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ALLTAG IM DRITTEN REICH
1. Gewöhnung der Bevölkerung an das NS-Regime und seine Ziele
1.1 Totale Kontrolle der Bevölkerung
Der NS-Staat ordnete planmäßig das ganze öffentliche Leben seiner Ideologie und seinen Zielen unter. Ein Netz von Institutionen der Überwachung auf jeder Ebene bis hinunter zum Blockwart zog sich durch Politik und Alltagsleben und sorgte für totale Kontrolle, Indoktri- nation,Überwachung und gegenseitige Bespitzelung der Bevölkerung.
Auch durch die Medien und gezielte Massenveranstaltungen wurde die planmäßige Beein- flussung gesteuert.
1.2 Sport als Darstellung der starken Nation und Leitbild der Bevölkerung
Ein sehr wichtiges Mittel dazu war der Bereich des Sports. Er diente mehreren Zielen: Siege deutscher Sportler sollten der Bevölkerung und dem Ausland gegenüber das wiedererstarkte Deutschland repräsentieren und damit den deutschen Nationalstolz stärken und die Identifikation mit dem Führer fördern. In den 30er Jahren erbrachten deutsche Sportler herausragende Leistungen.
Sport sollte als Vorbild für den Breitensport dienen, denn die körperliche Ertüchtigung
der 'Herrenrasse' gehörte zur Kriegsvorbereitung. Sportveranstaltungen beabsichtigten die
Unterhaltung der Massen als Ablenkung von den Problemen des grauen Alltags.
Die Sommerolympiade 1936 in Berlin war eine klare Propagandaveranstaltung für diesen Zweck. Mit fortschreitendem Kriegsverlauf wurden Sportgroßveranstaltungen immer seltener, bis sie ab 1944 gänzlich dem totalen Krieg zum Opfer fielen.
1.3 Kultur als Mittel der NS - Propaganda
Auch das gesamte kulturelle Leben wurde durch Gründung der Reichskulturkammer am
15.11.33 durch Goebbel der totalen Kontrolle unterworfen. Kultur sollte als Unterhaltung der Bevölkerung in den Dienst der Propaganda gestellt werden.
Ob Musiker, Bildhauer, Dichter, Schriftsteller, Schauspieler, Kabarettist, wer als Künstler tätig sein wollte, musste der für ihn zuständigen Kammer beitreten und sich verpflichten, dem NS-Staat treu zu dienen. Hunderte von kritischen, demokratischen Künstlern emigrier- ten. Die verbliebenen passten sich an, darunter auch viele bekannte Schauspieler.
Sie dienten dem NS-Regime, sorgten für Zerstreuung und Ablenkung der Bevölkerung und vertraten die Ideologie der Nazis.
Auch das wichtige Medium Film hatte Goebbels unter seine Kontrolle gebracht. Zuerst kaufte er die UFA, dann wurden nach und nach alle Filmgesellschaften unter NS-Leitung gebracht. Besonders beliebt war im Vorprogramm der Filme die Deutsche Wochenschau, die von den Siegen berichtete, die Niederlagen verschwieg, und ein eindrucksvolles Pro- pagandamittel darstellte.
Im Rundfunk verbreitete der Volksempfänger positive Meldungen. 'Feindsender' zu hören, war streng verboten.
2. Die ideologische Erziehung der Jugend
2.1 Kriegsvorbereitende Erziehung der Jugend durch HJ und BDM
Die Organisationen der HJ-Hitler-Jugend für die Jungen- und BDM - Bund deutscher Mädel- für die Mädchen dienten ebenfalls der regimetreuen Erziehung und der Vorbereitung auf
den geplanten Krieg. In Lagern wurde zuerst einmal das Gemeinschaftsgefühl auf spieleri- sche Weise gestärkt. Dann erhielten die Mitglieder Hilfsaufgaben wie das Austragen der Einberufungsbescheide, Verteilen von Lebensmittelkarten, Sammeln von Altmetall.
Die M dchen leisteten in einem sozialen Pflichtjahr Dienste in Haushalt, beim Roten Kreuz, in Lazaretten etc.
