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Buchrezension
Sten Nadolny "Die Entdeckung der Langsamkeit" - Roman
Sten Nadolny wurde 1942 in Zehdenik an der Havel geboren, er zog nach dem Krieg mit seinen Eltern, Isabella und Burkhard Nadolny, an den Chiemsee, z.Z. lebt er jedoch in Berlin. Nach seiner Promotion in Geschichte erschien 1981 "Netzkarte", sein erster Roman. Das vorliegende Werk wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet.
"Die Entdeckung der Langsamkeit" ist ein Entwicklungsroman, der die Lebensgeschichte eines ungewöhnlichen jungen Engländers zu Beginn des 19. Jahrhunderts erzählt, die nur teilweise fiktiv ist.
John Franklin träumt von Kindheit an davon, Seefahrer zu werden, obwohl er eine eigentümliche Behinderung hat: Er nimmt alles nur sehr langsam war, und auch zum Sprechen und Lesen braucht er viel Zeit, worüber sich seine Spielkameraden natürlich lustig machen. Anfangs erkennt nur ein Lehrer Johns große Stärke: Ein exzellentes Gedächtnis, und die Gabe, alles sehr genau zu beobachten und so auch allmähliche Veränderungen zu bemerken, außerdem ist er mathematisch begabt und interessiert. John geht zur Marine, wo er die Schlachten von Kopenhagen und von Trafalgar erlebt, ein traumatisches Erlebnis hat als er einen Feind eigenhändig erwürgt, aber auch Anerkennung und Freundschaft findet. Er hat zwar keinen Erfolg damit, seine Langsamkeit zu beseitigen, aber er lernt, damit umzugehen und seine Stärken sinnvoll zu nutzen. Von einer Expedition, auf der er die Nordwestpassage finden will, kehrt allerdings keiner zurück.
Mir hat das Buch gefallen, vor allem, da es zum Nachdenken einlädt, und uns vor Augen führt, wie oberflächlich ein schneller Blick oft ist. Die "Sprünge" im Text, z. B. wenn er, nachdem er von Zuhause davongelaufen ist, plötzlich und unerwartet gefunden wird, und dann sehr schnell wieder zu Hause ist, vermitteln (mir) einen guten Eindruck von seiner Wahrnehmung, die oft lückenhaft ist. Auch das Leben auf einem Schiff zur damaligen Zeit kann man sich anhand der (vermutlich) realistischen Darstellung gut vorstellen.
Zum Lesen sollte man sich Zeit nehmen.
Die Geschichte ist auch heute noch sehr interessant, da sie uns eine neue Betrachtungsweise der Dinge lehren kann. Überflüssig zu erwähnen, dass John heute noch mehr Probleme hätte als damals, zurechtzukommen und anerkannt zu werden. John fällt jedoch manches auf, was anderen verborgen bleibt, und gerade in unserer heutigen, hektischen Zeit könnte es manchmal nicht schaden, Johns (Ein-) Sicht zu haben.
Ich vermute, dass der Autor eher erwachsene Leser im Sinn hat, die eine etwas anspruchsvollere Lektüre wünschen, kein "Literatur-Fast-Food", Erwachsene aus allen Bevölkerungsschichten und zahlreichen Ländern (das Buch wurde in viele verbreitete Sprachen übersetzt).
Anfänglich hat man Probleme, sich in John hineinzuversetzen, vor allem, da man sich seine Sichtweise schwer vorstellen kann, später kommt man aber immer besser damit zurecht, so wie auch John immer besser damit umgehen kann. Ein weiteres Problem sind die vielen alten, heute sehr unüblichen Begriffe, insbesondere für die Komponenten eines Segelschiffes, die man als durchschnittlicher Leser wohl kaum kennen wird. Diese sind jedoch zum Verständnis des Romans nicht sonderlich relevant. Ein weiterer Punkt sind die Zahlen, die immer ausgeschrieben werden. Bei dreistelligen Zahlen kann dies schon den Lesefluss stören, allerdings sind auch die Zahlen oft nicht relevant.
Sten Nadolny "Die Entdeckung der Langsamkeit", (c) R. Piper Verlag, München 1983, DM 17.90, ISBN 3-492-10700-1
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