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Das Wort Politik stammt aus dem griechischem und bedeutet soviel wie Staatskunst .
Ursprünglich war Politik die Lehre von der Verfassung einer Polis, welche die
wichtigste Staatsform der Griechen und die Hauptträgerin der klassischen griechischen
Kultur gewesen ist .
Heutzutage ist Politik hauptsächlich eine Gemeinschaftsgestaltung, die auf die Durchsetzung von Vorstellungen zur Ordnung sozialer Gemeinwesen und auf die Verwirklichung von Zielen und Werten gerichtet ist .
Zu den Grundelementen der Politik gehören die Macht[1], die Gestaltungskraft und letztlich das Bestreben nach Wertverwirklichung (Gerechtigkeit, Freiheit, Frieden) .
Ausgehend von dem wichtigsten Gestaltungsobjekt, dem "Staat", wird vor allem jedes auf den Staat bezogene und in seinem Namen vollzogene Handeln als Politik verstanden .
Handlungsträger können außer dem Staat, aber auch Parteien, Verbände,
Gewerkschaften, etc. sein .
Ziel politischen Handelns ist es, mehr Macht zu erlangen bzw. die staatliche Herrschaft auszuüben oder zu beeinflussen .
Demgemäß wird zwischen Innenpolitik und Außenpolitik unterschieden .
Allgemein ist eine Partei ein Zusammenschluß von Menschen gleicher oder ähnlicher politischer, sozialer, wirtschaftlicher und weltanschaulicher Willensrichtung, um sich im staatlichen Leben Einfluß zu verschaffen.
Wer in einer Partei mitarbeitet, verschafft sich über die Wahlen hinaus die Möglichkeit, auf die politische Auseinandersetzung Einfluß zu nehmen . Mit dem Satz "Die Parteien wirken an der politischen Willensbildung mit", unterstreicht das Grundgesetz Art.21[2] die Bedeutung der Parteien als politische Entscheidungsträger .
Hauptcharakteristikum einer politischen Partei ist ihre Organisation, welche die sozialen und
politischen Ideen ihrer Mitglieder zielführend bündelt, um wirtschaftliche, soziale und
staatliche Ordnungsprinzipien durch die Übernahme von Regierungsverantwortung
zu realisieren .
Die Ziele einer Partei werden in ihrem Programm[3], die Strategie zu deren Durchsetzung in so genannten Wahlplattformen formuliert .
Mitglieder bzw. die von ihnen gewählten Funktionäre einer Partei sind generell bereit, Funktionen im Staatsapparat auf jeder Ebene[4] zu übernehmen.
In den USA und einigen anderen Staaten gibt es keine Mitgliederparteien mit förmlichem Beitritt, Mitgliedsbeitrag und -aktivitäten, sondern "offene" Parteien.
Die staatsrechtliche Stellung der Parteien wird in den jeweiligen Landesverfassungen
geregelt. In demokratisch[5] verfaßten, d. h. rechtsstaatlichen Ländern der Erde sind normalerweise nur solche Parteien zugelassen, die sich zu demokratischen
Grundsätzen bekennen . Parteien in Diktaturen sind, wenn sie nicht der
unterdrückten Opposition angehören, in der Regel Macht- und Interessenkartelle, die nur
pro forma den Begriff in ihren Namen tragen, aber nichts mit demokratischen Organisationen
gemein haben .
Parteien können konfessionell oder weltanschaulich, interessenorientiert oder regional ausgerichtet sein . Der Parlamentarismus kennt im Wesentlichen zwei Hauptrichtungen: Beharrungs-Parteien (konservative[6] oder monarchistische[7]) und
Bewegungs-Parteien (republikanische, liberale[8], sozialistische[9] bzw. sozialdemokratische, kommunistische und ökologische) .
Neben den reinen Weltanschauungsparteien und Klientelparteien gibt es Volksparteien,
die verschiedene Interessen unterschiedlicher sozialer Gruppen zu einem gemeinsamen Programm zusammenzubinden versuchen.
Politische Parteien gab es bereits in der Antike. Die Entwicklung der modernen Parteien als festgefügte Körperschaften war im allgemeinen ein Vorgang des 18. Und 19. Jahrhunderts, der stark vom Beispiel des englischen politischen Lebens beeinflußt war, wo sich zuerst im
18. Jahrhundert Tories und Whigs als relativ feste Parteien herausbildeten, die geschlossen zu bestimmten politischen Fragen Stellung nahmen und sich in der Staatsführung
ablösten (Zweiparteiensystem). Schärfer umrissene Parteigruppen bildeten sich in den amerikanischen Unabhängigkeitskämpfen und in der Französischen Revolution .
In Deutschland entstanden die ersten Parteien während der Revolution von 1848 .
In den Jahren danach bildeten sich vier politische Hauptrichtungen heraus :
Die konservativen Parteien, die bürgerlichen bzw. liberalen Parteien, das katholische Zentrum und die Sozialdemokratie[11], von der sich im Laufe des Ersten Weltkrieges und endgültig 1919 die Kommunistische Partei abspaltete .
Die heutige Bedeutung erreichten die Parteien jedoch erst mit der mit der Einführung des parlamentarischen Regierungssystems und des allgemeinen und gleichen Wahlrechts
im Jahre 1918 . In der Weimarer Republik[13] gab es eine Vielzahl von Parteien .
Dies lag nicht zuletzt am derzeitigen Verhältniswahlrecht .
Dadurch gelang es auch kleinen Parteien, bereits mit geringen Wählerstimmen Abgeordnete ins Parlament zu schicken .
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten und deren Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei 1933 wurden die anderen Parteien verboten .
Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches 1945 bildeten sich, mit Erlaubnis der Siegermächte, wieder verschiedene Parteien .
In der sowjetischen Besatzungszone schlossen sich im April 1946, unter dem Druck der sowjetischen Besatzungsmacht, die Kommunistische Partei und die dortige Sozialdemokratische Partei zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) zusammen.
Die meisten Sozialdemokraten in den westlichen Zonen lehnten diesen Zwangszusammenschluß ab . Vor allem Kurt Schumacher[14] unternahm alles, um eine solche Vereinigung zu verhindern . Dies gelang ihm aber nur in den westliche Zonen .
Mit Gründung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands[15], die in einzelnen Städten und Orten bereits im April und im Mai 1945 vollzogen wurde, konnte an die Tradition der Partei aus den Jahren vor 1933 angeknüpft werden .
Neu war dagegen die Christlich-Demokratische Union (CDU) . In ihr sammelten sich ehemalige Mitglieder des Zentrums, der konservativen und z.T. auch liberalen Parteien .
Dabei spielte der Gedanke der Union, Christen beider Konfessionen zusammenzufassen, eine tragende Rolle. In der Partei setzte sich Konrad Adenauer (1876-1967), der spätere Bundeskanzler, als Parteiführer durch. In Bayern entstand gleichzeitig als christliche Partei die Christlich-Soziale Union (CSU), die nur in diesem Bundesland zur Wahl antritt und mit der CDU im Bundestag bisher eine gemeinsame Fraktion gebildet hat .
Liberale Politiker sammelten sich in der Freien Demokratischen Partei (FDP) .
Auch in ihr waren zu Beginn Politiker tätig, die schon vor 1933 in den Liberalen Parteien aktiv gewesen waren, so z.B. Theodor Heuss (1884-1963), der spätere erste Bundespräsident .
Im ersten Deutschen Bundestag 1949 waren 12 Parteien vertreten .
Inzwischen hat sich ihre Zahl auf fünf Parteien in vier Fraktionen verringert .
Dafür waren vor allem folgende Gründe ausschlaggebend :
Durch die Einführung der Fünf-Prozent-Klausel im Bundeswahlgesetz wurde den kleineren Parteien der Zugang zum Parlament erschwert .
Auf Grund des in Artikel 21, Abs. 2 des Grundgesetzes vorgesehenen Verbots von Parteien[16], die nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, wurden 1952 die neonazistische Sozialistische Reichspartei und 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands durch das Bundesverfassungsgericht verboten .
Da im Gegensatz zur Weimarer Republik[18] die Wirtschafts-, Sozial- und Staatsordnung der Bundesrepublik sich als relativ stabil erwies, gab es bislang kaum Ansatzpunkte für die Bildung neuer Parteien .
Den GRÜNEN, die sich als neue Partei aus Bürgerinitiativen für Umweltschutz und Teilen der Friedensbewegung gebildet haben, ist es gelungen, in den 70er Jahren in die meisten Landtage und 1983 in den Bundestag einzuziehen .
Heute erheben die Partei den Anspruch, Volksparteien zu sein, d. h. ihre Mitglieder und ihre Wähler kommen aus allen Gruppen der Bevölkerung .
Die Parteien haben im politischen System der Bundesrepublik Deutschland eine besondere Stellung : Als einzige Organisation, in der sich Bürger zur Durchsetzung ihrer politischen Interessen zusammenschließen können, werden sie im Grundgesetz hervorgehoben .
In Art. 21(1) wird ihnen die Aufgabe zugewiesen, " bei der politischen Willensbildung
des Volkes " mitzuwirken . Das heißt im einzelnen :
Parteien sind Organisationen, mit denen Bürger ihre Interessen aussprechen und an der Gestaltung des politischen Lebens teilnehmen .
Sie sollen Probleme, die politisch gelöst werden müssen, in der Gesellschaft feststellen und öffentlich darstellen und Lösungen dafür vorschlagen . Dabei treten sie mit den anderen Parteien in Wettbewerb .
Über ihre Mitglieder hinaus werben sie für ihre politischen Programme, besonders vor Wahlen, in denen sie die Grundzüge ihrer Politik darstellen .
Parteien beteiligen sich an der politischen Willensbildung, um politische Macht ausüben zu können . Zu diesem Zweck schlagen sie der Öffentlichkeit Kandidaten für die Wahlen zum Europäischen Parlament, im Bund, den Ländern und den Gemeinden vor .
Damit sind die Parteien entscheidend bei der Auswahl der politischen Führungselite auf den unterschiedlichen Ebenen des politische Systems beteiligt .
Ziel einer Partei oder einer Gruppe verwandter Parteien ist es, die Mehrheit im Parlament zu erhalten und damit den politisch beherrschenden Einfluß zu gewinnen .
Ihre Gegner im Parlament sind dann die im Wahlkampf unterlegenen Oppositionsparteien . Das Wechselspiel der Parteien ist eine der Grundvoraussetzungen des modernen Verfassungslebens, besonders des parlamentarischen Systems .
Die Parteien sind bestrebt, durch Beeinflussung der öffentlichen Meinung,
durch Gewinnung neuer Anhänger (Propaganda) und durch Verfechtung ihrer Ziele in den Parlamenten und anderen öffentlichen Körperschaften ihre Zwecke zu erreichen .
Die nötigen Mittel werden durch Beiträge und Spenden der Mitglieder und sympathisierender Kreise aufgebracht, manchmal auch erzwungen . Dazu gibt es in der Bundesrepublik
Deutschland auch staatliche Zuschüsse zu den Wahlkampfkosten der Parteien.
Die einheitliche und möglichst wirkungsvolle Leistung der Partei zu sichern ist vor allem eine Frage der Parteidisziplin, was eine Frage der inneren Geschlossenheit ist, die nicht selten auch durch äußerliche Mittel (z.B. Fraktionszwang) gesichert wird. Abweichungen von der Parteilinie können zum Ausschluß aus der Partei führen.
Nach dem Grundgesetz sind in der Bundesrepublik Deutschland Parteien verboten, die nach ihrem Wesen, ihrer Organisation und Zielsetzung oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden suchen, ferner Parteien, die nationalsozialistische oder antisemitische Ziele verfolgen .
Sie verfallen der Auflösung, wenn das Bundesverfassungsgericht ihre Verfassungswidrigkeit festgestellt hat .
Falls, durch das Bundesverfassungsgericht, eine Verfassungswidrigkeit festgestellt wird,
wird die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtete Partei (Art. 21 GG) umgehend aufgelöst, und eine Gründung von Ersatzorganisationen verboten. Das gesamte Vermögen der Organisation kann zugunsten der Bundes- oder Landeskasse für gemeinnützige Zwecke eingezogen werden.
Den Antrag auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit einer Partei kann der Bundestag, der Bundesrat oder die Bundesregierung stellen.
Seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland wurden bislang zwei Parteien, die Sozialistische Reichspartei und die Kommunistische Partei Deutschlands[19], für verfassungswidrig erklärt.
Das Parteiengesetz ist ein, auf der Grundlage von Artikel 21 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, zuerst 1967 verabschiedetes Gesetz, das gemeinsam mit dem
Grundgesetz und dem Bundeswahlgesetz den rechtlichen Rahmen für das bundesdeutsche Parteiensystem absteckt.
Das Parteiengesetz regelt die allgemeinen Bestimmungen des Grundgesetzes durch genauere
Festlegungen. Die wichtigsten Aussagen, auf welche Weise die Parteien bei der
"politischen Willensbildung" konkret mitwirken sollen, sind :
Parteien sind ein durch die Verfassung geschützter Bestandteil der freiheitlichen
demokratischen Grundordnung .
Eine Organisation ist erst dann eine Partei, wenn sie sich dauernd, und nicht nur
momentan, an der politischen Willensbildung beteiligt .
Beteiligen sich Parteien dauerhaft an der politischen Willensbildung, erfüllen sie eine
wichtige öffentliche Aufgabe .
Parteien sind verpflichtet, die Ziele, die sie in der Politik verwirklichen wollen, in politischen Programmen[20] festzulegen und
damit offen auszuweisen .
Derzeit gilt die Fassung vom 31. Januar 1994 .
Die Neufassung des bis dahin in der Fassung vom 3. März 1989 gültigen Parteiengesetzes war nötig geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht die bis dahin gängigen Regelungen der staatlichen Parteienfinanzierung[21] 1992 für zum Teil verfassungswidrig erklärt hatte .
Die neue Regelung sieht vor, daß den Parteien vom Staat zur Wahrnehmung ihrer sich aus dem Grundgesetz ergebenden Aufgaben eine Teilfinanzierung gewährt wird . Diese bemißt sich nach dem Aufkommen an Mitgliedsbeiträgen, den eingenommenen Spenden sowie dem Wahlerfolg bei Landtags-, Bundestags- und Europawahlen .
Innerhalb einer Demokratie[22], etwa der Bundesrepublik Deutschland, benötigen die um die Macht konkurrierenden Parteien hohe Summen insbesondere, um parteiliche Öffentlichkeitsarbeit und Wahlkämpfe zu gestalten und um hauptamtliche Mitarbeiter zu beschäftigen. Neben Mitgliedsbeiträgen, Sonderabgaben der Mandatsträger und Spenden erhalten die Parteien auch staatliche Zuschüsse, deren Art und Höhe gesetzlich festgeschrieben sind. Die Subventionen dürfen nur als Mittel zum Wahlkampf Verwendung finden.
