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Der Vier-Jahresplan
Unter Führung des Reichswirtschaftsministers Schacht gelang es, die deutsche
Handelsbilanz trotz großer Probleme, trotz des zurückgangenen Anteils Deutsch-
land am sich wieder belebenden Welthandel, einigermaßen ausgeglichen zu
halten. Doch seine Absichten, Deutschland auf rationale Weise zu einem er-
starkenden Partner der Welthandelswirtschaft zu machen, standen im Gegen-
satz zu den Zielen Hitlers.
Auf dem Parteitag 1936 konnte Hitler verkünden, daß die Zahl der Arbeits-
losen von 1933 bis 1936 von 6 Millionen Arbeitslosen auf 1 Million zurück-
gegangen war. Auf diesem Parteitag verkündete er auch seinen Vierjahres-
plan, der eine klare Entwicklung für die Industrie in seinem Sinne festlegte.
Dieser Plan stnd im Dienste der Kriessvorbereitung.
Dazu verfaßte er ein Memorandum, das geheim gehalten wurde und nur
Göring, Blomberg und später Speer zur Kenntnis gegeben wurde, nicht aber
dem REichswirtschaftsminister.
In diesem Plan stellte er klar heraus, daß es die Aufgabe der deutschen
Wehrmacht und der deutschen Industrie sei, in 4 Jahren einsatzbereit und
kriegsfähig zu sein (Gebhardtt S.138)
Dieser Aufgabe waren alle anderen Gesichtspunkte untergeordnet, nicht nur mögliche
und erwartete Opfer auf dem Gebiet der Ernährung, sondern auch die Auswrikung auf
den Lebensstandard der deutschen BEvölkerung. Zum Vergleich:
Anteil des Arbeitnehmereinkommens in den stabilen Jahren der Weimarer Republik:
66,2 % - 1929 68,5 %
Im dritten REich
68 % - 1939 63, 5 %
Anders entwickelte sich der Anteil des Vermögens- und Unternehmenseinkommens
- 1939 36,5 % (Gebhardt S.146)
Es war Hitler in einer Zeit der Krise gelungen, Millionen Arbeitslosen Beschäfti-
gung zu geben, doch sein Ziel war nicht -jedenfalls nicht kurzfristig - die Hebung
des Lebensstandards der Bevölkerung.
Hermann Göring, der mit der Durchführung des Vierjahresplanes beauftragt war,
legte in einer Rede vom 17. Dezember 1936 vor ungefähr 100 führenden Vertretern
der deutschen Wirtschaft die Ziele des Planes dar. Allein entscheidend sei_:'Sieg
oder Untergang. Wenn wir siegen, wird die Wirtschaft entschädigt werden. Man kann
sich hier nicht richten nach buchmäßiger Gewinnrechnung, sondern nur nach den Be-
dürfnissen der Politik (Gebhardt S.139)
Der Vierjahresplan stellt eine entscheidende Maßnahme dar in der Beziehung des
NS-Regimes zu der deutschen Wirtschaft. DEr Einfluß der Industriezweige, die für
den Konsum produzierten - produktive Industriezweige - und ihrer Vertreter wurde
stark eingeschränkt.
Dies kann man ablesen amprozentualen Anteil der Verbrauchsgüterindustrie an der
Gesamtproduktion in diesen Jahren:
1937/38 17 % (Vg. Gebhardt 141)
Trotz gestiegener Beschäftigungszahl ist eine klare Verlagerung zu sehen.
Dem Konzept von Schach und Goerdeler, dem in Wirtschaftskreisen hoch angesehenen
Reichspreiskommissar - später im Mittelpunkt eines Widerstandskreises - den Anschluß
Deutschlands an den Weltmarkt zu suchen und die Aufrüstung zu beschränken, wurde eine
klare Absage erteilt. Dabei waren beide Befürworter der nationalen Aufrüstung, jedoch
in wirtschaftlich sinnvollem Rahmen.
Unter diesen Umständen trat Schacht von seinem Amt als Reichswirtschaftsminister zu-
rück, ebenso, wie er 1939 seinen Posten als Reichsbankpräsident aufgab, als er gegen
das inflationäre Drucken von Banknoten ohne Deckung protestierte. In beiden Amtern
folgte ihm Walter Funk.
Der Vierjahrsplan beweist, daß die NS-Führung plante, nur durch erfolgreiche Ex-
pansion ihre Probleme, auch die wirtschaftlichen, zu lösen, und daß dies den Vertretern
der deutschen Industrie spätestens 1936 vollkommen klar war.
III.2 Die Rolle der großen Konzerne
Die Nutznießer des Vierjahresplanes waren die zur Aufrüstung beitragenden Industrie-
zweige. Dies waren einmal die Bereiche, die in der Förderung von Kohle und Eisen
tätig waren, und die Schwerindustrie.
Zum Vergleich
Kohleförderung: 1933 107 Mio t 1938 186,4 Mio t (mit Saarland und Österreich)
Eisenerzgewinnung: 1932 2,6 Mio t 1938 15 Mio t
Doch obwohl sich diese großen Konzerne vom Vierjahresplan Gewinn versprachen,
waren die Interessen von Industrie und NS-Regime nicht immer deckungsgleich.
