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0.Juli 1830
Frankreich
In Frankreich bemühte sich das Regime unter Karl X. mit allen Kräften, die Ergebnisse der Französischen Revolution wieder zu revidieren. In der Nacht vom 27. zum 28. Juli 1830 kam es zu einem Aufstand in Paris, der sogleich auch die Unterstützung der Unterschichten fand. 'Vornehmlich wegen der anhaltend schlechten Wirtschaftslage und der bedrückenden sozialen Situation der Handwerker und kleinen Kaufleute lösten die Pariser Ereignisse eine starke, wenngleich diffuse Protestwelle gegen die Regierung Polignac und die bestehenden Verhältnisse aus. Karl X. wurde zur Abdankung gezwungen und Louis Philippe, der populäre Herzog von Orleans, wurde zum neuen 'Bürgerkönig' gewählt. Die bestehende Verfassung wurde behutsam liberalisiert und dem parlamentarischen System angenähert. Allerdings wurde ein hoher Wahlzensus beibehalten. 'Entscheidend aber war die Ausstrahlung der revolutionären Vorgänge in Frankreich auf das übrige Europa; erstmals war ein Eckpfeiler der Neuordnung Europas im Zeichen der Restauration eingebrochen' (S. 44)
Die Suche nach dem nachrevolutionären Gleichgewicht
Das napoleonische Frankreich
Das Ende des Direktoriums
Das Bild des Direktoriums in der
Historiographie schwankt zwischen zwei Positionen:
- positiv wird ihm zugerechnet die
Neuschaffung von modernen Institutionen vor allem im Bildungsbereich (ENS;
Institut) und die Überwindung der Inflation von 1796 sowie die Abwehr royalistischer
Restaurationsversuche. Als entlastend muß auch angeführt werden die
Konfrontation mit der Europäisierung des durch die revolutionäre
Herausforderung und die Konkurrenz zu England ausgelösten militärischen
Konfliktes
- negativ fällt vor allem die
Schwäche der Exekutive auf, die keine dauerhaften Institutionen im politischen
Bereich schaffen kann.
Zuspitzung in der Krise des Jahres
1799:
- militärische Niederlagen in Italien
und Agypten
- Massierung der royalistisch
inspirierten Erhebungen im Westen und Süden sowie gleichzeitig der Wahlerfolge
der linken Opposition machen das Ausspielen beider Gefahren gegeneinander
obsolet
Auswahl eines Kandidaten für den von vielen in der politischen Klasse als opportun angesehenen Staatsstreich: Machtergreifung Napoleon Buonapartes im coup d'état vom 18 brumaire
Auflösung des Direktoriums, Bildung
von Kommissionen, die eine neue Verfassung erarbeiten sollen und Machtübergabe
an ein Konsulat (Bonaparte, Sieyes, Ducos)
Über die Stationen Erster Konsul und
Konsul auf Lebenszeit (1802) erreicht Napoleon seine Krönung zum "Kaiser der
Franzosen" (1804).
Konsulatsverfassung vom Dezember
1799
- erklärt die Revolution für beendet
- Festigung der bürgerlichen
Grundlagen der Gesellschaft
- Ausbau des Staatsapparates zur
Sicherung der Revolutionsergebnisse sowie den Schutz des Eigentums
- Sicherung der wirtschaftlichen
Prosperität bis zur Krise von 1810.
Träger des Kaiserreichs ist ein Notabelnbürgertum (Fusion von Grundeigentümern adliger, bürgerlicher und großbäuerlicher Herkunft, Finanz- und Handelskapital sowie großen Manufakturbesitzern, vornehmlich den Armeelieferanten, nach dem Kriterium des Reichtums)
Innenpolitische Reformen in Konsulat und Kaiserreich
- straffe Zentralisierung im
Staatsaufbau
- unbegrenzte Machtbefugnisse des
Ersten Konsuls (verkündet Gesetze, ernennt und setzt die Minister, Mitglieder
des Staatsrates und andere hohe Staatsbeamte ab) bei konsultativer Funktion von
Staatsrat, Legislative (in drei Kammern: Tribunat für Beratung der Gesetzesentwürfe,
Gesetzgebende Körperschaft für Abstimmung dieser Entwürfe, Senat für
Verfassungskontrolle)
- allgemeines Wahlrecht und Plebiszit
zu wichtigen Fragen
- Verwaltungsreform:
(Präfektursystem)
- Assimilation der alten und neuen
Eliten (Hof; Ehrenlegion)
- Bildungsreform (Lyzeum 1802;
kaiserlichen Universität 1806)
- Justizreform (Zentralisierung der
Richterwahl; 1804 Zivilgesetzbuch (Code civil, ab 1807 als Code Napoléon
bezeichnet), Zivilprozeßordnung, Strafgesetzbuch (code pénal), Strafprozeßordnung,
Handelsgesetzbuch): Verankerung der Freiheit des Eigentums, der
staatsbürgerlichen Gleichheit, der Laizität des Staates, der Glaubens- und
Gewissensfreiheit als Prinzipien.
