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Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Grundlagen der Sozialversicherung
Begriffsbestimmung
Beschäftigung
Selbständigkeit
Abwägung der Merkmale
Scheinselbständigkeit
Sozialrechtliche Folgen
Auswirkungen auf den Versicherten
4.1.1 Auswirkungen in der gesetzlichen Rentenversicherung
4.1.2 Auswirkungen in der gesetzlichen Pflegeversicherung
4.1.3 Auswirkungen in der gesetzlichen Krankenversicherung
4.1.4 Auswirkungen in der Arbeitslosenversicherung
4.1.5 Auswirkungen in der Unfallversicherung
Zusammenfassung
Auswirkungen auf die Sozialversicherung und die Bevölkerung
Typische Fallgestaltung
Verkaufsfahrer
Pflegepersonen
Pharmaberater
Im Baubereich beschäftigte Personen
Bekämpfung der Scheinselbständigkeit
Studie des IAB
6.1.1 Abgrenzungsmodelle
Möglichkeiten der Bekämpfung
Quellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Selbständigkeitserklärung Error! Bookmark not defined.
Es zeigt sich seit Anfang der 80er Jahre eine neue Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Ein ständiger Anstieg der Arbeitslosigkeit ist zu verzeichnen und die Quote der Selbständigen nimmt zu. Sehr auffällig dabei ist, daß sich eine Tendenz bei Firmenneugründungen zu "Ein- Personenunternehmen" zeigt. Eine Abgrenzung dieser "neuen Selbständigen" von "echten Selbständigen" ist in vielen Fällen nicht einfach, da häufig Merkmale eines klassischen Arbeitnehmers als auch Merkmale eines Selbständigen zu registrieren sind. Der Wunsch nach eigener Verantwortung, verbunden mit einer vermeintlich größeren Unabhängigkeit, sowie der zumeist unberechtigten Hoffnung auf ein höheres Einkommen und gesicherten Wohlstand, das Empfinden eines sozialen Aufstieges, aber auch hauptsächlich die zunehmende Angst vor einer eventuell drohenden Arbeitslosigkeit durch die verschärfte Wettbewerbs- und Arbeitsmarktsituation und der Anstieg der Lohnnebenkosten ist vielfach Auslöser dafür, daß Arbeitnehmer den Sprung oder die Flucht in die Selbständigkeit wählen müssen oder wagen, um die gleiche Tätigkeit ausüben, die sie bisher in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis verrichtet haben.
Ausgehend von den Gefahren, denen die Menschen ausgesetzt sind, werden sie durch gesetzliche Bestimmungen verpflichtet, sich gegen Existensrisiken zu sichern. Der Rahmen für die staatliche Regelung der Sozialversicherung ist im Grundgesetz verankert, konkret in:
Art.
1 Abs. 1 GG
"Die Würde des Menschen ist unantastbar."
Art.
2 Abs. 2 GG
"Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit."
Art.
20 Abs. 1 GG
"Die Bundesrepublik ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat."
Nach [ST1] ist Merkmal eines Sozialstaates, daß die Gesetzgebung, die Verwaltung und die Rechtsprechung die wirtschaftlichen Interessen aller Bürger berücksichtigen, besonders die der sozial schwachen Bevölkerungsschichten. Angestrebt wird damit:
die
Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins,
die
Vermeidung der Benachteiligung bestimmter Bevölkerungsschichten,
die
Schaffung gleicher Voraussetzungen für
die freie Entfaltung der
Persönlichkeit, sowie
der Schutz und die Förderung der Jugend und der Familie.
Versicherungspflichtig sind gemäß § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 168 Abs. 1 S. 1 AFG Arbeitnehmer, die gegen Arbeitsentgelt als Arbeiter oder Angestellte beschäftigt sind. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses in einem persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber steht. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Von einer Beschäftigung kann stets dann gesprochen werden, wenn der Arbeitende in den Betrieb eines Dritten eingegliedert ist, d.h. weisungsgebunden am Arbeitsprozeß teilnimmt. § 7 SGB IV gibt als Merkmal der Beschäftigung nur die nichtselbständige Arbeit an. Diese nichtselbständige Arbeit im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV setzt voraus, daß die Arbeit in persönlicher Abhängigkeit von einem Dritten, in der Regel vom Arbeitnehmer geleistet wird.
Typisches Merkmal dieses Abhängigkeitsverhältnisses ist die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers über Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung einer Tätigkeit.
Folgend sind typische Merkmale einer abhängigen Beschäftigung aufgeführt:
Verpflichtung zur Befolgung der (bis ins einzelne gehenden) Weisungen des Arbeitgebers über die Ausführung der Arbeit
Verpflichtung zur Ausführung sonstiger Arbeiten die nicht unmittelbar zu dem genau umschriebenen Aufgabenkreis gehören
Bindung an eine bestimmte Arbeitszeit bzw. Verpflichtung, genaue Weisungen über die zeitliche Einteilung der Arbeit zu befolgen, Pflicht zum regelmäßigen Erscheinen im Betrieb
Arbeitsplatz im Betrieb des Arbeitgebers
Behandlung nach Tarifvertrag
Bindung an Arbeitsordnungen und Arbeitszeitordnungen, die für die gesamte Betriebstätigkeit eines Unternehmens gelten
Zurverfügungstellung der gesamten oder überwiegenden Arbeitskraft nur für einen einzigen Arbeitgeber
Verbot für Dritte tätig zu sein
persönliche Leistungspflicht
Duldung von Revisionen (Kontrollen) des Arbeitgebers im gesamten Geschäftsbetrieb
laufende, ggf tägliche Berichterstattung
tägliche Besprechung im Unternehmen vor Aufnahme einer Außentätigkeit
Unterordnung und Kontrolle durch einen anderen Beschäftigten des Betriebes
freiwillige oder verpflichtete Teilnahme an Schulungskursen im Betrieb des Unternehmers
Urlaubsanspruch
Kündigungsfristen
Betriebs- Disziplinarstrafen
Verbot eigener Werbung
ständige Beförderung im firmeneigenen Pkw nach Planung des Unternehmens
Teilnahme an betrieblichen Sozialeinrichtungen
Zahlung gleichbleibender Bezüge oder von äußeren Umständen abhängiger Umsatzprovisionen, die in der Höhe von dem Dienstleistenden nicht beeinflußt werden können
Verbuchung der Vergütung als Betriebsausgaben des Arbeitgebers und Heranziehung des Dienstleistenden zur Lohnsteuer
Weiterzahlung der Bezüge auch im Krankheitsfalle, Zahlung von Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld usw.
