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Exkurs: Vergleich mit " und dann zogen wir weiter" von Miso Nikolic
Miroslav (Miso) Nikolic stammt, gleich wie Ceija Stojka, aus einer Romagruppe der Lovara. Er ist 1940 in Serbien, auf der Landstraße zwischen Pozarevac und Petrovac na Mlavi geboren. Bereits anhand dieser genauer Angabe von Ort und Zeit seiner Geburt ist ein Unterschied zur Lebensdarstellung von Ceija Stojka zu erkennen. Miso besucht in Serbien die Schule. Während des Krieges muß sich seine Familie vor den Nazis verstecken. Seine früheste Kindheitserinnerung ist ein Vorfall zur Zeit eines Fliegeralarmes:
"Am Straßenrand haben ein paar Leute zwei kleine Kinder in weiße Laken eingewickelt. Wie sie die Kinder weggetragen haben, habe ich gesehen, wie das Blut aus den Leintüchern geronnen ist und eine blutige Spur auf der Straße hinterlassen hat. Das werde ich nie vergessen. Das ist meine früheste Kindheitserinnerung."[1]
Man kann sagen, daß Miso ein "Kriegskind" ist, während Ceija Stojka auch das Leben vor dem Krieg in seiner Sorglosigkeit kennt. Im Gegensatz zu Ceija war Miso nicht im KZ. Es ist bemerkenswert, daß Ceija in ihrer Autobiographie nie das Wort "Krieg" benutzt, sondern nur von den Ereignissen spricht, die der Krieg mit sich brachte, während hingegen Miso den Krieg als Zeitangabe verwendet und auch versucht, die Gründe, warum es zum Krieg kommt, zu erklären:
"Am 6. April 1941 marschierte die deutsche Armee in Jugoslawien ein. Da mein Vater ein gebildeter Mann war, hatte er geahnt, daß ein Krieg ausbrechen wird. Seit der Ermordung von König Aleksandar Karadjordjevic in Marseille war in Jugoslawien eine sehr große Spannung und schwere Krise. Weil mein Vater immer die Nachrichten gehört und die Zeitung gelesen hat, wußte er genau, was in Europa alles geschah. Natürlich begann jetzt auch in Jugoslawien eine große Verfolgung von Juden und Zigeunern."[2]
In dem Zitat wird klar, daß Miso die zeitgeschichtlichen Zusammenhänge erkennt, und daß sein Vater informiert ist.
Miso verdient seinen Lebensunterhalt als Maler und Anstreicher, Teppichhändler, Musiker etc. Er reist viel und letztendlich entscheidet er sich für ein Leben mit seiner Frau Ruza Lakatos in Österreich. 1995 beginnt er die Geschichte seiner Familie und seines eigenen Lebens zu schreiben. 1997 wird sein Buch "und dann zogen wir weiter" herausgegeben. Darin erzählt er uns die Lebensgeschichte seiner Familie von 1896 bis in die sechziger Jahre unseres Jahrhunderts. Das Werk ist in zwölf Kapitel unterteilt. Im Vergleich zu Ceija Stojkas Werk "Wir leben im Verborgenen", schreibt Miso Nikolic über Geschehnisse die vor seiner Geburt passiert sind. Er erzählt uns die Geschichte seiner Eltern, wo sie geboren sind, wie sie sich kennengelernt haben Er ordnet die Geschehnisse exakt zeitlich und räumlich ein. Da er das Erzählte nicht selbst erlebt haben kann, hat er es vermutlich von einem Angehörigen der Familie gehört. Man kann auch annehmen, daß ein großer Teil des Werkes fiktive Geschehnisse präsentiert, wodurch das Werk einen anderen Stellenwert bekommt, als Ceijas autobiographische Schriften. Ihr ist es wichtig, die Geschehnisse wahrheitsgetreu wiederzugeben und dadurch wirkt sie, meiner Meinung nach, authentischer als die von Nikolic. Miso versucht seine Geschichte auf eine literarische Ebene zu bringen, was bei Ceija Stojka nicht der Fall ist. Er versucht, aus seiner Geschichte und seinen Darstellern etwas Besonderes zu machen.
