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Das Schiff Esperanza
Hörspiel von Fred v. Hoerschelmann
Biographie des Autors:
Fred von Hoerschelmann wurde am 16. November 1901 in Estland geboren und ist ein Deutschbalte. Er studierte Kunstgeschichte und Philosophie an Universitäten in Dorbat und München. 1927 begann er mit dem Schreiben von Kurzgeschichten, welche in verschiedenen Berliner Zeitungen erschienen. Ende der Zwanziger Jahre schrieb er auch sein erstes Hörspiel, "Flucht vor der Freiheit", das in Berlin gesendet wurde. Fred von Hoerschelmann schrieb insgesamt 15 Hörspiele, wobei die berühmtesten "Die verschlossene Tür" (1951) und "Das Schiff Esperanza" (1953) waren. Weiters verfaßte er noch eine große Anzahl von Hörspielen fremder Stoffe. Auch schrieb er drei erfolgreiche Stücke für das Theater und mehrere Erzählungen. Er starb am 2. Juni 1976 in Tübingen, wo er seit dem Zweiten Weltkrieg wohnte. Fred von Hoerschelmann ist der unübertroffene Meister des Hörspiels und der Erzählungen. Seine Arbeit wird durch eine eigentümliche Kargheit und Strenge gekennzeichnet.
Kurzinhalt:
Inhaltsangabe:
Axel Grove ist ein 23jähriger Seemann, der er eine Heuer auf einem Schiff sucht. Er beschließt, als Leichtmatrose auf die Esperanza zu gehen, da diese noch am selben Abend ausläuft. Die Esperanza ist ein altes, armseliges Schiff, das Stückgut nach Wilmington (USA) liefert und deren Zielhafen in Panama liegt. Axel erfährt, daß der Kapitän des Schiffes auch Grove heißt, und hofft, daß es dabei um seinen seit 13 Jahren verschollenen Vater handelt. Er hat seinen Vater, der als Marineoffizier tätig war, seit dem Krieg nicht mehr gesehen. Auf dem Schiff stellt sich heraus, daß es wirklich Axels Vater ist, der trunksüchtig und diktatorisch als Kapitän auf der Esperanza regiert. Mitten in der Nacht hört Axel wie das Schiff nochmals stoppt und eine Gruppe von Leuten auf das Schiff kommt. Er weiß nicht, daß es sich dabei um sieben illegale Passagiere handelt, die sein Vater um viel Geld in die USA bringt, oder bringe sollte, denn in Wirklichkeit werden solche Passagiere normalerweise einfach mitten auf dem Meer ausgesetzt, mit der Lüge, daß Land befinde sich bloß noch zehn Meter vor ihnen. Kapitän Grove schämt sich seiner gesetzwidrigen Geschäfte vor Axel und will nicht, daß dieser davon erfährt. Er beschließt, daß sie diesmal die Auswanderer wirklich an der amerikanischen Küste absetzen würden, und daß nach dieser Fahrt Schluß ist mit den illegalen Machenschaften. Axel erfährt von dem Steuermann, daß sein Vater einen Sommer lang im Gefängnis saß, da er Geld aus der Schiffskasse gestohlen hatte. Dann entdeckt er plötzlich die illegalen Passagiere im untersten Laderaum. Die sieben Leute, unter ihnen auch Megerlin und die junge Edna, waren entweder auf der Flucht oder konnten aus verschiedenen Gründen keine Einreisepapiere bekommen. Sie wollen alle ein neues Leben anfangen. Axel erfährt, daß sein Vater da auch die Hände mit im Spiel hat. Er kümmert sich von jetzt an heimlich ein bißchen um die Illegalen und verrät ihnen auch nichtsahnend den Namen des Schiffes. Axel konfrontiert seinen Vater mit den illegalen Passagieren und erzählt ihm auch, daß er ihnen den Namen der Esperanza gesagt hat. Sein Vater rastet aus und schimpft ihn einen Idiot. Wenn einer der Passagiere nämlich auf der Küste aufgegriffen werden würde, würde er sicher mit den Namen des Schiffes herausrücken, und die Polizei würde schon im nächsten Hafen auf sie warten. Axel meint, er sei in gar nichts besser als die Illegalen, in Anspielung auf den Gefängnisaufenthalt seines Vaters. Es kommt