Wichtigster und häufigster Fall des Zustandekommens eines Beschäftigungsverhältnisses ist der Abschluß eines Arbeitsvertrages. Wenn kein Arbeitsvertrag vorliegt schließt das jedoch ein Beschäftigungsverhältnis nicht aus.
Der Begriff der Selbständigkeit ist im Gesetz nicht definiert. Er ergibt sich aus der Umkehr dessen, was die abhängige Beschäftigung kennzeichnet. Der Selbständige ist hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und Folge und Art der Arbeit weitgehend weisungsungebunden. Er muß die zu verrichtende Arbeit in der Regel nicht in Person leisten, sondern hat die Möglichkeit, einen Vertreter zu stellen oder auf eigene Rechnung Hilfskräfte zu beschäftigen.
Folgend sind typische Merkmale einer selbständigen Tätigkeit aufgeführt:
Weisungsfreiheit
freie Verfügung über die Arbeitszeit
Erledigung der Arbeit an einem selbst gewählten Ort
uneingeschränkte Tätigkeit für mehrere Geschäftsherren
Berechtigung oder Verpflichtung zu eigener Werbung
Berechtigung zur Beschäftigung von Hilfskräften für eigene Rechnung
Verpflichtung, einen Vertreter bei Abwesenheit zu stellen
Besitz eines Gewerbescheines
Anmeldung eines Gewerbebetriebes
Anmeldung bei der Handelskammer
Behördliche Erlaubnis zur Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit
Tragen der Geschäftsunkosten
Einsatz eigenen Kapitals und eigener Betriebsmittel
Unternehmerrisiko
Zahlung von Umsatzprovisionen, die maßgeblich von dem Erfolg der persönlichen Tätigkeit abhängen
Veranlagung zur Einkommensteuer und Gewerbesteuerpflicht
Ob jemand selbständig oder abhängig tätig ist, beurteilt sich nach dem Gesamtbild der Tätigkeit. Dabei sind alle Einzelumstände, die sich aus der jeweiligen vertraglichen Ausgestaltung ergeben, in Betracht zu ziehen und gegeneinander abzuwägen. Wenn zu erkennen ist, daß die vertraglichen Vereinbarungen von den tatsächlichen Umständen abweichen, so sind allein die tatsächlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, da die Versicherungspflicht nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen ist.
Unter dem Begriff "Scheinselbständige" werden Personen verstanden, die nur zum Schein selbständig sind, also tatsächlich in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, insbesondere als Arbeitnehmer, stehen.
Der Scheinselbständige ist dadurch gekennzeichnet, daß er die Pflichten eines Arbeitnehmers mit den Risiken eines Unternehmers in sich vereinigt. Dabei gehen die vertraglichen oder tatsächlichen Einschränkungen der Eigenständigkeit so weit, daß der Handlungsspielraum des Scheinselbständigen dem eines abhängig beschäftigten Arbeitnehmers vergleichbar ist. Tatsächlich unterscheiden sich Arbeitnehmer und Scheinselbständige nicht voneinander. Beide sind weisungsgebunden und damit vom Arbeitgeber abhängig.
Der Personenkreis der sogenannten Scheinselbständigen verzichtet weitestgehend auf Arbeitnehmerschutzrechte. Er hat dann z. B. nicht mehr die sozialen Sicherheiten eines Arbeitnehmers, keinen Kündigungsschutz, keine Arbeitszeitregelung, keine Urlaubsansprüche, keine Lohnfortzahlung, keine Unfall-, Renten- und Arbeitslosenversicherung und keine Krankenversicherung für sich und seine Familie. Die Erscheinung der sogenannten Scheinselbständigen erstreckt sich auf nahezu alle Brachen des Wirtschaftslebens und ist geprägt durch eine besonders starke Abhängigkeit der betroffenen Erwerbspersonen, die persönliche Arbeitsleistungen erbringen, in der Regel kaum über nennenswertes Eigenkapital verfügen und häufig nur für einen Auftraggeber tätig sind.
Das deutsche Sozialversicherungsrecht stellt kein einheitliches, sondern ein gegliedertes System dar. Somit kann die Frage, welche Auswirkungen die Einstufung als Selbständiger bzw. abhängig Beschäftigter hat, nur für jedes einzelne Gebiet des Sozialversicherungsrechts gestellt und beantwortet werden. Dabei wird davon ausgegangen, daß der Scheinselbständige seinen Scheinstatus aufrechterhält und demzufolge versicherungsrechtlich als Selbständiger behandelt wird. Die Folge der rechtlichen Zuordnung ist, daß für alle oder für fast alle Scheinselbständigen sozialrechtliche Schutznormen zum größten Teil entfallen. Sowohl die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, die Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung nach § 168 Abs. 1 Satz 1 AFG, die Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 SGB XI sowie die Versicherungspflicht in Unfallversicherung nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO knüpfen an Beschäftigungsverhältnis an.
In der gesetzlichen Rentenversicherung sind abhängig beschäftigte Arbeitnehmer versicherungspflichtig nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Versicherungsfreiheit für diesen Personenkreis besteht beispielsweise bei einer geringfügigen Beschäftigung im Sinne des § 8 SGB IV (§ 5 Abs. 2 SGB VI) oder bei einer Vollrente wegen Alters (§ 5 Abs. 4 SGB VI).
Von der Versicherungspflicht können sich gemäß § 6 SGB VI z. B. Angestellte Mitglieder einer berufsständigen Versorgungseinrichtung (z. B. Arzte, Rechtsanwälte u.a.) befreien lassen, da sie entsprechende Beiträge zu zahlen haben und Leistungen im Falle der verminderten Erwerbsfähigkeit sowie des Alters erhalten.
Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung erlischt nicht, wenn der Betreffende eine bestimmte Einkommensgrenze übersteigt, wie dies in der gesetzlichen Krankenversicherung der Fall ist.
