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Die Wahlsysteme der Bundesrepublik Deutschland
Als Grundlage des Wahlsystems gelten die §1 Abs. 1 Satz 2 sowie §§4,5 und 7 des Bundeswahlgesetzes. Es regelt die Einzelheiten der Berechnung der Sitzverteilung, vor allem die Frage, nach welchen Grundsätzen die Sitze nach dem Ergebnis der Zweitstimmenwahl (§4) auf die einzelnen Landeslisten der Parteien zu verteilen und von dort den einzelnen Bewerbern zuzuweisen sind. Die in Abs. 1 näher geregelte Verhältnisverteilung der Gesamtheit aller Bundestagssitze ist eine rein rechnerische. Sie führt in Verbindung mit dem Sitzabzug des Abs. 4 Satz 1 zum realen Ergebnis der Landeslistenwahl.
Die Landeslistenwahl ist nach den Grundsätzen der Verhältniswahl als "Verhältnisausgleichswahl" gestaltet. Sie ergänzt die in den Wahlkreisen mit der Erststimme bewirkten Wahlergebnisse zu einer das Ganze umfassenden Verhältniswahl. Die Eigenart des Wahlsystems liegt also darin, dass trotz des Mehrheitswahlprinzips bei der Wahl in den Wahlkreisen das Gesamtwahlergebnis dennoch grundsätzlich dem Verhältnis der abgegebenen gültigen (Zweit)Stimmen entspricht. Das eigentliche Stimmengewicht liegt demnach nicht in der Erststimme, sondern in der Zweitstimme. In der Regel werden die Sitze nach der Zahl der Zweitstimmen verteilt. Die für eine Partei abgegebenen Erststimmen tragen innerhalb der der Partei zugefallenen Sitze zum konkreten personellen Wahlergebnis bei. Es ist mithin nicht ein Element der Mehrheitswahl, sondern ein Element der Personenwahl, das neben die Verhältniswahl tritt. Zur Gewährleistung der Erfolgsgleichwertigkeit der Stimmen bei der Sitzverteilung hat der Bundesgesetzgeber im 7. Gesetz zur Anderung des BWG das Hare/Niemeyersche Berechnungsverfahren eingeführt.
Die Abgeordneten des Bundestages werden nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen (Wahlkreismandate) und nach Landeswahlvorschlägen (Landeslisten) der Parteien gewählt
Eine Partei kann in jedem Wahlkreis nur einen Kreiswahlvorschlag und in jedem Land nur eine Landesliste einreichen
Landeslisten können nur von politischen Parteien eingereicht werden
Jeder Wähler hat zwei Stimmen, eine Erststimme für die Wahl eines Wahlkreisabgeordneten und eine Zweitstimme für die Wahl einer Landesliste
Im Wahlkreis wird derjenige Bewerber gewählt, der die meisten Stimmen bekommt
Mehrere Landeslisten derselben Partei gelten Kraft Gesetzes als miteinander verbunden, mit der Folge, dass sie bei der Sitzverteilung im Verhältnis zu den übrigen Listen als eine Liste gelten
So wird der Deutsche Bundestag gewählt
gewählt werden 656 Abgeordnete (Ausnahmen möglich)
Wahl ist allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim
328 Abgeordnete werden durch Kreiswahlvorschläge in den Wahlkreisen gewählt, der Rest nach Landesvorschlägen
Wähler hat 2 Stimmen (1. für Wahlkreisabgeordneten, 2. für Landesliste)
Parteien brauchen 5% der Wählerstimmen bzw. in drei Wahlkreisen einen Sitz um berücksichtigt zu werden (siehe unten)
Wählen dürfen alle Deutschen über 18 mit Wohnsitz in Deutschland seit mindestens 3 Monaten, und denen nicht das Wahlrecht entzogen wurde
Wählbar sind Personen über 18, die seit mindestens einem Jahr deutsch sind
Wahltag wird vom Bundespräsidenten festgelegt: muß Sonntag oder gesetzlicher Feiertag sein
Das Verhältniswahlrecht (Listenwahl
