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Referat Friedrich Schiller: Maria Stuart

literatur referate

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Friedrich Schiller: Maria Stuart

Referat


Gliederung

Zeittafeln

Zeittafel zur französischen Revolution (Zeit Schillers)

Zeittafel zu Maria Stuart 

Das Werk 

Gang der Handlung

Erster Aufzug 

Zweiter Aufzug 

Dritter Aufzug 

Vierter Aufzug 

Fünfter Aufzug 

Figuren der Konfrontation

Elisabeth 

Maria 

Mortimer 

Leicester 

Burleigh und Shrewsbury 

Die Szene III/4 und die Struktur des Trauerspiels 

'Maria Stuart' und die Epoche der Klassik 

Einführung 

Hauptelemente der literaturgeschichtlichen Epoche 

Hauptelemente der Literatur Goethes 

Hauptelemente der Literatur Schillers 

Literaturkritik an Goethe und Schiller 

Joseph Eichendorff 'Über Goethe' 

Adam Müller 'Über Schiller' 

Form des Dramas in der Klassik 

1. ZEITTAFELN

1.1 Zeittafel zur französischen Revolution (Zeit Schillers)


Einberufung der Generalstände nach Versailles. Die Vertreter des Adels, der Geistlichkeit und des Dritten Standes sollen über die Abwendung des drohenden Staatsbankrotts beraten.


Die Vertreter des Dritten Standes erklären sich zur Verfassunggebenden Nationalversammlung, da Adel und Geistlichkeit die Abstimmung nach Köpfen ablehnen und auf der alten Abstimmungsform nach Ständen bestehen.


Schwur im Ballhaussaal: Der Eid, mit dem sich alle Abgeordneten verpflichten, nicht auseinanderzugehen, bis das Königreich eine Verfassung habe.


Erstürmung der Bastille (Staatsgefängnis) durch die Pariser Bevölkerung als Antwort auf den Versuch des Königs, die Nationalversammlung mit Gewalt zu beseitigen. Aufstellung von Nationalgarden als Organe der militärischen und Gemeinderäten als Zentren der politischen Macht des Volkes.


Erklärung der Menschenrechte: allgemeine Gleichheit, persönliche Freiheit, Sicherheit des Eigentums, Widerstand gegen Unterdrückung, Souveränität des Volkes.


Aufstand der Pariser Bevölkerung und Marsch der Siebentausend, meist Frauen, zwingen König und Nationalversammlung, nach Paris zu übersiedeln.


Beginn der Inflation, Ausgabe von Assignaten (Gutscheine, die auf die Kirchengüter als ihre Deckung ausgestellt sind).


Abschaffung der Adels.


Flucht Ludwigs XVI. und der königlichen Familie aus Paris; endet mit ihrer Festnahme an der Grenze.


Die Verfassunggebende Versammlung beendet ihre Tätigkeit, verwandelt sich in die Gesetzgebende Versammlung. Ihre beiden Hauptparteien sind die konstitutionell-monarchistischen Feuillants und die bürgerlich-republikanischen Girondisten als Vertreter der Großbourgeoisie. Die eigentliche politische Macht liegt bei den außerparlamentarischen Clubs, vor allem dem radikalen Jakobinerclub.


Geheimes Ersuchen des Königs um eine preußische Intervention.


Bildung der revolutionären Commune, Erstürmung der Tuilerien. Danton ist maßgeblich an der Aktion beteiligt. Ludwig XVI. und die königliche Familie werden gefangengesetzt.


Danton wird Justizminister.


Verdun fällt den Ludwig XVI. zu Hilfe kommenden Österreichern und Preußen in die Hände. Die große Demoralisierung des Volkes fängt Danton mit flammenden Reden und den sogen. 'Septembermorden' zur Abschreckung der Royalisten auf. Etwa 2.000 der Konspiration Verdächtigte in Paris und 14.000 im ganzen Land werden verhaftet und getötet.


Kanonade von Valmy, danach Rückzug der österreichisch-preußischen Armee; die Revolutionsarmee hält gegen die Invasoren stand.


Abschaffung der Monarchie und Proklamation des 'Jahr I' der Französischen Republik. Ludwig XVI. wird des Landesverrats angeklagt. Robespierre fungiert als Ankläger und fordert den Tod des Königs.
Der Nationalkonvent, ein Parlament mit uneingeschränkter Vollmacht, tritt an die Stelle der Gesetzgebenden Versammlung. Er besteht aus 749 Abgeordneten (180 Girondisten, 500 Gemäßigte, 60 Jakobiner, darunter Danton und Robespierre). Die Partei der Feuillants ist in den Hintergrund gedrängt, Girondisten bilden die Rechte und die Mitglieder der 'Bergpartei' (hatten höhergelegene Sitze im Parlament) die radikaldemokratische Linke.


Prozeß gegen den König als Bürger Louis Capet. Er wird zum Tode verurteilt.


Hinrichtung Ludwigs XVI.


Der Pariser 'Ladensturm'.


Auf Vorschlag Dantons wird der Wohlfahrtsausschuß gebildet, ein außerparlamentarisches Organ mit der Befugnis, falls notwendig jeden Bürger in den Anklagestand zu versetzen


Aufstand der Girondisten gegen den Konvent.


Die Jakobiner, die die Oberhand im Konvent gewonnen haben, lassen alle Girondisten verhaften, ihre Führer werden einige Monate später hingerichtet.


Danton verläßt den Wohlfahrtsausschuß.

27.7. 1793
(9. Thermidor I)

Robespierre, Führer der Bergpartei, wird Mitglied des Wohlfahrtsausschusses, der unter seiner Führung die beherrschende Position im Staat einnimmt. Die Mitgliederzahl des Ausschusses wird von 25 auf 10 reduziert, die sogenannten 'Dezemvirn'.


Arbeiterdemonstration in Paris.


Prozeß gegen die Königin Witwe Capet.


Hinrichtung der Königin Marie Antoinette.


Der Nationalkonvent, nun bestehend aus der in gemäßigte Radikale (unter Danton) und Ultra-Radikale (unter Herbert) zerfallenen Bergpartei, beschließt, den katholischen Gottesdienst durch den Kultus der Vernunft zu ersetzen.


Danton will die Radikalisierung der Revolution eindämmen. Er findet Unterstützung bei Camille Desmoulins, der in seiner Zeitung 'Le vieux Cordelier' ('Der Alte Franziskaner') Herbert offen angreift.


Desmoulins kritisiert in seiner Zeitung das gesamte Terrorregime und vergleicht es mit den despotischen Kaisern Tiberius, Nero, Caligula.


Desmoulins fordert die Einsetzung eines Gnadenausschusses und die Feilassung von 200.000 Verdächtigen; der Bruch mit Robespierre ist somit offen vollzogen.


Robespierre verteidigt im Konvent die radikale Revolutionspolitik.


Auf Betreiben Dantons und Robespierres werden die Herbertisten guillotiniert. Es ist die letzte gemeinsame Aktion der beiden. Damit ist die linke Abweichung der Bergpartei vernichtet.


Verhaftung von Danton und seinen Freunden.