zu einem lauten Streit zwischen den beiden, der damit endet, daß Axel den Entschluß faßt, am nächsten Hafen auszumustern. Kapitän Grove ändert seine Meinung, und beschließt, die Illegalen wie gewöhnlich in den Tod gehen zu lassen. In der mondlosen Nacht vor der Ankunft in Wilmington holt ein Matrose die Auswanderer aufs Deck, zählt sieben Leute, fährt mit ihnen ein Stückchen und läßt sie schließlich auf einer einsamen Sandbank zurück, die noch 20 Meilen von wirklichen Festland entfernt liegt und nur zwei Stunden später schon wieder vom Meer überflutet sein wird. Doch aufgrund der schwarzen Nacht konnte das keiner der sieben Personen erkennen. Werden des ganzen Vorganges hört der Kapitän Hammerschläge aus dem Kettenraum, wo Axel eine Aufgabe zu erledigen hat. Etwa zwei Stunden danach findet ein Matrose den völlig verstörten Megerlin im Laderaum, er war gerade dabei sich aufzuhängen. Der Matrose, der die Leute auf der Sandbank ausgesetzt hat, schwört sieben gezählt zu haben. Schließlich erfährt der Kapitän von Megerlin, daß jemand an seiner Stelle mitgegangen sei. Mit schlimmen Befürchtungen hastet Kapitän Grove zum Kettenraum, um nach Axel zu schauen, doch statt seines Sohnes trifft er dort nur einen alten Matrosen an, der für etwas Tabak Axels Aufgabe übernommen hatte. Groves Sohn war also wirklich mit den Illegalen von Bord gegangen. Sofort befiehlt Grove, das Schiff zu wenden und die Sandbank nochmals anzusteuern. Er will seinen Sohn retten, obwohl es höchstwahrscheinlich schon zu spät sein wird und er somit die Schuld an dessen Tod trägt.
Charakteristiken:
Der junge Mann ist gewissermaßen ein Angsthase. Ihm fehlen Energie und ein starker Wille. Seemann wurde er nur seines Vaters wegen, aber auch das wollte er nicht weiterführen. Diese Fahrt sollte nämlich seine letzte Heuer sein, danach stellte er sich vor, ein kleines Geschäft zu führen. Auch zeigte er nie wirklichen Ehrgeiz während seiner Zeit als Matrose. Er führte bloß Befehle aus und hatte keinerlei Interesse am seemännischen Wissen. Sein Vater verachtet seine Unwissenheit und hält ihn für einen Versager und Dummkopf. Sobald Axel auf unklare und fragwürdige Zustände stößt, fragt er nicht viel, sondern will sich einfach nur davonmachen. Er verschließt die Augen davor und geht keine Risiken ein. Axel versucht nämlich nicht einmal seinen Vater von dessen kriminellen Tätigkeiten abzubringen. Sobald ihm etwas gefällt oder er auf ein Problem trifft, wendet er sich davon ab, anstatt es ändern zu wollen. Er flieht lieber vor der Welt, anstatt sich ihr zu stellen. Er wünscht sich manchmal, gar nicht geboren zu sein.
Der Kapitän der Esperanza ist trunksüchtig und diktatorisch. Mittels der illegalen Passagiere verschafft er sich einen ertragreichen Nebenverdienst. Er hat keinerlei Mitleid mit den zu Tod geweihten und auch keine Schuldkomplexe. Für ihn sind es Leute ohne Gesicht, die er nicht kennt, quasi Nullen, die auszulöschen ihm keinen Kummer bereitet. Die Passagiere sind für ihn Gesindel und lauter Versager. Gewissermaßen betrachtet er deren Tot als eine verdienstvolle Tat. Seine Lebensphilosophie ist, daß man auf der Welt hart sein muß, um nicht gefressen zu werden, und daß man keineswegs wie ein Engel hindurchschweben kann. Und in dieses Leben platzt dann sein Sohn hinein. Grove bemerkt, daß er heruntergekommen ist, und daß von dem Glanz seiner mehr oder weniger glorreichen Marinezeit nicht mehr viel mehr da ist. Er will vor seinem Sohn gut dastehen, verbessert auch sein Aussehen und beschließt, das Schiff müsse mal erneuert werden und das Geschäft mit den Auswanderern müsse aufhören.