aufgerufen sind BürgerInnen eines bestimmten Gebietes
keine Unterteilung in Wahlkreise
Parteien stellen vorher Kandidatenlisten auf
Bürger haben eine Stimme
Parteien entsenden Abgeordnete entsprechend ihres Stimmenanteils und ihrer Liste in die Volksvertretung
Mehrheitswahlrecht (Persönlichkeitswahl)
Aufteilung in Wahlkreise
Aufstellung von Kandidaten (auch von Parteien Unabhängige)
Wähler haben eine Stimme und wählen Person direkt
Kandidat mit den meisten Stimmen gewinnt (Unterscheidung zw. absoluter, relativer und qualifizierter Mehrheit)
Fünf-Prozent-Klausel
Verhältniswahlrecht würde eine Vielzahl von Parteien ermöglichen
Mehrheitsfindung auf diese Weise schwierig
zur Erleichterung der Arbeit der Parlamente dürfen nur noch die Parteien mit Abgeordneten vertreten sein, die mindestens 5% der Zweitstimmen oder drei Direktmandate errungen haben
Das Verfahren nach d'Hondt ist das bekannteste und wohl auch das am weitesten verbreitete der drei Verfahren, die in Deutschland üblich sind. Es wurde 1882 im belgischen Gent von Victor d'Hondt entwickelt. Bereits 90 Jahre früher hatte Thomas Jefferson dasselbe Verfahren zur Verteilung der Sitze des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten vorgeschlagen, weshalb dieses Verfahren in der englischen Literatur unter dem Namen 'Jefferson Method' bekannt ist.
Bei diesem Verfahren werden die Stimmen für jede Partei nacheinander durch die Zahlen 1,2,3 dividiert. Auf die so ermittelten Höchstzahlen werden nacheinander Mandate verteilt, auf die größte Höchstzahl das erste Mandat, auf die zweitgrößte Höchstzahl das zweite Mandat u. s. w., bis alle Mandate vergeben sind.
Auf der folgenden Seite sei ein Rechenbeispiel für dieses Verfahren dargestellt
Das d'Hondtsche Auszählungsverfahren
Zu vergebende Sitze: 21
B = 8.000
C = 4.000
D = 3.000
Zweitstimmenzahlen der Parteien:
A |
B |
C |
D |
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Teiler |
Höchstzahl |
Sitz Nr. |
Höchstzahl |
Sitz Nr. |
Höchstzahl |
Sitz Nr. |
Höchstzahl |
Sitz Nr. |
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Die Sitze für die einzelnen Parteien werden in der Reihenfolge nach der Größe der sich aus der Teilung durch 1,2,3 usw. ergebenden Höchstzahlen verteilt. So erhält z. B. die Partei A den 1., 3., 6., 9., 12., 13., 6., 19. Und 21. Sitz (entsprechend der Zahlen in der Spalte neben den Höchstzahlen). Höchstzahl für den 21. Sitz ist in diesem Fall die Zahl 1111,11 !
Nach d'Hondt ergeben sich folgende Sitzverteilungen
Partei A = 9 Sitze (1,3,6,9,12,13,16,19,21)
Partei B = 7 Sitze (2,5,8,11,14,18,20)
Partei C = 3 Sitze (4,10,17)
Partei D = 2 Sitze (7,15)
Insgesamt = 21 Sitze
Das d'Hondtsche Verfahren bevorzugt die großen Parteien. Mit dem 7. Gesetz zur Anderung des Bundeswahlgesetzes vom 8. Mai 1985 wurde das d'Hondtsche Auszählverfahren durch das Berechnungsverfahren nach Hare/Niemeyer ersetzt
Das Hare-Niemeyersche Verfahren, das in der englischen Literatur unter 'Hamilton method' bekannt ist, ist wohl das naheliegendste der drei Verfahren die hier besprochen werden.
Hierbei werden die Stimmen einer einzelnen Partei durch die Gesamtzahl der Stimmen dividiert und dann mit der Gesamtzahl der zu vergebenden Mandate multipliziert. Jede Partei erhält nun den ganzzahligen Teil ihres so erhaltenen Wertes. Die Mandate, die nun noch nicht vergeben sind, werden an die Parteien verteilt, deren Nachkommawerte am größten sind.