- Konkordat mit Papst Pius VII. 180:
Überwindung der Kirchenspaltung (Bischöfe vom Konsul ernannt, vom Papst nach
kanonischem Recht eingesetzt; Anerkennung des Katholizismus als "Religion der
überwiegenden Mehrheit der Franzosen"; Papst akzeptiert staatsbürgerliche
Gleichstellung der Juden, Protestanten und anderen nichtkatholischen Gläubigen
sowie die Nationalisierung der Kirchengüter).
Wirtschaftspolitik
- Manufakturförderung (v.a.
Textilbranche)
- Kontinentalsperre (1806 in Berlin
verkündet) gegen den Hauptkonkurrenten England als protektionistische Förderung
des Gewerbes
- technologische Fortschritte in
Richtung industrielle Revolution (1797 Dampfmaschine im Kattundruck; 1802 in
der Spinnerei; 1805 Jacquard-Webstuhl speziell für die Seidenproduktion)
- Gründung der Banque de France 1800
und Währungsstabilisierung durch Kursfestsetzung des Franc 1803
- Vereinheitlichung des Steuer- und
Finanzwesens, die das überregionale Kreditwesen erleichtern.
- Landwirtschaft bleibt zurück
(Bipolarität von Kleineigentum und Großproduktion)
Etappen und Ziele der napoleonischen Außenpolitik
Außenpolitik dient
- Sicherung der Revolutionsergebnisse
gegen Österreich, Preußen und Rußland
- Entscheidung der Konkurrenz mit
England um Zugriff auf die überseeischen Märkte
- persönlichem Machtstreben Napoleons
und der Versorgung seiner Familie
Bis zum Frieden von Tilsit (1807)
dient der Krieg Frankreich vorrangig zur Verteidigung seiner
Gesellschaftsordnung und eines entsprechenden Umfeldes, danach vorwiegend einer
durch Machthunger motivierten Expansion.
Der Krieg entfaltet sich zu einem
gewaltigen Krieg der Massenheere.
1812 (Rußlandfeldzug) und 1813 (u.a.
Schlacht bei Leipzig) scheitert Frankreich an der Unbeherrschbarkeit des
eroberten Territorums und dem Druck der Allierten.
1814/15 Wiener Kongreß (Restauration
der Bourbonen; Interessenausgleich der Alliierten; Gründung der Heiligen
Allianz)
Restauration, Julirevolution und Julimonarchie: 1815-1848
Restauration bedeutete nicht Rückkehr
zum Ancien Régime
unterscheiden lassen sich
eine liberale Phase unter Ludwig
XVIII. (1814/15-1824)
eine stärker konservative Phase unter
Karl X. (1824-1830)
Politisches System und Verfassung der Restauration
Konstitutionelle Monarchie mit
Exekutivgewalt und Gesetzesinitiative beim König
Parlament (Zweikammernsystem nach
englischem Vorbild: Pairskammer und Abgeordnetenhaus) ohne Verantwortung der
Minister gegenüber dem Parlament
Verfassung (charte constitutionnelle,
1814) als Negation des Prinzips der Volkssouveränität, aber Garantie
grundlegender Rechte (Gleichheit vor dem Gesetz, individuelle Freiheitsrechte
gegen willkürliche Machtausübung, Meinungs-, Presse- und Religionsfreiheit
sowie Unverletzlichkeit des Eigentums)
Zensuswahlrecht (Mindestalter 30
Jahre; Mindeststeuersatz 300 Francs für das aktive Wahlrecht; Mindesalter 40,
Mindeststeuersatz 1000 Francs für das passive Wahlrecht))
soziale Trägerschicht bleibt das
Notabelnbürgertum, das seine Substanz erweitern kann
politischer Hauptkonflikt:
Ultraroyalisten um den künftigen Karl X. ("plus royalistes que le roi") vs.