Die Summe richtet sich nach dem Spendenaufkommen und der Anzahl der Wählerstimmen, die eine Partei bei Bundestags-, Landtags- oder Europawahlen erzielt. Um größtmögliche Transparenz im Bereich der Parteienfinanzierung zu gewährleisten, unterliegen in der Bundesrepublik alle Parteien der Buchführungs- und Rechenschaftspflicht. Auch dürfen sie keine Spenden von politischen Stiftungen, gemeinnützigen Einrichtungen oder anonymen Geldgebern entgegennehmen .
Für die staatliche Finanzierung der Parteien gilt nach dem Parteiengesetz[23] eine absolute Obergrenze für die Gesamtsumme der Aufwendungen und eine relative Obergrenze für die einzelne Partei . Die absolute Obergrenze wurde für 1994 auf 230 Millionen DM festgesetzt .
Die relative Obergrenze für die staatliche Finanzhilfe ist die Summe der von der Partei jährlich selbst erwirtschafteten Einnahmen .
Ein Anspruch auf staatliche Förderung erhält eine Partei erst dann, wenn sie bei einer Bundestags- oder Europawahl mindestens 0,5 Prozent oder bei einer Landtagswahl ein Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte .
Derzeit erhalten die Parteien für jede für sie abgegebene Stimme 1 DM, bis zur fünfmillionsten Stimme 1,30 DM. Für jede Spende bis zu 6 000 DM erhalten sie
weiterhin 0,50 DM .
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, auch unter der Abkürzung SPD bekannt, ist eine der beiden führenden Parteien der Bundesrepublik Deutschland.
Die Partei hat gegenwärtig etwa 815 000 Mitglieder. Neben verschiedenen innerparteilichen Arbeitsgemeinschaften und den Landesverbänden ist vor allem die Jugendorganisation der SPD, die Jusos (Jungsozialisten), von größerer Bedeutung. Hier werden Mitglieder bis zum Alter von 35 Jahren integriert. Der im studentischen Milieu angesiedelte, sich ebenfalls zur SPD als Mutterpartei bekennende SHB (Sozialistischer Hochschulbund) wird indessen offiziell nicht anerkannt.
Das Statut von 1891 legte die Grundlagen der Parteiorganisation fest. Beim Wiederaufbau der
1933 vom nationalsozialistischem Regime zerschlagenen Parteiorganisation knüpfte die SPD 1945 an dieses Organisationsschema an und baute es später in der Bundesrepublik
Deutschland aus: Oberstes Organ ist heute der alle zwei Jahre tagende Parteitag, der den
Vorsitzenden, seine Stellvertreter und alle übrigen Mitglieder des Vorstandes wählt.
Dieser bestellt aus seiner Mitte das Parteipräsidium als geschäftsführenden Vorstand.
Vertreter der Bezirke und Landesverbände, die sozialdemokratischen Regierungschefs der Länder, die SPD-Fraktions-Vorsitzenden in Bund und Ländern und die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung bilden den Parteirat.
Grundlage der Organisation sind die Bezirke, von denen sich mehrere zu einem
Landesverband zusammenschließen können.
Gliederungen unterhalb der Bezirke sind Unterbezirke (Kreisverbände) und Ortsvereine.
Die Arbeitsgemeinschaften[24], die in den einzelnen Sachbereichen auf die inhaltlichen Meinungsbildung in der SPD stark einwirken können, sind keine selbständigen Gliederungen und in ihrer Arbeit von der Zustimmung der Parteivorstände auf den einzelnen Ebenen
abhängig.
Wir, die Mitglieder der SPD, setzen unsere Kraft ein für die wirkliche Gleichheit der Lebensverhältnisse in einem geeinten Deutschland. Soziale Gerechtigkeit heißt für uns zuallererst, die Arbeitslosigkeit zu überwinden.
Um den Wohlstand zu sichern und die Lebensqualität zu verbessern, wollen wir die Industriegesellschaft ökologisch umbauen. Wir wollen ein gerechtes Steuersystem und eine sichere Energieversorgung ohne Atomkraft ebenso erreichen wie die Reform der sozialen Sicherung. Wir setzen uns ein für die Verwirklichung der Gleichstellung von Mann und Frau, sinnvolle Konzepte für die Krisenregionen und die Bewahrung von Frieden und Sicherheit durch internationalen Ausgleich.
Die sozialdemokratische Partei ist die traditionsreichste deutsche Partei. Seit mehr als 135 Jahren setzt sie sich für Freiheit und soziale Gerechtigkeit ein. Wie keine andere Partei steht sie für Demokratie[25] und Fortschritt. Ihre Wurzeln reichen bis in die Zeit der Revolution von 1848 zurück.
Die Frühindustrialisierung und das Bevölkerungswachstum lösen in den Staaten des Deutschen Bundes Massenverelendung und tiefe Strukturveränderungen der Wirtschaft aus. Noch widerstehen die Regierungen dem Verlangen des Volkes nach nationaler Einheit und Demokratie. Oppositionelle Bestrebungen werden scharf unterdrückt. Kurz vor und in der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848/49 formieren sich erstmals zwei Strömungen der organisierten Arbeiterbewegung: der recht kleine Bund der Kommunisten unter Führung von Karl Marx[26] und Friedrich Engels vornehmlich im Westen Preußens sowie die Arbeiterverbrüderung mit annähernd 15.000 Mitgliedern unter der Leitung von
Stephan Born[28] vornehmlich in Berlin, Sachsen und in Teilen Nord- und Süddeutschlands.
Erste Gewerkschaften entstehen. Die Revolution scheitert, und die Anfänge der organisierten
Arbeiterbewegung werden unterdrückt.
Während zwischen Revolution und Reichsgründung die Industrialisierung ungemein an Fahrt gewinnt, liberalisiert sich das politische Klima nach einem Thronwechsel in Preußen. Ferdinand Lassalle[29] gründet 1863 in Leipzig den "Allgemeinen deutschen Arbeiterverein", der sich auf dem Gothaer Kongreß 1875 mit der 1869 von August Bebel und Wilhelm Liebknecht in Eisenach gegründeten " Sozialdemokratischen Arbeiterpartei" zur "Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands" vereinigt. Zum Teil eigenständig, zum Teil durch die Anstöße dieser Parteibildung, formiert sich die deutsche Gewerkschaftsbewegung in Berufsverbänden vornehmlich in der zweiten Hälfte der 1860er Jahre.
Die Gründung des Deutschen Reichs nach dem Krieg gegen Frankreich, unter Führung Bismarcks und Preußens, führt zu einem starken Wirtschaftsboom, in dem die Gewerkschaftsbewegung belebt wird. Diese und die Arbeiterparteien erleiden fortan zum Teil koordinierte Unterdrückungsmaßnahmen durch die konservative Reichsleitung, die Regierungen der Bundesstaaten und weite Kreise der Unternehmerschaft.
Nach zwei Attentaten auf Kaiser Wilhelm I., mit denen Sozialdemokraten nichts zu tun hatten, bringt Bismarck 1878 das Sozialistengesetz[33] im Reichstag durch.
Mit ganz wenigen Ausnahmen - die Reichstagsfraktion besteht weiter - werden alle sozialistischen und freigewerkschaftlichen Bestrebungen verboten.
Sozialdemokraten werden zu "vaterlandslosen Gesellen" erklärt, das vertieft die Spaltung der Gesellschaft im Kaiserreich .
Durch die Industrialisierung nimmt der Anteil der Arbeiterschaft an der Erwerbsbevölkerung im Deutschen Reich rasch zu. Trotz des Sozialistengesetzes bleibt die Sozialdemokratie eine politische Bewegung, die Unterstützung bei der arbeitenden Bevölkerung findet.
Als das Sozialistengesetz nicht wieder verlängert wird, erreicht die SPD - so heißt sie seit 1890 - bei den Reichstagswahlen 1890 mit 19,7 Prozent der Stimmen den höchsten
Wähleranteil. Sie gewinnt fortan durchgängig an Wählerstimmen hinzu, steht 1912 bei 34,8 Prozent und bildet nun auch die stärkste Fraktion im Reichstag. Die Gewerkschaften, deren Entwicklung in der Zeit des Kaiserreichs eng mit der SPD verbunden ist, formieren sich 1890 neu und erzielen seit 1895 ungeheure Mitgliederzuwächse.
Auf dem Erfurter Parteitag 1891 wendet sich die SPD eindeutig hin zu marxistischen Annahmen und Überzeugungen, doch setzte sich bald eine gemäßigte, sozialreformerische Parteilinie durch[34].
Das "Erfurter Programm" lehnt sich in seinem theoretischen Teil an die Gesellschaftsanalyse von Marx und Engels an und fordert in seinem praktischen Teil unverzügliche, tiefgreifende Reformen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.
Mit Veröffentlichungen von Eduard Bernstein[35], Karl Kautsky , Rosa Luxemburg und anderen setzen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts scharfe interne Auseinandersetzungen über die theoretischen Grundlagen und den politischen Kurs der Sozialdemokratie ein. Im Vorfeld der Sozialdemokratie entfaltet sich eine breite Arbeiterkulturbewegung mit zahlreichen Kultur- und Freizeitorganisationen. Vor allem gründen sich eigene Organisationen für die Belange der sozialdemokratischen Frauen und Jugendlichen. Diese Vereine und Verbände verstärken die Bindung der Mitglieder an die Sozialdemokratie. Unter den sozialistischen Parteien, die sich 1889 in Paris zur sogenannten II. Internationale zusammengeschlossen haben, erringt die SPD eine Führungsrolle.
Obwohl die SPD nach ihrem Programm eine Partei bleibt, die revolutionäre Veränderungen in Wirtschaft und Politik fordert, wirkt sie teilweise in den Kommunen, in manchen Ländern sowie insbesondere mittels ihrer engen Verbindungen zu den Gewerkschaften an konkreten Reformvorhaben mit. Nicht zuletzt unter dem Einfluß der Gewerkschaften entscheidet sie sich bei Ausbruch des von Deutschland maßgeblich mitverursachten Ersten Weltkrieges für die Unterstützung des Reichs in der militärischen Auseinandersetzung.
Diejenigen Teile, die diesen "Burgfrieden[40]" nicht mittragen wollen, gründen zunächst den Spartakusbund und, seit 1917, die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands .
Als im Zuge der militärischen Niederlage eine breite Volksbewegung über die deutschen Monarchien hinwegfegt, übernehmen die Mehrheits- und die Unabhängige Sozialdemokratie (MSPD, USPD) im "Rat der Volksbeauftragten" die Reichsleitung und führen, von den Mehrheitssozialisten unter Friedrich Ebert[43] vorangetrieben, allgemeine, gleiche Wahlen zu einer deutschen Nationalversammlung durch. Erstmals gibt es in Deutschland ein Frauenwahlrecht, das die SPD schon im Erfurter Programm 1891 gefordert hatte. Als erste Frau spricht Marie Juchacz 1919 in einem deutschen Parlament. Im Zuge der Revolution werden die Gewerkschaften endlich von der Unternehmerseite als Tarifpartner anerkannt. Friedrich Ebert wird Reichspräsident. Die SPD wird zur maßgeblichen politischen Kraft auf dem Boden der Weimarer Verfassung, die sie als demokratische Grundordnung in weiten Bereichen mitgestaltet hat.
Am linken Rand der politischen Arbeiterbewegung formiert sich an der Jahreswende 1918/19 die KPD[44] als neue, revolutionäre Kraft. Die KPD wird, indem sie den linken Flügel der Unabhängigen Sozialdemokraten an sich bindet, zur Massenpartei und gerät bald unter den Einfluß des sowjetischen Kommunismus. Die reformorientierten Teile der USPD vereinigen sich 1922 wieder mit der Mehrheitssozialdemokratie.
Scheidelinie zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten ist die Frage der Demokratie -
die Kommunisten streben eine Diktatur nach sowjetischem Vorbild an.
Die Frühzeit der Weimarer Republik[45] ist von starken innenpolitischen Auseinandersetzungen um den Versailler Friedensvertrag und um die Konsolidierung der neuen Machtverhältnisse im Innern des Reichs geprägt. Mit Hilfe eines Generalstreiks gelingt es im Frühjahr 1920, den reaktionären Kapp-Lüttwitz-Putsch niederzuschlagen. Erst in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre stabilisiert sich das politische System. Die SPD kann, etwa im Bereich des Arbeitsrechts und der Sozialpolitik, wichtige Reformen durchsetzen, die einen modernen Sozialstaat zum Ziel haben. Sie führt die Regierungen in einer Reihe von Bundesstaaten, vor allem Preußen, und wird auch in vielen Großstädten bereits zur wichtigsten gestaltenden politischen Kraft.
Mit dem Hereinbrechen der Weltwirtschaftskrise ab 1930 erstarken die extremen Kräfte in der deutschen Politik. Die Arbeitslosigkeit nimmt ein nie gekanntes Ausmaß an. Begünstigt durch konservative und reaktionäre politische Kreise, die bis weit in das bürgerliche Parteienspektrum hineinreichen, gewinnt die extreme Rechte in der Hitler-Bewegung ungemein an Einfluß. Die anhaltende Spaltung der deutschen politischen Arbeiterbewegung, die sich alltäglich in scharfen Auseinandersetzungen dokumentiert, begünstigt diesen Aufstieg, verursacht ihn aber nicht. Ende Januar 1933 wird Hitler Reichskanzler.
Der Terror der Nationalsozialisten gegen Kommunisten und Sozialdemokraten, später auch gegen bürgerliche Kräfte, setzt ein. In der Abstimmung im Reichstag über das Ermächtigungsgesetz, mit dem alle bürgerlichen Parteien Hitler formell zum Diktator machen, bäumt sich die deutsche Sozialdemokratie als einzige politische Kraft gegen diese furchtbare Entwicklung auf.
Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung werden Sozialdemokraten wie auch andere Gegner des Nationalsozialismus verhaftet, mißhandelt, ermordet. Führungskräfte der Sozialdemokratie halten als Exil-Parteivorstand (Sopade) zunächst von Prag, später von London aus die Führungsstruktur der Sozialdemokratie aufrecht. Sie versuchen, Kontakt zu halten und, wo das möglich erscheint, Widerstandszirkel zu organisieren.
Solche Widerstandsgruppen bilden sich vielfach im Arbeitermilieu, teilweise auch unter dem Einfluß linkssozialistischer Gruppen. Die Sozialdemokraten, die seit den frühen 1920er Jahren energisch gegen die Hitler-Bewegung gekämpft haben, setzen den Kampf fort und versuchen im Prager Manifest von 1934, die demokratischen Kräfte zu bündeln.
Trotz Annäherungen gibt es keine Einigung mit den kommunistischen Exil- und Widerstandskräften. Sozialdemokraten und Gewerkschafter wie Julius Leber und Wilhelm Leuschner beteiligen sich an dem gescheiterten Aufstandsversuch vom 20. Juli 1944 und werden von Hitlers Schergen umgebracht.
