Die Versenkung der
Lusitania
Am 7.
Mai 1915 versenkte ein deutsches U-Boot ohne Vorwarnung das britische
Dampfschiff "Lusitania". Warum ohne Vorwarnung? Zu Beginn des Krieges gab es
zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich eine Absprache in Bezug auf den
U-Bootkrieg. U-Boote hatten die Anweisung, nachdem sie britische Handelsschiffe
gestellt hatten, das Schiff zu warnen und der Besatzung genügend Zeit zur
Evakuierung zu geben. Erst dann durfte das Schiff torpediert werden. Eigentlich
ein äußerst humanes und ehrenhaftes Agreement der beiden Kriegsparteien. Doch
die Realität sah durchaus anders aus. Zunächst wurde das Abkommen von beiden
Seiten befolgt, allerdings sollte sich dies bald ändern. Erster Lord der
Admiralität in Großbritannien seit 1911 war kein geringerer als Sir Winston
Leonard Spencer Churchill, der spätere Premierminister während des Zweiten
Weltkrieges. Er nutzte das Abkommen zu Gunsten der britischen Marine aus, und
hatte Befehl gegeben, im Falle eines U-Bootkontaktes das U-Boot zu rammen oder
durch Koordinatenmitteilung Hilfe zu ordern. Die deutsche Marine verlor binnen
kürzester Zeit 12 Boote. Die Verluste rissen eine große Wunde, das Abkommen
wurde missachtet und der uneingeschränkte U-Bootkrieg war die Folge. Die
deutschen U-Bootkommandanten hatten nun Befehl ohne Vorwarnung anzugreifen. Das
britische Passagierschiff "Lusitania" lag vor seiner letzten Fahrt in New York
vor Anker. Unter den Passagieren befanden sich neben den Briten auch zahlreiche
amerikanische Staatsbürger. Kurz vor dem Auslaufen warnte die deutsche
Botschaft in Zeitungsanzeigen vor dem Antritt der Reise. Grund war die Gefahr
der Versenkung durch deutsche U-Boote. Die Warnungen wurden größtenteils
ignoriert, die "Lusitania" lief aus. Um die U-Boote zu umgehen wählte der
Kapitän einen Kurs, der an der irländischen Küste nach Süden verlief, genau den
gleichen Kurs hatte auch ein deutsches U-Boot. Es sollte der "Lusitania" zum
Verhängnis werden. Als das U-Boot bei Kinsale an der südirländischen Küste auf
die "Lusitania" stieß, konnte das Schiff durch die vier Schornsteine eindeutig
vom U-Bootkommandanten identifiziert werden. Nicht als Passagierschiff, sondern
als "bewaffnetes Frachtschiff" war es eingetragen. Kein Grund für den
Kapitänleutnant das Schiff fahren zu lassen. Doch warum galt es als bewaffnet,
wenn es über gar keine Bewaffnung verfügte? Tatsache ist jedoch, dass die
britische Admiralität mit der "Lusitania"-Werft eine Absprache getroffen hatte.
Das Schiff sollte, im Falle eines Krieges, leicht mit Waffen aufgerüstet werden
können. Dementsprechend wurden die Baupläne ausgelegt, so dass leicht
zahlreiche kleinere Geschütze montiert werden konnten. In erster Linie wurde es
jedoch als Luxus-Liner ausgelegt. Nach dem tragischen Untergang der "Titanic"
im Juni 1912 war die "Lusitania" die Königin unter den Passagierdampfern. Und
sie sollte nicht ein minder trauriges Schicksal erleiden. Der deutsche
U-Bootkommandant brachte sein Boot in Position und ließ einen Torpedo abfeuern.
Zu dieser Zeit war es reine Glückssache, dass der Torpedo traf oder überhaupt
sein Ziel erreichte. Dieser traf und er war ein Volltreffer! Das tödliche
Geschoss explodierte etwa unterhalb der Brücke und verursachte eine Explosion.