Der Scheinselbständige ist in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht versicherungspflichtig, da er seinen Scheinstatus besitzt. Versicherungspflicht tritt nur ein, bei Selbständigen, die als besonders schutzbedürftig eingestuft wurden, aufgezählt in § 2 SGB VI. Gemäß § 4 Abs. 2 SGB VI hat er aber die Möglichkeit sich auf Antrag pflichtzuversichern. Der Betreffende könnte sich auch freiwillig versichern, allerdings darf er dazu weder pflicht- noch antragspflichtversichert sein. Nachteilig dabei ist jedoch, daß er mit den freiwilligen Beiträgen die Vorversicherungszeit für die Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente nicht erfüllt. Das gleiche trifft für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach § 38 SGB VI und für die Altersrente für Frauen nach § 39 SGB VI zu, da für die Erfüllung der Voraussetzung für die drei vorgenannten Leistungen Pflichtbeitragszahlung erforderlich ist. Zur Erfüllung der Wartezeit genügen jedoch auch freiwillige Beiträge gemäß §§ 43 Abs. 1 Nr. 3, 44 Abs. 1 Nr. 3, 50 SGB VI.
Demnach kann sich der Scheinselbständige sowohl pflicht- als auch freiwillig versichern. Allerdings kann er von solch einer Versicherung absehen, da das Gesetz ihn nicht dazu verpflichtet und das Risiko der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit sowie des Alters könnten unabgedeckt bleiben.
Als versicherungspflichtiges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist der abhängig beschäftigte Arbeitnehmer gemäß § 20 Abs. 1 SGB XI sowie der freiwillig Versicherte gemäß § 20 Abs. 3 SGB XI als auch der Familienversicherte gemäß § 25 Abs. 1 SGB XI pflichtversichert.
Demnach ist der Scheinselbständige, dessen Scheinstatus noch besteht pflegeversichert, wenn er freiwillig krankenversichert oder familienversichert ist. Das gleiche gilt, wenn er dem in § 5 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB V aufgeführten Personenkreis (Landwirte, Künstler, Publizisten) angehört. Falls er privat krankenversichert ist, wird er verpflichtet einen Versicherungsvertrag abzuschließen zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit gemäß § 23 SGB XI. Ist eine Person nicht krankenversichert, so steht sie auch nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Pflegeversicherung.
Hat eine Person nur dem äußeren Anschein nach eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung inne und ist sie mindestens zehn Jahre nicht in der sozialen Pflegeversicherung oder in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig gewesen, so ist sie gemäß § 20 Abs. 4 SGB XI nicht pflegeversichert. Auf Antrag in der sozialen Pflegeversicherung kann sich der Scheinselbständige, der vorher als abhängig beschäftigter Arbeitnehmer ausscheidet, gemäß §§ 20, 21 SGB XI weiterversichern, wenn er- angelehnt an die freiwillige Krankenversicherung- in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden mindestens 12 Monate versichert war. Gemäß § 26 SGB XI gilt das gleiche, wenn die Familienversicherung erlischt oder die Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 SGB XI vorliegen.
Versicherungspflichtig ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V der abhängig beschäftigte Arbeitnehmer. Versicherungsfrei ist er nur, wenn sein Jahresarbeitsentgelt 75 % der Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Rentenversicherung übersteigt oder wenn er weniger als 15 Stunden in der Woche beschäftigt ist und nicht mehr als 1/7 der Bezugsgröße (§ 18 SGB IV ), aber auch nicht mehr als 1/6 seines Gesamteinkommens verdient. Er ist somit geringfügig beschäftigt im Sinne des § 8 SGB IV (§ 7 SGB V). Gleiches gilt, wenn er hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist gemäß § 5 Abs. 5 SGB V.
Der Scheinselbständige ist nicht versicherungspflichtig es sei denn er gehört dem Personenkreis von Selbständigen an, die in § 5 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB V aufgeführt sind (Landwirte, Künstler, Publizisten). War er in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden mindestens 12 Monate versichert, so hat er die Möglichkeit zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenkasse. Diese Voraussetzungen werden die meisten Scheinselbständigen erfüllen, wenn sie vorher als Arbeitnehmer geführt wurden. Familienversichert wird der Scheinselbständige nicht sein, da der § 10 SGB V keine hauptberufliche selbständige Erwerbstätigkeit und kein Gesamteinkommen, das über 1/7 der monatlichen Bezugsgröße liegt, zuläßt. Zusammenfassend kann man sagen, daß der Scheinselbständige dem Schutz der gesetzlichen Krankenkasse unterliegt, wenn er in einer vorherigen abhängigen Beschäftigung die Vorversicherungszeit erfüllt hat und sich freiwillig versichert. Er könnte sich ebenso privat versichert, kann aber von einer Krankenversicherung überhaupt absehen.
Abhängig beschäftigte Arbeitnehmer sind nach § 168 Abs. 1 AFG beitragspflichtig.
Kurzzeitig sowie geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer (§ 8 SGB IV) sind gemäß § 169a AFG beitragsfrei.
Da die Arbeitslosenversicherung eine reine Arbeitnehmer- Versicherung ist, ist der Scheinselbständige nicht beitragspflichtig und kann ihr auch nicht freiwillig beitreten. Er ist im Falle einer Arbeitslosigkeit ohne Schutz.
Pflichtversichert in der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO abhängig beschäftigte Arbeitnehmer. Versicherungsfreiheit besteht lediglich im Rahmen der §§ 541, 542 RVO, der für den vorgenannten Personenkreis nicht einschlägig ist.
Der Scheinselbständige ist gemäß § 539 Abs. 1 RVO nur versicherungspflichtig, wenn er zu einem dort aufgeführten Personenkreis selbständig Tätiger zugehörig ist, z. B. als Unternehmer Mitglied einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft ist, im Gesundheits- oder Veterinärwesen bzw. im Wohlfahrtswesen arbeitet oder als Küstenschiffer tätig ist usw.. Wenn er als Unternehmer angesehen wird und die Satzung seines Unfallversicherungsträgers eine Unternehmerpflichtversicherung vorsieht, so kann er gemäß § 543 RVO kraft Satzung versicherungspflichtig sein. Eine Befreiung von dieser Versicherungspflicht ist in solchen Fällen auf Antrag möglich. Der Unternehmer, solange er als solcher angesehen wird, kann der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 545 RVO beitreten, solange er weder kraft Gesetz noch kraft Satzung pflichtversichert ist. Dies steht ihm allerdings frei.
Aus den vorherigen Ausführungen ergibt sich, daß der Scheinselbständige, sofern er das will sich unter bestimmten Umständen in der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung versichern kann und somit auch pflegeversichert ist. In der Unfallversicherung ist er, sofern dies die Satzung vorsieht, möglicherweise pflichtversichert, wenn dies nicht der Fall ist, kann er der Unfallversicherung freiwillig beitreten. Gleiches ist in der Rentenversicherung möglich. Der Scheinselbständige hat auch die Wahl, sich in der gesetzlichen Rentenversicherung auf Antrag pflichtzuversichern. Lediglich der Arbeitslosenversicherung kann er unter keinen Umständen angehören.