Hinrichtung Dantons und der führenden Dantonnisten, womit Robespierre auch die rechte Abweichung der Bergpartei vernichtet hat. In Paris jetzt täglich 60-70 Hinrichtungen.


Hinrichtung von Lucile Desmoulins wegen versuchter Befreiung ihres Gatten.

Mai-Juli 1794

Steikwelle in Paris.


'Fest des höchsten Wesens' mit Robespierre, fungierend als Oberpriester.


Gesetz zur Vereinfachung der Strafprozeßordnung. Es gibt nur noch Urteile auf Tod oder Freispruch.

27.7. 1794
(9. Thermidor II)

Robespierre wird unter dem Vorwurf, diktatorisch zu regieren, gestürzt und am nächsten Tag zusammen mit Saint-Just und 20 weiteren Anhängern hingerichtet.


Schließung des Jakobinerclubs.


Rückberufung der überlebt habenden Girondisten in den Konvent.


Ein von dem jetzt illegalen Jacobinerclub inspirierter Aufstand radikaler Bevölkerungsteile endet mit völliger Niederlage und Zerschlagung der Jacobiner.


Auflösung des Revolutionstribunals.


Auflösung des Konvents.


Die ausübende Gewalt wird einem fünfköpfigen Direktorium übertragen, womit der bürgerliche Mittelstand, die Bourgeoisie, endgültig an die Macht gelangt.


Sturz des Direktoriums durch Napoleon Bonaparte

1.2 Zeittafel zu Maria Stuart


Elisabeth Tudor als Tochter des englischen Königs Heinrich VIII. und seiner zweiten Frau Anna Boleyn geboren.


Suprematsakte: Heinrich wird Oberhaupt der anglikanischen Kirche, endgültiger Bruch mit der römischen Kirche.


Anna Boleyn wird hingerichtet, ihre Tochter Elisabeth für illegitim erklärt. Heinrich heiratet Hane Seymour, Aufstand in Nordengland.


Edward Tudor, Elisabeths Halbbruder geboren, seine Mutter stirbt.


Maria Stuart als Tochter Jakobs V. von Schottland und der Maria von Guise geboren, sie wird 7 Tage nach ihrer Geburt Königin, als ihr Vater im Kampf gegen England fällt.


Heinrich VIII. gestorben, sein Sohn Edward wird König.


Die sechsjährige Maria Stuart kommt an den französischen Hof.


Edward 15jährig gestorben, Maria I. (Bloody Mary), seine Halbschwester, wird englische Königin, katholische Restauration in England.


Elisabeth wird im Tower, dann in Woodstock festgehalten, da man sie verdächtigt, an einem Komplott gegen Maria beteiligt zu sein.


Maria Stuart heiratet den französischen Thronfolger, Maria I. die Katholische stirbt, Elisabeth wird Königin von England, Maria Stuart erhebt Thronanspruch.


Fortsetzung der englischen Reformation, Wiederherstellung der anglik. Staatskirche, Franz II. wird 15jährig frz. König, Maria Stuart franz. Königin.


Tod Franz' II., Rückkehr Maria Stuarts nach Schottland, Katharina von Medici übernimmt in Frankreich die Regentschaft für den unmündigen Karl IX.


Hugenottenkriege in Frankreich, von Elisabeth v. England unterstützt.


Maria Stuart heiratet in 2. Ehe Lord Darnley.


Lord Darnley wird ermordet. Maria heiratet seinen Mörder Bothwell und wird durch einen Adelsaufstand zur Abdankung gezwungen. Jakob VI., ihr einjähriger Sohn, wird nominell schottischer König.


Maria Stuart flieht nach England und wird dort aufgrund der Anklage, an der Ermordung ihres Gemahls beteiligt gewesen zu sein, gefangengesetzt.


Ein pro-katholischer Aufstand in Nordengland wird niedergeschlagen.


Papst Pius V. exkommuniziert Elisabeth. Ridolfi-Verschwö-rung: Ridolfi, Howard Howard, Norfolk, Pius V. und König Philipp v. Spanien wollen die Eroberung Englands durch ein spanisches Heer vorbereiten.


Elisabeth beginnt aus Bündnisrücksichten Heiratsverhandlungen mit Frankreich.


Elisabeth gründet eigene Schauspielertruppe, die 'Queen Elisabeth's Men'


Das Babington Komplott wird entdeckt: Maria Stuart versucht aus der Gefangenschaft einen katholischen Aufstand gegen Elisabeth anzuzetteln. September: Beginn des Prozesses gegen Maria. Todesurteil im Dezember.


1. Februar: Elisabeth unterzeichnet das Todesurteil Marias, am 8. Februar wird Maria Stuart auf Schloß Fotheringhay enthauptet. Philipp II. bereitet eine Invasion gegen England vor.


Die englischen Schiffe besiegen die Spanische Armada.


Elisabeth I., Königin von England, stirbt in Richmond; damit ist das Haus Tudor erloschen. Maria Stuarts Sohn Jakob wird König von England und Schottland.

Flugblatt am Hofe Elisabeths I.:

Die Höflinge begehrten alles,
Die Königin gewährte alles,
Das Parlament bewilligte alles,
Der Großsiegelbewahrer siegelte alles,
Die Damen beherrschten alles,
Monsieur Buyroome verdarb alles,
Der listige Zwischenträger hörte alles,
Die Bischöfe bemäntelten alles,
Er, der nicht mehr ist, empörte sich gegen alles,
Die Richter verziehen alles.
Wenn daher Eure Majestät nicht schleunigst Abhilfe schafft,
Wird ohne Gottes Barmherzigkeit alles dahingerafft.

2. Das Werk Maria Stuart von Friedrich Schiller

Das Werk ist im Jahre 1799 entstanden. Der Hauptinhalt des Dramas besteht in der Darstellung der Elisabeth und der Maria und deren Konflikt. Aus diesem Grunde werden diese Punkte im folgenden auch bevorzugt behandelt.

Grundsätzlich ist es witzlos, der 'Maria Stuart' Merkmale der Literaturepoche, der Klassik, nachzuweisen; denn gerade Schiller und Goethe, die ständig miteinander korrespondierten, haben mit ihren Werken die Klassik geprägt, so daß mit einer Darstellung dieses Dramas schon eher die Literaturepoche definiert werden könnte.

2.1 Gang der Handlung


Erster Aufzug

Ort: Ein Zimmer im Schloß Fotheringhay 



In diesen Auftritten wird die Hilflosigkeit Marias gegenüber ihrer Gegenspielerin und ihren Gehilfen, die ohne jegliche Rücksicht und mit Gewalt die Gefangene belästigen, deutlich. Es werden Vorgriffe auf das folgende gemacht; so wird die Begegnung beider Rivalinnen um den englischen Thron schon angedeutet. Paulet, der Wächter Marias, deutet das tragische Ende der Maria bereits an.

Maria selber erscheint leidend und zugleich voller Schuldgefühle. Ihre bewegte, lasterhafte Vergangenheit wird ausgebreitet, auch ihr Anteil am Mord ihres ehemaligen Liebhabers Darnley wird deutlich. Sie zeigt zwar von Anfang an ihre königliche Würde, ist jedoch über ihr Schicksal noch nicht erhaben, was später ein wesentlicher Inhalt des Dramas wird.