Megerlin
Er ist ein schon älterer Herr, der als Kassierer gearbeitet hat und eines Tages Geld gestohlen hat. Deshalb ist er auf der Flucht und ein Wirt hilft ihm zur Überfahrt. Doch anstatt froh darüber zu sein, sich auf dem Weg in ein fremdes Land zu befinden, fürchtet Megerlin sich und weiß nicht, wie er sich in dem fremden Land zurechtfinden soll. Er hat panische Angst davor Entscheidungen zu treffen, da er es noch nie gewohnt war. Er weiß nicht, was er will und wohin er will. Er verliert den Großteil seines Geldes beim Pokern, wie um einen Grund zu haben, nicht in die USA mitzugehen. Er beschließt, nicht mit den anderen über Bord zu gehen. Was er aber nicht weiß, ist, daß er sich somit vor dem Tode bewahrt hat. Vor dem Tode bewahrt ist vielleicht nicht so passend, denn als man ihn fand, war er ja schließlich gerade dabei, sich aufzuhängen. Doch, wie als würde er das Schicksal, dem er gerade entgangen war, ahnen, hat er später an Deck das Gefühl, völlig frei zu sein, und all das Geschehene hinter sich zu lassen. Er fühlt sich gewissermaßen neugeboren und spürt wieder Lebenslust in sich. Er ist bereit ein neues Leben zu beginnen.
Interpretation:
Das Schiff Esperanza erzählt von einer Vater - Sohn Beziehung und parallel dazu von illegalen Auswanderern. Diese zwei Handlungen verstricken sich dann so unglücklich, daß es in einer Katastrophe endet. Hätte Axel den Passagieren nämlich nicht den Namen der Esperanza verraten, hätte sein Vater auch nicht seinen Entschluß geändert, die Auswanderer diesmal wirklich bis zu Küste zu bringen. Dann hätten die Illegalen mit etwas Glück ihre neue Heimat betreten und Axel wäre wahrscheinlich am nächsten Hafen von Bord gegangen. Wäre Megerlin nicht so verzweifelt und ängstlich gewesen, hätte er mit den anderen zusammen das Schiff verlassen, und Axel hätte nicht an seiner Stelle mitgehen können. Dann wären alle sieben umgekommen und Axel hätte wahrscheinlich geglaubt, sie würden sich jetzt sicher an Land befinden. Hätte Axel die Flüchtlinge gar nicht entdeckt, wären wahrscheinlich alle am Leben geblieben, was zweifellos die glücklichste Variante gewesen wäre. Wäre Axel nämlich gar nicht an Bord der Esperanza gekommen, wären alle Illegalen wie immer ertrunken. Das wäre keine wirklich große Katastrophe gewesen, da die Illegalen schon von Anfang an dem Tode geweiht waren, so arg sich das auch anhören mag.
Am Ende hat man das Gefühl, daß sich für zwei der Hauptpersonen das Leben dramatisch ändern wird. Einerseits ist da Megerlin, der sich schon am Ende des Stückes wie neugeboren fühlt. Er läßt alles Geschehene hinter sich und freut sich darauf, sein "neues" Leben zu beginnen. Man kann sagen, daß er der einzige ist, der aus dieser Geschichte irgendwie "profitiert" hat. Dann ist da noch der Kapitän, der am Ende begreift, daß er mit größter Wahrscheinlichkeit Schuld am Tod seines Sohnes hat; daß Axel und die anderen ertrunken sind, dürfte zu erraten sein, also wollen wir es auch annehmen. Obwohl Grove seinen Sohn für einen Dummkopf hielt, dachte er sich wahrscheinlich, aus ihm würde sich schon noch was machen lassen, wenn er lange genug auf dem Schiff bliebe. Aber dann verliert er ihn so kurz nach ihrem Wiedertreffen. Kapitän Grove wird die Schuld sicher nur sich selbst zuschieben und wird versuchen sein Leben zu ändern. Er wird alle kriminellen Machenschaften bleiben lassen, oder es zumindest versuchen. So versuchte er doch auch nach Axels Ankunft auf dem Schiff, sich von einem schäbigen, trunksüchtigen Halbkriminellen in einen bewundernswerten, legal Erfolgreichen zu verwandeln, der an den Glanz seiner alten Zeiten erinnert. Doch das mißglückte, also ist es auch fraglich, ob er solch eine Kehrwende nach dem Tod seines Sohnes machen und durchhalten würde. Kurz vor Megerlins Entdeckung sprach er von den Illegalen, nannte sie Nullen ohne Gesichter, Versager und unbrauchbares Gesindel. Es war, als würde er seine Tat vor sich selbst verteidigen. Wenn er also seinen Charakter auch nach diesem unglücklichen Todesfall nicht ändern kann, wird er sich gewiß damit herausreden, daß Axel ja doch nur ein Dummkopf und Versager war, und daß er so sogar gut zu diesem Haufen paßte, der im Meer ertrank. Also, ob sich Kapitän Groves Leben wirklich dramatisch ändert nach dieser Katastrophe, ist nicht genau zu sagen. Man kann nur hoffen!
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