Diese relativ günstige Versicherungslage für den Scheinselbständigen trügt einen umfassenden Schutz für die meisten Betroffenen vor, da sie von seiner Initiative abhängt und in vielen Fällen befürchtet werden muß, daß der Scheinselbständige bei Eintritt der Risiken ohne Schutz da steht, da er die o.g. Versicherungen aus Kostengründen nicht abschließt. Somit fällt er der Allgemeinheit zur Last.
Die Scheinselbständigkeit stellt auch in dieser Betrachtungsweise ein großes Problem dar. Nach einer Studie des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit (IAB), welche an späterer Stelle noch genau beleuchtet wird, findet man in allen Branchen knapp 1 Millionen Scheinselbständige im Hauptberuf, und rund 1,5 Millionen im Nebenberuf. In den allermeisten Fällen gehen hier der Kranken- , Renten-, und Arbeitslosenversicherung der Arbeitgeberanteil an Beiträgen verloren, so daß den sozialen Versicherungen insgesamt Beiträge von mehr als 10 Milliarden DM entzogen werden, denn der Scheinselbständige nimmt die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung in der Regel, aufgrund der hiermit verbundenen Kosten, nicht wahr. Somit werden der Solidargemeinschaft der Sozialversicherten potentielle Beitragszahler entzogen und die auf dem Umlageverfahren basierenden Finanzsysteme erheblich in ihrer Funktionsfähigkeit beeinträchtigt. Die Folge ist, daß sich die finanzielle Lage der Versicherungen immerfort verschlechtert und diese nur einen Ausgleich finden kann, in dem sie die Beitragssätze von Jahr zu Jahr anheben und soziale Leistungen kürzen. In steuerrechtlicher Hinsicht werden ebenfalls finanzielle Verluste verzeichnet. Hier muß man den verlustigen Vorsteuerabzug nennen und erkennen, daß die Steuerver-schleierungsinteressen nun auf zwei Schultern liegen, die des Arbeitgebers und des Scheinselbständigen, die beide ihre Besteuerung niedrig zu halten versuchen. Die Auswirkung des Steuerverlustes durch diesen Personenkreis lehnen sich an den Auswirkungen für die Sozialversicherung an. Der Steuerzahler muß immer tiefer in die Tasche greifen, da die finanziellen Löcher in der Staatskasse durch Steuererhöhungen aufgefüllt werden. Ein weiteres Problem besteht darin, daß beim Eintritt der sonst in der Sozialversicherung versicherten Risiken, der Selbständige ohne Schutz da steht und als Netz die Sozialhilfe einspringt, welche vom Steuerzahler finanziert wird. Somit kann man zusammenfassend sagen, daß die sozialen Risiken der Scheinselbständigen zu einem erheblichen Teil auf die Allgemeinheit abgewälzt werden.
Der "echte" Arbeitgeber ist in doppelter Hinsicht betroffen, denn die durch die Umgehung der arbeits- und sozialrechtlichen Schutznormen entstehende Kostenentlastung der Unternehmen, welche Scheinselbständige beschäftigen, führt zu einer massiven Wettbewerbsverzehrung. Benachteiligt werden diejenigen Arbeitgeber, die diese gesetzlichen Normen einhalten.
Die skrupellosen Unternehmer steigern durch diese kriminellen Machenschaften ihre Profitmaximierung und als Sekundärwirkung können sie, durch Ihre bessere finanzielle Lage einen geringeren Marktpreis für ihre Produkte kalkulieren. Auf den ersten Blick ist dies natürlich vorteilhaft für die Endverbraucher aber der Kreislauf schließt sich, da ehrliche Arbeitgeber auf diesem Markt schwerer bestehen können und somit echte Beschäftigungsverhältnisse weniger auf dem Arbeitsmarkt zu finden sind. Der finanzielle Vorteil des Kunden gleicht sich langfristig durch steigende Steuermehrbelastungen und Beitragserhöhungen wieder aus. Der erste Blick trügt.
Die folgenden auserwählten Beispiele sollen einen Überblick vermitteln, in welch vielgefächerten Tätigkeitsbereichen das Problem der Scheinselbständigkeit zu finden ist.
In der Lebensmittelindustrie findet man häufig Unternehmen, die Personen "anstellen", welche mit ihrem eigenen Fahrzeug oder gemieteten Fahrzeug des Unternehmens private Haushalte anfahren, um im eigenen Namen und auf eigene Rechnung nur Produkte dieses Unternehmens zu verkaufen.
Krankenpflegeunternehmen übernehmen Pflegeaufträge und führen diese oftmals mit Hilfe freier Mitarbeiter, die als Pflegekräfte beschäftigt sind, aus. Durch die Auftragsannahme sind die Unternehmen verpflichtet Anweisungen über die Durchführung der Pflegetätigkkeit an die "freien Mitarbeiter" zu erteilen. Diese "freien" Pflegekräfte sind somit oftmals an das Unternehmen gebunden.
Die aktuelle Rechtsprechung geht dementsprechend in der Urteilsbegründung davon aus, daß ein freies Mitarbeiterverhältnis in einer Pflegetätigkeit im Krankenbereich nicht wirksam begründet werden kann. Die Leistungen werden regelmäßig in Form von echten Arbeitsverhältnissen erbracht. Gemäß § 75 Abs. 1 SGB XI i. V. m. § 36 Abs. 1 SGB XI wird den Pflegekassen eröffnet, daß Rahmenverträge nur mit solchen Leistungsträgern abzuschließen sind, die die Pflegeleistung durch angestellte Pflegekräfte erbringen.
Das Berufsbild des Pharmaberaters ist sehr vielschichtig. Hier ist sehr genau zu prüfen, ob diese Person selbständig oder abhängig beschäftigt ist. Als Abgrenzungskriterium kann man den § 84 Abs. 1 Satz 2 Handelsgesetzbuch (HGB) heranziehen. Dementsprechend ist ein Pharmaberater abhängig beschäftigt, wenn sein Arbeitsablauf vorgegeben ist und strengen Kontrollen unterliegt. Somit kann nicht mehr von einer freien Gestaltung der Tätigkeit gesprochen werden. Ein weiters Merkmal für ein echtes Arbeitsverhältnis ist gegeben, wenn der Berater seinem Unternehmen mehrmals wöchentlich Berichte darzulegen hat und vorgeschrieben bekommt, wieviel Arztbesuche er zu absolvieren hat und diese protokollieren muß.