Die Zerstörung Deutschlands durch die nationalsozialistische Diktatur führt am 8. Mai 1945 in die bedingungslose Kapitulation und in die Aufteilung des Deutschen Reichs in Besatzungszonen. Unter Kurt Schumacher[47], der eine Vereinigung mit den Kommunisten kategorisch ablehnt, formiert sich in den Westzonen die SPD als eine demokratisch-sozialistische Volkspartei, die eine Öffnung zu den Mittelschichten anstrebt.
In der Ostzone gelingt es der KPD unter Wilhelm Pieck[48] und Walter Ulbricht mit Unterstützung der sowjetischen Machthaber, die starken sozialdemokratischen Kräfte in ein Parteibündnis zu zwingen (Zwangsvereinigung 1946) und die SED als diktatorische Einheitspartei zu konstituieren. Mehr als fünftausend SPD-Mitglieder werden verhaftet, Tausende müssen flüchten. Kommunisten besetzen die Schlüsselpositionen der neuen Partei, und der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund gerät unter deren Herrschaft.
In den Westzonen können sich die Gewerkschaften zunächst unter der Aufsicht der Westalliierten neu formieren. Sie überwinden ihre richtungsgewerkschaftliche Spaltung und bilden 1949 in München den Deutschen Gewerkschaftsbund als Einheitsgewerkschaft, die parteipolitisch unabhängig ist, gleichwohl aber in ihren Zielen vielfach mit der Sozialdemokratie übereinstimmt.
1949 entstehen die Bundesrepublik Deutschland und die DDR; am Bonner Grundgesetz, das in den Verfassungsberatungen des Parlamentarischen Rats vorbereitet wurde, haben Sozialdemokraten, allen voran Carlo Schmid[50], maßgeblich mitgewirkt. Die SPD erreicht im Westen bei den ersten Wahlen zum Deutschen Bundestag 29,2 Prozent der Stimmen. Mit ganz knapper Mehrheit kann die CDU die Führung der jungen Republik übernehmen, während die SPD sich in der Rolle der "konstruktiven Opposition" sieht.
Als Oppositionspartei im Bundestag gewinnt die SPD in den 1950er Jahren immer stärkeren Einfluß in den Städten und Ländern. Außenpolitisch zunächst von dem Vorrang der Wiedervereinigung geleitet, lehnt sie - obgleich prinzipiell proeuropäisch orientiert - Adenauers Westpolitik ab. Sie bejaht die Römischen Verträge (u. a. Vertrag zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft) und schwenkt Ende der 50er Jahre auf den Kurs der Westintegration ein, ohne das Ziel der Wiedervereinigung aus den Augen zu verlieren.
In der DDR haben am 17. Juni 1953 gegen den Massenaufstand[51] von Arbeitern nur noch sowjetische Panzer die Herrschaft des SED-Regimes gerettet:
Der Aufstand wird blutig niedergeschlagen. 1961 vollendet der Mauerbau auch physisch die Spaltung des Landes.
Die SPD verabschiedet 1959 nach einem längeren kontroversen Diskussionsprozeß das Godesberger Grundsatzprogramm[52] und öffnet sich damit endgültig zur Volkspartei.
Sie gewinnt breite Wählerschichten hinzu, nicht zuletzt aus kirchlich gebundenen Kreisen.
Willy Brandt[53] und Herbert Wehner führen die Partei in die Regierungsverantwortung - zunächst ab 1966 im Rahmen einer Großen Koalition mit der CDU, seit 1969 in einer
sozial-liberalen Koalition mit der FDP.
Dem gehen wichtige Veränderungen auf der Ebene der Bundesländer, so 1966 die Übernahme der Regierungsverantwortung in Nordrhein-Westfalen, und 1969 die Wahl des Sozialdemokraten Gustav Heinemann[55] zum Bundespräsidenten voraus. In den meisten Großstädten der Bundesrepublik hat die SPD in den 1950er und 1960er Jahren das Vertrauen der Mehrheit der Wähler in der Kommunalpolitik gewonnen.
Die Zeiten sind reif für den Aufbruch aus konservativer Erstarrung und für Reformen und neue Wege der Friedenssicherung und Entspannung. 1969 wird Willy Brandt der erste
sozial-demokratische Bundeskanzler der Nachkriegsgeschichte. Er ergänzt die Westintegration durch die "neue Ostpolitik", die durch Verträge mit der Sowjetunion, Polen, der Tschechoslowakei und durch einen Grundlagenvertrag mit der DDR, der durch weitere Verträge ausgefüllt wird, zu einem geregelten Nebeneinander mit den kommunistisch regierten Ländern führt. Sie erreichen Erleichterungen für die Menschen in Deutschland und stärken die Verbindungen zwischen den beiden Teilstaaten. Für diese Politik, an deren Entwicklung auch Egon Bahr[56] einen wichtigen Anteil hat, erhält Willy Brandt 1972 den Friedensnobelpreis.
Ende der 1960er Jahre kann sich die SPD zugleich an die Spitze starker Reformkräfte der westdeutschen Gesellschaft setzen, die auch von der Studentenbewegung in Gang gesetzt worden sind. 1972 erringt Willy Brandt einen überzeugenden Wahlsieg.
Nach Enttarnung des DDR-Spions Guillaume im Kanzleramt übergibt er 1974 das Amt des Bundeskanzlers an Helmut Schmidt[57].
Unter sozialdemokratischer Führung wird in den 1970er Jahren die Herausforderung des Links-Terrorismus überwunden, und es gelingt der sozial-liberalen Regierung, die Folgen der Ölkrisen und andere weltwirtschaftliche Turbulenzen zu meistern. Die Politik dieser beiden sozialdemokratischen Kanzler für ein modernes Deutschland mehrt die soziale Gerechtigkeit durch den Ausbau des Sozialstaats und verschafft der Bundesrepublik Deutschland internationales Ansehen. Die Sozialdemokratie führt eine intensive Debatte über Abrüstung, Rüstungspolitik und Friedenssicherung.
1982 verläßt die FDP die sozialliberale Koalition und verschafft den Unionsparteien die Mehrheit in Bonn. Die SPD wird auf die Rolle der Opposition zurückgeworfen und beginnt einen anhaltenden Prozeß programmatischer Erneuerung, in dem sie ihre Rolle als demokratische Partei in einem hochentwickelten Industrieland neu definiert und Antworten auf die Herausforderungen durch die neuen sozialen Bewegungen formuliert. Als politische Kraft erstarkt sie in den Landtagen und übernimmt Regierungsverantwortung in der Mehrheit der Länder. Obwohl 1987 Willy Brandt den Vorsitz der Partei in die Hände von Hans-Jochen Vogel[58] übergibt, bleibt seine Stimme in der Politik von Gewicht. Sie wird besonders deutlich gehört, als 1989 die Berliner Mauer fällt - "Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört" -, die kommunistischen Diktaturen zusammenbrechen und die beiden deutschen Staaten vereinigt werden können. Noch unter der SED-Diktatur wird in der DDR von mutigen Bürgerrechtlern wie Markus Meckel und Martin Gutzeit die SDP (Sozialdemokratische Partei in der DDR) als Bruderpartei der westdeutschen SPD gegründet; noch vor der deutsch-deutschen Vereinigung verschmelzen 1990 beide Parteien.
1989 wird in Berlin ein neues Grundsatzprogramm[59] verabschiedet.
Als große linke Volkspartei entwickelt die SPD, seit 1995 von Oskar Lafontaine[60] geführt, neue Konzepte zur Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft, die soziale und ökologische
Gesichtspunkte berücksichtigt und die Herausforderung der Globalisierung ernst nehmen.
Am 17. April 1998 wurde auf einem Sonderparteitag in Leipzig der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder[61] mit mehr als 93 Prozent der Stimmen offiziell zum Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl am 27. September 1998 gewählt.
SPD-Präsidium getroffene Entscheidung bestätigt.
Bei der Bundestagswahl am 27.09.1998 gewann die SPD die entscheidende Mehrheit der Wählerstimmen und übernahm damit in der Koalition mit den Grünen die
Regierungsverantwortung. Gehart Schröder wurde Nachfolger des seit 1982 amtierenden Bundeskanzlers Helmut Kohl.
Ökologische Parteien entstanden aufgrund eines vermehrten Umweltbewußtseins und daraus
resultierender Bürgerinitiativen in den siebziger Jahren vor allem in Westeuropa. Diese so
genannten "grünen Bewegungen" entwickelten sehr schnell parteiähnliche Strukturen und
stellten Kandidaten für Kommunal-, Landtags- und später Bundestagswahlen auf.
Exemplarisch für die Verinstitutionalisierung einer Bürgerbewegung ist die Geschichte und
Entwicklung der Partei "Die Grünen":
1985 wurde zum ersten Mal ein Mitglied der Partei Minister
1993 gründeten "Die Grünen" nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten
gemeinsam mit dem Zusammenschluß der Bürgerbewegungen der in Auflösung begriffenen DDR eine neue Partei, das "Bündnis 90/Die Grünen", dessen Mitglieder heute in den meisten Landtagen vertreten sind
seit 1994 stellen "Die Grünen" die drittstärkste Fraktion im Bundestag
Eine Erscheinung scharf am Rande des allgemeinen Demokratieverständnisses sind die
reaktionär-nationalistischen Republikaner, die speziell die in den neunziger Jahren verstärkt
aufkeimende Ausländerfeindlichkeit in weiten Kreisen der Bevölkerung zeitweise geschickt
für sich zu nutzen verstanden.
Das von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und Bündnis 90/Die GRÜNEN vereinbarte Regierungsprogramm orientiert sich an folgenden gemeinsamen Zielen:
Wirtschaftskraft durch nachhaltiges Wachstum und Innovation stärken und zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen
ökologische Modernisierung als Chance für Arbeit und Umwelt nutzen
die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates durch Sanierung der öffentlichen Finanzen zurückgewinnen
eine zukunftsorientierte Bildung und Ausbildung für alle Jugendlichen sichern und Chancengleichheit herstellen
den Sozialstaat sichern und erneuern und die solidarische Gesellschaft stärken
den Generationenvertrag erneuern und auf eine neue Grundlage stellen
die natürlichen Lebensgrundlagen auch für die nachfolgenden Generationen sichern und bewahren, eine kinder- und familienfreundliche Gesellschaft schaffen
Sicherheit für alle gewährleisten
Bürgerrechte und soziale Demokratie stärken und eine Kultur der Toleranz in einer solidarischen Gesellschaft neu begründen
die Gleichstellung von Frauen in Arbeit und Gesellschaft entscheidend voranbringen
die Innere Einheit Deutschlands vollenden, indem die Angleichung der Arbeits- und Lebensverhältnisse weiter vorangebracht wird
den Staat modernisieren, indem wir die Verwaltung bürgernäher gestalten und überflüssige Bürokratie abbauen
die friedliche und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn weiterentwickeln, die Erweiterung und Vertiefung der Europäischen Union voranbringen, die Solidarität mit den Ländern des Südens stärken und weltweit eine nachhaltige Entwicklung fördern
die Zusammenarbeit mit den Kirchen sowie anderen gesellschaftlichen Gruppen und Verbänden fördern
Unser wichtigstes Ziel ist der Abbau der Arbeitslosigkeit.
Die hohe Arbeitslosenzahl von 4,4 Millionen (Jahresdurchschnitt 1998) ist die schwerste politische Erblast, die die alte Bundesregierung hinterläßt.
Die neue Bundesregierung wird alles daran setzen, die Arbeitslosenzahl in den nächsten vier Jahren Schritt für Schritt abzubauen.
Eine starke, wettbewerbsfähige und an Nachhaltigkeit orientierte Wirtschaft ist die Grundlage für Arbeitsplätze, für Wohlstand und für soziale Sicherheit.
Wir wollen eine Erneuerung der sozialen und ökologischen Marktwirtschaft.
Arbeit und Umwelt gehören untrennbar zusammen. Wir wollen eine zukunftsfähige Politik, die wirtschaftliche, soziale und ökologische Ziele gleichberechtigt miteinander verbindet. Ziel ist dabei auch die gleichberechtigte, existenzsichernde Teilhabe von Frauen am Erwerbsleben.
Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wird die neue Bundesregierung alle gesellschaftlichen Kräfte mobilisieren. Wir wollen ein Bündnis für Arbeit und Ausbildung.
Gemeinsam mit Gewerkschaften und Unternehmen werden wir konkrete Maßnahmen vereinbaren, um die Arbeitslosigkeit abzubauen und allen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zu sichern. Zu diesem Bündnis für Arbeit und Ausbildung haben alle Beteiligten in fairem Geben und Nehmen ihren Beitrag zu leisten. Dabei geht die neue Bundesregierung von folgenden Grundsätzen aus:
Gewerkschaften und Unternehmen sind zuständig für eine beschäftigungsorientierte
Tarifpolitik und für eine Organisation der Arbeit, die dem Flexibilisierungsbedarf der Betriebe und dem Wunsch der Beschäftigten nach mehr Zeitsouveränität Rechnung trägt.
Aufgabe der Wirtschaft ist es, die Anstrengungen für Investitionen und Innovation zu
verstärken. Wirtschaft und öffentliche Verwaltung stehen in der Pflicht, durch Erhöhung der Lehrstellenzahl jedem Jugendlichen einen qualifizierten Ausbildungsplatz zu geben.
Die neue Bundesregierung wird die Rahmenbedingungen schaffen für nachhaltiges Wachstum und zukunftsfähige Arbeitsplätze. Dazu gehört eine umfassende Steuerreform, die Senkung der gesetzlichen Lohnnebenkosten, die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung und eine Innovationsoffensive in Bildung, Forschung und Wissenschaft.
Beim Bündnis für Arbeit und Ausbildung sollen unter anderem zu folgenden Themen Vereinbarungen gefunden werden:
Sicherung einer qualifizierten Ausbildung für alle Jugendlichen
Integration erwerbsloser Jugendlicher in den Arbeitsmarkt
Beschäftigungschancen für Geringqualifizierte
Flexible und beschäftigungswirksame Organisation der Arbeitszeit, z.B. Teilzeitarbeit,
Altersteilzeit sowie Einstiegsteilzeit für Jüngere; beschäftigungswirksamer Abbau von Überstunden; die Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit
Neuregelung der Anrechnung von Entlassungsabfindungen auf das Arbeitslosengeld
Modernisierung der beruflichen Bildung und der Weiterbildung
Verbesserte Beteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Produktivkapital
Verstärkung der Branchen- und Regionaldialoge mit dem Ziel, die Innovationsanstrengungen in den Branchen und Regionen zu steigern.
Die neue Bundesregierung wird im Lichte der Ergebnisse des Bündnisses für Arbeit ihre Festlegungen über mögliche politische und gesetzgeberische Maßnahmen hinsichtlich der Sicherung einer qualifizierten Ausbildung für alle Jugendlichen, der Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital und der Arbeitszeitpolitik treffen.