2.2 HJ und BDM übernehmen wichtigere Hilfsaufgaben im zivilen Bereich
Bei Kriegsbeginn wurden durch die Einberufungen zur Wehrmacht viele Arbeitsplätze unbesetzt. Aushilfstätigkeiten wie Postzustellung, Telefondienst, Dienst in Kinderheimen etc. wurden von HJ- und BDM Mitgliedern übernommen.
Ein späterer wichtiger Aufgabenkreis war die Betreuung der Kinderlandverschickung.
Bei Beginn der Luftangriffe meldeten viele Eltern ihre Kinder freiwillig zur Evakuierung aufs Land. Sie versprachen sich Sicherheit für die Kinder und bessere Versorgung und Ernährung. Für das NS-Regime war es von Vorteil, dass diese von den Elternhäusern ge- trennten Kinder besonders empfänglich für Beeinflussung waren und zu getreuen Unter- tanen erzogen werden konnten. Auch konnte man Mütter, die keine Kinder zu versorgen hatten, leichter zur Arbeit für die Kriegswirtschaft erziehen. Die Lager der Kinderland- verschickung wurden von der HJ betreut.
2.3 Einbeziehung der Jugendlichen in das Kriegsgeschehen
Ab 1942 wurden die Jugendlichen verstärkt in das Kriegsgeschehen eingebunden. Der Erwerb des K-Scheines, der der Verkürzung der Rekrutenausbildung diente, wurde zur Pflicht.
Schüler mussten als Luftwaffenhelfer anfangs neben dem Schulunterricht die Flak-Ge- schütze bedienen. Im letzten Kriegsjahr wurden sie auch überregional eingesetzt. Im Volks- sturm, der Mobilisierung der letzten Reserve, wurden neben lteren M nnern auch 12j hrige Jungen eingezogen, Mädchen mussten die Flak bedienen.
3. Versorgungslage der Bevölkerung
Mit zunehmender Kriegsdauer wurde die Versorgung der Bevölkerung immer schwieriger. Zuerst einmal versorgte man die Wehrmacht, die HJ und den BDM, die Lager der Kinder- landverschickung und die als Schwer - und Schichtarbeiter für die Kriegswirtschaft Tätigen mit ausreichenden Lebensmitteln.
Die Versorgung der normalen Zivilbevölkerung mit Konsumgütern wurde mehr und mehr eingeschränkt.
Bezugsscheine regelten die Berechtigung, Lebensmittel, Kleidung, Schuhe, Waren des täglichen Bedarfs zu beziehen. Bald nach Kriegsbeginn gab es für den normalen Verbrau- cher nur die Hälfte der Friedensrationen. Daneben entwickelte sich ein heimlicher Tausch-
handel für diejenigen, die Geld oder wertvolle Güter zur Verfügung hatten.
Im Verlauf des Krieges erfolgten immer weitere Kürzungen der Bezugsmöglichkeiten von
Lebensmitteln und anderen Gütern.
4. Arbeit in der Kriegswirtschaft
4.1 Mangel an Arbeitskräften durch Einberufungen
Durch die Einberufungen zur Wehrmacht gab es einen starken Mangel an Arbeitskräften, die die Rüstungsproduktion und die Versorgung der Bevölkerung zu sichern hatten.
Die Arbeitszeit wurde verlängert, der Akkord wurde erhöht. Trotzdem wehrte sich die Arbeiterschaft nicht, denn bei Fällen von Arbeitsverweigerung oder Bummelei schritt die GESTAPO ein.
Von einer Zwangsverpflichtung der Frauen in der Kriegswirtschaft schreckte das NS- Regime lange zurück, um Unruhe in der Bevölkerung zu vermeiden.
4.2 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter sichern Produktivität
Die deutsche Kriegswirtschaft wurde aufrecht erhalten durch Einsatz von Kriegsgefangenen und durch Zwangsrekrutierung von Zivilisten aus den besetzten Gebieten. Diese stellten
ein Sechstel der arbeitenden Bevölkerung dar. Sie wurden eingesetzt in der Landwirtschaft und der Industrie.