Zunehmend findet man im Baubereich Personen, die aus der Europäischen Union und dem übrigen Europa, besonders Osteuropa, stammen. Hierbei tritt immer häufiger das Problem auf, in denen Bauarbeiter angeben, in anderen EU - Staaten als selbständiger Maurer tätig gewesen zu sein um in der BRD als sogenannte "self- employed person" oder "sub- contrac- tors" beschäftigt zu werden. Bei all diesen Personen ist zu prüfen, ob es sich um eine Entsendung im Sinne des Artikel 14a Abs. 1 Nr. 1 Verordnung- (EWG) 1408/ 71 handelt, in diesem Fall würden weiterhin die Rechtsvorschriften des Entsendelandes über die soziale Sicherheit Anwendung finden, oder ob die ausgeübte Tätigkeit als abhängige Beschäftigung anzusehen ist.
Die sogenannte Scheinselbständigkeit spielt in der aktuellen sozialpolitischen Diskussion eine erhebliche Rolle. Beleg hierfür ist der von der SPD - Fraktion eingebrachte "Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit". Um dieses Problem wirksam bekämpfen zu können, benötigt man vorerst ausreichend sichere Daten über deren Umfang und Entwicklung. Diese Ausgangsinformationen fehlten, so daß das Bundesarbeitsministerium Ende 1993 mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit (IAB) die Erstellung einer breit angelegten Untersuchung vereinbarte.
Ob eine Tätigkeit rechtlich als selbständige Tätigkeit oder ob eine Person eine abhängige Tätigkeit leistet und deshalb eventuell nur "zum Schein" selbständig arbeitet, hängt von der Definition des Arbeitnehmerbegriffs und der des Selbständigen ab.
Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) legt eine Abgrenzung zu Grunde, die sich vor allem auf die persönliche Abhängigkeit bezieht. Für den Regelfall ist eine Einteilung auf dieser Grundlage eindeutig möglich. Es gibt aber auch Grenzbereiche, sogenannte Grauzonen, in denen fraglich ist, ob jemand zum Personenkreis eines Selbständigen oder eines Arbeitnehmers anzusiedeln ist. Die Rechtsprechung betont, daß die Abgrenzung eine Sache des Einzelfalls unter Gesamtwürdigung aller Umstände sei. In den Fragen, die bei den Interviews zur empirischen Erhebung verwendet wurden, sind alle vom BAG als beachtlich genannten Kriterien aufgenommen. Bei der Auswertung wurden die Merkmale danach geordnet und gewichtet, wie sie in der bisherigen Rechtsprechung überwiegend als maßgebend erschienen sind. Da bisher keine verbindliche Definition vorliegt, wurden dem "BAG- Modell" zwei weitere Modelle an die Seite gestellt. Das "Alternativmodell", in dem als Leitbegriff das Unternehmerrisiko herrscht und das "Verbandsmodell", in dem als Leitbegriff die Versicherungspflicht zu finden ist. Somit bekommt man einen Überblick, welche Zahlenverhältnisse sich nach dem einen oder anderen Modell ergeben. Folgend sind tabellarisch die zentralen Kriterien der drei arbeits- sozialrechtlichen Konzepte zur Abgrenzung von abhängiger und selbständiger Erwerbstätigkeit aufgezeigt.
Tabelle I [IAB2]
6.1.2
Empirische Erhebung
Im zweiten Halbjahr 1992 wurden insgesamt 21486, nach einem statistischen Zufallsverfahren ausgewählte Personen aus der deutschsprachigen Wohnbevölkerung im Alter von über 14 Jahren, befragt.
In einem ersten Erhebungsschritt wurden die Erwerbstätigen identifiziert, die in der Grauzone von selbständiger und abhängiger Tätigkeit angesiedelt waren (vergleiche Tabelle II). Dabei wurden diejenigen Personen der Grauzone zugeordnet, die hinsichtlich ihrer Haupterwerbstätigkeit oder Nebentätigkeit sowohl Merkmale einer selbständigen Erwerbstätigkeit, als auch Merkmale einer abhängigen Beschäftigung aufwiesen (vergleiche Tabelle III).
Tabelle II [IAB2]
Personen in der Grauzone von selbständiger und abhängiger Erwerbsarbeit |
Anteile in % |
Anteil aller Personen, die der Grauzone zugerechnet werden, an der Wohnbevölkerung ab 14 Jahren ( = Grundgesamtheit ) |
|
darunter: | |
Anteil der Erwerbstätigen, die hinsichtlich ihrer Haupterwerbstätigkeit der Grauzone zugerechnet werden an allen Erwerbstätigen aus der Grundgesamtheit |
|
Anteil der Erwerbstätigen, die hinsichtlich einer Nebentätigkeit der Grauzone zugerechnet werden an allen Erwerbstätigen aus der Grundgesamtheit |
|
Anteil von Nichterwerbstätigen einschließlich Arbeitsloser, die hinsichtlich einer Nebentätigkeit der Grauzone zugerechnet werden an allen Nichterwerbstätigen einschließlich Arbeitslosen aus der Grundgesamtheit |
|
Grundgesamtheit: Deutschsprachige Wohnbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland im Alter ab 14 Jahre (Berechnet auf der Basis einer repräsentativen Stichprobe: N = 21,486)
Tabelle III [IAB2]
Nach der Auswertung des BAG- Modells, sowie des Alternativmodells - aufgrund des hohen Anteils der nicht zuordnungsfähigen Fälle wurde das Verbandsmodell nicht weiter berücksichtigt - kommt man zu folgendem Ergebnis: Entsprechend den Befunden der Studie sind insgesamt 2,9 % aller Erwerbstätigen hinsichtlich ihrer Haupt-erwerbstätigkeit der Grauzone von selbständiger und abhängiger Erwerbstätigkeit zuzuordnen. Dabei werden nach dem BAG- Modell 0,6 % aller Erwerbstätigen als eindeutig abhängig Beschäftigte eingestuft, obgleich ihnen die Arbeitnehmereigenschaft in der Praxis nicht zugestanden wird (Scheinselbständige). Das Alternativmodell kommt demgegenüber auf einen Anteil von 1,3 %. (siehe hierzu Tabelle IV)
Fehler! Keine gültige Verknüpfung.Tabelle IV [IAB1]
Durch die IAB- Studie konnte man einen Überblick über das Ausmaß des Phänomens der Scheinselbständigkeit erlangen. Um dieses Problem erfolgreich bekämpfen zu können, muß man Schwachstellen im heutigen System aufdecken, die es ermöglichen, daß Scheinselbständige sich in Grauzonen bewegen können ohne erfaßt oder verfolgt zu werden. Rechtlich ist es derzeit vergleichsweise einfach, einen normalen Arbeitsplatz auszulagern und daraus einen "Auftragsvergabe - Platz" zu machen. In § 7 SGB VI ist festgelegt, daß als Arbeitnehmer gilt, wer nicht selbständig tätig ist. Arbeitnehmer gehen dazu in der Regel ein Arbeitsverhältnis ein. Der Arbeitnehmerbegriff ist somit im Gesetz nicht eindeutig spezifiziert worden, sondern nur als ex negativo definiert. Das Land Brandenburg hat sich mit diesem Problem beschäftigt und einen Gesetzesentwurf dem Bundesrat zugeleitet. Zentrale Vorschrift in diesem Entwurf ist die Definition des Arbeitnehmerbegriffs.