Im Vergleich zu Ceijas Bescheidenheit, versucht Miso die hervorragenden Eigenschaften seiner Familienangehörigen und von sich selbst hervorzuheben. Er erwähnt z.B. des öfteren das gute Aussehen seines Vaters: "Ljubomir ging dann zur Schule und wuchs zu einem gesunden jungen Mann heran, der auch gut aussah."[3]
Außerdem betont er die gute Bildung seines Vaters:
"Da mein Vater von einer feinen Familie abstammte, hatte er als Kind eine Schule besucht und konnte dadurch lesen und schreiben. Außerdem sprach er mehrere Fremdsprachen, und zwar Serbokroatisch, Russisch, Bulgarisch, Tschechisch, Polnisch, Rumänisch, Italienisch,, etwas Französisch, Deutsch, Englisch und natürlich seine Muttersprache Romanes."[4]
Miso stellt seine Familie als sehr vornehme Leute dar: "Auf einmal kamen alle Menschen aus den Zelten heraus, um die vornehmen Leute zu sehen, []"[5]
Auch bei der Beschreibung der eigenen Person, spart Miso nicht an Lob, wie z.B. beim Fußballspielen: "Ich spielte in seiner Gruppe, gewonnen haben natürlich wir, mit einem sehr hohen Resultat, und die ganzen Mitspieler bewunderten mich, wie gut ich spielen konnte."[6]
In der Schule ist Miso auch einer von den besten Schülern: "Ich und Jovo waren ganz im Gegensatz zu meinem Bruder Dragi in der Schule so gut, daß wir ein Vorbild für die anderen Schüler waren."[7]
Im Zuge der Aufgabenstellung meiner Arbeit habe ich mich besonders mit dem zwölften Kapitel auseinandergesetzt, das den Titel "Ein Teller voll Dukaten" trägt. Darin erzählt Miso eine Episode aus dem Leben seiner Eltern, wo die besondere Stellung der Frau in der Roma-Gesellschaft zum Ausdruck kommt. In diesem Kapitel wird die Spielsucht des Vaters Ljubomir beschrieben, die eines Tages so weit führt, daß er sein Hab und Gut verspielt. Als er nach Hause kommt, um seine Güter unter den Schuldnern zu verteilen, ist er so verzweifelt, daß er sogar seine Frau von einer Brücke stoßen will. Mileva sieht, daß ihr Mann nicht zurechnungsfähig ist, weil er betrunken ist. Mit weiblicher List gelingt es ihr, ihn von seinem Vorhaben abzubringen, indem sie sagt, daß sie ein kleines Vermögen versteckt hat:
"Betrunken und verzweifelt sagte Ljubomir zu Mileva:
- Du bist das einzige, was ich jetzt noch habe, und da ich alles verloren habe, stoße ich dich jetzt von der Brücke hinunter.
Obwohl sie Analphabetin war und dazu noch ungebildet, reagierte sie blitzschnell und meinte:
- Du dummer Kerl, wenn du mich jetzt von der Brücke hinunterstößt, erfährst du nie, wo ich das ganze ersparte Geld versteckt habe. Und mit diesem Geld kannst du dir alles wieder kaufen, was du verloren hast."[8]
Auf der Suche nach dem Geld muß Ljubomir viele Steine heben. Durch die körperliche Anstrengung wird er wieder nüchtern. Da erkennt er, daß er falsch gehandelt hat und ist froh, mit so einer klugen Frau verheiratet zu sein.
"Er hob die Steine auf, einen nach dem anderen, aber es war nichts zu finden. Mit der Zeit wurde Ljubomir langsam nüchtern. Als er dann mit nüchternen Augen sah, wie Mileva verzweifelt herumsuchte, mit verweinten Wangen, bat er sie, zu ihm zu kommen. Mileva sah ihn an und ging dann mit Tränen in den Augen zu ihm. Er umarmte sie und sagte ihr, sie sei eine sehr kluge Frau. Und so gingen beide zurück zu den Kindern."[9]
Die Episode erinnert an ein moralisierendes Märchen, in dem die Überlegenheit der Frau dem Mann gegenüber thematisiert wird.