Die neue Bundesregierung wird alles daran setzen, daß den Jugendlichen Chancen für ein
selbstbestimmtes Leben eröffnet werden. Dazu gehört vor allem die Bekämpfung der
Jugendarbeitslosigkeit.
Die Ausbildung der Jugend ist die wichtigste Investition für die Zukunft unseres Landes.
Kein Jugendlicher darf von der Schule in die Arbeitslosigkeit geschickt werden.
Wir wollen, daß alle Jugendlichen, die länger als sechs Monate arbeitslos sind, einen Ausbildungsplatz oder einen Arbeitsplatz erhalten.
Wir setzen auf die Jugend unseres Landes. Zur Modernisierung unserer Gesellschaft braucht
Deutschland qualifizierte, motivierte, kreative junge Menschen, die individuelle
Entwicklungschancen mit politischem, sozialem und kulturellem Engagement verbinden.
Deshalb wollen wir ihnen mehr Möglichkeiten der Beteiligung eröffnen.
Nach den Steuer- und Abgabenerhöhungen der alten Bundesregierung ist für die große Mehrheit der Bevölkerung die Grenze der Belastbarkeit erreicht. Ziel der neuen Bundesregierung ist es, die Gesamtbelastung bei Steuern und Abgaben zu senken.
Die neue Bundesregierung wird unmittelbar nach Amtsantritt ein Steuerentlastungsgesetz für eine große Steuerreform vorlegen. Ziele der Steuerreform sind die Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, mehr Steuergerechtigkeit und eine deutliche Vereinfachung des deutschen Steuerrechts.
Zu dieser Steuerreform gehören:
die Senkung der Steuersätze bei der Lohn- und Einkommensteuer
eine Erhöhung des Kindergeldes
eine Reform der Unternehmensbesteuerung zur Stärkung der Investitionskraft der
Unternehmen.
Die große Steuerreform entlastet die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen in drei Reformstufen in den Jahren 1999, 2000 und 2002. Diese Steuerreform ist solide finanziert und berücksichtigt die schwierige Finanzlage der Länder und Gemeinden. Die Entlastung erfolgt entsprechend dem schrittweisen Aufwuchs der Steuermehreinnahmen durch die vorgesehene Verbreiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlage.
Die erste Stufe tritt zum 1. Januar 1999 in Kraft.
Sie umfaßt gegenüber dem Tarif 1998 folgende Maßnahmen:
Anhebung des Kindergeldes für das erste und zweite Kind von 220 DM auf 250 DM
Verbesserung des Grundfreibetrages von 12.360 DM auf 13.020 DM, wie bereits
beschlossen
Senkung des Eingangssteuersatzes von 25,9 Prozent auf 23,9 Prozent
Senkung des Körperschaftsteuersatzes für einbehaltene Gewinne von 45 Prozent auf 40
Prozent
Senkung des Spitzensteuersatzes für gewerbliche Einkünfte von 47 Prozent auf 45 Prozent
Die neue Bundesregierung will Beschäftigung fördern und umweltfreundliches Handeln
belohnen. Dazu werden wir eine ökologische Steuer- und Abgabenreform durchführen.
Mit der ökologischen Steuer- und Abgabenreform setzen wir marktwirtschaftliche Anreize für
die Entwicklung energiesparender und umweltschonender Produkte und neuer
Produktionsverfahren und für ein umweltbewußtes Verhalten der Verbraucherinnen und
Verbraucher. Die ökologische Steuer- und Abgabenreform ist ein marktwirtschaftliches
Instrument moderner Technologie- und Industriepolitik. Sie fördert den Strukturwandel und
schafft neue Arbeitsplätze.
Die neue Bundesregierung wird dafür sorgen, daß die Sozialabgaben gesenkt werden.
Die Entlastung der Arbeit durch eine Senkung der gesetzlichen Lohnnebenkosten ist ein
Eckpfeiler unserer Politik für neue Arbeitsplätze.
Dazu werden wir zum einen Strukturreformen durchführen, um die Zielgenauigkeit und
Wirtschaftlichkeit der sozialen Sicherungssysteme zu verbessern. Zum anderen werden wir
die gesetzlichen Lohnnebenkosten im Rahmen einer ökologischen Steuer- und
Abgabenreform senken. Wir werden die Sozialversicherungsbeiträge von heute 42,3 Prozent
des Bruttolohns durch die Einnahmen aus der ökologischen Steuerreform auf unter 40 Prozent
senken. Das entlastet Beschäftigte und Unternehmen.
Die konkrete Ausgestaltung der ökologischen Steuer- und Abgabenreform erfolgt
wirtschaftspolitisch vernünftig und sozial verträglich. Die neue Bundesregierung wird eine
soziale Flankierung der ökologischen Steuerreform sicherstellen. Dabei wird berücksichtigt,
inwieweit die Haushalte bereits durch die große Steuerreform, die Senkung der Sozialbeiträge
oder durch andere Reformen entlastet werden.
Die Finanzmittel aus der Belastung des umweltschädlichen Energieverbrauchs werden im
Rahmen der Steuer- und Abgabenreform in vollem Umfang an Bürgerinnen und Bürger und
an die Unternehmen zurückgegeben. Entscheidend für den ökonomischen und ökologischen
Erfolg der Steuer- und Abgabenreform sind ihre Berechenbarkeit sowie ausreichende
Anpassungszeiträume.
Unser Ziel ist eine in zeitlich vorgegebenen Schritten kalkulierbare Belastung des
Energieverbrauchs. Diese Grundidee wird bereits in anderen Mitgliedstaaten der
Europäischen Union, wie z.B. Großbritannien, praktiziert.
Das Ziel, die Sozialversicherungsbeiträge auf unter 40 Prozent zu senken, wollen wir in drei Schritten erreichen. In einem ersten Schritt werden wir 1999 die Sozialversicherungsbeiträge um 0,8 Prozentpunkte senken. Hierfür sind die Erhöhung der Mineralölsteuer für Kraftstoffe um 6 Pfennig pro Liter, eine Anhebung der Steuer auf Heizöl um 4 Pfennig pro Liter, bei Gas um 0,32 Pfennig pro kWh und für Strom um 2 Pfennig pro kWh vorgesehen.
In der Stromerzeugung eingesetzte Energieträger werden ausschließlich über die Besteuerung des Stroms erfaßt. Wegen der noch ausstehenden europäischen Harmonisierung der
Energiebesteuerung wird in diesem ersten Schritt die energieintensive Wirtschaft bei Heizöl,
Gas und Strom nicht belastet.
Wir werden den Einsatz regenerativer Energieträger fördern und diese durch die ökologische
Steuerreform nicht belasten. Damit verbessern wir die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der
Erzeugung und des Handels erneuerbarer Energien. Auch für die Stromerzeugung aus
Kraftwerken mit hohen Wirkungsgraden werden wir Anreize schaffen.
Dieses Konzept einer ökologischen Steuer- und Abgabenreform entspricht in den Grundzügen
den Vorschlägen der Europäischen Kommission zur Harmonisierung der Energiebesteuerung,
die auch eine Besteuerung des Stromverbrauchs vorsehen.
Die neue Bundesregierung wird mit der Übernahme der EU-Präsidentschaft am 1. Januar
1999 entschieden darauf hinwirken, daß die europäische Harmonisierung der
Energiebesteuerung beginnt. Dabei sollen die bisherigen Vorschläge der EU- Kommission
ökologisch wirksamer ausgestaltet werden. Die neue Bundesregierung wird die
Ratspräsidentschaft der EU für eine europäische Initiative zur Abschaffung der
Steuerbefreiung für Kerosin, Schiffsbrennstoffe und für das Herstellerprivileg auch auf
internationaler Ebene nutzen.
Die Entscheidung über die konkrete Ausgestaltung der beiden weiteren Schritte der
ökologischen Steuerreform zur zusätzlichen Senkung der gesetzlichen Lohnnebenkosten auf
unter 40 Prozent kann erst Mitte 1999 getroffen werden, wenn die Ergebnisse der deutschen
EU-Ratspräsidentschaft vorliegen. Bei der konkreten Ausgestaltung dieser Schritte muß auch
die konjunkturelle Lage und die Preisentwicklung auf den Energiemärkten berücksichtigt
werden.
Die neue Bundesregierung wird eine zukunftssichere, umweltverträgliche und kostengerechte
Energieversorgung sicherstellen. Erneuerbare Energien und Energieeinsparung haben dabei
Vorrang; dazu gehört auch ein 100.000-Dächer-Programm.
Die Umstrukturierung der Energieversorgung muß den technologischen, ökologischen und
energiewirtschaftlichen Erfordernissen Rechnung tragen. Wegen ihrer großen
Sicherheitsrisiken mit der Gefahr unübersehbarer Schäden ist die Atomkraft nicht zu
verantworten. Deshalb wird die neue Bundesregierung alles unternehmen, die Nutzung der
Atomkraft so schnell wie möglich zu beenden.
Noch in diesem Jahr wird die neue Bundesregierung zu Gesprächen über einen neuen
Energiekonsens einladen. Gemeinsam mit der Energiewirtschaft sollen die Weichen gestellt
werden für den Weg zu einem neuen, zukunftsfähigen Energiemix ohne Atomkraft.
Die neue Bundesregierung wird die Entwicklung zukunftsfähiger Energieversorgungssysteme
und wirksame Maßnahmen zur Energieeinsparung fördern. Sie ist der Überzeugung, daß der
Einstieg in neue Energiestrukturen von wachsender wirtschaftlicher Dynamik gekennzeichnet
sein wird, die durch eine Neugestaltung des Energierechts noch befördert werden wird. Dabei
geht es insbesondere um einen diskriminierungsfreien Netzzugang durch eine klare rechtliche
Regelung und die Schaffung und Sicherung fairer Marktchancen für regenerative und
heimische Energien und eine gerechte Verteilung der Kosten dieser zukunftsfähigen Energien.
Die neue Bundesregierung wird den Kohlekompromiß von 1997, der betriebsbedingte
Kündigungen ausschließt, umsetzen.
Die neue Bundesregierung wird sich gemäß ihrem Grundsatz "Vorrang der Einsparung vor
der Erzeugung" mit einem breiten Maßnahmenbündel der Förderung von Einspartechnologien
widmen, nicht zuletzt auch angesichts der großen Exportchancen.
Die neue Bundesregierung wird die Hemmnisse beseitigen, die heute noch eine verstärkte
Nutzung regenerativer Energien und den breiteren Einsatz der Kraft-Wärme-Koppelung
behindern. Die neue Bundesregierung wird Instrumentarien entwickeln, die zur Anpassung
der Strompreise in den neuen Ländern an das Westniveau führen.
Der Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie wird innerhalb dieser Legislaturperiode
umfassend und unumkehrbar gesetzlich geregelt. Dazu vereinbaren die Koalitionsparteien
folgendes schrittweises Verfahren. In einem ersten Schritt wird als Teil des
100-Tage-Programms eine erste Anderung des Atomgesetzes mit folgendem Inhalt eingebracht:
Streichung des Förderzwecks
Einführung einer Verpflichtung zur Sicherheitsüberprüfung, vorzulegen binnen eines Jahres
Klarstellung der Beweislastregelung bei begründetem Gefahrenverdacht
Beschränkung der Entsorgung auf die direkte Endlagerung
Aufhebung der Atomgesetz-Novelle von 1998 (mit Ausnahme der Umsetzung von
EU-Recht)
Erhöhung der Deckungsvorsorge
Im zweiten Schritt wird die neue Bundesregierung die Energieversorgungsunternehmen zu
Gesprächen einladen, um eine neue Energiepolitik, Schritte zur Beendigung der Atomenergie
und Entsorgungsfragen möglichst im Konsens zu vereinbaren. Die neue Bundesregierung
setzt sich hierfür einen zeitlichen Rahmen von einem Jahr nach Amtsantritt.
Als dritten Schritt wird die Koalition nach Ablauf dieser Frist ein Gesetz einbringen, mit dem
der Ausstieg aus der Kernenergienutzung entschädigungsfrei geregelt wird; dazu werden die
Betriebsgenehmigungen zeitlich befristet. Der Entsorgungsnachweis wird angepaßt.
Zur Entsorgung vereinbaren die Koalitionsparteien folgendes:
Die Koalitionsparteien sind sich einig, daß das bisherige Entsorgungskonzept für die
radioaktiven Abfälle inhaltlich gescheitert ist und keine sachliche Grundlage mehr hat.
Es wird ein nationaler Entsorgungsplan für die Erblast der radioaktiven Abfälle erarbeitet.
Für die Endlagerung aller Arten radioaktiver Abfälle reicht ein einziges Endlager in tiefen
geologischen Formationen aus.
Zeitlich zielführend für die Endlagerung aller Arten radioaktiver Abfälle ist die Beseitigung
hochradioaktiver Abfälle etwa im Jahr 2030.
An der Eignung des Salzstocks in Gorleben bestehen Zweifel. Daher soll die Erkundung
unterbrochen werden und weitere Standorte in unterschiedlichen Wirtsgesteinen auf ihre
Eignung untersucht werden. Aufgrund eines sich anschließenden Standortvergleichs soll eine
Auswahl des in Aussicht zu nehmenden Standorts getroffen werden.
Die Einlagerung radioaktiver Abfälle in Morsleben wird beendet.
Das Planfeststellungsverfahren bleibt auf die Stillegung beschränkt.
Grundsätzlich hat jeder Betreiber eines Atomkraftwerks am Kraftwerkstandort oder in der
Nähe Zwischenlagerkapazitäten zu schaffen. Bestrahlte Kernbrennstoffe dürfen nur dann
transportiert werden, wenn am Kraftwerk keine genehmigten Zwischenlagerkapazitäten
existieren und dies vom Kraftwerksbetreiber nicht zu vertreten ist. Die Zwischenlager werden
nicht zum Zweck der Endlagerung genutzt.
Deutschland muß eine Ideenfabrik werden. Wir wollen ein Klima des geistigen Aufbruchs fördern, das Bildung, Wissenschaft und Forschung neue Entfaltungsmöglichkeiten bietet, bestehende strukturelle Verkrustungen aufbricht und der jungen Generation Zukunftschancen eröffnet. Bildung, Forschung und Wissenschaft sind unsere Antwort auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.
Das Ziel der neuen Bundesregierung ist ein bezahlbares Rentensystem, das den Menschen im
Alter einen angemessenen Lebensstandard garantiert.
Als erste Maßnahme wird die von der alten Bundesregierung beschlossene
Rentenniveaukürzung gestoppt:
Die zum 1. Januar 1999 vorgesehene Rentenniveaukürzung
und die Einschnitte in die Erwerbsminderungsrenten werden bis zum Inkrafttreten einer neuen
Rentenstrukturreform, längstens jedoch bis zum 31.12.2000, ausgesetzt.
Dies wird Bestandteil eines Artikelgesetzes, das die neue Bundesregierung unmittelbar nach Amtsantritt beschließen wird.