Auf den folgenden Seiten seien Rechenbeispiele für dieses Verfahren dargestellt
Das System Hare
Das Auszählungsverfahren nach Hare basiert auf folgendem Rechenvorgang:
Gesamtzahl der Zweitstimmen aller an der Verteilung teilnehmenden Parteien, dividiert durch die Gesamtzahl der zu vergebenden Sitze ergibt die Wahlzahl (oder Wahlquotient). Jede Partei erhält so viele Sitze, wie die Wahlzahl in ihrer Zweitstimmenzahl enthalten ist. Die danach noch verbleibenden Sitze werden den Parteien mit den größten Teilungsresten zugewiesen.
Beispiel
A = 10000 B =
8000 C =
4000 D =
3000 Insgesamt 25000
Zweitstimmen der Parteien
Die Wahlzahl beträgt 25000 : 21 = 1190,47. Durch diese Wahlzahl wird die Zahl der Stimmen jeder Partei geteilt.
Partei A 10000 : 1190,47 = 8,40 = 8
Partei B 8000 : 1190,47 = 6,72 = 6 + 1
Partei C 4000 : 1190,47 = 3,36 = 3
Partei D 3000 : 1190,47 = 2,52 = 2 + 1
Aus der Berechnung ergeben sich für alle Parteien eine Gesamtsitzzahl von 19 Sitzen. Es sind also noch zwei Sitze zu vergeben. Diese werden nun in der Reihenfolge der errechneten Reste (von groß nach klein) vergeben. Die beiden größten Reste sind hier im Beispiel 0,72 bei Partei B und 0,52 bei Partei D.
Demnach ergeben sich folgende Sitzverteilungen:
Partei A 8 Sitze
Partei B 7 Sitze
Partei C 3 Sitze
Partei D 3 Sitze
Das System Niemeyer
Das Auszählungsverfahren nach Niemeyer basiert auf folgendem Rechenvorgang:
Gesamtzahl der zu vergebenden Abgeordnetensitze, multipliziert mit der Zahl der Zweistimmen der einzelnen Parteien, dividiert durch die Gesamtzahl der Zweitstimmen aller an der Verteilung teilnehmenden Parteien.
Zunächst erhält jede Partei den ganzzahligen Anteil der sich aus dieser Proportion ergebenden Berechnung. Die übriggebliebenen Reste werden in einem zweiten Rechenabschnitt an die Parteien in der Reihenfolge nach der Größe ihres Restes vergeben.
Beispiel
A = 10000 B =
8000 C =
4000 D =
3000 Insgesamt 25000
Zweitstimmen der Parteien
Partei A
Partei B + 1
Partei C
Partei D + 1
Aus der Berechnung ergeben sich für alle Parteien eine Gesamtsitzzahl von 19 Sitzen. Es sind also noch zwei Sitze zu vergeben. Diese werden nun in der Reihenfolge der errechneten Reste (von groß nach klein) vergeben. Die beiden größten Reste sind hier im Beispiel 0,72 bei Partei B und 0,52 bei Partei D.
Demnach ergeben sich folgende Sitzverteilungen:
Partei A 8 Sitze
Partei B 7 Sitze
Partei C 3 Sitze
Partei D 3 Sitze
Bundestag, die Volksvertretung der Bundesrepublik Deutschland. Der Bundestag ist ein unabhängiges und selbständiges (autonomes) Parlament, dessen Mitglieder unmittelbar vom Volk gewählt werden. Seine verfassungsrechtliche Grundlage bilden die Artikel 38 bis 48 des Grundgesetzes.
Der Bundestag wird in der Regel alle vier Jahre in allgemeiner, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Er trat zum ersten Mal 1949 zusammen. Seine derzeit 672 Abgeordneten (13. Wahlperiode, ab 1994, davon 16 Überhangmandate) werden zur einen Hälfte direkt aus den Wahlkreisen, zur anderen über Landeslisten der Parteien (Zweitstimmen) ermittelt. Durch diese Art der personalisierten Verhältniswahl üben die politischen Parteien einen nahezu uneingeschränkten Einfluss auf die personelle Zusammensetzung des Bundestages aus. Dieser Einfluss setzt sich in der Arbeitsorganisation des Bundestages fort. Zwar ist der einzelne Abgeordnete ein Vertreter des ganzen Volkes und - laut Verfassung - nur seinem Gewissen verantwortlich, doch eine parlamentarische Wirkkraft kommt ihm nur als Mitglied einer Fraktion zu. Die Fraktionen bilden die Zentren der politisch-parlamentarischen Willensbildung. Die stärkste Fraktion stellt den Bundestagspräsidenten. Darüber hinaus entscheidet die Größe der Fraktionen über die jeweilige Anzahl ihrer Mitglieder in den Ausschüssen.