Wesentliche Attribute Marias sind ihre Schönheit und Jugend, die nicht den historischen Wirklichkeiten entsprechen. Von der Schönheit ist auch Mortimer, eine von Schiller erfundene Person, verzaubert. Maria erfährt vom Urteilsspruch (Tod durch das Schafott), und durch Mortimer wird ihr jegliche Hoffnung auf Rettung genommen. Das alles aber geschieht nur, damit Mortimers Plan gegen Elisabeth als einzige und letzte Möglichkeit der Rettung erscheint.

Maria sieht jedoch noch einen Hoffnungsschimmer: Ein Brief an Graf Leicester, den allmächtigen Günstling Elisabeths, dem sie zudem noch ein Bild von sich beilegt. Elisabeth hatte Leicester selbst einmal zur Vermählung mit Maria vorgeschlagen, so daß eine tiefere Neigung Leicesters zu Maria vorauszusetzen ist.

In den letzten beiden Auftritten wird die Überlegenheit Marias deutlich. Lord Burleigh teilt ihr als Gesandter des Gerichts den Urteilsspruch mit, den sie bereits kannte. Sie widerlegt in allen Einzelheiten dieses Urteil und beweist die Unzuständigkeit des Gerichts. Burleigh kann nicht kontern, da er zum einen die Ungerechtigkeit selber sieht, zum andern der Maria aber auch unterlegen ist. Im Gespräch mit Paulet wird Burleighs Gesinnung deutlich. Er denkt nur daran, Elisabeth in ihrer Not zu helfen. Diese Not aber ist: entweder auf ihrem Thron immerfort zu zittern oder die blutsverwandte Königin zu töten. Aus diesen Gründen versucht er, Paulet zu einem Meuchelmord zu überreden. Dieses Versuch fruchtet jedoch nicht.

'Alles liegt in diesem ersten Akt zusammen: die einfache Auseinandersetzung der Geschichte und die ganze Tiefe ihrer Bedeutung, der Kreis der Menschen, die um die große Frage: Leben oder Tod, zusammengestellt sind. Marias harte Haft, ihre wirkliche Schuld, ihre stille Ergebung, die neue Lockung und Hoffnung, die Gewalt, die in der Form des Rechtes kommt, die Niedrigkeit der Mächte, die an der Arbeit sind. Im Untergrunde von dem allen wilde Schicksale, Freveltaten und Sühnung, und dahinter die von den Gegensätzen empörte Welt, scharfe Charakteristik der wenigen, aber wichtigen Gestalten, bedeutendes Menschenleben auseinandergelegt, ein hinreißender Strom des Geschehens und, wo es hingehört, auch der Beredsamkeit. Der Akt ist eine kleine Welt.' (Eugen Kühnemann)


Zweiter Aufzug

Ort: Palast zu Westminster 



Elisabeth wird umworben von einer französischen Brautwerbung. Dies berührt natürlich auch die Interessen Marias, die im Falle einer Kinderlosigkeit Elisabeths sofort nach deren Tode Thronfolgerin werden würde und damit das katholische Geschlecht der Stuarts. Ihr widerstrebt jedoch eine Verbindung mit dem Herzog von Anjou; sie will ihre Jungfräulichkeit bewahren, begründet dies mit dem Dienst am Volke. Die wahren Gründe liegen jedoch in der Bewahrung ihrer Macht und der Günstlingswirtschaft, für die Leicester stellvertretend erscheint. Betont wird zudem die extreme Eitelkeit Elisabeths, die für den weiteren Gang der Handlung noch an Wichtigkeit gewinnt.

Die 'Staatsratsszene' macht die Positionen der Berater Elisabeths deutlich:

Aus Burleigh spricht die überpersönliche Staatsräson. Er stelle die Stimme des Volkes in den Vordergrund und ist somit für die Vollstreckung des Urteils.

Sowohl Shrewsbury als auch Leicester versuchen Elisabeth zu bewegen, das Todesurteil nicht zu unterschreiben, wenn auch aus anderen Motiven. Shrewsbury entwickelt die Rechtswidrigkeit des Urteils, wie wir sie bereits aus dem Streitgespräch Burleigh-Maria kennen. Zudem appelliert er auch an die Milde und beruft sich auf die gnadenvolle Entscheidung der Königin. Aber zu einer freien Entscheidung ist Elisabeth nicht fähig.

Leicester, der aus rein persönlichen Gründen argumentiert, sucht Marias Gefährlichkeit zu verharmlosen und Elisabeths Stellung schmeichlerisch zu erhöhen. Er versucht Elisabeth zu einer Begegnung mit Maria zu bewegen. Dies hat außer persönlichen vor allem rechtliche Gründe: Nach altem englischem Recht kann ein zum Tode verurteilter Verbrecher nicht mehr hingerichtet werden, wenn er das Antlitz des Königs gesehen hat. Darum ist es im Sinne Burleighs, die Begegnung zu verhindern. Elisabeths heuchlerischer Charakter kommt zum Ausdruck, als sie um Marias Schicksal Tränen vergießt, Mortimer in der folgenden Szene jedoch zu einem Meuchelmord zu veranlassen sucht.

Im folgenden gelangt das Spiel der Täuschung, das mit dem Auftauchen Mortimers im 4. Auftritt bereits einsetzte, zu seinem Höhepunkt. Mortimer, der sich Marias Rettung verschrieben hat, läßt sich von Elisabeth zum Meuchelmord drängen; er, der Maria begehrt, gewinnt die Gunst Elisabeths. Während sich die Heuchlerin enthüllt, wird sie selbst von einem Heuchler hintergangen. Diese Szene endet in einem Monolog Mortimers, in dem er Elisabeth entlarvt und seine Leidenschaft zu Maria zum Ausdruck bringt. Mortimer ist ein typischer Vertreter der jungen Helden Schillers.

Erst als der ehrliche Sir Paulet wieder in Erscheinung tritt, gewinnen wir wieder festen Boden unter den Füßen, allerdings nicht mehr als ein Inselchen in diesem Meer von Heuchelei und Laster. Der nächste Auftritt bringt die beiden 'Falschspieler' Mortimer und Leicester zusammen und charakterisiert sie ausführlich. Während Leicester sich immer noch abwartend zurückhält und Maria nur retten will, um ihre Person für sich 'gefangen zu nehmen', bricht aus Mortimer der ungebändigte Drang aus, der stürmische Eifer, wohl auch, um Leicester zuvor zu kommen.

Zum Schluß des Aufzuges wird die Begegnung Elisabeth-Maria von Leicester, in listiger Weise auf Elisabeths Eitelkeit und Neugier zielend, vorbereitet. Hiermit wird der Grundstein für die wichtigste Szene des Dramas gelegt.