Die neue Bundesregierung ist einer sozial gerechten Gesundheitspolitik verpflichtet, die auf
dem Solidar- und Sachleistungsprinzip beruht. Dazu gehört eine paritätisch finanzierte
Krankenversicherung.
Die neue Bundesregierung wird dafür sorgen, daß Gesundheit für alle bezahlbar bleibt und
jeder den gleichen Anspruch auf eine qualitativ hochstehende medizinische Versorgung hat.
Gesundheitsförderung, Gesundheitsvorsorge und Rehabilitation erhalten einen hohen Rang,
das Instrument der Selbsthilfe wird gestärkt.
Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen vor Gesundheitsgefahren geschützt werden.
Darum wird die neue Bundesregierung den umfassenden vorsorgenden gesundheitlichen
Verbraucherschutz stärken. Die Verbraucherberatung wird verbessert.
Ziel der neuen Bundesregierung ist es, den Anstieg der Krankenversicherungsbeiträge zu
stoppen und die Beiträge dauerhaft zu stabilisieren.
Eine zukunftsweisende Politik zur Drogen- und Suchtbekämpfung umfaßt die Elemente
Aufklärung, Prävention und Hilfe für Drogenabhängige, sowie Strafverfolgung des
kriminellen Drogenhandels. Sucht ist Krankheit. Darum ist zusätzlich die Suchtkrankenhilfe
(Behandlung der Abhängigkeiten von illegalen Drogen, Alkohol, Medikamenten usw.)
weiterzuentwickeln mit dem Ziel, eine effektive und qualitätsorientierte Suchtbehandlung und
gesundheitliche Versorgung sicherzustellen und zu finanzieren.
Das Betäubungsmittelgesetz wird mit dem Ziel überarbeitet, Modelle wie in Hamburg oder
Frankfurt rechtlich möglich zu machen. Zudem werden die Initiativen des Bundesrates (Modellversuche zur ärztlich kontrollierten Originalstoffvergabe mit wissenschaftlicher Begleitung, ähnlich wie dies in der Schweiz durchgeführt wurde; Rechtssicherheit für
staatlich anerkannte Drogenhilfestellen) aufgegriffen.
Die Substitution durch Methadon oder Codein wird unterstützt. Damit wird zugleich dem
Beschaffungsdruck und der Beschaffungskriminalität entgegengewirkt.
Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.
Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen.
Sie müssen über die Herkunft ihrer Mittel Rechenschaft geben.
Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen,
die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.
Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
Das nähere regeln Bundesgesetze.
Dokument, das über Charakter und Ziele einer politischen Gruppe, Partei oder Bewegung Aufschluß geben soll. Parteiprogramme dienen im Wesentlichen als Mittel der nach außen gerichteten Selbstpräsentation, Werbung, Profilierung und Agitation sowie der nach innen gerichteten Integration und Identifikation.
Unterschieden wird zwischen Grundsatz-, Aktions-, Wahl- und Regierungsprogrammen. Formen und Funktionen der Programme werden wesentlich von der jeweiligen historischen und politischen Situation bestimmt.
Demokratie ist die Staatsform, in der die Staatsgewalt vom Volk ausgeht und
direkt oder indirekt von ihm ausgeübt wird.
Die moderne Demokratie erwuchs zunächst aus den kalvinistischen Glaubenskämpfen des
17. Jahrhunderts, besonders in Schottland, England und den Niederlanden, in denen die
Gemeinde als Träger des religiösen und politischen Lebens hervortrat, sodann aus den Lehren
der Aufklärung, besonders aus ihren Anschauungen von der Freiheit und Gleichheit aller und
von der normativen Bedeutung des vernünftigen Denkens des einzelnen über Staat und
Gesellschaft. Grundlegend wurden die Lehren von der Volkssouveränität als einem unteilbaren und unveräußerlichen Recht des Volkes. Das Volk wird hier als
Gemeinwesen aufgefaßt, dessen Wille sich entweder als Mehrheits- oder als Gesamtwille äußert, der nur auf das allgemein Beste gerichtet ist und deshalb indirekt auch die Absichten abweichender Gruppen umfaßt, die er folglich ebenfalls verpflichtet. Dieser Wille ist der "Souverän" und oberste Gesetzgeber im Staat. Aus dieser Lehre folgt der allgemeine demokratische Grundsatz der Herrschaft der Mehrheit, deren Wille in der Regel mit dem Gesamtwillen übereinstimmt.
Der erste moderne demokratische Staat waren die USA. In Europa wurde erstmals in der
Französischen Revolution ein Staat auf demokratischen Prinzipien gegründet, und zwar
wurden hier schon die beiden für die weitere Entwicklung der Gesamtordnung demokratischer
Staaten wichtigen Phasen, die der liberal-rechtsstaatlichen Demokratie (1789-1792) und die der diktatorischen und manchmal auch absolutistischen Demokratie
(Jakobinerherrschaft 1792-1794) durchlaufen.
Die Entwicklung der einzelnen europäischen Staaten zur Demokratie verlief sehr
unterschiedlich. Während Großbritannien unabhängig von der Beibehaltung der Monarchie in
der Staatsgestaltung des 19. Jahrhunderts nahezu unmerklich eine demokratische
Staatsform entwickelte, war dies in Frankreich nach einigen kurzen Versuchen erst
mit der Entstehung der III. Republik der Fall.
In Deutschland geschah dies erst nach dem Scheitern der unter konstitutionellem Vorzeichen stehenden Versuche von 1848 im Kaiserreich erst mit der Verfassungsänderung vom
28.10.1918 und vor allem mit der Errichtung der Weimarer Republik.
Die Republik von 1919 wies plebiszitäre Züge[65] auf.
Die demokratische Staatsform stieß bei weiten Bevölkerungsteilen auf Ablehnung,
die sich teils für eine Restauration der Monarchie, teils für eine kommunistische, teils für eine
autoritär-faschistische Staatsgestaltung einsetzten.
Nach 1945 wurde in Deutschland erneut der Versuch einer Verwirklichung der
demokratischen Staatsform gemacht. Im Westen entstand in der Bundesrepublik Deutschland
eine Demokratie westlicher Prägung im Sinne der Gewaltenteilung, der Rechtsstaatlichkeit
und des Bundes- und Sozialstaats.
In der sowjetischen Besatzungszone wurde die von Anfang an bestehende Alleinherrschaft der kommunistischen SED 1968 in der Verfassung verankert. Tatsächlich traf das Politbüro der SED alle wesentlichen Entscheidungen in sämtlichen Lebensbereichen.
Die formal vorhandenen demokratischen und rechtsstaatlichen Institutionen dienten nur der Verschleierung dieser Diktatur.
Im übrigen zeigt die demokratische Staatsform auch innerhalb des Westens erhebliche
Unterschiede:
Zunächst gibt es die Scheidung in die plebiszitäre und die repräsentative Demokratie.
Die plebiszitäre Demokratie zeichnet sich - wie die Weimarer Republik - durch
die Möglichkeit unmittelbarer Volksentscheidungen aus, sei es durch die vom Volk
vorzunehmende Wahl des höchsten Staatsorgans, sei es durch die Möglichkeit, auf dem Weg über ein Volksbegehren und anschließenden Volksentscheid oder nach Anordnung des Staatsorgans unmittelbar durch Volksentscheid das Volk zum Gesetzgeber zu machen.
Doch auch bei dieser Konstruktion bleibt die normale Gesetzgebung dem Parlament vorbehalten. Es handelt sich also bei den plebiszitären Entscheidungen immer nur um seltene Ausnahmefälle.
Eine weitere wichtige Unterscheidung ist diejenige zwischen der parlamentarischen und der nicht-parlamentarischen Demokratie. Unter Parlamentarismus ist dabei nicht das
Vorhandensein und Funktionieren des Parlaments zu verstehen, sondern die Abhängigkeit der Regierung vom Vertrauen der Legislative.
Die westlich-europäischen Gestaltungen sind dem englischen Vorbild entsprechend nachgeformt; auch die Bundesrepublik Deutschland kennt die Möglichkeit des Mißtrauensvotums gegen den Bundeskanzler, wenn auch in der gegenüber Weimar modifizierten Form des sogenannten konstruktiven Mißtrauensvotums
(Sturz nur bei gleichzeitiger Einigung auf den Nachfolger).
Hinter der grundsätzlichen Festlegung, daß die Staatsgewalt beim Volk liegt, eröffnen sich zahlreiche Wege und Möglichkeiten für sehr unterschiedliche Gestaltungen.
Deshalb wird die Demokratie zu jeder Zeit und für jedes Volk zu einer besonderen Aufgabe.
Der Konservatismus ist eine sich am geschichtlich Gewordenen orientierende Einstellung.
Die konservative Haltung darf nicht mit der reaktionären verwechselt werden, wenn beide auch häufig ineinander übergehen. Der Konservatismus begreift Geschichte als fortwirkende Vergangenheit und ist bemüht, ihren Kräften auch in moderner Form zur Wirksamkeit zu verhelfen.
Die konservative, historisch-organische Staatsauffassung entwickelte sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch Edmund Burke, der im Staat eine Institution sah, die auf der Verbindung von Tradition und der Wirksamkeit der gegenwärtig Lebenden in Verantwortung gegenüber den zukünftigen Generationen beruhe.
Er stellte die zeitgemäße, reformerische Weiterentwicklung überkommener Einrichtungen der
Französischen Revolution entgegen.
Als Vertreter deutscher konservativer Gedankengänge im 19. Jahrhundert bemühte sich
Friedrich Julius Stahl um die Kontinuität sittlicher Werte auf der Grundlage von Gewaltenteilung und Verfassung gegen die Willkür von seiten der Fürsten wie auch seitens des souveränen Volks. Diese gegen überspitzten Nationalismus und revolutionären Umsturz gerichtete Haltung bestimmt auch die Politik der modernen konservativen Parteien.
Der Liberalismus ist eine freiheitliche und Welt-, Staats- und Wirtschaftsanschauung.
Der Liberalismus entstand gegen den Zwang des Absolutismus im Zeitalter der Aufklärung aus dem Glauben an die Allgemeingültigkeit menschlicher Vernunftserkenntnis und an die unabdingbare Berechtigung ihrer freien und uneingeschränkten Betätigung und Verwirklichung. Dieser Vernunftoptimismus forderte nicht nur Gedankenfreiheit, sondern auch politische und wirtschaftliche Freiheit.
Er glaubte an den Fortschritt der Menschheit aus dem freien Spiel der Kräfte (Konkurrenz) und lehnte obrigkeitliche (kirchliche oder staatliche) Eingriffe in die freie geistige oder materielle Betätigung des Individuums ab.
Soweit der politische Liberalismus auf die allgemeine gleiche Menschenvernunft und die Freiheit zurückgeht, ist er demokratisch. Da der Liberalismus ursprünglich nicht nur für die Freiheit des einzelnen, sondern auch der Völker eintrat, stand er in enger Verbindung mit den jungen nationalen Freiheitsbewegungen in Europa und Übersee.
Politisch brach sich der Liberalismus Bahn in der amerikanischen und Französischen Revolution; die Menschenrechte waren sein erstes politisches Glaubensbekenntnis.
Der Liberalismus war die politische Ideologie des liberalen Bürgertums (Bourgeoisie), das sich unter seinen Parolen die politischen Vormachtstellung im 19. Jahrhundert erkämpfte.
Bis zum 1. Weltkrieg war der Liberalismus die vorherrschende politische Richtung in der westlichen Welt.
Wirtschaftlich geht der Liberalismus auf die Physiokraten und auf Adam Smith und die von ihnen entwickelte Freihandelslehre zurück, die in enger Verflechtung mit dem Kapitalismus den industriellen Wirtschaftsaufschwung des 19. Jahrhunderts begründete, besonders die Wirtschaftsexpansion Englands über die ganze Welt. Da sich die vom Liberalismus verkündete Freiheit im Wirtschaftsleben zunächst bei sozialen Mißständen durchsetzte, erfolgte durch den Sozialismus und Kommunismus eine nachhaltige Reaktion, aus der dem Liberalismus stärkere Gegner erwuchsen als aus dem Widerstand der konservativen Richtungen.
Seine geschichtliche Wirkung in Deutschland verdankt der Liberalismus dem Beamtenliberalismus der preußischen Reformzeit, der Staats- und Geschichtstheorie und den Führern der Bewegung von 1830 und 1848, der preußischen Opposition gegen Bismarck.
Das Versagen des Liberalismus vor den großen politischen und sozialen Problemen nach dem
1. Weltkrieg führte in Deutschland, Italien und anderwärts zu seiner Krise, während der Liberalismus in Rußland ideologisch und faktisch schon in den Ansätzen durch den Bolschewismus[66] überwunden wurde.
Eine Rückwendung nach dem 2. Weltkrieg besonders auch in Deutschland zu einem erneuerten Liberalismus, der besonders auf sozialem Gebiet vieles von seinem Gegner gelernt hat, knüpft an die nationalsoziale Bewegung Friedrich Naumanns an.
Der Sozialismus ist eine im 19. Jahrhundert mit dem Aufkommen der sozialen Frage entstandene politische, zunächst vor allem von der Arbeiterbewegung getragene Bewegung, deren wesentliche Ziele Gleichheit, Solidarität, Gerechtigkeit, soziale Sicherheit und die Überwindung des Kapitalismus waren. Die Entstehung des Sozialismus war eine Reaktion auf die negativen Auswüchse des Kapitalismus im Zuge der industriellen Revolution, insbesondere auf die Verelendung der Arbeiterschaft.
Das Spektrum sozialistischer Veränderungsbestrebungen hat sich seither immer stärker differenziert und reicht heute von Konzepten zur Reform der kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung bis hin zur Revolution, mit dem Ziel einer grundlegenden Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse.
Um die Wende vom 19. Zum 20. Jahrhundert gewann innerhalb der Arbeiterbewegung eine
gemäßigte Richtung immer mehr an Einfluß, der so genannte Revisionismus[67].
Der Revisionismus leitete die Abkehr der Sozialdemokratie von revolutionärer Rhetorik und den Beginn einer auch programmatisch evolutionären, auf die Reform von Staat und Gesellschaft gerichteten Politik ein. Allerdings gab es innerhalb der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands weiterhin einen linken, revolutionären Flügel, der sich 1916 als Spartakusbund[68] von der SPD abspaltete.
Eine weitere Form des Sozialismus ist der Nationalsozialismus, welcher eine extrem nationalistische, völkisch-antisemitische, revolutionäre Bewegung in Deutschland war, die sich unter der Führung Adolf Hitlers in der NSDAP[69] organisierte und auf deren Basis Hitler 1933 in Deutschland ein faschistisches Regime errichtete.