Der Bundestag ist mit seinem öffentlich tagenden Plenum in herausragender Weise der Artikulation auch und gerade politisch strittiger (Grundsatz-)Fragen verpflichtet. Andererseits kann er die immer komplexer werdende Fülle unterschiedlichster Aufgaben nur noch arbeitsteilig bewältigen. Nicht jedes Gesetz bedarf der öffentlichen Diskussion. Folgerichtig wird ein Großteil der parlamentarischen Arbeit in den (zumeist) nichtöffentlichen Sitzungen der Ausschüsse erledigt. Das dort im Vergleich zum Plenum diskretere Arbeiten erleichtert die Kompromissbildung zwischen Regierung und Opposition, da der Zwang zur öffentlichen Selbstdarstellung entfällt. Derzeit gibt es 24 ständige Fachausschüsse. Der Auswärtige Ausschuss, der Verteidigungs- sowie der Petitions-, der Haushalts- und der Wahlprüfungsausschuss sind gesetzlich vorgeschrieben. Die Ausschüsse empfehlen dem Plenum Beschlüsse, denn ohne seine Beschlussfassung kommt kein Gesetz zustande.
Zu Beginn einer Legislaturperiode wählt der Bundestag den Bundeskanzler, den er durch ein konstruktives Misstrauensvotum auch wieder stürzen kann; ebenso steht ihm die Präsidentenanklage zu. Der Bundestag stellt die Hälfte der Mitglieder der Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten wählt; er wählt die Hälfte der Bundesverfassungsrichter und hat Einfluss auf die Wahl der Bundesrichter. Der Bundestag ist das oberste Gesetzgebungsorgan der Bundesrepublik; er entscheidet über den Bundeshaushalt, kontrolliert über den von ihm berufenen Wehrbeauftragten die Wehrangelegenheiten, stellt den Verteidigungsfall fest und ratifiziert völkerrechtliche Verträge. Eine der Hauptaufgaben des Bundestages ist die parlamentarische Kontrolle der Bundesregierung bzw. der einzelnen Ministerien, die dem Bundestag für ihre jeweiligen Ressorts verantwortlich sind. Der Bundestag kann mittels Großer und Kleiner Anfrage, Aktueller Stunde, Untersuchungsausschüssen und Interpellationsrecht die Tätigkeit der Regierung untersuchen und kontrollieren.
Ab dem Jahr 2002 soll, nach einem Beschluss der Reformkommission des Bundestages, die Zahl der Bundestagsmandate voraussichtlich auf 598 verringert werden und dementsprechend auch die Zahl der Wahlkreise von 328 auf 299.
Legislaturperiode, der Zeitraum, für den ein Parlament als gesetzgebendes Organ legitimiert ist. Für den Bundestag und für die meisten Landtage sind dies vier, für den nordrhein-westfälischen Landtag fünf Jahre. Das Ende einer Legislaturperiode setzt auch der Amtszeit der Regierung sowie aller parlamentarischen Organe ein Ende (Diskontinuitätsprinzip).
Bundeskanzler, in den Bundesrepubliken Deutschland und Österreich der Leiter der Bundesregierung.
In Deutschland bestimmt nach dem Grundgesetz (Art. 65) der Bundeskanzler "die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung", und er schlägt dem Bundespräsidenten die Bundesminister zur Ernennung bzw. Entlassung vor. Die starke Stellung des Bundeskanzlers im System der parlamentarischen Demokratie (Kanzlerdemokratie) folgt aus den Erfahrungen der Weimarer Republik und dient der Stabilität des Regierungssystems insgesamt. Sie ruht auf drei Pfeilern: der Richtlinienkompetenz, der Sanktionsmacht gegenüber den Ministern und der Möglichkeit des Parlaments zum konstruktiven Misstrauensvotum. Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestag mit der Mehrheit der Stimmen für die Dauer einer Legislaturperiode gewählt und muss innerhalb von sieben Tagen nach seiner Wahl vom Bundespräsidenten ernannt werden. Seine Amtszeit endet mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestages. Neben dem Bundeskanzleramt unterstehen ihm direkt das Bundespresseamt und der Bundesnachrichtendienst. Im Verteidigungsfall übernimmt der Bundeskanzler das Oberkommando über die Streitkräfte.