'Was von Maria als freie Tat des Großmuts erfleht worden war, die Zusammenkunft der Königinnen, wird gewährt in geschickt genutzter Laune, um den Triumph weiblicher Eitelkeit und Rachsucht zu genießen, um dem Geliebten eine vermeintliche Kränkung zu lindern. So tut sich, um Elisabeth bewegt, die ganze Welt der Mächtigen vor uns auf in ihrem allzu wirklichen Spiele. Und dabei handelt es sich doch um Leben und Tod' (Eugen Kühnemann).


Dritter Aufzug

Ort: Gegend in einem Park 



In dem Park, in dem Maria Elisabeth treffen wird, flackert in der Gefangenen ein Hauch von Freiheit auf; die Natur, das Grün stimulieren sie.

Dann die Begegnung, der Höhepunkt des Dramas. Die dramatische Steigerung der in zwei Aufzügen vorbereiteten Begegnung der beiden Königinnen ergibt sich aus dem schrittweisen Sichtbarwerden und Durchbrechen der unverhüllten, von keiner politischen oder königlichen Rücksicht mehr gehemmten Weiblichkeit: Die Königinnen begegnen sich in ihrer nackten Existenz. Sie reizen sich gegenseitig bis zum Höhepunkt, bis Maria zu dem letzten und tödlichen Gegenstoß ausholt, tödlich für Elisabeth in moralischem Sinne, für Maria, indem sie damit ihr Schicksal besiegelt. Sie trifft Elisabeth in ihrem persönlichsten Bereich, ausgerechnet vor ihrem Liebhaber Leicester, und besiegt sie dadurch.

Der Weg, den beide Frauen zum dramatischen Höhepunkt gehen, ist verschieden. Elisabeth gelangt sofort zu sich selber, greift Maria politisch und vor allem persönlich an, die Schönheit Marias scheint am meisten zu Aggressivität zu verleiten, es ist jene Schönheit, die sie Maria neidet - eine fast geradlinige Steigerung.

Anders ist der Weg Marias. In einer für sie übermenschlichen, fast unmenschlichen Beherrschung versucht sie durch Unterwürfigkeit, Berufung auf Edelmut und Verwandtschaft, das Herz Elisabeths zu erreichen. Sie ist sogar bereit, auf alle politischen Ansprüche zu verzichten. Erst nach wiederholter Erniedrigung durch Elisabeth gelangt sie zu sich selber und greift ihre Gegenspielerin schließlich auf allen Gebieten an. Ihr Haß bricht durch, doch selbst dabei behält sie ihre Würde. Es ist jedoch noch keine Erhabenheit über ihr Schicksal; man kann sie eher dem Pathetischen Schillers zuschreiben.

Sie ist Weib und Königin, Schönheit und Würde, Leidenschaft und Adel, alles in einem Augenblick der Größe vereint, wie sie uns von den germanischen Helden (Nibelungenlied) her vertraut ist.

'Der 5. Auftritt ist mit der ganzen Schillerschen Lust an der Antithese und radikalen Umkehr gestaltet. Elisabeth kam, um den Triumph über Maria, von der sie als Weib so oft verletzt ward, zu kosten - Maria kam, um sich zu demütigen vor der, die ihr nach dem Leben steht. Und die triumphieren will, wird gedemütigt; die sich demütigen will, triumphiert, und zwar als Weib über das Weib.' (Eugen Kühnemann) 

Im weiteren erfahren wir, daß außer Leicester auch Mortimer das Gespräch der Königinnen belauscht hat. Er sieht in Maria nicht mehr die Königin, sondern nur noch das Weib, das er zu besitzen begehrt.

Der Gang der Handlung steigert sich im 8. Auftritt in eine tragische Ironie, da in dem Augenblick, als Mortimer den Rettungsplan vor Maria entfaltet, er gerade durch einen Mitverschworenen vereitelt wird. Es ist ein Franzose, der auf Elisabeth einen Mordanschlag verübt, der allerdings mißlingt.


Vierter Aufzug

Ort:Erster bis vierter Auftritt - Vorzimmer

Fünfter und sechster Auftritt - Zimmer der Königin 



Der vierte Aufzug setzt im Gegensatz zum vorherigen Aufzug an der politischen Peripherie des Geschehens ein.

Die umtriebe Frankreichs sind entdeckt. Burleigh entlarvt sowohl den französischen Gesandten als auch das Doppelspiel Leicesters. Leicester, der sich entlarvt sieht, verrät Mortimer, indem er ihn verhaften läßt. Mortimer entgeht dem weiteren, indem er sich umbringt. Zum ersten Mal in diesem Drama zeigt eine Person Erhabenheit über das Leben. Mortimer leistet hier, was Maria im fünften Akt leisten wird: Sie enden als über das Leben Erhabene und himmlische Verklärte.

Burleigh berichtet Elisabeth die Täuschung durch Leicester. Diese, nachdem sie im dritten Aufzug wortlos abgegangen war, zeigt sich sehr erregt, mehr noch durch den Betrug Leicesters als durch den Triumph Leicesters. Burleigh kennt Elisabeths weibliche Schwäche, wenn er jede weitere Begegnung Elisabeths mit Leicester verhindern will.

Burleighs Ahnung erfüllt sich auch. Leicester gelingt es, zu Elisabeth zu kommen, der seine Stellung im Herzen Elisabeths schamlos auszunutzen versteht. Leicester erreicht in diesem Auftritt den ihm gemäßen Höhepunkt: Er spielt mit Elisabeth um sein Leben, auf seine Weise. Er bringt die Verhaftung Mortimers vor und gibt sogar Maria selbst preis, indem er für ihren Tod stimmt.

Nachdem Elisabeth nun schon zwei Beweggründe für die Hinrichtung hat (der Betrug Leicesters, die Erniedrigung durch Maria), gesellt sich durch Burleighs Vorschlag ein neuer hinzu: Leicester habe die Hinrichtung zu leiten. Elisabeth sieht hierin einen Beweis, daß Leicester Maria nicht liebt.

Die Hinrichtung Marias scheint nun gesichert, doch Shrewsbury, der der Königin zuvor beim Attentat das Leben gerettet hat, versucht auf geschickte Art und Weise, die Vollstreckung zu verhindern, was ihm jedoch nicht gelingt.

Im Monolog Elisabeths macht Schiller deutlich, daß die Königin nur eine Marionette seelischer und politischer Notwendigkeiten ist. Es ist ihr Schicksal, dem sie erliegt, von dem sie sich jedoch durch Marias Hinrichtung zu befreien versucht. Trotzdem zögert sie noch; sie ist nicht fähig, eine Entscheidung zu treffen und versucht, sie auf Davison, einen Bediensteten, abzuschieben, dem die Entscheidung obliegt, was mit dem unterschriebenen Urteil geschehen soll - bis Burleigh ihm das Urteil entreißt und davoneilt.