Der Kommunismus ist die Gesellschaftslehre, nach der durch Beseitigung des Privateigentums der Naturzustand, in dem alle das gleiche Recht auf alles gehabt hätten, wiederhergestellt werden kann und muß; auch dieser ursprüngliche und wieder anzustrebende Zustand selbst; schließlich die im 19. Jahrhundert entstandene politische Bewegung, die dieses Ziel zu verwirklichen sucht.
Die Neubelebung des Kommunismus bzw. des Sozialismus (beide Begriffe wurden Anfangs gleichbedeutend gebraucht) zu Beginn des 19. Jahrhunderts stand im Zusammenhang mit der Industrialisierung.
Die realen - insbesondere die wirtschaftlichen - Lebensbedingungen der Menschen prägen nach Ansicht des marxistischen Kommunismus ihr Bewußtsein; die Entwicklung der Produktivkräfte durch Technik und Wissenschaft bringt einen dialektischen Geschichtsablauf mit sich, in dem Sklavenhaltergesellschaft, Feudalgesellschaft und bürgerliche Gesellschaft aufeinandergefolgt sind.
Die letzte große Zuspitzung der Klassenkämpfe ist nach dieser Auffassung der Kampf der besitzlosen Arbeiterklasse gegen das besitzende Bürgertum, der zur Vernichtung der bürgerlichen Klassengesellschaft und zu ihrer Ablösung durch die klassenlose Gesellschaft führt. In dieser wird es anfangs (in der "sozialistischen" Phase) noch eine Entlohnung nach Arbeitsleistung geben; erst in der endgültigen "kommunistischen" Gesellschaft wird das Prinzip "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen" gelten.
Die in der Zweiten Internationale[70] zusammengeschlossenen sozialistischen Parteien bekannten sich theoretisch großenteils zu den kommunistischen Auffassungen, betrieben jedoch zunehmend eine sozialreformerische Politik.
Zwischen 1917 und 1921 wurden fast alle kommunistischen Parteien gegründet, die irgendwann einmal besondere Bedeutung erlangt haben.
Der Begriff entstand 1843 in Frankreich und wurde 1849 ins Deutsche übernommen.
Er bezeichnet eine politische Richtung, die die Ideen und Ziele des Sozialismus mit der
Regierungsform der Demokratie zu verbinden sucht.
Das Ziel der Sozialdemokratie war es und ist es noch immer, den Kapitalismus zu reformieren, jedoch mit den Mitteln einer freiheitlichen, parlamentarischen Demokratie.
Sie grenzt sich als Reformsozialismus daher ab vom revolutionären Sozialismus und Kommunismus, der die Abschaffung des Kapitalismus durch die Errichtung einer Diktatur des Proletariats durchzusetzen versucht hat.
Die KPD entstand am Jahresende 1918 aus dem Spartakusbund und kleineren linksradikalen Gruppen, die besonders in Hamburg und Bremen Stützpunkte hatten.
Der Gründungsparteitag (30.12.1918 - 01.01.1919), der unter anderem Rosa Luxemburg[71],
Karl Liebknecht[72], Leo Jogiches und Paul Levi in die Parteiführung wählte, stand im
Zeichen linksradikaler Strömungen und lehnte die Beteiligung der KPD an den Wahlen zur deutschen Nationalversammlung ab.
Nach dem Januaraufstand 1919 in Berlin wurden Luxemburg und Liebknecht, bald darauf Jogiches ermordet. Im Dezember 1920 schloß sich die KPD mit der linken Mehrheit der
USPD zusammen (der Name lautete vorübergehend "Vereinigte KPD").
Richtungskämpfe in der Partei, die teils mit den bewegten politischen Verhältnissen der Weimarer Republik[74], teils auch mit den Machtkämpfen in der KPdSU zusammenhingen, führten in den 1920er Jahren zu häufigen Führungs- und Richtungswechseln.
Ende der 1920er Jahre war eine ganze Führergeneration aus der KPD ausgeschlossen[76].
Die KPD war nun eine stalinistische Partei und der Personenkult um Stalin und Thälmann nahm immer mehr zu. Von 1929 bis 1932 vertrat die KPD unter dem Einfluß einer Linksschwenkung der Komintern[77] meistens die These, die SPD sei "sozialfaschistisch"
und der "Hauptfeind".
In der großen Weltwirtschaftskrise (1929 bis 1933) war die KPD aus einer Arbeiterpartei mehr und mehr zu einer Erwerbslosenpartei geworden, so daß ihre mehrmaligen Aufrufe zum Generalstreik fast wirkungslos blieben. Dennoch war die KPD von 1920 bis 1933 stets viel stärker als nach Wiedergründung 1949.
Im aktiven Widerstand gegen das national-sozialistische Regime brachte die KPD die größten Opfer auf, bis sie schließlich am 28.02.1933 verboten wurde.
Nach dem Ende des 2. Weltkriegs wurde die KPD in allen 4 Besatzungszonen und in Berlin wiedergegründet.
1946 wurde in der Sowjetischen Besatzungszone die KPD mit der SPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) zusammengeschlossen (Zwangszusammenschluß).
Ab 1949 trat die KPD in allen westdeutschen Bundesländern als einheitliche Partei auf.
Bei der 1. Bundestagswahl 1949 erhielt sie 5,7% der Stimmen, bei der 2. Bundestagswahl 1953 scheiterte sie an der Fünfprozentklausel.
Am 17.08.1956 wurde sie auf Antrag der Bundesregierung vom Bundesverfassungsgericht verboten[78].
1968 wurde in der Bundesrepublik Deutschland eine neue kommunistische Partei gegründet, die Deutsche Kommunistische Partei (DKP).
Die Weimarer Republik war die republikanisch-demokratische Staatsform Deutschlands in den Jahren 1918-1933, benannt nach dem Ort, an dem die verfassunggebende Nationalversammlung vom 06.02. bis zum 30.09.1919 tagte.
Obwohl die Verfassung erst am 11.08.1919 in Kraft trat und formal, wenn auch in der Substanz ausgezehrt, bis 1945 gültig blieb, rechnet man die Dauer der Weimarer Republik von der Ausrufung der Republik am 09.11.1918 bis zur Bildung der Regierung Hitler
am 30.01.1933.
Die Weimarer Reichsverfassung ging vom Prinzip der Volkssouveränität aus.
Ursprüngliche Pläne, einen Einheitsstaat mit starker Exekutive um den Reichspräsidenten
zu schaffen, wurden aufgegeben; sie fanden allerdings einen Niederschlag in dem Notstandsartikel 48, der in Verbindung mit Artikel 25 (Auflösung des Reichstages)
eine »Reserveverfassung« bildete. Der Reichsaufbau blieb föderativ. Das Schwergewicht lag bei den politischen Parteien und den von ihnen abhängigen Politikern und Regierungen. Plebiszitäre Elemente (Volksbegehren u. Volksentscheid) spielten nur gelegentlich eine wichtige Rolle. Ansätze von rätedemokratischen[79] Vorstellungen fanden sich in der Wirtschaftsverfassung, wurden aber nicht ausgebaut.
In der Geschichte der Weimarer Republik lassen sich deutlich drei Phasen unterscheiden.
In den Tagen des deutschen militärischen Zusammenbruchs bildeten sich Anfang November 1918 in ganz Deutschland spontan Arbeiter- und Soldatenräte, die zunächst vornehmlich die Beendigung des Krieges und die Lösung drängender sozialer Probleme anstrebten.
Ab Dezember 1918 wandten sie sich stärker allgemeinpolitischen Zielsetzungen zu.
Der in der Novemberrevolution paritätisch aus Vertretern von SPD und USPD als Regierungsautorität gebildete Rat der Volksbeauftragten unter dem Vorsitz von Ebert[80] und
Haase hatte die Last der Kriegsbeendigung zu tragen. Die unter seinen Mitgliedern von Anfang an bestehenden Meinungsverschiedenheiten ließen sich jedoch nur mühsam überbrücken. Während die SPD-Vertreter auf eine Fortführung der bereits im Krieg eingeleiteten Parlamentarisierung abzielten und deshalb die baldige Einberufung einer Nationalversammlung betrieben, sahen die USPD-Vertreter das vorrangige Ziel in einer grundlegenden Umgestaltung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse.
Sie schieden am 29.12.1918 aus dem Rat aus.
Ein wichtiges Element der Kontinuität bildeten in der Umbruchzeit die Beamten. Sie waren in ihrer großen Mehrheit obrigkeitsstaatlich eingestellt, wurden aber zur Abwicklung der Kriegsfolgen und der Friedensvorbereitungen gebraucht. Eine Vereinbarung zwischen Ebert und General Groener vom 10.11.1918 sicherte die Kooperation zwischen der revolutionären Regierung und der Obersten Heeresleitung.
Gewerkschaften die Fortsetzung der im Krieg begonnenen Zusammenarbeit unabhängig von den Räten.
Unter dem Einfluß des linken Flügels der USPD und des zahlenmäßig schwachen
Spartakusbundes radikalisierten die ursprünglich überwiegend sozialdemokratisch eingestellten Räte ihre Forderungen. Enttäuschung über die bisherigen Ergebnisse der Revolution und zunehmende Auseinandersetzungen mit den Kräften der alten Ordnung, die sich durch die zurückströmenden Truppen des Feldheeres wieder konsolidierten, spielten bei dieser Entwicklung eine Rolle.
Seit Anfang 1919 kam es in verschiedenen Teilen des Reiches zu Erhebungen der revolutionären Linken. Zu ihrer Bekämpfung setzte die Regierung die neugebildeten Freikorps ein, deren Mitglieder größtenteils republikfeindlich eingestellt waren.
Die Wahlen zur Nationalversammlung am 19.01.1919 brachten der SPD 165 Mandate, dem Zentrum 91 und der DDP 77. Diese drei Parteien der Weimarer Koalition besaßen damit eine Mehrheit. In Opposition standen 22 Abgeordnete der USPD, 44 der rechten Sammlungspartei DNVP, 19 der DVP und 7 Abgeordnete von sonstigen Parteien.
Ebert wurde am 11.02. zum Reichspräsidenten gewählt. Die Parteien der Weimarer Koalition bildeten eine Regierung unter P. Scheidemann (SPD). Die schwerste Belastung der jungen Republik bildete der Zwang zur Annahme des Versailler Vertrages[81].
Sie erfolgte im wesentlichen mit den Stimmen der Regierungsparteien SPD und Zentrum.
Die Parteien, die den Vertrag ablehnten, waren nicht bereit, ihrerseits eine Regierung zu bilden und den Krieg wiederaufzunehmen. Eine dringende Aufgabe war eine Finanzreform, die das Reich finanziell unabhängig von den Ländern machen sollte; sie wurde 1920 von
Matthias Erzberger durchgeführt. Eine wirtschaftliche Neuordnung im Sinne der "Gemeinwirtschaft" wurde angestrebt, kam aber nicht zustande.
Die linksradikalen Erhebungen wurden in der ersten Hälfte des Jahres 1919 niedergeschlagen. Im Kapp-Lüttwitz-Putsch (März 1920) manifestierte sich der Widerstand von rechts gegen die neu geschaffene Ordnung; der Generalstreik der Gewerkschaften und die Weigerung der Beamtenschaft, mit den Putschisten zusammenzuarbeiten, ließen ihn scheitern.
Anschließend flammte der Bürgerkrieg im Ruhrgebiet erneut auf; die "Rote Ruhrarmee" wurde rasch von Reichswehr und Freikorps niedergeworfen.
Die ersten Reichstagswahlen am 06.06.1920 zeigten, daß die Weimarer Koalition weithin diskreditiert war. Sie erlangte von nun an bis ans Ende der Weimarer Republik keine Mehrheit mehr. Die USPD konnte ihre Mandatszahl vervierfachen, und auch die Rechtsparteien erzielten erhebliche Stimmengewinne. Im Juli 1920 begann eine lange Serie von Konferenzen zur Regelung der Reparationsfrage.
Eine emotional geladene Öffentlichkeit erschwerte aber der Regierung die Kooperation mit den Siegern im Rahmen einer "Erfüllungspolitik".
Der vorläufige Ausgleich mit Sowjetrußland im Rapallo-Vertrag (April 1922) vermochte nur bedingt ein Gegengewicht und neuen Spielraum zu schaffen.
Das Republikschutzgesetz von 1922 konnte dem Terror von rechts (Morde an Erzberger
und Rathenau ) kein Ende bereiten.
Das Jahr 1923 brachte die bisher schwerste Krise des Reiches, dem zeitweise der Zerfall zu drohen schien. Wegen der Nichterfüllung von Reparationsverpflichtungen besetzten französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet. Die Reichsregierung antwortete mit der Ausrufung des passiven Widerstandes (Ruhrkampf), der sich als finanziell ruinös erwies und im Herbst 1923 abgebrochen werden mußte.
Die Hyperinflation wurde durch eine Währungsreform am 15.11. beendet, die allerdings
weite bürgerliche Kreise in ihrer sozialen Stellung erschütterte.
Der rheinische Separatismus, der seinen Höhepunkt mit der Ausrufung der
"Rheinischen Republik" am 21.10. erreichte, konnte sich nicht durchsetzen. Eine schon länger virulente bayerische Sonderpolitik, die die Reichseinheit bedrohte, erfuhr eine weitere Steigerung durch den Hitler-Putsch vom 9. November, der sich sowohl gegen die bayerische Regierung wie gegen Berlin richtete.
Er brach trotz des zweifelhaften Verhaltens der bayerische Teile der Reichswehr schnell zusammen und wurde nicht zum erhofften Signal für einen allgemeinen Aufstand von rechts. Zugleich versuchte die Kommunistische Internationale[82], von legal gebildeten
"deutschen Oktober" militärisch vorzubereiten.
Diesen Versuchen kam die Reichswehr jedoch wie hier in Hamburg zuvor.
Die zur Liquidierung des Ruhrkampfes am 13.08. gebildete Große Koalition unter Gustav Stresemann (DVP) trat zwar am 23.12. zurück; die der Reichswehr übertragene vollziehende Gewalt wurde jedoch zur Konsolidierung der Verhältnisse benutzt.
Bis zur Regierung Stresemann hatten acht Kabinette amtiert. Bis 1930 folgten ihr weitere sieben Regierungen, allerdings unter nur drei Reichskanzlern. Bis 1928 war die SPD nicht in ihnen vertreten; die Regierung tolerierte sie jedoch in außenpolitischen und in einigen innenpolitischen Fragen.
Die Regierungen hatten z. T. eine parlamentarische Mehrheit[83], z. T. stützten sie sich
als "Fachkabinette" mit dem Anspruch auf Überparteilichkeit nur auf eine Minderheit und auf das Vertrauen des Reichspräsidenten. Nach dem Tod Eberts wurde als Kandidat der Rechten am 26.04.1925 Paul von Hindenburg zum Reichspräsidenten gewählt.