Bisherige Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland: Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Kurt Georg Kiesinger, Willy Brandt, Helmut Schmidt, Helmut Kohl.
In Österreich wird der Bundeskanzler vom Bundespräsidenten ernannt. Anders als der deutsche Bundeskanzler hat er keine Richtlinienkompetenz, kann aber durch sein Vorschlagsrecht für die Besetzung der Ministerämter die Zusammensetzung der Bundesregierung weitgehend mitbestimmen.
Bundeskanzler Österreichs seit 1945: Karl Renner, Leopold Figl, Julius Raab, Alfons Gorbach, Josef Klaus, Bruno Kreisky, Fred Sinowatz, Franz Vranitzky, Viktor Klima.
In der Schweiz wird der Bundeskanzler für die Dauer von vier Jahren von Bundesversammlung und Bundesrat gewählt; er ist der Chef der Bundeskanzlei.
Misstrauensvotum, parlamentarisches Verfahren, um der Regierung oder einem ihrer Mitglieder das Vertrauen zu entziehen um ihren (seinen) Rücktritt zu erzwingen.
Dem Deutschen Bundestag wird durch das Grundgesetz, Artikel 67 das so genannte konstruktive Misstrauensvotum vorgeschrieben. Danach kann der Bundeskanzler nur dadurch zum Rücktritt gezwungen werden, dass der Bundestag mit der Mehrheit seiner Abgeordneten einen Nachfolger wählt; so geschehen 1982 bei der Wahl Helmut Kohls als Nachfolger von Helmut Schmidt.
Das konstruktive Misstrauensvotum unterbindet Mehrheiten, die sich zwar über den Sturz einer Regierung, nicht aber auf einen gemeinsamen neuen Regierungschef einigen könnten.
Umgekehrt kann auch der Bundeskanzler die Vertrauensfrage stellen. Verweigert ihm das Parlament die Mehrheit, kann er den Bundespräsidenten bitten, den Bundestag aufzulösen. Dies ist die einzige Möglichkeit, vorzeitige Neuwahlen herbeizuführen (so Willy Brandt 1972). Das österreichische Bundesverfassungsgesetz Artikel 74 sieht die Möglichkeit eines Misstrauensvotums des Nationalrates gegenüber sowohl einzelnen Mitgliedern der Regierung als auch der Bundesregierung insgesamt vor.
Wahlen, Verfahren zur Berufung (oder Abwahl) von Repräsentations-, Entscheidungs- und Herrschaftsorganen wie z. B. Staatspräsidenten, Regierungschefs, Abgeordneten, Stadt- und Gemeinderäten, Vereinsvorständen, Betriebsräten etc. in Staaten, Bundesländern und Gemeinden, Körperschaften, Verbänden und Organisationen. Wahlen erfolgen nach zuvor im Wahlrecht definierten Verfahren durch einen ebenfalls im Wahlrecht festgelegten Personenkreis, der durch seine Willensäußerung in der Wahl eine Entscheidung herbeiführt und damit den Gewählten in seiner Funktion legitimiert.
