Lew Dawidowitsch Trotzkij
Lejb Bronstejn wurde am 7. November 1879 als Sohn einer
jüdischen Mittelstandsfamilie im russischen Janowka geboren.
Er studierte in Odessa und geriet bald in Kontakt mit revolutionären Zirkeln.
1897 gründete Bronstejn den "Südrussischen Arbeiterbund", worauf er verhaftet
und 1899 nach Sibirien verbannt wurde.
1902 konnte er ins Ausland fliehen, wo er sich fortan den Decknamen Leo
Dawidowitsch Trotzkij zulegte. Durch seine Mitarbeit an der
Emigrantenzeitschrift "Iskra", für die auch Wladimir Lenin tätig war,
verschaffte sich Trotzkij eine führende Position in der russischen
Sozialdemokratie. Dabei traten zwischen beiden Aktivisten tiefe Differenzen
auf, die lange Jahre anhalten sollten. Anlässlich der Spaltung der russischen
Sozialdemokraten in Menschewiki und Bolschewiki versuchte Trotzkij ab 1903 eine
vermittelnde Position einzunehmen. Seine spezifische politische Programmatik
basierte auf der theoretischen Vorstellung der "permanenten Revolution", dem
Kerngedanken des sogenannten Trotzkismus.
Trotzkij übernahm in der russischen Revolution von 1905/06 Führungsaufgaben in
St. Petersburg. Nach der Niederschlagung der Erhebung geriet er in Haft, aus
der ihm jedoch erneut die Flucht ins Ausland gelang. Das folgende Jahrzehnt
verbrachte Trotzkij im Wiener (1907-1914), Pariser (1914-1916) und schließlich
US-amerikanischen Exil (1917). Im Zuge der Auseinandersetzungen über den Ersten
Weltkrieg vollzog er eine Annäherung an die Positionen Lenins und dessen
Revolutionsidee. In den USA gab er die revolutionäre Zeitschrift "Novy Mir"
("Neue Welt") heraus.
Die russische Februarrevolution bot 1917 beiden die Gelegenheit zur Rückkehr in
die Heimat. Trotzkij schloss sich nun den Bolschewiki an, in dessen
Zentralkomitee und Politbüro er noch im selben Jahr aufrückte. Mit seinen
agitatorischen Fähigkeiten trug er wesentlich zum Ausbruch der
Oktoberrevolution bei, mit der sich die Bolschewiken gegen die
bürgerlich-sozialdemokratische Revolutionsregierung erhoben. Unter Lenins
Führung stieg Trotzkij nun zum Außenkommissar im Rat der Volkskommissare auf.
In dieser Funktion wirkte Trotzkij anfangs an den diplomatischen Verhandlungen
mit, die zum Frieden von Brest-Litowsk und damit zur Beendigung des Ersten
Weltkriegs führten. Da er jedoch die ungünstigen Friedensbedingungen ablehnte,
legte er bereits 1918 noch vor Unterzeichnung des Friedensvertrags sein Amt
wieder nieder. Im März 1918 wurde Trotzkij zum Kriegskommissar berufen. Als
solcher baute er die Rote Armee auf, über die er auch den Oberbefehl führte und
mit deren Hilfe er bis 1921/22 auf entscheidende Weise den Sieg der
Bolschewisten im russischen Bürgerkrieg herbeiführte.
Nach dem Tod Wladimir Lenins (1924) verschärfte sich das bereits gespannte
Verhältnis zwischen Trotzkij und Lenins Nachfolger Josif W Stalin. Trotzkij
prangerte zunehmend die Konzentration der Macht in der Person Stalins an, gegen
den er auf ideologischer Ebene nun verschärft seine Theorie der "permanenten
Revolution" setzte: Während Stalin sich auf den Aufbau und die Konsolidierung
des Sozialismus "in einem Land", nämlich in der Sowjetunion, konzentrieren
wollte, propagierte Trotzkij die Notwendigkeit einer revolutionären Offensive
und Expansion, mit der die nationale Revolution auf die übrige, noch
kapitalistische Welt auszudehnen sei. Denn nach Auffassung des Trotzkismus
könnten nur durch eine internationale Umwälzung die revolutionären
Errungenschaften der Sowjetunion langfristig gesichert werden.
Stalin gelang jedoch sukzessive die Entmachtung Trotzkijs, der 1925 zunächst
seine Absetzung als Kriegskommissar, 1926 seine Entlassung aus dem Politbüro
und 1927 schließlich den Austritt aus dem Zentralkomitee hinnehmen musste.
1928 folgte seine Verbannung nach Kasachastan, 1929 seine Ausweisung aus der
Sowjetunion. Aus dem Exil setzte Trotzkij jedoch auch im folgenden Jahrzehnt
seine Agitation gegen den Stalinismus fort. Im Zuge der stalinistischen
Säuberungen in der Sowjetunion wurde Trotzkij dort 1936 in Abwesenheit zum Tode
verurteilt. 1938 gründeten die Trotzkisten die IV. Internationale, die sich
offen gegen das sowjetisch-stalinistische Sozialismusmodell aussprach.
Leo Dawidowitsch Trotzkij wurde am 20. August 1940 in seinem Exil in Coyoacán
bei Mexiko City durch einen sowjetischen Geheimagenten ermordet. Der von ihm
begründete Trotzkismus besteht jedoch bis heute als "linke" Splitterabweichung
des Marxismus fort.