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Streß ist definiert als ein körperlicher oder emotionaler Zustand, der
Spannungen verursacht und Gesundheitsstörungen zur Folge haben kann. Es gibt
zwei Arten von Streß: Eustreß und Distreß. Als Eustreß bezeichnet man
belastende Reize, die als angenehm empfunden werden, z.B. Herausforderung bei
einem Spiel oder ein Fallschirmsprung. Unter Distreß versteht man den Zustand
der Überlastung, wie Überforderung am Arbeitsplatz. Streßreaktionen werden
aus-gelöst durch Stressoren (belastende Reize). Stressoren werden unterteilt in
vier verschiedene Arten von Reizen: Körperliche, seelische und soziale Reize.
Körperliche Stressoren sind z.B. Hitze, Kälte, Lärm, Hunger, Infektionen und
Verletzungen. Als seelische Stressoren bezeichnet man u.a. Versagensängste, Leistungsüberforderung-
bzw. Unterforderung und Prüfungssitua-tionen. Von sozialen Stressoren spricht
man bei Konflikten, Verlust von Angehörigen und Ab-lehnung durch andere
Menschen. Drogenmißbrauch ist ein Beispiel für einen chemischen Stres-sor. Der
kanadische
Arzt Hans Selye, eine Autorität auf dem Gebiet der Streßforschung, be-schreibt drei Phasen einer Streßreaktion. In der ersten Phase, der Alarmreaktion, erkennt der Körper die Streßsituation und bereitet sich darauf vor, zu handeln: Das Gehirn schlägt Alarm. Impulse des Hypothalamus (Steuerzentrum im Zwischenhirn, Schaltstelle zwischen dem Ner-ven- und dem Hormonsystem) führen zunächst einmal zu einer Denkblockade. Nachdenken könnt in einer bedrohlichen Situation zuviel Zeit in Anspruch nehmen oder sogar tödlich sein. Über afferente und efferente Nervenbahnen wird nun die Nebenniere dazu veranlaßt, in erhöh-tem Maße Adrenalin und Noradrenalin an das Blut abzugeben. In Sekundenbruchteilen bringen die Nebennieren-Hormone Atmung, Kreislauf, Muskulatur und Stoffwechsel auf Hochtouren. So pumpt das Herz z.B. mehr Blut in die Muskeln und deckt deren erhöhten Zucker- und Sau-erstoffbedarf. Die Hormone schalten gleichzeitig alle nicht lebensnotwendigen Funktionen (z.B. Verdauungsprozesse und Sexualfunktionen) vorübe
rgehend ab. Der Organismus ist nun optimal gerüstet. Alle für die Abwehr der
Gefahr wichtigen Organe sind bestens versorgt, sogar das Blut gerinnt leichter,
so daß bei einer eventuellen Verletzung die Wunden schneller schlie-ßen. In der
zweiten Phase, der Widerstandsphase, baut der Körper die Streßhormone ab, die
durch die Alarmreaktion ausgeschüttet wurden. Hält die Streßsituation jedoch
an, bleibt der Körper im Alarmzustand und kann schädliche Folgen nicht
verhindern. Wird der Widerstand länger aufrechterhalten, tritt als dritte Phase
die Erschöpfung ein, aus der eine streßbedingte Gesundheitsstörung resultieren
kann. Dauerstreß erschöpft die Energievorräte des Körpers und kann in
Extremfällen zum Tod führen.
Streßbedingte Gesundheitsstörungen sind Krankheiten, die
durch psychologischen Streß verur-sacht oder verschlimmert werden. Diese
psychosomatischen Störungen stehen gewöhnlich mit dem Nervensystem in
Zusammenhang, das die inneren Organe des Körpers steuert. Manche Arten von
Kopf-, Rücken- und Gesichtsschmerzen sowie Asthma, Magengeschwüre, hoher
Blutdruck und das prämenstruelle Syndrom (PMS; Beschwerden vor Eintritt der
Menstruati-onsblutung) sind Beispiele für streßbedingte Gesundheitsstörungen.
Arzte wissen seit langem, daß Menschen in Streßsituationen anfälliger für alle
möglichen Krankheiten sind. Schwerwiegende negative Ereignisse wie der Tod
einer nahe stehenden Per-son scheinen so viel seelischen Schmerz auszulösen,
daß die Abwehrkräfte des Körpers ge-schwächt werden. Aber auch positive
Veränderungen wie ein neuer Arbeitsplatz oder die Ge-burt eines neuen
Familienmitglieds können die normale Fähigkeit eines Menschen, Krankheiten
abzuwehren, beeinträchtigen.