Nach diesen Vorfall, muß Mileva die Familie mit dem Essen versorgen. Sie geht in die Stadt, um wahrzusagen. Als sie verzweifelt auf der Straße sitzt, weil sie zu wenig verdient hat, kommt ein Reiter an ihr vorbei der sie aus der Not rettet. Er scheint wie eine Figur aus einer Heldensage zu sein. Diese Situation wird auch sehr "märchenhaft" beschrieben und nimmt ein glückliches Ende, wo Ljubomir und Mileva weiter unbeschwert leben können:
"Während sie auf dem Trottoir saß, voller Gedanken und Trauer, kam plötzlich ein Reiter auf einem Schimmel vorbei. In ihrer Verzweiflung rief sie nach dem Reiter:
" - Edelmann Lasar, mit dreißig Dinar in der Tasche, komm runter, damit ich dir aus der Hand die Zukunft lesen kann!
Er ritt ein Stückchen weiter, dann blieb er stehen. Er stieg vom Pferd und ging auf Mileva zu, um ihre Zigeunermutter zu beschimpfen. Doch dann sagte der Mann:
- Vielleicht kennst du mich und weißt, daß ich Lasar heiße, aber woher wußtest du, daß ich genau dreißig Dinar in der Tasche habe?
- Aus dem Grund, weil ich eine Hellseherin bin, meinte Mileva."[10]
In seinem Buch hebt Miso oft die guten Eigenschaften seines Vaters hervor. Er war für ihn vermutlich ein großes Vorbild. In dieser Geschichte weist Miso auf die Weisheit seiner Mutter hin, obwohl sie im Gegensatz zu seinem Vater, nicht gebildet ist. Man kann vielleicht eine Parallele zwischen den Beziehungen Miso - Vater und Ceija - Mutter ziehen. Beide Elternteile waren für die Kinder von sehr großer Bedeutung.
Meiner Meinung nach, schreibt Miso, was seine Erlebnisse betrifft, in einem nüchternerem Stil als Ceija. Er beschreibt sie mehr analytisch, während bei Ceija die Sinneswahrnehmungen - das Riechen, Hören und Spüren - eine bedeutende Rolle spielen. Ihre Visionen, ihre Gefühle umhüllen das ganze Werk. Miso schafft eine Distanz bei den Beschreibungen von seinen Gefühlen:
"Nach dem Tod meines Vaters trug ich ein schwarzes Hemd und trauerte ein volles Jahr. Ich tanzte nicht, ich sang nicht und ich ging nie dorthin, wo Musik spielte. Ich wußte schon, was das bedeutet für einen jungen Menschen, wenn er Trauer trägt. Den Vater haben wir ganz plötzlich verloren, er war kerngesund, als er umgebracht worden ist. Doch die Mutter war bettlägerig und sehr krank, deswegen trauerte ich nach meiner Mutter nur sechs Wochen."
Die Toleranz, die das Leben von Ceija Stojka begleitet, ist bei Miso nicht so stark spürbar:
"Ich habe erlebt, wie die Kinder uns nachgelaufen sind und "Zigeuner, Zigeuner!" gerufen haben. Am liebsten hätte ich sie zusammengeschlagen. Ich bin von Belgrad gekommen, war ein guter Schüler und tausend Mal fortschrittlicher als die dummen Bauernkinder, die gar nicht richtig sprechen konnten."[12]
Sicher ist es auch eine Frage des Geschlechtes, wenn man vergleicht, wie Miso Nikolic und Ceija Stojka schreiben. Ceija meint:
"[] die Ehrlichkeit liegt in dem kleinen Buch "Wir leben im Verborgenen", ja! [] Und das andere ist dann also sie wollen etwas erreichen. Das ist jetzt das selbe, wenn ich jetzt sage: 'Du schreib', du wirst besser als ich! [] Aber haben wir jetzt nicht ein Leben vor uns, wir vier, das auch ein Stück wert zu schreiben ist? Wie das Leben läuft uns wie das Leben ist."
Doch eines ist ihnen gemeinsam: beide möchten die Geschichte der Roma weiterleiten, damit sie nicht vergessen wird.
"Du, Du. Du hast Angst
vor der Finsternis
auf diesem langen Waldesweg.
Du, ich sage D
wo der Weg menschenleer ist
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