In [DAngVers1] findet man eine treffende Erläuterung dieses Paragraphen:
"In § 2 Abs. 1 wird bei der Arbeitnehmerdefinition auf die persönliche weisungsgebundene Dienstleistung aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages abgestellt, ohne das die betreffende Person selbständig am Markt auftritt. Ganz entscheidendes Abgrenzungskriterium soll sein, ob unternehmerische Risiken und Chancen wahrgenommen werden. Abs. 2 enthält sowohl eine unwiderlegbare als auch eine widerlegbare Vermutung. Bei Weisungsabhängigkeit wird unwiderleglich die Arbeitnehmereigenschaft vermutet. Die widerlegbare Vermutung knüpft dagegen an typische Merkmale unternehmerischer Tätigkeit wie eigene Mitarbeiter und eigenes Betriebskapital an. Fehlt eine der beiden genannten Voraussetzungen, wird die Arbeitnehmerschaft vermutet. Der Auftraggeber ist dann darlegungs- und beweispflichtig, daß es sich entgegen der Vermutungswirkung um kein Arbeitsverhältnis handelt."
Der Abs. 3 entspricht dem § 5 Abs. 1 Satz 3 des Arbeitsgerichtsgesetz und der Abs. 4 besagt, daß in Heimarbeit beschäftigte als Arbeitnehmer gelten.
Arbeitnehmer
Arbeitnehmer ist, wer persönlich aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages weisungsgebunden für einen anderen Dienste leistet, ohne aufgrund freiwillig übernommenen Unternehmerrisikos selbständig am Markt aufzutreten. Auch die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten sind Arbeitnehmer.
Kann jemand nicht im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen, wird unwiderlegbar vermutet, daß er Arbeitnehmer ist. Arbeitet jemand ohne eigene Mitarbeiter oder ohne eigenes Betriebskapital für einen anderen, so wird vermutet, daß er Arbeitnehmer ist.
Personen, die von einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrages allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zu deren Vertretung berufen wurden, und Beamte sind als solche keine Arbeitnehmer.
Die in Heimarbeit Beschäftigten sind Arbeitnehmer. Auf sie finden die Vorschriften dieses Gesetzes Anwendung, soweit das Heimarbeitsgesetz nichts Abweichendes bestimmt."
Einen Schritt weiter gedacht wäre es sicher auch sinnvoll, den Begriff Unterauftrag-nehmerverhältnis gesetzlich zu regeln, ähnlich wie der Handelsvertreter im HGB gesetzlich geschützt und abgesichert ist. Hier ist z.B. sogar eine Mindestvergütung vorgesehen und durchaus erlaubt, daß er nur für einen Auftraggeber tätig sein kann oder darf.
Auch wenn im Gesetz der Arbeitnehmerbegriff und das Unterauftragnehmerverhältnis speziell definiert wurden und somit die Abgrenzung zwischen Selbständigkeit und Beschäftigung genauer umrissen wäre, müßte es Kontrollmöglichkeiten geben, mit denen eine unzulässige Auslagerung von "echter Beschäftigung" unterbunden werden könnte. Derzeit ist dies weit gefehlt. Auf der Ebene der Behörden gibt es nur zwei Ansatzpunkte eine Kontrolle durchzuführen. Zum einen die Gewerbeanmeldung bzw. die Gewerbeaufsicht sowie die Einzugsstellen für die Beiträge zur Sozialversicherung. Die Einzugsstellen waren bis vor kurzem die Krankenkassen, welche nur in engen Grenzen Interesse daran hatten, einem möglichen Mißbrauch entgegenzutreten, denn beim Personenkreis der Selbständigen handelt es sich nicht immer um "günstige" Risikogruppen. .Außerdem wird sich doch ein großer Teil der Betroffenen freiwillig gesundheitlich abgesichert haben, denn das Risiko der Krankheit ist das Greifbarste und Naheliegendste. Künftig wird der Beitragseinzug und die Überwachung auf die Rentenversicherung übergehen und erst dann kann mit Fortschritten in der Aufdeckung rechnen, da die Rentenversicherung aber auch die Arbeitslosenversicherung die größten Verluste hinnehmen muß. Die Kontrollmöglichkeiten der Gewerbeaufsicht sind ebenfalls unzureichend. Eine Kontrolle kann man nur bei Gewerbean- bzw.
Gewerbeummeldungen ansetzen, da die Tätigkeit so am ehesten als möglicherweise scheinselbständig zu identifizieren ist. Dies wäre allerdings mit einem erheblichen Kontrollaufwand verbunden und Franchise- Systeme sowie schon vorhandene Scheinselbständigkeit sind dadurch nicht zu erfassen. Diese könnte man mit Steuerprüfungen aufdecken. Die Finanzbehörden haben aber leider weder Kapazitäten noch übergroßes Interesse an einer Prüfung auf mögliche Scheinselbständigkeiten. Derzeit sieht die Prüfsituation so aus, daß Klein- und Kleinstbetriebe aller 50 Jahre einmal geprüft werden. Somit kann von einem Prüfrhythmus keine Rede sein, und von Seiten der Finanzbehörden kann keine große Hilfe erwartet werden.
