Wie Jugendlich ist die Kirche?
Altere Menschen kommen oft ins Schwärmen,
wenn sie von den kirchlichen Gruppierungen ihrer Jugendzeit erzählen.
Unbestritten ist, daß die katholische Jugend in den Jahren vor dem 2 Weltkrieg
und auch später, in den 50er und 60er Jahren, eine gesellschaftliche Bedeutung
hatte, die weit über die kirchlichen Grenzen hinausging. In der heutigen Zeit
ist davon kaum mehr etwas spürbar. Das Umfeld, in dem zu Ende der 90er Jahre
"Jugend" ge- und erlebt wird, hat sich radikal verändert. Die Grenzen zwischen
Kindsein, Jugendzeit und Erwachsenenwelt verschwimmen heute. "Forever Young"
ist die Devise. Jung ist man möglichts lange, und zwar zwischen 11 und 29
Jahren. Die Generationenpyramide der früheren Jahre besteht deshalb heute kaum
mehr. Der Heranwachsende findet dadurch nicht nur keinen für seine Entwicklung
notwendigen "Reibebaum", sondern zugleich auch keine Orientierungshilfe.
Fehlende Stabilität zeigt heute bereits der erste und prägendste
Lebensbereich für einen jungen Menschen, die Familie. Das familiäre Beziehungsgeflecht
ist bedingt durch gestiegene Scheidungszahlen und einer Vielfalt von möglichen
Lebensformen krisenanfällig geworden. In schule, Ausbildungsstätte und am
Arbeitsplatz wird der junge Mensch zwar mit einer Fülle an Wissen,
Leistungsansprüchen konfrontiert, aber Hilfe beim Aufbau einer eigenen
Weltanschauung findet er auch hier kaum. Sicherheit und Orientierung versuchen
Jugendliche der 90er Jahre in der Gruppe Gleichgesinnter bzw. der Jugendszene
zu finden. Oder sie versuchen ihre Identitätsfindung über die Angebotsfülle
einer durchkommerzialisierten Jugendkultur zu erreichen, von denen ganze
Wirtschaftszweige leben und profitieren.
Im Sog dieser Entwicklung ist die Mehrheit der jungen
Menschen auf Distanz zu Kirche und Christentum gegangen. Für den deutschen
Theologen und Sozialforscher Dr. Norbert Copray steht eindeutig fest, daß die
Kirche die jungen Menschen verloren hat. Der Großteil der Jugendlichen lebt die
Angebote einer vielfältigen Kultszene, in welcher Kirche und Christentum als
prägende Kraft nicht mehr vorkommen. Es ist müßig zu fragen, wann der Dialog
zwischen Kirche und Jugend abgerissen ist, wo das Versagen der Kirche liegt.
Fest steht, daß die Kirchenleitungen großteils ohne Kenntnis der Jugendszene
sind. Man ist froh sich mit der kritischen oder schwierigen Jugend nicht mehr
herumschlagen zu müssen. Doch gibt es eine Zukunft der Kirche ohne Jugend und
hat eine Gesellschaft Zukunftschancen, wenn es der nachkommenden Generation an
Lebenssinn und -orientierung fehlt? Es ist dringend notwendig daß die Kirche
die Nöte und Krisen der Jugendlichen aufgreift und Hilfe anbietet. Der Kirche
fehlen heute Menschen wie ein Adolf Kolping oder ein Don Bosco, die sich in die
Welt der Jugend begeben und dort ansetzen, wo Not herrscht.
Für die Jugendarbeit ist daher heute mehr als je Professionalität
notwendig, denn guter Wille allein genügt nicht. Es braucht sowohl Fach - wie
auch Führungskompetenz. Engagierte Jugendleiter wünschen sich aber auch mehr
Unterstützung durch die Pfarrgemeinde, den Rückhalt des Pfarrers bzw. Klerus,
sowohl Räume als Bleibe für die Jugendlichen als auch geistige Freiräume als
Zeichen der Wertschätzung und des notwendigen Vertrauens in das erbrachte
Engagement. Jugendarbeit muß als wichtige Aufgabe der Kirche und nicht als lästiges
Problemfeld betrachtet werden.