'Hier mangelt es völlig an dem großen Ernst des Rechts Wo über ein Leben entschieden wird, denkt jeder nur an sich und kämpft um den eigenen kleinen Ehrgeiz rücksichts- und skrupellos, mit allen Mitteln, aber versteckt und ohne Mut der Wahrheit. So Burleigh gegen Leicester, so mit wahrhaft abgründiger Gemeinheit Leicester gegen Mortimer; dann folgt das Ringen der beiden ersten Männer Englands um ihren Platz bei Elisabeth Nicht um ihrer vorgeblichen Verbrechen will, um Leicester willen muß Maria fallen. Vergeblich sind Shrewsburys klare und überzeugende Worte, vergeblich, daß die Volkswut durch seine Stimme sofort besänftigt wird. Trotz aller Angst um Ruf und Welt, der einfache psychische Haß läßt sich nicht bändigen - Elisabeth unterschreibt.

Aber immer noch soll die Verantwortung abgeschoben werden. Dem armen ratlosen Davison bürdet sie die Entscheidung auf. Diesem entreißt Burleigh das Dokument, - nicht um England zu retten, sondern damit endlich sein Plan vollzogen wird. Läge in dem allen der Nachdruck auf dem äußeren Geschehen, so wäre es ein verletzendes Intrigenspiel.

Aber jeder Satz ist getränkt in der Ironie der tragischen Verdeutlichung des Lebens. Hier ist die Tragödie in Wahrheit das große Gericht über Welt und Menschen.' (Eugen Kühnemann)


Fünfter Aufzug

Ort:Erster bis fünfter Auftritt - Zimmer des ersten Aufzugs

Elfter bis fünfzehnter Auftritt - Das zweite Zimmer des vierten Aufzugs 



Das Schicksal der Maria ist nun besiegelt, und in ihr vollzieht sich nun, was typisch für die Klassik ist. Sie erlangt angesichts des bevorstehenden Todes die Erhabenheit über die geschichtliche und physische Welt und triumphiert am dritten Tage der Handlung nun also über das Schicksal. Die Begegnung mit ihrem Hofmeister und den Dienerinnen geben uns ein Bild von der Verfassung Marias, die nicht um ihr eigenes Schicksal weint, sondern um Mortimers und Paulets. Sie ist sogar zu einem Schlaf vor ihrer Hinrichtung fähig. Sie stirbt als Heldin im Schillerschen Sinne. Diese Wandlung ins Erhabene geschieht plötzlich, wie Schiller es in seinem Aufsatz 'Über das Erhabene' auch darstellt.

Diese Erhebung in die Freiheit der Geister ist eine idealistisch-metaphysische Kernstelle des Dramas. Die Wandlung Marias wird nicht dargestellt, jedoch ist der Unterschied im Innern Marias im Verhältnis zum letzten Auftritt deutlich herausgestellt. Verbunden mit der Verklärung Marias ist immer der christliche Glaube, ohne den diese Erhabenheit der katholischen Maria bei Schiller nicht möglich wäre. Hier steht er im Gegensatz zu Goethe. Das heißt aber keineswegs, daß Schiller unbedingt auf der Grundlage des katholischen Glaubens steht, sondern vielmehr, daß er der Wendung einen moralischen Anstrich geben wollte.

Elisabeth wähnt sich nun endlich nach der Hinrichtung, die Leicester schildert, sicher und wälzt die Schuld für das vollstreckte Urteile auf Davison und Burleigh ab; sie werden eingekerkert bzw. verbannt. Shrewsbury verläßt freiwillig das Land, so daß Elisabeth noch einsamer, noch unsicherer als zu Anfang dasteht.

2.2 Figuren der Konfrontation

Elisabeth

Elisabeth ist eine der typischen Schillerschen Figuren, in denen das Böse in seinen Dramen von Franz Moor bis Demetrius erscheint. Sie ist hier im Stück ein Fürst im Sinne des barocken Herrschers, der den politischen Gegenspieler, ohne sich von irgendeiner Moral binden zu lassen, besiegen will.

In II/3 verlangt Burleigh die Hinrichtung Marias. Elisabeth antwortet nicht direkt, sondern fragt Talbot, welche Meinung er hat. Als dieser für Maria spricht, sagt Elisabeth, daß er 'zu sich selbst kommen' solle. Sie will zwar die Meinungen der Lords hören, aber das ist nur ein Trick, als ob sie wirklich die Wahrheit oder auf die Stimme des Gewissens hören wolle. Vor ihren Lords weint sie, als der pflichtbewußte, aufrichtige Paulet, dem sie den Auftrag gegeben hatte, Maria heimlich zu töten, ihr den Brief Marias übergibt. Während sie weint, denkt sie sich schon einen anderen Plan aus, nämlich den, den scheinbar ruhmgierigen Jüngling Mortimer zu Maria zu senden. Sie sagt ihm: 'er verkürzt sich seine Prüfungsjahre' und läßt durchblicken, daß dies durch den Mord an Maria geschehen könne. Sie zeigt ihm ihre innere Gesinnung. Maria ist identisch mit den barocken Fürsten, wenn sie sagt: 'Was man nicht aufgibt, hat man nie verloren.'

Es ist dasselbe, was auch im barocken Trauerspiel gilt. Die Figuren des barocken Trauerspiels sind ebenso wie Elisabeth Realisten, die sich fragen, 'wozu eine Sache gut sei?' Die Realisten richten sich ganz nach der Zweckmäßigkeit in ihrem Beben. Wenn wir Elisabeth als eine barocke Fürstin betrachten, so ist ihr Verhalten keineswegs 'doppeldeutig', sondern in jedem besonderen Fall wird sie durch äußere Ursachen und durch äußere Zwecke bestimmt. Elisabeth als eine barocke Fürstin will keine Verantwortung übernehmen, wenn sie zwar schwankt, obwohl sie insgeheim schon nach Fortheringhay gehen möchte, sich aber von Leicester überreden läßt. In diesem Gespräch schiebt Elisabeth Leicester alle Verantwortung zu, falls etwas passieren sollte. Sie spricht zu Mortimer nicht direkt vom Meuchelmord an Maria. Mortimer muß diese Tat selber aussprechen, wenn er Elisabeth richtig versteht. Sie kann dann später sagen, daß sie keinen Mord angestiftet hat. Elisabeth zeigt nur indirekt ihre innere Einstellung. Sie beherrscht die Redekunst, und somit wird alles im Unklaren gelassen. Sie zeigt in IV/11 ihre Redekunst und zugleich ihre Ablehnung von Verantwortung, obwohl sie in der vorgehenden Szene den Entschluß gefaßt hat, Maria zu töten. Elisabeth ist eine Königin, die den barocken Fürsten nahesteht, der sich in seinem moralischen Handeln einer physischen Notwendigkeit ruhig und gleichförmig unterordnet, da er durch die Notwendigkeit der Natur sich bestimmen läßt. Somit verkörpert Elisabeth eine barocke Fürstin, die mit Maria konfrontiert wird.