Die Passagiere gerieten in Panik. Etwa eine halbe Minute später gab es eine
noch größere Explosion, wie nicht nur überlebende Augenzeugen, sondern auch zu
seiner Verwunderung der junge U-Bootkommandant feststellen musste. Diese
heftige Explosion war ausschlaggebend für den Untergang der "Lusitania". Doch
ein zweiter Torpedo war nicht abgefeuert worden. Der verursachte Schaden war so
groß, dass die "Lusitania" nach nur 20 Minuten von der Wasseroberfläche für
immer verschwand und 1.198 Menschen, darunter 128 amerikanische Staatsbürger,
mit in die Tiefe riss. Innerhalb kürzester Zeit hatte das Schiff etwa 15°
Schlagseite. Dadurch konnten auf einer Seite die Rettungsboot nicht zu Wasser
gelassen werden. Im Gegensatz zur "Titanic" hatte die "Lusitania" durchaus
ausreichend Rettungsboote, dennoch kam es zum Chaos. Panikartig schnitten die
flüchtenden Passagiere die Seile der Halterungen durch, wodurch manche
Rettungsboote auf andere herabkrachten und zahlreiche Menschen verletzten oder
gar töteten. Was war geschehen? Was hatte diese enorme Explosion verursacht,
die dazu führte, dass die "Lusitania" um ein vielfaches schneller sank als die
"Titanic"? Zunächst behauptete die deutsche Regierung nach amerikanischen
Protesten, dass das Schiff Munition für Großbritannien geladen hatte. Die
britische Admiralität stritt dies ab. Tatsächlich gilt es jedoch heute als
erwiesen, dass der Dampfer größere Mengen Schrapnelle transportierte. Offiziell
hatte er nur Gepäck, Lebensmittel und Sachen geladen, dem Zoll wurde nur eine
eng beschriebene Seite mit dem Ladungsinhalt zur Kontrolle überreicht. Die
vollständige Ladungslisten umfasste allerdings 24 solcher Seiten. Weiterhin
enthielt die umstrittene Ladung auch zahlreiche Behälter mit Aluminium, dass
bei Feuerkontakt eine verheerende Explosion auslösen konnte. Daher liegt die
Vermutung nahe, dass die zweite, ausschlaggebende Explosion durch die
Aluminiumbehälter oder durch die Munition verursacht wurde. Eine Frage ist
jedoch noch viel umstrittener. Hatte Churchill bewusst diese Katastrophe heraufbeschworen,
um die USA zum Kriegseintritt zu bewegen? Hier gibt es mehrere Ansichten,
Bewertungskriterien und Anhaltspunkte. Wirkliche Beweise jedoch keine. Die
britische Admiralität gab an, dass der Kapitän der "Lusitania", Kapitän Turner,
den verhängnisvollen Kurs auf eigene Faust gewählt hatte. Andere Behauptungen
gehen dahin, dass die Admiralität den Kurs durch zuvor eingegangene Telegramme
vorgeschrieben hatte, um eine Konfrontation mit dem deutschen U-Boot zu
erreichen. Doch war Churchill, der ohne Zweifel ein großer Patriot war, in der
Lage, das Leben so vieler Menschen zu opfern? Oder opferte er sie, um den
Kriegseintritt der USA zu bewirken, um so noch viel mehr Briten das Leben zu
retten? Verdächtig ist, dass die Telegramme, die bei der "Lusitania" am Tag
ihrer Versenkung eingegangen waren, aus den Akten "verschwunden" sind. Fest
steht jedenfalls, dass der Untergang des Schiffes für Churchill ein
willkommenes Propagandamittel darstellte. Ein Großteil der amerikanischen
Bevölkerung hegte nun keine Sympathien mehr für das Deutsche Reich. Die
Deutschen dagegen verteidigten sich damit, dass das Schiff, erwiesenermaßen,
Waffen an Bord hatte und das die deutsche Botschaft in New York vor dem
Auslaufen des Dampfers gewarnt hatte. Kontrovers sind auch die Folgen des
Unterganges in menschlicher Sicht. Einerseits wurden über 1.000 Menschen durch
die Versenkung getötet, deren Leichen noch Tage später an die Küste angespült
wurden. Andererseits war die Fracht, die Schrapnelle, dazu bestimmt, deutsche
Soldaten zu töten, und das in nicht geringerer Zahl. Rechtfertigt dies die
Torpedierung des Schiffes?