Liberale
zunächst Dominanz der Ultras auch mit
Hilfe der terreur blanche,
1816-20 folgt eine liberale Phase
("Royaliser la nation et nationaliser la royauté"),
Nach der Ermordung des Herzogs von
Berry (1820) bis 1828 Repressionen gegen Liberale und Vorherrschaft der Ultras
(Zensur, Aufhebung individueller Freiheitsrechte, Verschärfung des Wahlzensus,
Emigrantenmilliarde zugunsten des Altadels, Inszenierung des mittelalterlichen
Königtums bei Salbung Karl X. in Reims 1824, größerer Einfluß der katholischen
Kirche)
1828-29 erneutes liberales
Zwischenspiel, ab August 1829 wieder Ultras an der Macht
ab 1825/26 Finanz-, Industrie- und Agrarkrise nach kurzer Konjunktur (Arbeitslosigkeit, Hungerkrisen; Bankenkrach; Vernichtung investiven Kapitals) führt zu anhaltender sozialer Unruhe
Die Julirevolution
Nach Machtdemonstration der Ultras
(Juliordonnanzen) erhebt sich Protest in der Hauptstadt (Julikrise
28.-30.7.1830 als Bestandteil einer europäischen Revolution)
Erneuerung der konstitutionellen
Monarchie (Louis Philippe) setzt sich gegen die minoritäre Idee einer
Republikanisierung durch
Julirevolution bleibt wesentlich auf
die politische Sphäre beschränkt: Sieg der liberalen Opposition, die sich in
"Partei der Bewegung" (Manufaktur- und Industriebourgeoisie sowie Vertreter der
freien Berufe) und "Partei der Ordnung" (Großgrundbesitzer, Hochfinanz,
Besitzer von Kohle- und Eisenbergwerken, aber auch zahlreiche Intellektuelle)
spaltet
erhebliche außenpolitische Folgen:
Störung des Gleichgewichts der Heiligen Allianz
Das Reformwerk der Julimonarchie und die Formen der politischen Opposition
Modifizierung der charte
constitutionnelle (Bezug auf monarchische Souveränität entfällt; königliche
Notstandsgesetze beseitigt; Zensur verboten; Beschränkung des katholischen Einflusses
im Staat; Louis-Philippe figuriert als Roi des Français, nicht mehr als Roi de
France et de Navarre)
Demokratisierung der Nationalgarde
(1831: Wahl der Offiziere) Verwaltungsreform (Wahl der Gemeindevertreter)
Zugang für Bügerliche zur Pairskammer
wird geschaffen (Dezember 1831)
Festhalten am Zensuswahlrecht (bei
Herabsetzung des Zensus: Verdoppelung der Wahlberechtigten von 94.600 auf
167.000)
Wirtschaftspolitik betrifft v.a. den
Ausbau von Kanälen, Häfen, Straßen und Beteiligung am Eisenbahnbau sowie die
tradierte Schutzzollpolitik
Einführung eines obligatorischen
Volksschulwesen (loi Guizot 1833).
Politische Opposition:
1) Legitimisten mit geringem Einfluß
nach der Erhebung in der Vendée 1832
2) Bonapartisten gewinnen in 40er
Jahren an Zulauf
Republikanisch-demokratische
Opposition bleibt lange differenziert, die Erhebungen in Lyon 1831 und 1834
sowie in Paris 1832/34 bieten ihr Kristallisations- und Identifikationskerne.
Bis 1835 reicht die Mobilisierungskraft der Revolution (Société des amis du
peuple (Juni 1830), Société des Droits de l'Homme et du Citoyen (1832). In den
40er Jahren gelingt die semilegale Organisation der rep.-dem. Opposition
(Bankettwesen, Aufschwung des Utopismus)
1846/47 erneut Agrarkrise und in der
Folöge Finanz- und Industriekrise mit hoher Arbeitslosenrate
Politisierung erfolgt entlang der
Forderungen nach Wahlrechtsreform
Verbot eines Banketts mit Forderungen nach allgemeinem Wahlrecht am 22. Februar 1848 provoziert den Sturz der Regierung und leitet die Revolution ein.
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