Maria

'Maria ist in dem Stück etwa 25 und Elisabeth höchstens 30 Jahre alt', so schreibt Schiller an August Wilhelm Iffland. Von der Reife ihres Geistes her gesehen scheint Maria älter als 25 Jahre zu sein. Paulet nennt Maria 'die ränkevolle Königin', die 'den Christus in der Hand, die Hoffart und die Weltlust in dem Herzen' trägt. Mit Beginn der Dramenhandlung zeigt sie sich nicht als barocker politischer Mensch, sondern sie verzeiht die Unhöflichkeit Paulets. Sie leidet nicht nur unter der gegenwärtigen Belastung Elisabeths, sondern auch unter der vergangenen Schuld jener 'unglückseligen Tat', als sie an der Macht war. Doch hofft sie trotz des Leides zu überleben. Bezeichnenderweise kennt Maria als ehemalige Fürstin das wahre Gesicht des Absolutismus, das in dem Machtkampf der fürstlichen Hierarchie besteht. Kein Fürst kritisiert bei der Fürstenkonfrontation den Gegner, wie Maria es tut. Der Unterschied zwischen dem barocken und dem Schillerschen Fürsten hinsichtlich der Kritik an dem Gegner liegt darin, daß als Kriterium für die Beurteilung nicht der eigene Zweck, sondern die Gerechtigkeit gilt. Gerechtigkeit wird im barocken Trauerspiel deshalb nicht hervorgerufen, weil 'die geschichtlich-politische Welt insgesamt ideenfern und ideenfeindlich dem selbstischen Naturtrieb und Naturgesetz allein gehorcht'. Die Problematik der Fürstenkonfrontation liegt bei Schiller nicht nur im Legitimations- und im Religionskonflikt, sondern vielmehr im Verhältnis von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit.

Die Untertanen

Mortimer

Schiller stellt den Charakter Mortimers sehr einheitlich dar. Erstens ist Mortimer ein Kunstliebhaber. Seine Glaubensänderung geschieht nicht anders als durch 'der Künste Macht'. Sein Charakter gerät leicht durch das ins Schwärmen, wovon sein Gefühl bewegt wird.

Mortimers Rettungsvorhaben und seine Verschwörung gegen Elisabeth werden nicht durch politische und rein religiöse Gründe motiviert, sondern durch eine schöne und leidende Frau. Mortimer versucht Maria zu retten, weil sie bildhaft schön ist. Mortimer ist nicht idealistisch eingestellt, da er sie mit Gewalt um seinetwillen befreien will. Maria willigt in diese Tat nicht ein, denn sie will keine Gewalt und keine List. Sie gibt Mortimer den Auftrag, den einzigen Mann, der die Tore öffnen kann, zu treffen. In II/5 plant Elisabeth Maria zu töten. Zu diesem Zweck wählt sie Mortimers jugendlichen Mut und weckt seinen Ehrgeiz. Mortimer täuscht sie. Er wird mit Leicester konfrontiert in der Szene, in der die beiden Freier um eine Frau werben. Der eine unter Einsatz seines Lebens, der andere mit Täuschung. Mortimer zögert nicht, den listigen Leicester anzugreifen, als dieser vorsichtig handelt. Bevor Mortimer Marias Bild mit deren Schriftzügen Leicester gibt, zweifelt dieser. Nur das Zeugnis weckt in ihn Vertrauen. Mortimer glaubt Leicester, als dieser das Bild küßt. Auf der Bühne stehen zwei unterschiedliche Charaktere.

Nachdem Maria und Elisabeth sich begegneten und die Begnadigung nicht erfolgte, hält Mortimer an seinem Plan fest. Mortimer glaubt, daß Maria mit einer kühnen Tat aus dem Gefängnis zu befreien sei. Als Kennedy Maria und Mortimer, die gerade miteinander sprechen, ankündigt, daß bewaffnete Leute kommen, ergreift Mortimer den Degen, um sie zu beschützen. Leicester hätte an seiner Stelle sicherlich Maria übergeben. Mortimers Plan der Ermordung Elisabeth ist gescheitert. Sein Freund Okelly rät ihm zu fliehen. Aber er flieht nicht, sondern geht nach London, um Elisabeth doch noch zu töten, weil dies der einzig mögliche Rettungsweg ist. In dieser für Mortimer letzten Szene, die an Elisabeths Hof spielt, werden die beiden Intriganten Mortimer und Leicester konfrontiert, wobei der Mordplan Mortimers aufgedeckt wird. Dieser steht zu seinem Verhalten und gewinnt dadurch im Gegensatz zu Leicester menschliche, ja einigermaßen idealistische Züge. Mortimer nimmt sich das Leben, da er keine Möglichkeit mehr sieht, Maria zu befreien. Aber Leicester versucht durch Verrat und Verhaftung Mortimers sein eigenes Leben zu retten. Er bleibt bis zuletzt ein Intrigant, während Mortimer zum Helden wird.

Leicester

Leicester als Geliebter Marias ist ihre einzige Hoffnung. Als Mortimer Maria die Verbindungsmöglichkeit mit dem Hof schildert, bittet sie Mortimer mit ihm zu sprechen. Leicester versucht in der Tat, Maria zu retten, obwohl er vor Gericht seine Stimme 'zu ihrem Tod gegeben' hat, aber im Staatsrat spricht er anders. Scheinbar ist er ein politisch tüchtiger Mann, wenn er vom 'Vorteil' spricht. Damit ist er ein Zweck-Mensch, der im barocken Raum steht und zwischen den Parteien als ein kluger Diplomat handelt. Leicester ist erbärmlich feige, während Mortimer tollkühn ist und aus Egoismus handelt.

Burleigh und Shrewsbury

Burleigh vertritt einen Politiker der Staatsräson, während Shrewsbury Weltbürger ist, dar aus Gerechtigkeit handelt. Dieser zeigt sich bei der Konfrontation als milder, warmherziger Untertan, der sich dem Druck des Fürsten nicht beugt. Ein solcher Untertan ist bei Fürstenkonfrontationen vom Barock bis hin zu Schiller sehr selten, da er sein Leben wagt. Aber man kann ihn kaum einen Weltbürger nennen, weil er am Recht innerhalb des Absolutismus festhält. Er will der gefährdete Anwalt für Maria sein. Er kennt den Charakter des absolutistischen Fürsten. Er dient zwar dem Fürsten, aber nicht im Sinne der Monarchie, sondern im Sinne des Vernunftstaates.

Dagegen ist der Großschatzmeister Burleigh, der grundsätzlich das Fürstentum verteidigt. Elisabeth kennt Burleigh und seine Loyalität. Bei der Konfrontation mit Maria glaubt sie daran, daß sie Burleigh folgen muß, der ihr sagt, daß Marias Leben ihr Tod sei. Burleigh hat veranlaßt, daß die Gerichtsverhandlung ohne Zeugen durchgeführt wird, weil er nach dem geheimen Willen Elisabeth Maria hinrichten lassen will. Das Ziel Burleighs ist die Verwirklichung des Willens der Fürstin, die bei der politischen Konfrontation mit der anderen Fürstin ohne Gewissen handelt.

