Weltstadt Babylon
Die Stadt Babylon wurde Babilu, das »Tor Gottes«, genannt. Sie war als
Hauptstadt Babyloniens und als kulturelles und wirtschaftliches Zentrum die
bedeutendste Stadt des Vorderen Orients und auch die einst größte Stadt der
Welt. Der Mythos Babylons ist vor allem durch die biblische Erzählung vom »Turmbau
zu Babel«, den Ruf der sündhaften Metropole (»die große Hure Babylon«) und
durch die »Hängenden Gärten« begründet, die als eines der Sieben Weltwunder der
Antike auch Alexander der Große bewunderte.
In der ältesten uns bekannten Auflistung der Sieben Weltwunder aus dem 2.
Jahrhundert v.Chr. sind auch die Mauern von Babylon enthalten, was die
außergewöhnliche Bedeutung dieser frühen Weltstadt unterstreicht. Zu ihrer
Blüte hatte besonders die Bautätigkeit Nebukadnezars II., des Begründers des
Neubabylonischen Reiches, beigetragen, der die Juden nach der Eroberung
Jerusalems 586 v.Chr. in die Babylonische Gefangenschaft deportierte.
Erst mit ihrem endgültigen Verfall im 3. Jahrhundert v.Chr. verblaßte auch der
Ruf der Stadt als »Sündenbabel« - wiedergegeben in der Johannes-Offenbarung des
Neuen Testaments. Sowohl die Prostitution im Tempel der Ischtar als auch der
geschlechtliche Opfergang jeder babylonischen Frau als »Dienerin« dieser Göttin
unterstrichen die Dekadenz der Stadt, wie der griechische Geschichtsschreiber
Herodot erläuterte.
Ischtar war als Göttin des Kriegs und der Eroberung, aber auch der Liebe
(Aphrodite) und des Geschlechtslebens, die bedeutendste Göttin Babylons. Ihr
war auch das Ischtartor geweiht, das Nebukadnezar II. mit glasierten blauen Ziegeln
verkleiden ließ, die, neben Löwen als Symbol der Göttin Ischtar, Stiere als
heilige Tiere des Wettergottes Adad und »Rote Schlangendrachen«, die
Symboltiere Marduks, zeigten. Marduk (auch Bel) war - im Zuge der
Machtentfaltung des Stadtstaates Babylon zum Großreich - vom lokalen Gott zum
Reichsgott (»Göttervater«) avanciert. Ihm waren der größte Tempel der Stadt,
Esagila, und der »Tempel des Fundaments von Himmel und Erde«, der Etemenanki,
erbaut worden.
Bereits im Reich des Hammurapi (1728-1686 v.Chr.) war eine Zikkurat, die als
terrassenförmiger Tempelturm von den Sumerern kopiert wurde, entstanden. Aber
erst Nebukadnezar II. gab dem »Turm von Babel« seine endgültige Höhe (ca. 90
Meter) und Gestalt, die auch assyrische Einflüsse aufnahm. Mit der Errichtung
dieses Tempels ist die Sage von der »Babylonischen Sprachverwirrung« (1. Mose
11) verknüpft. Nebukadnezar ließ wohl auch auf Gewölben seines Stadtpalastes
(Südburg) die »Hängenden Gärten der Semiramis« anlegen. Die Terrassenanlage
wurde mit Hilfe von Hebewerken, die von Eseln und Sklaven angetrieben wurden,
künstlich bewässert, so daß in der kargen Landschaft die Illusion eines
blühenden Gartens bestaunt werden konnte.
In der politischen Gegenwart wurde unter dem Motto »Von Nebukadnezar zu Saddam
Hussein - Babylon beschwört seine Glorien« 1987 in der nur 125 km südlich von
Bagdad gelegenen Ruinenstätte ein internationales Festival abgehalten. Saddam
suchte seine Diktatur sowohl mit der Herrschertradition Babylons als auch mit
der des assyrischen Königs Sanherib historisch zu legitimieren, der 689 v.Chr.
einen Aufstand in Babylon mit den Worten »Ich werde in der Stadt schlimmer als
die Sintflut wüten« niederschlug.