Diese ausländischen Arbeitskräfte lebten meist unter menschenunwürdigen Bedingungen und ohne ausreichende Ernährung.Sie wurden als Menschenmaterial angesehen, das
man auch verbrauchen konnte. Der deutschen Bevölkerung war es verboten, sie gleich- berechtigt zu behandeln oder ihnen zu helfen. Und daran hielt sich die Mehrzahl. Es ist schwer zu sagen, weshalb. War es die Angst vor Strafen, war es die jahrelange Beeinflus- sung, dass vor allem Menschen aus dem slawischen Raum minderwertige Menschen seinen? Nur manchmal liest man in der Butzbacher Zeitung von Begegnungen zwischen deutschen Landwirten und Ausländern, die ihnen im Krieg helfen mussten und menschen- würdig behandelt wurden. Beide Seiten freuen sich über Besuche in friedlicheren Zeiten. Dies sind Ausnahmen. Hunderttausende mussten sich zu Tode arbeiten.
5. Der Weg zum Ende
5.1 Stärkung der Kriegsmoral in der Zivilbevölkerung
Gegen Ende des Jahres 1942 glaubte die Zivilbevölkerung aufgrund der Propaganda
noch an den Endsieg und eine angebliche 'Wunderwaffe' des Führers. Auf Außerungen des Zweifels drohte als Wehrkraftzersetzung auch die Todesstrafe.
Die 1942 einsetzende Bombardierung der deutschen Städte durch die Alliierten sollte
die Moral der Bevölkerung schwächen. Gleichzeitig gab es an den Kriegsfronten schwere
Verluste,z.B. die Kapitulation einer ganzen deutschen Armee vor Stalingrad.
Goebbels inszenierte seine berühmte Propagandaveranstaltung im Berliner Sportpalast
am 18.2.43 - ' Wollt ihr den totalen Krieg? ' - vor ausgewähltem Publikum und vermittelte damit der Bevölkerung wieder Kampfesmoral, Vertrauen und Zuversicht in die deutsche Kriegsführung.
5.2 Belastung der Stadtbevölkerung durch Luftangriffe
Unter den zunehmenden Luftangriffen, die nach und nach die deutschen Großstädte in Schutt und Asche legten, litt ein Viertel der deutschen Bevölkerung. Die Nervenbelastungen durch die nächtlichen Fliegerangriffe, das Wohnen in den zerstörten Städten, die Versorgungs- lage wurden immer belastender. Hunderttausende wurden freiwillig oder gezwungener-
maßen in Landgebiete geschickt - evakuiert. Sie trafen dort meist auf Ablehnung der Land- bevölkerung, die Wohnraum für sie zur Verfügung stellen musste.
Jetzt wurden auch in zunehmendem Maße Frauen dienstverpflichtet zur Arbeit in der Kriegs- wirtschaft, vor allem der Rüstungsindustrie.
5.3 Lage der Landbevölkerung
Die Lage auf dem Land war anders als in den Städten. Vom totalen Krieg war erst wenig zu spüren, die Luftangriffe trafen die Städte, die Versorgungslage war ausreichend. Durch den Tauschhandel, die Versuche der St dter, Lebensmittel gegen wertvolle Güter einzu- tauschen - das sogenannte Hamstern - ging es manchem kleinen Bauern recht gut.
Doch durch die Einberufungen zur Wehrmacht fehlten jetzt auf vielen Höfen die männlichen Arbeitskräfte. Frauen mussten nun die Bewirtschaftung der Höfe erledigen, nur teilweise unterstützt von den ausländischen zwangsverpflichteten Arbeitern.
5.4 Invasion der Alliierten und Einmarsch der Roten Armee
Am 06.06.1944 landeten die Westalliierten in der Normandie. Nach der Invasion wurden die Luftangriffe intensiviert, auch die Landbevölkerung wurde von Tieffliegern bedroht und die Feldbestellung litt darunter. Die meisten der 500.000 deutschen Opfer der Luftangriffe starben in den letzten Monaten des Krieges.
Der Einmarsch der Roten Armee im Oktober 1944 führte zu grausamen Übergriffen auf
die deutsche Zivilbevölkerung und zur Flucht und Vertreibung von Millionen von Menschen.