2.3 Die Szene III/4 und die Struktur des Trauerspiels

Die Szenen der Fürstenkonfrontation werden in fast allen Trauerspielen bis zu 'Maria Stuart' in der Mitte des Stückes gefunden. Durch die Szene III/4 vollzieht sich eine Anderung in den beiden Königinnen. Im ersten Akt ist Maria ohne Hoffnung. Sie muß die Verachtung des Richters Paulet ertragen. Im zweiten Akt wird Elisabeth dargestellt: In der Fülle der Macht, prachtvoll, umgeben von Schmeichlern, siegreich. Im dritten Akt kommt es zur Begegnung der beiden Königinnen. Hier, in III/4, kommt es zu einer Umkehrung in den Gefühlen: Maria nämlich fühlt sich als Siegerin und Elisabeth als Besiegte:

 


Gleichzeitig wird auch in dieser Szene die Rolle des Richters vertauscht. Im ersten Akt ist Maria die Verurteilte, die auf die Vollstreckung des Urteils wartet, und im zweiten Akt spricht Elisabeth als Richterin. In III/4 enthüllt sich, wer die eigentlich Richtende ist. Mortimer, der versteckt war und 'alles' gehört hat, sagt: 'Du hast gesiegt! Du tratst sie in den Staub/Du warst die Königin, sie der Verbrecher.'

Auch bei Schiller wird wie bei fast allen barocken Trauerspielen der Höhepunkt in der Szene III/4 erreicht.

3. 'Maria Stuart' und die Epoche der Klassik

3.1 Einführung

Der Begriff 'Klassik' weist auf die literaturgeschichtliche Periode von 1786 bis 1832 in Deutschland hin (laut Buch jedoch von 1770 bis 1830 als eine in sich zusammenhängende geistesgeschichtliche Einheit). Die Einteilung der Klassik in einen bestimmten Zeitraum des 18. und 19.Jhd. bringt Schwierigkeiten mit sich, da die einzelnen Perioden wie Sturm und Drang, Klassik und Romantik sich aus einer geschichtlichen Folge entwickelt haben und somit miteinander verknüpft sind und zu einer Epoche gehören. Der Begriff der Klassik ist weiter ein Ausdruck für eine große künstlerische Leistung, die zeitlos gültig ist. In der Klassik war man darum bemüht, etwas vollendet Musterhaftes oder Vorbildliches dichterisch darzustellen. Im Mittelpunkt stand der Mensch (als von Gott geschaffenes höchstes natürliches Lebewesen ('schöne Seele')), mit einem großen Spektrum an Gefühl, Sinnlichkeit, Trieben und Sittlichkeit. Es galt den Menschen und das Menschliche in seiner Vollendung und Abgründigkeit vollkommen darzustellen. Die Klassik erhielt dadurch ihre Geschlossenheit und Zeitlosigkeit. Es bedurfte großer Genialität, den hohen Ansprüchen der Dichtkunst zu genügen. Die zwei Männer, die die Voraussetzung dafür hatten, drückten der Zeit ihren Stempel auf. Die Männer waren:

Johann Wolfgang Goethe, dem die Genialität nachgesagt wird und der den 'Kopf' und die 'Hand' dieses Zeitalters darstellte.

Friedrich Schiller, der von Natur aus nicht mit einer derartigen Genialität wie Goethe ausgestattet war, sondern statt dessen das 'Herz' in die Klassik brachte.

Beide führten das fort, was von anderen in der vorangegangenen Epoche schon erarbeitet worden war: den Entwicklungsgedanken Lessings, den Schöpfungsglauben Klopstocks, das Harmoniestreben Wielands, den Irrationalismus Hamanns, das Schönheitsideal Winckelmanns und das Humanitätsbewußtsein Herders. Ein Vorbild fanden sie auch in der französischen Klassik, bei der die Literatur durch die Verbindung von 'höfischen' und 'bürgerlichen Idealen' geprägt war.

3.2. Hauptelemente der literaturgeschichtlichen Epoche

Um die Hauptelemente der literaturgeschichtlichen Epoche darzustellen, bedarf es lediglich einer Untersuchung der Literatur Schillers und Goethes, denn sie leiteten mit ihrer Literatur erst die Klassik in Deutschland ein (oft wird diese Epoche auch als 'Goethezeit' bezeichnet, da er mit seinem Genie ganz besonders an der Ausprägung der deutschen Klassik beteiligt war). Dabei muß man jedoch die Schillerschen und Goetheschen Hauptelemente voneinander trennen, da beide mit verschiedenen Intentionen an ihre Werke gingen.

3.2.1. Die Hauptelemente der Literatur Johann Wolfgang Goethes 

In seiner dichterischen Freiheit war Goethe das Vorbild der Stürmer und Dränger gewesen. Persönliche Erlebnisse, wie die Berufung nach Weimar oder die Begegnungen mit der Frau von Stein, leiteten die Wende zur Klassik ein. Beeinflußt durch die Philosophie und Ethik Spinozas, kam es zu besonderen Elementen in der Goetheschen Literatur:

I.       Die Forderung der 'Klarheit des Intellekts', das heißt die Forderung eines vollendeten Menschen, dessen Handeln durch Vernunft bestimmt ist. Dieser Mensch zeichnet sich dadurch aus, daß er intelligent ist, über Allgemeinwissen verfügt und sich seiner Situation (irdisches Leben) bewußt ist. Der Zustand des modernen Menschen ist im Vergleich mit dem griechischen oder antiken Menschen unzureichend, deshalb die Forderung des Rückblicks auf Leistungen der Antike.

II.    Wechselverhältnis zwischen Typus und Metamorphose.


Mit Typus ist hier ein Grundzustand, etwas Gleichbleibendes gemeint. Die Metamorphose ist die Wandlung oder Veränderung des Grundzustandes. Diese Veränderung umfaßt sowohl gesell-schaftliche als auch menschliche Veränderungen (Veränderungen des Charakters).

III. Gesetz und Dämon


Mit Dämon ist hier die Vielfältigkeit des menschlichen Charakters gemeint, der von dämonischen, übersinnlichen Kräften bestimmt wird. Dieser Vielfältigkeit (gute und böse Eigenschaften) werden durch das Gesetz (Gesellschaftsordnung, Religion) Verhaltensregeln vorgegeben.

IV. Gesetz und Natur
Die Natur des Menschen sind seine natürlichen, amoralischen Triebe, denen durch bestimmte Gesetze Einhalt geboten wird.

V.    Das Leitbild des schönen Menschen

a.       organische, physische Schönheit:


Diese Schönheit umfaßt die äußere Form des Menschen, die Proportionen seines Körpers.

b.      moralische Schönheit: Diese Schönheit erfaßt das Innere eines Menschen, sein Verständnis von Sittlichkeit und Moral.

c.       selbsterworbene Schönheit:


Diese Schönheit ist der Ausdruck innerer Freude und Wohl-wollens. Sie ist die Wirkung und der Ausdruck moralischer Ideen.

d.      Schönheit ist Freiheit in der Erscheinung:


Der Mensch, der handelt, muß etwas ohne Zwang ausüben oder vollführen. Die Handlung muß als selbstverständlich von ihm verspürt werden.Der Mann ist schön durch Freiheit in der Stärke, das Weib durch Freiheit in der Schwäche.

e.       Schönheit der Sprache:


Der Mensch muß eine schöne Sprache haben (Dichtkunst)

f.       Schönheit der Natur:


Die äußere Form der Natur und ihr Inneres, das sich frei entfalten kann, werden als schön verstanden. Die klassische Schönheit ist das sich selbst Bedeutende und das sich selber Deutende. Ein Mensch, der diese Punkte in sich vereint, ist das Leitbild eines schönen Menschen.