Gegen den Aufbau der eisenerzverhüttenden Reichswerke Hermann Göring von
Seiten des Staates gab es großen Widerstand der Schwerindustrie, die die REichs-
werke als unliebsamen Konkurrenten fürchteten. Diese Proteste blieben erfolglos,
und sie beweisen, daß die politische Führung stark genug war, sich in Konflikt-
fällen durchzusetzen. Doch langfristig profitierten auch die stahlproduzierenden
Betriebe, die versucht hatten, den Aufbau der Reichswerke zu verhindern, von der
wirtschaftlichen Politik der Aufrüstung .(vgl. Kersham S.101 f)
III.3 Die Rolle der großen Konzerne
Ziel der NS-Führung war die Autarkie Deutschlands, die Unabhängigkeit von
anderen Staaten.
Neben den Konzernen der Schwerindustrie hatte das Riesenunternhemen der
IG Farben eine führende Position erworben. Wirtschaftliche Interessen der IG-
Farben fanden ihren Einfluß in die Abfassung des Vierjahresplanes. Der leiten-
de Direktor der IG-Farben, Carl, Krauch, war mit einer Vielzahl anderer Ange-
höriger dieses Konzerns tätig in der Behörde, die die Umsetzung des Vierjahres-
planes überwachte und verantwortete. In einer Rede am 28-.4.1939 berichtete
er vor dem Generalrat des Vierjahresplanes von der Lage der Chemieindustrie,
der Notwendigkeit einer zunächst friedlichen Ausweitung des Wirtschaftsraumes
auf den Balkan und Spanien und hinsichtlich Südosteuropas von der Möglichkeit,
'Durch Einbeziehung eines wehrmachtsmäßigen Rahmens die Mineralölwirt-
schaft auf lange Jahre hinaus völlig zu sichern (Gebhardt 141)
Ganz klar ist zu sehen, daß die Ziele der IG-Farben und ihrs leitenden Vertreters
Carl Krauch - Sicherung von Rohstoffen und Steigerung von Gewinnen durch Ex-
pansion - große Nähe zu denen des NS-Regimes aufwiesen. Auch in ihrer Per-
sonalpolitik gab dieser Konzern den Mitgliedern der nationalsozialistischen Par-
tei einen deutlichen Vorrang.
So drängte Carll Krauch in aggressiver WEise auf eine Verwirklichung der Ex-
pansionspläne.
Die in der Waffenproduktion tätigen Konzerne zogen jahrelang großen Nutzen
aus dem kriegerischen Geschehen. Dabei nahm die IG-Farben eine besondere
Stellung ein.
Ihr Reingewinn, der von 1933-1935 stagnierte, verdoppelte sich 1936 von 70
Millionen Reichsmark auf 140 Millionen und stand 1940 bei 300 Millionen Reichs-
mark. Über die anzunehmenden Steigerungen in den folgenden JAhren sind keine
Nachweise mehr zu erhalten.
Allgemein profitierten die großen Konzerne von der Arisierung jüdischen Kapitals
im Jahre 1938. Sie versprachen sich von einer Expansion und der Verfügbarkeit
von Rohstoffen und billigen Arbeitskräften große Gewinne.
V.
Von dem Zeitpunkt der Machtergreifung bis ungefähr der Mitte der dreißiger Jahre
bestand im großen und ganzen kein großer Widerspruch zwischen dem NS-Regime
und der deutschen Wirtschaft.
Doch dann war die wirtschaftliche Aussicht düsterer: Es fehlten Devisen, Rohstoffe,
Arbeitskräfte, es gab Probleme in der Zahlungsbilanz und durch das unkontrollierte
Drucken von Banknoten inflationäre Tendenzen.
Eindeutig ihren Einfluß verstärkt hatten die großen für die Rüstung tätigen Konzerne.
Wenige Tage vor dem Überfall auf Polen hatte Hitler den Oberbefehlshabern der
Wehrmacht erklärt:'Unsere wirtschaftliche Lage ist so, daß wir nur noch wenige
Jahre durchhalten können.Uns bleibt nichts übrig, wir müssen handeln.(Kershaw S.109 f)
Und so begann er mit dem 1. September 1939 seine langfristig geplante und risiko-
reiche Politik der kriegerischen Eroberung.
Die deutsche Industrie konnte nur noch mitmachen, wobei die großen Konzerne,
allen voran die IG-Farben, diese Politik unterstütze.
Doch mit fortschreitendem Kriegsverlauf verloren auch diese Unternehmen ihren
Einfluß auf die politischen Entscheidungen des NS-Regimes.
Die Niederlage des 3. Reiches mit ihrer Zerstörung des deutschen Reiches, seiner
Infrastruktur und seinen Industrieanlagen widersprach allen Hoffnungen und Erwar-
tungen, die große Zweige der deutschen Industrie auf diese risikoreiche Politik
gesetzt hatten. Doch sie hatten diese Politik ermöglicht, weitgehend mitgetragen
und unterstützt.
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