Zwar kann Streß auf die Entwicklung aller Krankheiten einen gewissen Einfluß ausüben, bei-spielsweise auf Erkältungen, Tuberkulose und sogar Krebs, doch steht er mit manchen Störun-gen in unmittelbarem Zusammenhang. Wissenschaftler führen dies zum Teil auf evolutionäre Gründe zurück. Menschen der Vorzeit waren ständiger körperlicher Bedrohung durch wilde Tiere, Naturgewalten und feindliche Artgenossen ausgesetzt. Derartige Situationen zwingen den Körper zu Anpassungen, um Gefahrensituationen gewachsen zu sein: Das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt, und auch andere Systeme des Körpers bereiten sich auf die Be-drohung vor. Wenn ein Mensch auf eine Gefahr angemessen reagiert, werden die normalen Funktionen des Körpers anschließend wiederhergestellt. Flucht oder Kampf können erfolgver-sprechende Verhaltensweisen sein, um mit körperlicher Bedrohung fertig zu werden. Physiolo-gische Probleme treten jedoch auf, wenn der Körper zwar bereit ist, auf eine Bedrohung zu rea-gieren, aber nicht handeln kann. Ge
rät man z. B. in einen Verkehrsstau, wird sich der Körper möglicherweise auf
eine Streßreaktion vorbereiten. Wenn diese Reaktion aber nicht ausgeführt
werden kann, bleiben die Körpersysteme hochgradig aktiv. Wiederholen sich
derartige Situa-tionen permanent, können Störungen wie Bluthochdruck die Folge
sein.
Streßbedingte Gesundheitsstörungen lassen sich auch auf andere Faktoren
zurückführen. So wird ein bestimmter Verhaltenstyp untersucht, den
Wissenschaftler 'Typ A' nennen. Mit die-sem Begriff bezeichnete man
ursprünglich Menschen, die zu Erkrankungen der Koronararterien neigen. Der
ehrgeizige, auf Konkurrenz eingestellte Typ A ist beispielsweise in der
US-amerikanischen Gesellschaft häufig anzutreffen, und es gibt zunehmend
Hinweise, daß dieser Verhaltenstyp in Zusammenhang mit erhöhtem Auftreten
verschiedener streßbedingter Ge-sundheitsstörungen steht.
Hoher Blutdruck zählt zu den häufigsten
Gesundheitsstörungen, die sich durch Streß ver-schlimmern. Obwohl mit
Bluthochdruck keine auffallenden Symptome verbunden sind, kann sie zu
Nierenschädigungen und Schlaganfall führen.
Weitere streßbedingte Störungen, die sogar noch häufiger auftreten, sind
Störungen des Magen-Darm-Traktes. Zu den schwerwiegenderen dieser Krankheiten
zählen Magengeschwüre und Anorexia nervosa (Magersucht). Ursachen für
Magengeschwüre sind die Überproduktion von Magensaft oder eine
Überempfindlichkeit der Magenschleimhaut, die auch Übelkeit und Ma-genschmerzen
zur Folge hat. Anorexia nervosa ist unter heranwachsenden Mädchen am
häufig-sten verbreitet - diese Störung geht mit einer Verweigerung der
Nahrungsaufnahme einher, die im Extremfall zum Tod führen kann. Andere
streßbedingte Störungen betreffen den Darm: Da-zu zählen die ulzeröse Kolitis
(Dickdarmentzündung mit Geschwürbildung) und die Enteritis regionales
(chronische Dünndarmentzündung).
Auch Erkrankungen der Atemwege können durch Streß beeinflußt werden. Von diesen
Störun-gen tritt Asthma am häufigsten auf, das durch emotionale Spannungen
ausgelöst werden kann. Asthmaanfälle sind gekennzeichnet durch pfeifendes
Atmen, Keuchen und starkes Beengungs-gefühl. Darüber hinaus kann emotionaler
Streß viele Hauterkrankungen, deren Symptome von Juckreiz und Schmerz bis zu
Ausschlag reichen, verursachen oder verschlimmern.
Einschneidende traumatische Ereignisse wie Unfälle, Katastrophen und
Kriegserfahrungen können zu einem Leiden führen, das heute als posttraumatische
Belastungsreaktion (englisch post-traumatic stress disorder, PTSD) bezeichnet
wird. Im Krieg wurde diese Störung früher als Kriegs- oder Bombenneurose
bezeichnet. Der Begriff PTSD wurde geprägt, als dieses Streßsyndrom bei vielen
amerikanischen Vietnamveteranen deutlich wurde, deren Wiederein-gliederung in
das zivile Leben sich als problematisch erwies. Die Symptome können unter
Um-ständen erst Monate nach dem erlittenen traumatischen Erlebnis auftreten.
Sie äußern sich nach anfänglicher Abgestumpftheit u. a. in nervöser
Reizbarkeit, Kontaktstörungen und Depression.
Die Therapie streßbedingter Gesundheitsstörungen bleibt manchmal darauf begrenzt, die auf-getretenen körperlichen Symptome zu lindern. Zum Beispiel kann Hypertonie mit Medika-menten behandelt werden. Psychologische Therapien zielen darauf ab, dem Patienten zu helfen, die Streßursache zu beheben oder zumindest zu lernen, sie erfolgreicher zu bewältigen. Oft wird eine kombinierte körperliche und psychologische Behandlung empfohlen.
'Die Streßreaktion ist ein allen Menschen und höheren Tieren angeborenes Verhalten, das bei Gefahr alle Energiereserven im Körper mobilisiert. Es rührt aus der stammesgeschichtlichen Entwicklung des Menschen her, als unseren Vorfahren in Gefahr nur zwei Wege zum Überle-ben blieben: Angriff oder Flucht.' aus: Bruns u.a.: Das Biobuch, S. 197 (Diesterweg 1592)
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