaus, lange Zeit den Frieden ermöglichte, welche Gegensätze von Nationen in Europa ausglich, so für ein stabileres politisches Klima sorgte und welche B ndnisse zwischen Mächten auch außerhalb von Kriegszeiten etablierte.
Andere verachten ihn als Gewaltpolitiker und Macciavellisten, der demokratische Kräfte unterdrückte und so
verhinderte, daß später totalitäre Kräfte abgewehrt werden könnten, da in Deutschland eine lange Tradition des Obrigkeitsstaates herrschte. Die Nationalsozialisten wiederum warfen ihm eine ziellose Friedenspolitik vor, die außenpolitische Energien der Nation verkümmern lie .
Trotz allem läßt sich jedoch sagen, daß Bismarck nach wie vor zu den berühmtesten Figuren der deutschen
Geschichte gehört.
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