Wahlprinzipien
Je nach wahlberechtigtem Personenkreis und Wahlmodus unterscheidet man verschiedene Wahlprinzipien: Bei der allgemeinen Wahl steht grundsätzlich jedem Staatsbürger ohne Ansehen der Person das Wahlrecht zu; bei der beschränkten Wahl sind bestimmte Personenkreise, z. B. Frauen oder einkommensschwache Schichten wie beim Zensuswahlrecht, von der Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen. Bei der gleichen Wahl hat jede Stimme gleiches Gewicht und jeder die gleiche Anzahl von Stimmen, und es muss Chancengleichheit zwischen den Bewerbern garantiert sein; bei der gestuften Wahl wie z. B. beim Dreiklassenwahlrecht kommen bestimmten Wählern mehr Stimmen zu als anderen, außerdem kann die Chancengleichheit zwischen den Bewerbern eingeschränkt sein, etwa durch Listenbeschränkung. In der unmittelbaren oder direkten Wahl entscheiden die Wahlberechtigten direkt über die zu besetzenden Stellen oder zu vergebenden Mandate; in der mittelbaren oder indirekten Wahl wählen die Urwähler eine Zwischeninstanz, z. B. ein Wahlmännergremium, das dann in einem zweiten Wahlgang die endgültige Entscheidung zwischen den Bewerbern trifft. Bei der geheimen Wahl erfolgt die Stimmabgabe verdeckt, etwa auf Stimmzetteln, und anonym; bei der offenen Wahl wird die Stimme offen, z. B. durch Handzeichen, abgegeben. Bei der freien Wahl darf keinerlei Druck auf die Wähler ausgeübt werden, und den Wahlberechtigten muss es frei stehen, zur Wahl zu gehen oder nicht; besteht Wahlpflicht, so muss jeder Wahlberechtigte seine Stimme abgeben, oder anderenfalls mit einer Strafe rechnen.
In der Bundesrepublik Deutschland folgen nach Artikel 28, Absatz 1 und Artikel 38, Absatz 1 des Grundgesetzes die Wahlen zum Bundestag und zu den Vertretungen in Ländern, Kreisen und Gemeinden dem Prinzip der allgemeinen, gleichen, unmittelbaren, geheimen und freien Wahl, wobei allerdings die Chancengleichheit der Wahlbewerber durch die Fünfprozentklausel eingeschränkt wird.
Wahlsysteme
Unterscheidungskriterium für die verschiedenen Wahlsysteme - Mehrheitswahl, Verhältniswahl und Mischwahlsysteme - ist das Prinzip, nach dem Wählerstimmen in z. B. Abgeordnetenmandate transformiert werden.
Die Mehrheitswahl basiert auf dem Gedanken, dass der Abgeordnete Repräsentant seines Wahlkreises ist. Das gesamte Wahlgebiet wird in Wahlkreise aufgeteilt, aus denen je ein (Einerwahlkreis) oder mehrere Abgeordnete (Mehrerwahlkreis) entsendet werden. In Einerwahlkreisen ist derjenige Kandidat gewählt, der bei relativer Mehrheitswahl die meisten Stimmen auf sich vereint (z. B. bei den Unterhauswahlen in Großbritannien) oder bei absoluter Mehrheitswahl über 50 Prozent der Stimmen erhält (z. B. bei den Wahlen zur Nationalversammlung in Frankreich). Erreicht bei der absoluten Mehrheitswahl im ersten Wahlgang keiner der Kandidaten mehr als 50 Pozent, findet eine Stichwahl zwischen den beiden stimmenstärksten Bewerbern statt, oder ein zweiter Wahlgang, in dem dann die einfache Mehrheit entscheidet. Bei der Mehrheitswahl mit freien Listen kann der Wähler seine Stimmen panaschieren, d. h. Bewerbern verschiedener Parteien geben (z. B. bei den Gemeinderatswahlen in einigen deutschen Bundesländern); bei der Mehrheitswahl mit Kumulation kann der Wähler seine Stimmen kumulieren, d. h. einem Bewerber mehrere Stimmen geben. Gewählt ist jeweils der Kandidat, der die relative Mehrheit erreicht hat.
