Das Frankenreich: eine Folge von Erbteilungen
Dem Reich Karls des Großen war keine Dauer beschieden. Ein so riesiges, von
mehreren Völkern bewohntes Herrschaftsgebiet ließ sich mit den unentwickelten
administrativen Mitteln der damaligen Zeit nicht lange zusammenhalten.
Beschleunigt wurde der unvermeidliche Zerfall durch die traditionelle
Herrschaftsteilung.
Seit dem Reichsgründer Chlodwig war es im Frankenreich Brauch, nach dem Tod des
Königs die Herrschaft unter seine legitimen Söhne aufzuteilen. Auch Karl der
Große hielt sich daran und erließ 806 eine entsprechende Ordnung. Da jedoch
zwei seiner drei Söhne vor ihm starben, wurde Ludwig (der Fromme) 814 sein
Alleinerbe. Ludwig wollte, unterstützt von der Geistlichkeit, die Reichseinheit
wahren und bestimmte bereits 817 seinen Sohn Lothar (I.) zum Mitkaiser und
Haupterben, während die beiden jüngeren Söhne Pippin und Ludwig (der Deutsche)
nur kleinere Teilherrschaften erhielten. 823 wurde ihm in zweiter Ehe ein
weiterer Sohn geboren, Karl (der Kahle). Ihm sprach er 829 auf Kosten Lothars
ein eigenes Herrschaftsgebiet zu. Das führte zum offenen Aufstand der drei
älteren Söhne und zur faktischen Entmachtung des Kaisers.
Nach seinem Tod (840) verkehrten sich die Fronten: Ludwig und Karl (Pippin war
838 gestorben) verbündeten sich gegen Lothar, der seinen Anspruch auf die
Oberherrschaft gegen sie durchzusetzen suchte. Er wurde 841 in der Schlacht von
Fontenoy geschlagen und mußte 843 mit seinen Brüdern den Vertrag von Verdun
schließen: Karl erhielt den Westen des Reichs, Ludwig den Osten und Lothar -
der nominell Kaiser blieb - einen Mittelstreifen von der Rhein- bis zur
Rhônemündung sowie Italien.
Damit war der Teilungen noch kein Ende. Nach Lothars Tod wurde das Mittelreich
unter seine Söhne geteilt: Lothar (II.) erhielt den nördlichen Teil, Ludwig
(II.) Italien und den Kaisertitel. Als Lothar II. starb, teilten seine beiden
Onkel, Ludwig der Deutsche und Karl der Kahle, im Vertrag von Meersen (870)
sein Gebiet unter sich auf. Zehn Jahre später folgte im Vertrag von Ribémont
eine Korrektur zugunsten des Ostreichs.
Herrschaftsteilung war zwar nie als dauerhafte Reichsteilung verstanden worden,
und auch jetzt noch fühlte man sich in Ost und West als Glieder eines
Reichsverbands. Tatsächlich aber war die Trennung nicht mehr rückgängig zu
machen. Aus dem Ost- und dem Westfrankenreich wurden im Lauf des nächsten
Jahrhunderts Deutschland und Frankreich.