Als weiteres Bekämpfungs- oder Aufdeckungsorgan wäre noch die Arbeitsgerichtsbarkeit zu nennen. Da es aber bisher noch keine einheitliche Rechtsprechung gibt, ist dies auch keine geeignete Instanz. An dieser Stelle könnte der Gesetzesentwurf der SPD- Fraktion hilfreich sein. Das Ziel dieses Entwurfes ist es, Scheinselbständige einfacher und eindeutiger als das zu erkennen, was sie tatsächlich sind- abhängig Beschäftigte. Hierzu stellte die SPD einen Kriterienkatalog für nicht selbständige Arbeit auf und für die Entscheidung ob ein Beschäftigungsverhältnis anzunehmen ist, ist eine Gewichtung und Gesamtbetrachtung aller Umstände maßgebend. Als zweiter Punkt gilt dazu die Beweislastumkehr, welche besagt, daß bei Vorliegen von mindestens zwei der Kriterien, die für eine nichtselbständige Arbeit sprechen, ausreichende Anhaltspunkte bestehen, um die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses zu rechtfertigen. In diesem Fall ist der Arbeitgeber oder Beschäftigte in Zugzwang nachzuweisen, daß im konkreten Fall eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Die Gesetzesentwürfe der SPD und des Landes Brandenburgs würden auf jeden Fall für die Beurteilung des problematischen Personenkreises einen konkreten Anhaltspunkt geben und die gerichtliche Instanz hätte somit einen einheitlichen Rahmen für die Rechtsprechung. Natürlich würden die Betriebsprüfer der Rentenversicherung ebenfalls durch eine konkretere gesetzliche Regelung erhebliche Vorteile bei ihrer Arbeit haben.
Meiner Meinung nach werden die vorgenannten Definitionsvorschläge aber nicht zu befriedigenden Ergebnissen führen. Für einen möglichen Weg zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit, halte ich die grundsätzliche Versicherungspflicht bestimmter Personenkreise unterhalb einer bestimmten Einkommensgrenze und ihrer Versicherungsfreiheit bei Überschreiten dieser Grenze. Dies würde den Schutzgedanken, der dem Sozialversicherungsrecht verinnerlicht ist, deutlicher in den Vordergrund stellen. Die Schutzbedürftigkeit einer Person hängt weniger davon ab, ob sie von einer anderen Person persönlich abhängig ist sondern vielmehr davon, ob sie finanzielle Mittel besitzt, sich gegen Gefahren bzw. Risiken im Leben (wie z. B. Krankheit, Verlust der Erwerbsfähigkeit, Arbeitslosigkeit, Alter usw.) selbst abzusichern oder ob sie auf die Hilfe der Solidargemeinschaft in diesen Fällen angewiesen ist. Immerhin hat der Gesetzgeber schon hinsichtlich dieser Gedankengänge bestimmte Selbständige als besonders schutzbedürftig im § 2 SGB VI in der Rentenversicherung und in § 5 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB V definiert, bei denen immer die Versicherungspflicht unterstellt wird. Wären somit nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch selbständig Tätige, die lediglich nur einen Gewinn bis zu einer definierten Höhe, welche die Risiken des Lebens noch nicht absichern kann, von Gesetzes wegen versicherungspflichtig, wäre die Diskussion um Scheinselbständige entbehrlich.
Dabei wird es sicherlich nicht einfach sein, den Gewinn der Selbständigen festzustellen. Hier kommt der Selbständige aber selber in die Zwickmühle, denn die vorzulegende Bilanz oder Gewinn- Überschußberechnung ist ebenfalls Grundlage für das steuerliche Heranziehen. Deshalb wird der eventuelle Wunsch des Selbständigen, nicht dem Schutz der Sozialversicherung zu unterstehen und aus diesem Grund einem über einer festzulegenden Einkommensgrenze liegenden Gewinn auszuweisen, mit dem Bestreben kollidieren, an das Finanzamt nicht zu viele Steuern auf dieses Einkommen zu zahlen, das heißt, nicht nur wegen der Versicherungsfreiheit einen zu hohen Gewinn feststellen zu lassen. Somit regelt sich dieses Problem zum größten Teil im Selbstgang. Hinsichtlich der Vermeidung eventueller finanzieller Härten, die auf die Personen, welche dann neu in die Versicherungspflicht der Rentenversicherung aufgenommen werden, durch die zusätzliche Beitragszahlung zukommen könnte, da sie in ihrer Lebensplanung nicht berücksichtigt werden konnten, sollte man eine befristete Befreiungsmöglichkeit einräumen.
Für einen weiteren sinnvollen Schritt halte ich, eine zielstrebigere und effizientere Verfolgung der Scheinselbständigkeit. Die Verfolgung der Beitragshinterziehung durch den Staat ist noch völlig unterentwickelt. Bei der Polizei, den Ordnungsämtern und Staatsanwaltschaften fehlt dazu entsprechend geschultes Personal. Dies muß sich ändern. Weiterhin ist es notwendig, daß auch den staatlichen Organen die Möglichkeit gegeben wird, Prüfungen von Unterlagen der Unternehmen auf den Tatbestand der Beitragshinterziehung hin ohne Anfangsverdacht vorzunehmen, sowie dies nach §§ 304 bis 306 AFGR der Bundesanstalt für Arbeit jetzt schon möglich ist.
Ebenfalls sollte man die Einführung einer subsidären Haftung des Auftraggebers für nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge bei der Einschaltung von Subunternehmern vorsehen. Eine Rechtfertigung findet man daher, daß der Auftraggeber derjenige ist, der die Vorteile eines bestimmten Sachverhaltes- hier die arbeitsteilige Einschaltung von Subunternehmern- genießt, auch für die daraus entstehenden Nachteile einzustehen hat. Dieser Gedanke steht auch konform zum Gesetzesentwurf der SPD- Fraktion. Eine effizientere Verfolgung könnte im großen Maße besser gelingen, wenn Institutionen, die mit dem Problem der Scheinselbständigkeit in Berührung kommen, zusammenarbeiten. Hier wären folgende Institutionen zu nennen:
Hauptzollamt, Arbeitsamt, Landeskriminalamt, Staatsanwaltschaft beim Landgericht, Wirtschafts- und Ordnungsamt, Krankenkasse, Künstlersozialkasse, Steuerfahndung und Rentenversicherungsträger. Ein probates Mittel zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit wären, gemeinsame Aktionen der verschiedenen Behörden. Auf diese Weise lassen sich die unterschiedlichen Kompetenzen der einzelnen Behörden zweckdienlich vereinigen, z. B. der Zoll- das Betretungsrecht, das LKA- die Personalfeststellung und in Gewahrsamnahme, die Steuerfahndung- die Beschlagnahme, die SV- Träger- die versicherungsrechtliche Beurteilung und Schadensermittlung. Solch ein ineinander verstricktes Netz hätte sicher einige Erfolgschancen. Man sollte nie aus den Augen verlieren, daß das Hinterziehen von Sozialversicherungsbeiträgen eine Straftat ist, für die bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug drohen. Verurteilungen gibt es in dieser Hinsicht derzeit aber nur in geringem Maße. Es kommt allenfalls zu Bußgeldbescheiden. Vielleicht sollte man zukünftig härtere Maßstäbe ansetzen und konsequenter das geltende Recht anwenden.