Anders als die Mehrheitswahl, bei der kleinere Parteien, die im gesamten Wahlgebiet eine große Stimmenanzahl auf sich vereinen, aber in keinem Wahlkreis die Mehrheit erreichen können, gegebenenfalls ohne Mandate bleiben, soll die Verhältniswahl garantieren, dass in ihrem Ergebnis der politische Wille der gesamten Wählerschaft möglichst exakt zum Ausdruck kommt, dass also in dem gewählten Vertretungsorgan das Spektrum der in der Wählerschaft vorhandenen politischen Meinungen repräsentiert wird. Die Einteilung des Wahlgebietes in Wahlkreise entfällt; die Parteien stellen für das gesamte Wahlgebiet (Einheitswahlkreis) jeweils eigene Parteilisten auf, über die die Bewerber im gesamten Wahlgebiet kandidieren. Die Wähler entscheiden dann in einer Listenwahl - und nicht in einer Persönlichkeitswahl wie bei der Mehrheitswahl - zwischen den Listen. Bei der Verhältniswahl mit starren Listen verfügt jeder Wähler nur über eine Stimme, mit der er lediglich eine starre, d. h. nicht veränderbare Liste wählen kann. Bei der Verhältniswahl mit einfach gebunden Listen kann der Wähler auf der von ihm gewählten Liste einen oder mehrere Bewerber durch die Vergabe weiterer Stimmen zusätzlich hervorheben oder die Reihenfolge der Bewerber innerhalb der Liste ändern. Bei der Verhältniswahl mit freien Listen hat der Wähler die Möglichkeit, seine Stimmen zu panaschieren, also Kandidaten verschiedener Listen zu geben. Die Anzahl der Mandate, die die einzelnen Parteien erhalten, richtet sich nach ihrem Anteil an den insgesamt abgegebenen Stimmen. Bei der Verhältniswahl haben auch kleinere Parteien die Chance, Parlamentsmandate zu erringen; allerdings kann sie auch dazu führen, dass sich auf Grund einer Vielzahl unterschiedlichster kleiner Parteien im Parlament wie etwa in der Weimarer Republik die Bildung einer stabilen Regierung als äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich erweist.
Ein Mischwahlsystem ist ein Kombination aus Mehrheits- und Verhältniswahl wie z. B. die so genannte personalisierte Verhältniswahl, nach der der Deutsche Bundestag gewählt wird: Die Hälfte der derzeit 656 Abgeordneten wird über die Erststimme nach dem Prinzip der relativen Mehrheit direkt in den 328 Wahlkreisen gewählt; die übrigen 328 Abgeordneten werden mit der Zweitstimme über die Landeslisten der einzelnen Parteien gewählt. Die Wähler haben dabei die Möglichkeit, ihre Stimmen zu splitten, d. h. Erst- und Zweitstimme verschiedenen Parteien zu geben. Die Mandatsverteilung im Bundestag muss grundsätzlich dem Ergebnis aus der Landeslisten-, also der Verhältniswahl entsprechen; es entscheidet demnach die Zweitstimme über die Sitzverteilung im Bundestag. Erringt eine Partei mehr Direktmandate, als ihr nach dem Zweitstimmen-Ergebnis zustehen, so wird die Anzahl ihrer Mandate und damit die Anzahl der Bundestagsmandate insgesamt um diese Überhangmandate erhöht.
In Österreich und in der Schweiz wird der Nationalrat jeweils nach dem Prinzip der Verhältniswahl gewählt. In Österreich wird das gesamte Wahlgebiet in neun Wahlkreise, die den Bundesländern entsprechen, eingeteilt; in der Schweiz sind ebenfalls Wahlkreise und Kantone deckungsgleich.
Verhältniswahlsystem, ein in Mehrparteiendemokratien praktiziertes Wahlsystem, bei dem alle politischen Parteien, die sich um die Macht bewerben, eine dem Anteil der bei den Wahlen erhaltenen Wählerstimmen proportional entsprechende Anzahl der Sitze im Parlament erhalten; den Gegensatz hierzu bildet das Mehrheitswahlrecht. Oft ist allerdings das Erreichen eines Mindestanteils an den insgesamt abgegebenen Stimmen (Sperrklausel) notwendig. Ziel ist es, den Wählerwillen in der Zusammensetzung des Parlaments möglichst exakt widerzuspiegeln.
Zu den Typen des Verhältniswahlsystems gehören: (1) die einfache, übertragbare Stimme, die ein Wähler nur einmal abgeben kann, wobei aber jede Stimme die Form einer Liste von Vorzugsstimmen annehmen kann, so dass, wenn der Kandidat, dem der Wähler den Vorzug gegeben hat, diese Stimme nicht benötigt, die Stimme dem nächsten Kandidaten auf der Liste des Wählers übertragen werden kann; (2) Parteilisten, von denen es verschiedene Formen gibt, z. B. starre, ohne "Mitbestimmungsrecht des Wählers" was die Zusammenstellung der Liste betrifft, oder lose gebundene, wie in Belgien, wo der Wähler eine Partei aussucht und auch einen bevorzugten Kandidaten benennt und ihn auf der Liste nach oben oder unten schiebt. In der Bundesrepublik Deutschland ist das Verhältniswahlsystem mit Direktmandaten kombiniert.
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