Die Entstehung von Mumien
Nach dem Tod eines Menschen zerfällt der Körper. Die Auflösung ist das
Werk von Millionen von Bakterien. Schon während des Todeskampfes dringen sie
aus ihren natürlichen Lebensräumen im Körperinnern und später auch von außen in
den Leichnam ein. Dort setzen sie viele chemische Reaktionen in Gang. Wenn bei
diesen Reaktionen Sauerstoff verbraucht
wird, spricht man von Verwesung, bei Reaktionen ohne Sauerstoffverbrauch von
Fäulnis. Außer den Bakterien sind auch noch andere Tiere am Zerfall beteiligt.
Bei Erdbestattungen finden kleine Tiere, die im Boden leben, genügend Nahrung
am Leichnam. An der Luft werden vor allem Fliegenlarven durch den
Verwesungsgeruch angelockt und können den Verwesungsprozeß enorm beschleunigen.
Dieser Prozeß zieht sich über Jahre hinweg. Dabei schwinden zuerst die
Weichteile: Leber, Nieren, Lunge, Darm, Gehirn und Muskeln. Als nächstes folgen
die verformbaren Bindegewebe: Knorpel, Sehnen und Bänder. Nach langer Zeit
zerfällt schließlich auch das Skelett. Der Verwesungsprozeß dauert von Ort zu
Ort unterschiedlich lange. So können Skelette auch viele Jahrmillionen
überdauern und manchmal bleibt ein ganzer Leichnam erhalten - als natürliche
Mumie.
Unter bestimmten Bedingungen werden Bakterien und andere Tiere
aufgehalten, so daß sie zwar mit der Zerstörung beginnen, sie aber nicht
vollenden können. Die wichtigsten mumifizierenden Bedingungen sind anhaltende
Kälte und Trockenheit. Lebewesen die am Verwesungsprozeß beteiligt sind, sind
wechselwarme Tiere, das heißt, ihre Zell- und Körpertemperatur steigt und fällt
mit der Außentemperatur. Durch die Kälte werden sie in Ihren Aktivitäten
gehemmt, so daß sie ihre Beweglichkeit verlieren und sich nicht mehr vermehren
können. Werden die Körper von Verstorbenen in eisiger Luft oder gefrorener Erde
bestattet, können sie als Eismumien Jahrhunderte überdauern. Auch bei
anhaltender Trockenheit können Bakterien nicht gedeihen, denn sie Trocknen sehr
schnell aus, stellen ihre Aktivitäten ein
und versinken in eine Art Hungerstarre. Wenn es in ihrer Umgebung kein
Wasser mehr gibt, das ihre Nährstoffe auflöst, haben Bakterien keine Nahrung
mehr. Die anderen Lebewesen, die bei der Leichenzerstörung eine Rolle spielen,
sind in trockenem Klima viel seltener anzutreffen. Die Leiche wird also anfangs
zwar von Bakterien befallen, diese stellen aber mit zunehmender Austrocknung
ihre Aktivitäten ein und es entsteht eine natürliche Trockenmumie.
Trockenmumien können genauso wie Eismumien über Jahrhunderte oder gar
Jahrtausende erhalten bleiben.
Es gibt noch eine andere Art von Mumien: die Moorleichen. Sie wurden
durch Moorwasser mumifiziert. Das Moorwasser enthält Gerbstoffe. Das sind
chemische Verbindungen, die Haut in Leder umwandeln können. Außerdem befinden
sich im Moorwasser sogenannte Huminsäuren, die bei hoher Konzentration die
Kalksalze aus dem Skelett lösen können. Sie können aber auch Muskeln und Organe
angreifen. Deshalb bestehen Moorleichen manchmal nur aus gegerbter Haut. Im
Moor finden auch schwer durchschaubare Prozesse statt. Aus diesem Grund findet
man Moorleichen in jeder denkbaren Form: Manchmal nur Haut und Weichteile,
manchmal nur Skelett und alle Formen die dazwischen liegen. Auch Moorleichen
können sehr alt sein. 50 Prozent der bisherigen Funde stammen aus der Zeit vor
Christi Geburt und ca. 40 Prozent starben zwischen Christi Geburt und dem Ende
des Mittelalters.