Als weiteren Ansatz sollte man natürlich auch den Arbeitnehmer in Person einmal näher beleuchten. Die Situation des Auftragnehmers ist in fast allen Branchen gleich. Sie ist geprägt durch die wirtschaftliche Abhängigkeit, häufig durch eine schlecht Aus- und Weiterbildung sowie einer allgemeinen Gutgläubigkeit und einem Informationsmmangel. Das daraus resultierende Ungleichgewicht zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer wird im täglichen Umgang miteinander oft mißbraucht, da es den Auftraggebern durch die Hilflosigkeit und die direkte Abhängigkeit ihrer Partner sehr einfach gemacht wird. Somit ist die Schlußfolgerung klar: Der Auftragnehmer muß dringend kaufmännisches Grundwissen erwerben, Kenntnisse über Buchhaltung, Steuer- und Arbeitsrecht usw. Mit diesen Kenntnissen wird er gegenüber dem Auftraggeber selbstbewußter und damit eher als gleichwertiger Partner anerkannt. Er muß weg von seiner Existenzangst welche das größte Druckmittel des Auftraggebers ist, aufhören gutgläubig in die Welt zu schauen und sich eine Informationsbasis schaffen und somit über Wissensaneignung zum vollwertigen Partner werden. Vor allem muß er sich seiner Stellung als unabhängiger Unternehmer innerhalb des Systems bewußt werden, das ohne ihn nicht funktionieren könnte. Der Auftragnehmer müßte in öffentlich angebotenen Seminaren die Chance bekommen sich dieses Wissen anzueignen. Die SV - Träger wären somit gut beraten , ein großes Stück mehr hinsichtlich der Aufklärungsarbeit und Schulung zu tun - ein Aufwand, der sich mit Sicherheit rentieren wird.
Zusammenfassend kann man sagen, nur über den Weg, die vorhandenen rechtlichen Grauzonen zu schließen und den lange bestehenden wirtschaftlichen Gegebenheiten auch tatsächlich Rechnung zu tragen, läßt sich die Scheinselbständigkeit dauerhaft verhindern und abbauen.
Es ergibt sich folgender Handlungsbedarf:
Die
Einführung einer allgemeinen Sozialversicherungspflicht für eine
Mindestversorgung aller Erwerbstätigen. Man kann darüber nachdenken, die
Arbeitslosenversicherung für bestimmte Formen der neuen Erwerbstätigkeiten zu
öffnen.
Die
gesetzliche Verankerung des Unterauftragnehmers, analog zu Handelsvertreter.
Hierdurch erhält der Auftragnehmer einen besseren Schutz und kann dem
Auftraggeber auf einer gleichberechtigt partnerschaftlichen Basis gegenüber
treten. Der Gesetzgeber müßte also durch eine klare legislative Regelung
Sicherheit für den Auftragnehmer schaffen.
Die
Einführung von gewerblichen Zugangsvoraussetzungen statt einer einfachen
Gewerbeanmeldung. Dazu gehört der Nachweis allgemeiner Kenntnisse der
Betriebsführung. Der Auftragnehmer würde sich somit durch Aus- und
Weiterbildung Selbstsicherheit schaffen.
Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten bzw. Straftaten muß effizienter, zielstrebiger und in Zusammenarbeit realisiert werden.
Quellenverzeichnis
[ST1] Studientext Nr.1
(Sozialversicherung)
Reihe "Gesetzliche Rentenversicherung"
Studientexte für
Fachangestellte
Herausgeber: VDR
[IAB1] Werkstattbericht des Institutes für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit in
Nürnberg 7/1996
[IAB2] Forschungsbericht des Institutes für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit in
Nürnberg
[DAngVers1] Zeitschrift der BfA
Amtliches Veröffentlichungsblatt
Jahrgang 44
vom Februar 1997
SGB
IV
33. Auflage vom November 1996
BfA/LVA im Verband Deutscher Rentenversicherungsträger
SGB
V
33. Auflage vom November 1996
BfA/LVA im Verband Deutscher Rentenversicherungsträger
SGB
VI
33. Auflage vom November 1996
BfA/LVA im Verband Deutscher Rentenversicherungsträger
SGB
XI
33. Auflage vom November 1996
BfA/LVA im Verband Deutscher Rentenversicherungsträger
"Sozialversicherungskunde"
aus Schriftenreihe der Zeitschrift "Wege zur Sozialversicherung"
Uwe Dammann
Asgard Verlag Sankt Augustin in der 3. Auflage
Studientext
Nr. (Sozialversicherung) Reihe "Gesetzliche Rentenversicherung" Studientexte
für Fachangestellte Herausgeber: VDR
Arbeitsförderungsgesetz
(AFG)
aus: Beck - Texte im dtv C.H. Beck - Verlag München 1996
Handelsgesetzbuch
(HGB)
aus: Beck - Texte im dtv C.H. Beck - Verlag München 1995
Reichsversicherungsordnung
(RVO)
aus: "Sozialgesetzbuch mit aktuellen Nebengesetzen"
33. Auflage vom November 1996
BfA/LVA im Verband Deutscher Rentenversicherungsträger
Forschungsbericht
"Empirische Befunde zur Scheinselbständigkeit' Institut für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung 1996
"Die
Angestelltenversicherung" Zeitschrift der BfA; Jahrgang 44 vom Februar 1997
Die
sozialrechtlichen Abgrenzungskriterien der"Abhängigkeit/Selbständigkeit/
Scheinselbständigkeit' und die Folgen der Einstufung als Selbständiger bzw.
abhängig Beschäftigter
Dr. Jürgen Brand in Zeitschrift für Sozialreform Nr.6/1996
Gesetzentwurf der SPD zur"Bekämpfung der Scheinselbständigkeit" Deutscher Bundestag; Drucksache 13/6549 vom 1 1. 12.1996
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