5.5 Sinnloses Sterben im Volkssturm
Die Nazis versuchten die sich abzeichende Niederlage abzuwenden, in dem sie Jugendliche und ältere Männer einberiefen zu kämpfen. Diese sollten den Vormarsch der feindlichen Armeen aufhalten. Sie waren oft unzul nglich ausgerüstet. Aber auch die Mobilisierung der letzten Reserven des Volkssturms konnte die Niederlage nicht mehr verhindern.
5.6 Ende des Krieges
Daraufhin erließ Hitler den Befehl, alles zu zerstören, was dem Feinde nützlich sein könne. Dies hätte auch die Lebensgrundlagen des deutschen Volkes zerstört.
Hitler meinte, wenn das deutsche Volk so schwach wäre, dass es den Krieg verloren h tte, wäre es nicht wert, zu überleben. Die Ausführung des Befehls wurde jedoch verhindert.
Am 7. Mai 1945 kapitulierte die deutsche Wehrmachtsführung bedingunglos gegenüber den Westalliierten, am 09.05.1945 gegenüber den Sowjets. Damit unterlag Deutschland vollständig der Kontrolle der Siegermächte. Seine Städte und die Industrie des Landes lagen in Schutt und Asche. Der Krieg hatte ca. 4 Millionen deutsche Soldaten und ca. 2,75
Millionen deutsche Zivilisten das Leben gekostet und unzählige Opfer in anderen Ländern gefordert. Zum Beispiel werden für die UdSSR 13 Millionen Soldaten und über 7 Millionen Zivilisten als Kriegsopfer benannt.
6. Warum hat die Bevölkerung dies alles mitgemacht?
Ich möchte etwas erz hlen, das in meiner Familie oft besprochen wurde.
Mein Großvater, der Vater meiner Mutter, hatte im privaten Kreis geäußert, dass Hitler das deutsche Volk in den Krieg führen würde und dieser Krieg nicht zu gewinnen sei. Wegen dieser Außerungen wurde er angezeigt und verhaftet. Nach einigen Wochen Haft wurde sein Fall vor dem Volksgerichtshof verhandelt. Er hatte jedoch Glück. Kollegen setzten sich für ihn ein. Er hatte als Chemiker Fachkenntnisse, die für die Kriegswirt- schaft nützlich waren. Der Vorsitzende des Volksgerichtshofes - er wurde bald danach von dem berüchtigten, weil gnadenlosen Freisler abgelöst - spielte die Anklage als Ge- schwätz von Weibern herunter. Mein Großvater wurde aus der Haft entlassen, verlor jedoch seine Arbeit bei einem Betrieb der IG -Farben. Er mußte mit seiner Familie den Gau verlassen und war lange arbeitslos, bis er wegen seiner Kenntnisse wieder angestellt wurde. Wegen seiner Fachkenntnisse wurde er auch in diesem Krieg nicht eingezogen. Aber er sagte nie wieder ein kritisches Wort.
Als die Wohnung seiner Familie bei einem Luftangriff zerstört wurde, verhinderte er die Evakuierung nach Thüringen und schickte sie zu Verwandten in den Westerwald. Dies war für meine Großmutter eine schwierige Zeit. Ihr Onkel, der Pfarrer des Ortes und ein
regimetreuer Nazi, sagte ihr: Nein, Kartoffeln für deine drei Kinder kannst du nicht bekom- men, ich brauche sie für meine Schweine.' Die Kinder mussten soviel Beeren im Wald pflücken und Bucheckern sammeln, dass sie nachts im Schlaf die Suchbewegungen mit
den Händen machten.
Mein Großvater sagte uns später: Wer nur ein wenig nachdachte, konnte sehen, was passieren würde.
Mein Fall sollte den Kollegen zeigen, das man besser ruhig war und mitmachte. Und meine Familie habe ich möglichst weit in den Westen geschickt, weil ich mir gedacht habe, dass die Russen vom Osten her einmarschieren. Und bei allem haben wir ein Riesenglück gehabt, denn wir haben alle überlebt. Wir haben den Krieg überlebt, der geplant war, den die deut- sche Industrie unterstützte, und den wir kleinen Leute nicht verhindern konnten.
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