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DIE PHYSIKER, ARCHE, 1962
von Friedrich Dürrenmatt
Uraufführung am 21. Februar 1962 im Schauspielhaus Zürich
23. Februar 1962, Tages-Anzeiger, Zürich:
Was anfänglich noch als beliebtes Spiel mit komödiantischen Effekten erscheinen mag,
erweist sich im Fortgang der Handlung als überlegen gesetzter und notwendiger Baustein
zum Werkganzen. Aber trotz der fast nüchternen Knappheit in Aussage und Szenenführung
oder auch in der Charakterisierung der Figuren ist ein Stück reich an theatralischer
Wirkung entstanden. Und ein sehr einmaliges Kunstwerk überdies, reich an Substanz und
Eindrucksvermögen, unanfechtbar im bühnengerechten Verdeutlichen eines tief bewegenden
Gegenwartsproblems
* Zürcher Zeitung:
Dürrenmatts Komödie 'Die Physiker' wird im Theaterleben der Gegenwart Epoche
machen.
* Die Zeit, 5. Oktober 1962:
Es gibt, von Brecht einmal abgesehen, in der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur kein
Schauspiel, das wir über dieses stellen möchten - allenfalls des gleichen Autors 'Besuch der
alten Dame'
* Die Komödie ist Therese Giehse gewidmet.
Die wichtigsten Personen der Handlung sind:
Fräulein Doktor Mathilde von Zahnd, die Irrenärztin
Monika Stettler, eine Krankenschwester
die drei Pfleger; Uwe Sievers, McArthur und Murillo
Richard Voß, der Krimainalinspektor
und natürlich die drei Patienten der Irrenanstalt:
Ernst Heinrich Ernesti, genannt Einstein
Herbert Georg Beutler, genannt Newton
Johann Wilhelm Möbius
Die Geschichte beginnt, als Einstein, der schon 2 Jahre in Behandlung ist, im privaten Senatorium Les Cerisiers Schwester Irene Staub erdrosselt. Einige Zeit zuvor hatte Newton, der seit einem Jahr im Irrenhaus lebt, Schwester Dorothea Moser getötet. Warum? Er liebte sie und sie liebte ihn. Dieses Dilemma konnte er nur durch die Vorhangkordel lösen, denn seine Aufgabe war es ja, über die Gravitation nachzudenken, und nicht ein Weib zu lieben. Für diese Bluttaten gibt es die logische Erklärung, daß sdie beiden Mörder eben unheilbar krank wären, und daß sie deswegen nicht verurteilt werden dürfen. Möbius, der schon mehr als 15 Jahre seines Lebens als Patient in Les Cerisiers verbringt, erdrosselt Schwester Monika Stettler, weil sieeinander verfallen sind und weil sie weiß, daß er nicht verrückt ist. Möbius rechtfertigt sich damit, daß ihm König Salomo wieder erschienen war, und ihm den Befehl dazu gegeben hat. Am Ende der Geschichte entpuppt sie Newton als Alec Jasper Kilton, der Begründer der Entsprechungslehre. Er stehe im Auftrag des Geheimdienstes. Er müsse Möbius ausspionieren, um den Grund seiner Verrücktheit zu erfahren. Kilton hält ihn für den genialsten Physiker aller Zeiten, seit er dessen Dissertation über Grundlagen der neuen Physik gelesen hat. Und wirklich: Möbius ist nicht verrückt, nur schwer nervenkrank. König Salomo sei natürlich nur eine Erfindung gewesen. Schwester Dorothea habe die Wahrheit erfahren, so sei es nötig gewesen, sie zum Schweigen zu bringen. Einstein entpuppt sich als Joseph Eisler, der Entdecker des Eisler-Effekts. Auch er arbeite für einen Geheimdienst, und da Schwester Irene Verdacht geschöpft hatte, mußte er sie töten. Die beiden 'Physiker' hatten den gleichen Auftrag erhalten: Möbius mitzunehmen. Denn dieser hat die Pflicht den Nicht-Genialen die Türe aufzuschließen und Pionierarbeit zu leisten, denn er habe die Wissenschaft ja nicht gepachtet. Möbius löst nämlich im Irrenhaus das Problem der Gravitation und findet die einheitliche Feldtheorie, will seine Arbeit aber nicht veröffentlichen, denn das Resultat wäre verheerend: Es würden unvorstellbare Energien freigesetzt und eine Technik ermöglicht, die jeder Phantasie spotten würde. Er will das Risiko, den Untergang der Menschheit zu verursachen, nicht eingehen. Würde er seine Erkenntnisse preisgeben, es würde den Umsturz der Wissenschaft und den Zusammenbruch des wirtschaftlichen Gefüges bedeuten. Deshalb verbrennt er auch all seine Manuskripte. Er ziehe das Irrenhaus der Öffentlichkeit vor, da er hier nicht von den Politikern ausgenützt werden kann. Und da er bleibe, müßten auch die beiden anderen Männer bleiben, denn sie seinen ja Mörder. Das Gespräch der Physiker wird abgehört, da das Frl. Doktor schon länger Verdacht geschöpft hatte. Sie offenbart den dreien, daß auch ihr der König Salomo erscheint und ihr die Überlegungen des Möbius diktiert. Sie habe inzwischen schon Profit gemacht. So fällt sie Welt in die Hände einer verrückten Irrenärztin.
ÜBERLEGUNGEN ZUM INHALT DES BUCHES:
Es ist ziemlich verwirrend, dieses Buch zu lesen. Bis zum letzten Augenblick weiß man nicht, wer nun wirklich 'verrückt' ist, und wer nicht. Als Dürrenmatt dieses Buch schrieb, mag die Geschichte noch recht unrealistisch erschienen sein. Doch in unserer Zeit der 'kranken Gehirne' könnte so eine erfundene Geschichte Realität werden. Möbius spricht den Untergang der Menschheit an, wenn er seine Arbeit veröffentliche. Das erinnert mich an die aktuelle Klon-Geschichte. Ich glaube, es ist besser, wenn der Welt noch ein paar Geheimnisse bleiben. Ich bin mir nicht sicher, ob die Forschung nur Fortschritt bringt. Oder ob es nur ein schnellerer Gang zum Ende ist. Zugegeben, viele Erkenntnisse sind sicher überlebenswichtig, aber Manches sollte doch der Natur überlassen bleiben. Wie Dürrenmatt noch im Nachwort meint: 'Eine solche Geschichte ist zwar grotesk, aber nicht absurd. Sie ist paradox. Im Paradoxen erscheint die Wirklichkeit. Der Inhalt der Physik geht die Physiker an, die Auswirkung alle Menschen'
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