Die Stabilisierung beruhte vordergründig auf dem Fehlen radikaler Auseinandersetzungen, auch wenn die Arbeitslosenzahl 1925/26 zwei Millionen erreichte und Arbeitskämpfe mit Massenbeteiligung geführt wurden. Entscheidend für die Erfolgsbilanz dieser Jahre war die Außenpolitik, die von 1923 bis 1929 unter der Leitung Stresemanns stand.
Der Dawes-Plan regelte unter dem für die Weimarer Republik insgesamt beherrschenden Einfluß der USA vorläufig die Reparationsfrage. Die Locarno-Verträge leiteten eine Aussöhnung mit dem Westen ein, ohne daß gleichzeitig die Ostgrenze gegenüber Polen anerkannt wurde. Der Berliner Vertrag mit der Sowjetunion von 1926 bildete ein Gegengewicht zum gleichzeitigen Eintritt Deutschlands in den Völkerbund, wo es einen ständigen Ratssitz als Großmacht erhielt.
Das Deutsche Reich unterzeichnete einen deklaratorischen Kriegsächtungspakt
(Briand-Kellogg-Pakt von 1928), erreichte den Abzug der seit Kriegsende bestehenden Internationalen Militärischen Kontrollkommission und - im Rahmen der
deutsch-französischen Annäherung - die Räumung des militärisch besetzten Rheinlandes.
Der Dawes-Plan wurde in engem politischen Zusammenhang hiermit 1929/30 durch den Young-Plan ersetzt.
Von 1928 bis 1930 bestand unter Hermann Müller (SPD) zum letzten Male eine auf eine Reichstagsmehrheit gestützte Regierung der Großen Koalition, deren Flügel jedoch in wehr- und wirtschaftspolitischen Fragen nur einen losen Zusammenhalt aufwiesen, woran die Koalition letztlich zerbrach. - In den Jahren der Stabilisierung kam es in den Großstädten, vor allem in Berlin und München, zu einer Entfaltung des kulturellen Lebens, die diese Epoche in der verklärenden Rückschau als "goldene zwanziger Jahre" erscheinen ließ.
Die mit dem New Yorker Börsenkrach im Oktober 1929 manifest werdende Weltwirtschaftskrise traf die vom US-amerikanischen Kapital abhängige deutsche Politik besonders schwer und leitete den Zerfall der Weimarer Republik ein.
Unter maßgeblichen Einfluß der Reichswehr wurde im März 1930 die Regierung
Heinrich Brünings (Zentrum) gebildet. Sie sollte sich primär auf das Vertrauen des Reichspräsidenten gründen, was eine grundsätzliche Abkehr vom parlamentarischen System signalisierte. Die Regierung verlor in den Wahlen vom 14.09.1930 auch tatsächlich die Mehrheit. In diesen Wahlen konnte die NSDAP ihre Mandatszahl von 12 auf 107 erhöhen und etablierte sich damit als Massenbewegung. Brüning stützte sich fortan vornehmlich auf das Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten und die Drohung mit der Reichstagsauflösung.
Damit begann die Serie der Präsidialkabinette. In dieser Zeit formierte sich eine breite "nationale Rechte"[84].
Mit ihrem Kandidaten Hitler unterlag sie bei der Reichspräsidentenwahl im April 1932 nur knapp Hindenburg, der nunmehr als Repräsentant der Mitte einschließlich der SPD figurierte, was seinem Selbstbild stark widersprach.
Die zunehmende Wirtschaftskrise[85] wurde von Brüning durch Deflationsmaßnahmen bekämpft und damit sozialpolitisch verschärft. Das Schrumpfen der bürgerlichen Parteien in den beiden Reichstagswahlen von 1932 ließ einen Ausweg aus der Krise nur noch in Form eines Staatsumbaus "weg von Weimar" erreichbar scheinen.
Außenpolitische Revisionserfolge, die Brüning vorbereitete hatte, die aber erst von seinen Nachfolgern realisiert wurden, waren der multilaterale Beschluß über das Ende der Reparationen und die Zuerkennung der formalen Gleichberechtigung in Rüstungsfragen.
Der Plan einer deutsch-österreichischen Zollunion war 1931 an internationalem Einspruch gescheitert. Brüning, dessen Regierung sich nur dank der Tolerierung durch die SPD halten konnte, verlor im Mai 1932 das Vertrauen Hindenburgs und wurde durch Franz von Papen mit einem "Kabinett der Barone" ersetzt. Es gelang Papen nicht, die NSDAP zur Mitarbeit heranzuziehen und zu seiner Massenbasis zu machen.
Er stürzte durch Staatsstreich[86] die als republikanisches Bollwerk bereits geschwächte preußische Regierung der Weimarer Koalition unter Otto Braun.
Die innenpolitische Auseinandersetzung verschärfte sich. Die stark angewachsene KPD bekämpfte primär die SPD als "Sozialfaschisten". Blutige Zusammenstöße zwischen rechten und linken Kräften ließen einen Bürgerkrieg befürchten. In dieser Situation übernahm Schleicher am 02.12.1932 das Reichskanzleramt. Sein Versuch, durch Spaltung der NSDAP und Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften eine breite gesellschaftliche Unterstützung zu finden ("Querfront"), scheiterte.
Angesichts der gewollten Lahmlegung des parlamentarischen Systems sahen wichtige Interessengruppen eine Rettung vor dem Bürgerkrieg nur noch in der direkten Beteiligung Hitlers an der Macht. Beraten von führenden Persönlichkeiten aus Großgrundbesitz, Industrie und Militär, ernannte Hindenburg am 30.01.1933 Hitler zum Reichskanzler.
Der Führer der NSDAP sollte durch Papen als Vizekanzler und zahlreiche konservative Minister "eingerahmt" werden. Tatsächlich gelang es jedoch den Nationalsozialisten sehr rasch, die Konservativen auszuschalten und einen Staatsumbau im eigenen Sinne einzuleiten.
Die Weimarer Republik war für die meisten Deutschen ein ungeliebter Staat. Sie konnte sich in der kurzen Zeit ihres Bestehens nicht konsolidieren. Die meisten führenden Politiker waren noch durch das Kaiserreich geprägt; ein Generationswechsel fand nicht statt.
Die Weimarer Republik wurde unter schweren Belastungen gegründet. Die militärische Niederlage im 1. Weltkrieg wurde im Bewußtsein der Bevölkerung nicht akzeptiert, da bis zum Schluß Siegesnachrichten verbreitet worden waren und deutsche Truppen noch weite Teile Osteuropas besetzt hielten. So konnte die These, daß die Niederlage durch die Revolution herbeigeführt worden sei (Dolchstoßlegende), in weiten Kreisen Eingang finden. Der Friedensvertrag schien die Schwäche der neuen Republik zu demonstrieren. Während die Linken mit Enttäuschung konstatierten, daß die soziale und wirtschaftliche Umgestaltung in Ansätzen steckengeblieben war, sah man auf der Rechten den revolutionären Beginn und gerade diese Reformansätze als grundlegend verfehlt an. Die politische Mitte wurde zwischen den beiden Extremen zerrieben.
Die politischen Parteien waren aufgrund der Traditionen des Kaiserreiches nicht hinreichend befähigt, im Interesse der Bildung einer regierungsfähigen Mehrheit Sachkompromisse einzugehen; sie stellten im Zweifel ihren eigenen programmatischen Zusammenhalt vor politisch notwendige Sachprogramme. Hierzu trug die Zersplitterung des Parteiwesens aufgrund des Verhältniswahlrechts bei.
Als von außen die Weltwirtschaftskrise zu den vorhandenen Belastungen hinzutrat, war die Weimarer Republik bereits weitgehend gescheitert. Es entstand ein Machtvakuum, das zur Radikalisierung weiter Teile der sozial und politisch unzufriedenen Wählerschaft führte.
Eine nationalsozialistische Diktatur wollte nur ein kleiner Teil der Bevölkerung.
Die Erwartung der bisher dominierenden Eliten, daß sie die nationalsozialistische Bewegung für ihre eigenen Zielvorstellungen in Dienst nehmen könnten, erwies sich jedoch schnell als eine verhängnisvolle Illusion.
Auf ihrem Vereinigungsparteitag[87] in Gotha verbanden sich die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) und der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) zur Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) Deutschlands. Im Gothaer Programm fanden diese beiden Hauptströmungen der deutschen Arbeiterbewegung einen Kompromiß zwischen marxistischer Theorie und reformerischer Praxis.
Hauptziele waren "der freie Staat und die sozialistische Gesellschaft, die Zerbrechung des ehernen Lohnsystems durch Abschaffung des Systems der Lohnarbeit, die Aufhebung der Ausbeutung in jeder Gestalt, die Beseitigung der sozialen und politischen Ungleichheit".
Im Sinne der reform- und staatssozialistisch orientierten "Lassalleaner" verzichtetete die Partei zugleich auf den revolutionären Klassenkampf und beschränkte sich auf die "Anwendung aller gesetzlichen Mittel" und auf die Durchsetzung "innerhalb der heutigen Gesellschaft erreichbarer politisch-ökonomischer Ziele[88]".
Karl Marx[89] und Friedrich Engels kritisierten den Kompromißcharakter des Gründungsdokuments in ihrer Schrift " Kritik des Gothaer Programms " scharf, insbesondere die von Lassalle übernommene Theorie des "ehernen Lohngesetzes".
Mit ihrer Orientierung auf die Eroberung parlamentarischer Mehrheiten, Aufklärungsarbeit im Volk und Demokratisierung des Staates nahm die neue Partei raschen Aufschwung.
Auf ihren auch im Reichstag zunehmenden Einfluß reagierte Reichskanzler Otto von Bismarck 1878 mit dem Verbot der Partei[91] Nach dessen Aufhebung 1890 gründete sich die SDAP als Sozialdemokratische Partei Deutschlands wieder und verabschiedete 1891 in Erfurt ein neues Programm.
Das Sozialistengesetz ist ein am 21. 10. 1878 im Deutschen Reich erlassenes Gesetz, welches 1890 aber wieder abgelaufen ist. Es war ein Versuch der Reichsregierung unter Bismarck, die deutsche Sozialdemokratie auszuschalten. Sozialistische Vereine, Versammlungen und Druckschriften konnten polizeilich verboten werden, wenn "die sittlichen, religiösen und politischen Grundlagen von Staat und Gesellschaft untergraben" würden.
Der Revisionismus ist im weiteren Sinn das Streben nach Veränderung eines politischen Programms. In einem engeren Sinn wird unter Revisionismus eine Strömung innerhalb der Sozialdemokratie um die Jahrhundertwende verstanden, die einige der zentralen Annahmen des Marxismus revidieren wollte. Im Grunde ging es um die Angleichung der Lehre an die praktizierte Politik. Daher standen Fragen der (partei-)politischen Strategie im Vordergrund; so etwa das Problem, ob eine sozialistische Gesellschaftsordnung durch Revolution oder allmählich mittels Reformen herbeizuführen sei.
Damit hängen Entscheidungen zugunsten der parlamentarischen Demokratie sowie gegen die Verstaatlichung von Privatunternehmen aufs engste zusammen. Wichtigste Vertreter des Revisionismus waren Eduard Bernstein[94] und Karl Kautsky
Die Internationale ist ein Name für verschiedene Vereinigungen zur Förderung der Zusammenarbeit sozialistischer und kommunistischer Organisationen in der ganzen Welt.
1864 gründeten Vertreter französischer und englischer Industriearbeiter in London die Internationale Arbeitervereinigung, die sich der Überwindung des kapitalistischen Systems verschrieb. Karl Marx, der damals in London lebte, wurde in den provisorischen Generalrat der Internationale gewählt und wurde zur beherrschenden Figur der Organisation.
Von Anfang an widersetzten sich jedoch anarchistische Anhänger von Pierre Joseph Proudhon und Michail Bakunin Marx' Modell eines zentralistischen, von den Arbeitern beherrschten Staates. Bakunin beschwor eine Krise in der Organisation herauf, als er Marx wegen seiner herrischen Art anprangerte und zur Gründung einer "antiautoritären" Internationale aufrief.
Auf dem Kongreß in Den Haag 1872 setzte Marx sich durch, und Bakunin wurde aus der Internationalen ausgeschlossen. Im Gefolge der marxistisch-anarchistischen Spaltung wurde die Entscheidung getroffen, den Generalrat in die Vereinigten Staaten zu verlegen, wo er ein Schattendasein führte, bis er 1876 offiziell aufgelöst wurde.
1889, zur Einhundertjahrfeier des Beginns der Französischen Revolution, versammelten sich zwei sozialistische Kongresse in Paris. Angeregt von Marx' Kommunistischem Manifest, gründete einer von ihnen die als solche bekannte Zweite Internationale. Als lose Föderation von Massenparteien richtete die neue Organisation 1900 ein Koordinierungsbüro ein, das Internationale Sozialistische Büro in Brüssel. Bis zum 1. Weltkrieg traf sich die Internationale neunmal in unregelmäßigen Abständen. Auf dem Londoner Kongreß 1896 wurden die Anarchisten ausgeschlossen, so daß die Marxisten eine unumstrittene Führungsrolle einnehmen konnten. Großen Einfluß hatten auch die deutschen Sozialdemokraten.
1899 veröffentlichte der Sozialistenführer Eduard Bernstein seinen Evolutionären Sozialismus, eine Revision der marxschen Lehren, welche die unbedingte Notwendigkeit von Revolutionen zurückwies und eine Zusammenarbeit mit nichtmarxistischen Parteien zur Erreichung sozialistischer Ziele vorschlug. Bernsteins Ansichten wurde von Karl Kautsky, dem Führer der orthodoxen deutschen Marxisten, widersprochen.
Ein ähnlich gelagerter Konflikt unterhöhlte die Bemühungen der Internationale, einen Krieg in Europa zu verhindern. Obwohl ideologisch dem Frieden und dem Internationalismus verpflichtet, stellten sich die meisten Sozialisten hinter ihre jeweilige Regierung, und nationale Bindungen erwiesen sich bei Ausbruch des 1. Weltkrieges 1914 stärker als Klassenzugehörigkeiten.
Daran zerbrach zwar die Zweite Internationale, sie entstand aber 1919 neu und schloß sich vier Jahre später mit der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Sozialistischer Parteien zusammen. Unter dem Namen Sozialistische Arbeiter-Internationale bestand die Organisation bis 1940 fort.
Im März 1919, im Anschluß an die Russische Revolution, organisierte der Bolschewikenführer der neuen Sowjetregierung, Lenin, eine neue Internationale, die allgemein als die Kommunistische Internationale oder Komintern bekannt ist. Erklärtes Ziel war die Weltrevolution nach russischem Vorbild. Der Gründungskongreß wählte Grigorij Sinowjew, einen Lenin treu ergebenen Militär, zum Präsidenten und setzte ein Exekutivkomitee zur Wahrung der Kontinuität zwischen den Kongressen ein. Auf dem zweiten Kongreß (1920) wurden 21 Mitgliedschaftsklauseln angenommen, die Lenins Beharren auf unbedingtem Gehorsam und seine Geringschätzung für die Sozialdemokraten der Zweiten Internationale deutlich machten.