VI. Harmonie


Der Mensch als ausgeglichene Persönlichkeit, die es schafft, Gefühl, Verstand, Geist und Natur in Einklang zu bringen.

VII.              Humanität (= Menschlichkeit)


Der Mensch als vernunftbegabtes Wesen ist zur Einsicht fähig und damit in der Lage, sich zu vervollkommnen. Sein Handeln ist bestimmt durch sein Menschsein; deswegen ist er für sein Handeln selbst verantwortlich. Das Zusammenleben mit anderen Menschen fordert ein sittliches Handeln, Wahrhaftigkeit und Gewissenhaftigkeit.Die Normen, die dadurch aufgestellt werden, besitzen zeitlose Gültigkeit.

VIII.           Die Antike als Vorbild und Leitbild der Dichtkunst


(Aus 'Gespräch über das Antike' von Johann Wolfgang Goethe)
Das antike Tragische ist das menschlich Tragierte, es eignet sich von daher, den Menschen in seiner Vollendung und Abgründigkeit zu beschreiben. Das Antike ist bedingt (wahrscheinlich, menschlich). Das antike Magische hat Stil, das Moderne nicht. Das Antike ist plastisch (Ideale Form zur Darstellung des Menschen). Alle empirische Poesie, die griechische oder antike, ist charakteristisch und individuell, eignet sich daher zur Darstellung von zeitlosen Normen in Verknüpfung mit dem Menschen. Die Poesie ohne Charakter ist nicht empirisch darzustellen, deswegen muß alles, was ums imponieren soll, Charakter haben, wie das erhöhte Griechentum.

3.2.2. Die Hauptelemente der Literatur Friedrich Schillers:

Schillers klassisches Dichtertum wurde durch schwere finanzielle Nöte und sein Ringen um seine Existenz eingeleitet. Von daher ist auch zu erklären, warum er sich in einigen Punkten von Goethe unterscheidet.

I.       Ringen mit dem Schicksal


Der Mensch ist der Spielball in den Händen der übernatürlichen Kräfte, die sein Dasein bestimmen.

II.    Dualistisches Weltbild


Der Mensch zwischen Idee und Leben, Hoffnung und Angst, Leben und Tod, Freiheit und Zwang, Glück und Leid, Frieden und Krieg, Form und Stoff, Kunst und Wirklichkeit, insgesamt als das Zusammenwirken von Gegensätzen.

III. Dialektisches Weltbild

IV. Tragödie als Theodizee


Obwohl der Mensch den übernatürlichen Mächten nicht gewachsen ist und an ihnen scheitert (Tragödie), bewahrt das Innere (geistiges Ideal) ihn vorm Untergang. Das Geistige verläßt den physischen Körper und wird dadurch erhöht. Der Mensch scheitert nicht, sondern er trotzt seinem Schicksal und siegt über die übernatürlichen Kräfte, da diese nur seinem physischen Körper beeinflussen können.

V.    Erhabenheit oder die Überwindung der Schuld


Der Mensch verfügt über ein Außeres (Taten, Triebe, Begebenheiten, Aussehen, Handlungen) und über ein Inneres (geistiges Ideal). Das Zusammenwirken beider gibt dem Menschen seine Individualität. Das Außere ist den über-natürlichen Mächten unterworfen. Der Sinn dieser Zerstörungen der Natur und den Katastrophen (Verhängnis des Menschen) ist es, den Durchbruch des reinen Geistes im Menschen zu veranlassen, wobei der Geist sich zur Idee der Freiheit erheben mag. Es ist ein Schritt aus der Welt der Erscheinungen heraus in die Ideenwelt, aus dem Bedingten (dem Wahrscheinlichen, Realen, Menschlichen) ins Unbedingte (Totalität, Freiheit, Abstraktheit). Der physische und der moralische Mensch scheiden voneinander, wobei der Mensch mit seiner Vernunft und ihren Ideen das Unbedingte zwar ungefähr vor Augen hat, es jedoch mit seinem Verstand und seinen Begriffen nicht erfassen kann. Die Erhabenheit ist die Überwindung des sinnlichen, physischen Todes, wobei das geistige Ideal erhöht wird und über die übernatürlichen Kräfte siegt.

In vielen Punkten stehen sich Goethe und Schiller nahe, in einigen jedoch trennen sich ihre Wege. Jeder für sich folgt seiner Intention.

3.3. Literaturkritik an Goethe und Schiller

3.3.1. Joseph von Eichendorff 'Über Goethe'

Goethes Poesie ist eine Naturpoesie in höherem Sinne, sie gibt plastische Vollendung und sinnliche Genüge, ihre Harmonie ist ihre Schönheit, ihre Schönheit ist ihre Religion. Die Poesie wächst durch Metamorphose bis zur natürlichen Symbolik des Höchsten (Mystik: Die Darstellung der Natur in ihrer Vielfaltigkeit und Vollendung ist nur durch Mystik möglich).

3.3.2. Adam Müller 'Über Schiller'

Schillers Werke streben nach der Höhe.
Goethes Werke streben nach der Mitte.

Während Goethe als Genie 'Kopf und Hand' der Klassik bildet, bringt Schiller das 'Herz' vielseitig in Betrachtungen ein. Bei ihm stehen Personen, endliche Gestalten im Mittelpunkt der Handlung, die das Ewige ausdrücken.Seine trübe Sentimentalität haucht alle Orakel der Schönheit, die von seinem Munde ausgehen, wieder aus.Er hat eine bestimmte Sache, eine fixierte Allegorie der Liebe, des Glaubens, der Religion vor Augen und drückt sie durch immer abstrakter, idealistisch werdende Begebenheiten und Helden aus, weil er sie in höhere Regionen tragen will. Dadurch jedoch versteinerten sich die Werke zu unvollendeten Palästen.

3.4. Form des Dramas in der Klassik

Das Drama ist in 5 Akte gegliedert. Die Handlung führt straff zu einem Höhepunkt (meistens im 3. Akt) und kommt von dort zu einem versöhnlichen Schluß oder zur Katastrophe. Die Personenzahl der Darsteller ist beschränkt, der Schauplatz wechselt weniger. Die Zeit läuft kontinuierlich ab. Die Sprache der Darsteller ist als elaborierter Code zu bezeichnen. In den einzelnen Akten wechseln sich Dialoge und Monologe ab, wobei in den Monologen der Charakter der darstellenden Person am besten ersichtlich wird. Die Sprachform ist der Blankvers, wobei entweder auf antike Verse zurückgegriffen wird (z.B. Pentameter, Hexameter), oder auf die einfache deutsche Reimstrophe.

Insgesamt kann man sagen, daß die Form des Dramas in der Klassik ziemlich streng ist; dies beruht jedoch auf dem Willen der Schriftsteller, ästhetisch anspruchsvolle und zeitlose Kunstwerke zu schaffen.


© 1984 Gymnasium Wildeshausen



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