Für Lenins Nachfolger, Jossif Stalin, war die Komintern kaum mehr als ein Mittel zum Schutz seiner absoluten Macht im Inland und zur Stärkung des sowjetischen Einflusses im Ausland. Radikale und scheinbar unerklärliche Stimmungswechsel in der Politik der Komintern, insbesondere in Hinsicht auf die Frage der Zusammenarbeit mit Nichtkommunisten, wurden von Stalins Intrigen im Inland und seinen politischen Strategien im Ausland bestimmt. Um seinen Alliierten, den USA und Großbritannien, im 2. Weltkrieg ein Zugeständnis zu machen, zögerte er nicht, die Komintern im Mai 1943 aufzulösen. An ihre Stelle trat das Kommunistische Informationsbüro (Kominform), das bis 1956 fortbestand.
Die Vierte Internationale wurde 1938 von Trotzkij und seinen Anhängern in Opposition zu Stalin gegründet. Nach Trotzkijs Ermordung (1940) versank die unter vielfachen Spaltungen leidende Organisation in der Bedeutungslosigkeit.
Im Oktober 1947 veranlaßte die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) in Polen ein Treffen für die kommunistischen Parteien aus neun Ländern[96].
Auf diesem Treffen wurde das Kominform gegründet, angeblich als Stelle zum Austausch von Informationen von allgemeinem Interesse, in Wirklichkeit jedoch als Instrument zur Durchsetzung von Stalins Politik, besonders in Jugoslawien, wo der Kommunistenführer Tito eine unabhängige Politik einführen wollte. Zwar befand sich der Hauptsitz des Kominform ursprünglich in Belgrad, jedoch führte Titos Entschlossenheit, Jugoslawiens Unabhängigkeit zu verteidigen, im Juni 1948 zum Ausschluß seiner Partei. Am 17. April 1956 wurde das Kominform aufgelöst. Das war ein Bestandteil der Bemühungen von Nikita Chruschtschow, eine sowjetisch-jugoslawische Aussöhnung zu erzielen.
Der Spartakusbund war eine Vereinigung radikaldemokratischer Sozialisten, die am
1. Januar 1916 zunächst unter dem Namen "Gruppe Internationale" von Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Franz Mehring in Berlin gegründet wurde. Unter Bezugnahme auf ihr illegal erscheinendes Organ, den Spartakusbriefen (nach dem Führer des römischen Sklavenaufstandes Spartacus), nannte sich die Gruppe später um.
Im Gegensatz zum Kaderparteikonzept Lenins vertrat der Spartakusbund einen demokratischen Kommunismus.
Die Spartakisten bildeten ursprünglich den äußersten linken Flügel der SPD; aus Opposition gegen die Burgfriedenspolitik[97], spaltete sich der Spartakusbund von der SPD ab.
Am 1. Mai 1916 organisierte der Spartakusbund eine große Antikriegsdemonstration auf dem Potsdamer Platz in Berlin, während der Rosa Luxemburg zum Generalstreik aufrief.
Im April 1917 schloß sich der Spartakusbund der USPD an, die sich ebenfalls aus Protest gegen die Burgfriedenspolitik von der SPD abgespalten hatte; er verfolgte aber weiterhin seinen radikaldemokratischen Kurs.
Der Spartakusbund war in den Januarstreiks und in der Novemberrevolution 1918 aktiv;
am 9. November 1918 proklamierte Liebknecht- allerdings erfolglos - in Berlin
die "freie sozialistische Republik". Der Spartakusbund forderte für Deutschland ein Rätesystem[98] und lehnte eine Nationalversammlung strikt ab.
Unter anderem über diese Fragen kam es im Dezember 1918 zum Bruch mit der USPD;
auf einer Versammlung vom 30. Dezember 1918 bis zum 1. Januar 1919 vereinigten sich Spartakusbund und Bremer Linksradikale zur Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Am 5./6. Januar 1919 organisierten KPD, USPD und Metallarbeiter in Berlin eine Massendemonstration, den sogenannten Spartakusaufstand, der von Freikorpstruppen blutig niedergeschlagen wurde. Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg wurden festgenommen und von rechtsradikalen Freikorpsoffizieren ermordet.
Die USPD war eine Linkspartei, die 1917 durch die Abspaltung von der SPD entstand.
Ihren Kern bildeten kriegsgegnerische SPD-Abgeordnete und -Mitglieder, die seit 1915 in zunehmendem Gegensatz zur "Burgfriedenspolitik" der Parteiführung standen.
Führende Persönlichkeiten der USPD waren Hugo Haase, Wilhelm Dittmann und Karl Kautsky. Mitglieder des linken Flügels der USPD, u. a. Karl Liebknecht[99], Rosa Luxemburg und Franz Mehring, bildeten innerhalb der Partei den Spartakusbund.
Bei den Reichstagswahlen 1920 erhielt die USPD 17,9% der Stimmen (81 Mandate).
Die Mehrheit der USPD trat 1920 zu den Kommunisten[101] über, eine Minderheit kehrte 1922 zur SPD zurück. Eine kleine Rest-USPD unter Georg Ledebour bestand noch länger.
Der Versailler Friedensvertrag war ein Vertrag zwischen Deutschland und den Alliierten zur Beendigung des 1. Weltkrieges.
Der alliierte Vertragsentwurf vom 07.05.1919 wurde nach deutschen Gegenvorschlägen ohne Verhandlungen geringfügig verändert. Deutschland unterzeichnete den Vertrag aber erst nach einem Ultimatum am 28.06.1919.
Aufgrund des Versailler Vertrages verlor Deutschland alle Kolonien und rund 70 000 km2 seines Staatsgebiets. Die Stärke des deutschen Heeres wurde auf 100 000 Mann, die der Marine auf 15 000 Mann beschränkt, der Besitz von Militärflugzeugen, Panzern und schwerer Artillerie wurde Deutschland verboten.
Auf linksrheinischem Gebiet und in einer 50-km-Zone rechts des Rheins durfte Deutschland keine Truppen stationieren. Das Gebiet, links des Rheins, wurde zeitweilig von alliierten Truppen besetzt.
Deutschland mußte sich als alleinschuldig am Ausbruch des Krieges bekennen (Art. 231) und zur Zahlung von Reparationen verpflichten.
Die USA sahen den Versailler Vertrag als Teile einer gerechten Friedensordnung gemäß den vierzehn Punkten Präsident Wilsons an. Die USA waren bereit, das Deutsche Reich weitgehend in seiner Machtstellung zu belassen. Frankreich erstrebte eine dauerhafte Sicherung der eigenen machtpolitischen Stellung und hielt deshalb territoriale Abtretungen und wirtschaftliche Schwächung des potentiell nach wie vor überlegenen Deutschen Reiches für geboten. Für Großbritannien war in erster Linie die Ausschaltung der deutschen Weltmachtkonkurrenz (Kolonien, Flotte) wichtig.
Der Versailler Vertrag war konzipiert im Zusammenhang mit der Gründung des Völkerbundes[102] und einem Frankreich von den USA und Großbritannien zugesagten Beistandspakt. Da die gesamte Friedensordnung vom US-amerikanischem Senat wegen zu weitgehender Verpflichtungen der USA abgelehnt wurde, entfiel dieser Pakt; die USA traten dem Völkerbund nicht bei und schlossen 1921 einen Separatfrieden mit dem Deutschen Reich.
Die französische Sicherheit schien fortan strukturell bedroht.
Der Versailler Vertrag wurde in Deutschland überwiegend als ungerecht empfunden und von nahezu allen politischen Kräften abgelehnt.
Der Kampf gegen "Versailles" wurde zu einem Kristallisationspunkt der nationalistischen Agitation, die sich gegen das gesamte "Weimarer System" richtete, da die Regierungen der Weimarer Republik nur eine Chance zur schrittweisen Revision sahen.
Entgegen zeitgenössischen Annahmen beschränkte der Versailler Vertrag die deutsche Großmachtstellung in Europa nicht grundsätzlich. Durch den Ausschluß Sowjetrußlands aus der Friedensordnung eröffneten sich sogar mittelfristig besonders günstige Chancen zum Ausbau dieser Stellung. Da aber die auf dieser Einschätzung beruhende Politik der deutschen Regierungen der 1920er Jahre im Inland nicht akzeptiert wurde, lag im Versailler Vertrag ein Grund für den Aufstieg des radikalen Nationalismus und besonders der NSDAP.
Der Juniaufstand war eine Erhebung in der DDR am 16./17. 6. 1953.
Den Hintergrund bildete eine spürbare Verschlechterung der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Lage. Nach Stalins Tod hatte die SED-Führung am 11. 6. 1953 "Fehler" zugegeben und einige der im Sommer 1952 beschlossenen Maßnahmen zur Industrieproduktion zurückgenommen, nicht jedoch eine im Mai verfügte Erhöhung der Arbeitsnormen um mindestens 10% (sie wurde vielmehr ausdrücklich bestätigt).
Dies war der unmittelbare Auslöser des Aufstands.
Am 16. 6. streikten Bauarbeiter der Stalinallee in Ostberlin, denen sich schnell Belegschaften weiterer Betriebe anschlossen. Es wurden die Herabsetzung der Normen, später der Rücktritt der Regierung und freie Wahlen gefordert. Am 17. 6. weiteten sich Streik und Demonstration über alle größeren Städte[103] zu einem Aufstand gegen das SED-Regime aus, obgleich die Aufhebung der neuen Normen und erneut eine Verbesserung der Lebensbedingungen versprochen wurde.
Bis zum Mittag bestanden die Demonstrationszüge im wesentlichen aus
Betriebsbelegschaften, die recht diszipliniert vorgingen[104].
Danach weiteten sie sich zu unkontrollierten Massenaktionen und -kundgebungen aus. Mittags wurde von der sowjetischen Besatzungsmacht der Ausnahmezustand verhängt, sowjetische Panzereinheiten und Kasernierte Volkspolizei wurden eingesetzt. Daraufhin brach der Juniaufstand, der ohne zentrale Führung war, schnell zusammen.
Über die Opfer liegen gesicherte Angaben nicht vor. Die DDR-Regierung nennt 21 Tote und 187 Verletzte[105].
In der Folgezeit verurteilten die Gerichte der DDR mindestens 1400 Teilnehmer zu Freiheitsstrafen. Die von der zunächst ratlosen DDR-Führung bald aufgestellte Behauptung, der 17. Juni sei das Werk westlicher Provokateure, entbehrt jeder Grundlage.
Die Tatsache, daß unbewaffnete Menschen gegen Panzer vorgingen, erregte in aller Welt Aufsehen und Anteilnahme. Der 17. Juni war in der Bundesrepublik Deutschland von 1954 bis 1990 als Tag der deutschen Einheit gesetzlicher Feiertag.
In ihrem Grundsatzprogramm, welches 1959 in Bad Godesberg (heute Stadtteil von Bonn) beschlossen wurde, hat die SPD den seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bestehenden Widerspruch zwischen ihrer politisch-pragmatischen, auf Sozialreformen ausgerichteten Zielsetzung und die vom Marxismus geprägten theoretischen Grundaussagen überwunden.
Der Bolschewismus ist eine von Wladimir Iljitsch Lenin entwickelte, auf Rußland angewandte und von Josif Wissarionowitsch Stalin deformierte Form des Marxismus.
Der Bolschewismus beruht auf der Lehre von Karl Marx als einer Richtung des Sozialismus unter Zugrundelegung der Hegelschen Dialektik. Aus der Bestimmung der gesellschaftlichen Wirklichkeit und ihrer Veränderung als Inhalt des dialektischen Geschichtsablaufs wurde die Lehre vom Klassenkampf und der Diktatur des Proletariats gefolgert.
In Übertragung dieser Theorien auf die russischen Verhältnisse wurde der zaristische Staat als Instrument der Herrschaft der Großgrundbesitzer bekämpft und als zum Untergang verurteilt angesehen; an seine Stelle sollte zunächst, nach der "Expropriation der Expropriateure", die Diktatur der Arbeiter und der armen Bauern treten. Die in den westlichen Staaten angewandten Methoden einer allmählichen Staatsreform werden als heuchlerische Mittel zur Verewigung der Tyrannei der herrschenden Klassen abgelehnt.
An ihre Stelle tritt der gewaltsame Umsturz und die proletarische Diktatur, die mit allen Mitteln, besonders einer offen verkündeten Klassenjustiz, die Ausschaltung der feindlich gesinnten Teile der alten Oberklassen betreibt. Erst wenn auf diesem Wege die alte feudale und bürgerliche Gesellschaft beseitigt ist, könne auf bereinigten Fundamenten die neue klassenlose Gesellschaft der Arbeiter und Bauern entstehen.
Seit der Spaltung der russischen Sozialdemokratie auf dem Londoner Parteikongreß 1903 in Bolschewiki trat der Bolschewismus als selbständige politische Bewegung in Erscheinung.
Nach dem Scheitern der Revolution von 1905 erhielten die Bolschewiki ihre große Chance durch den 1. Weltkrieg.
Lenin proklamierte "die Umwandlung des imperialistischen Kriegs in den Bürgerkrieg" und arbeitete von seinem Schweizer Exil aus auf die Niederlage und den Sturz des Zarentums hin. Nachdem dies geschehen und Lenin nach Rußland zurückgekehrt war, erlag die schwache Regierung Kerenskij und die Bolschewiki ergriffen die Macht als eine Minderheitsdiktatur, die sich mit allen Mitteln behauptete.
Das eigentliche, gemeinde-föderalistisch gedachte System der Räte[106] wurde im Interesse der bolschewistischen Parteidiktatur streng zentralisiert; ebenso blieb der Aufbau der UdSSR als einer Vereinigung innerlich freier Gliedstaaten eine bloße Form. Der Staat wurde trotz formeller Trennung von Partei und Staat geleitet und durchdrungen von der im Politbüro der bolschewistischen Partei gipfelnden Hierarchie der Parteifunktionäre.
Das Rätesystem ist eine Form der direkten Demokratie (Rätedemokratie), die von
sozialistischen Theoretikern des 19. Jahrhunderts entworfen und in revolutionären Situationen
des 20. Jahrhunderts mehrfach praktiziert wurde.
Wahl in Betrieben und Kasernen (nicht im Wohnbezirk)
Beschränkung des Wahlrechts: Stimmrecht nur für Arbeiter, kleine und mittlere
Angestellte, Landarbeiter, Kleinbauern und Soldaten
indirektes Wahlsystem (untere Räte wählen die Nächsthöheren)
keine Gewaltenteilung
jederzeitige Abwählbarkeit der gewählten Abgeordneten durch ihre Wähler
Bindung der Abgeordneten an Aufträge ihrer Wähler (imperatives Mandat)
Öffentlichkeit aller Beratungen.
Kurt Schumacher wurde am 13.10.1895 in Kulm, Westpreußen, geboren und starb
am 20.08.1952 in Bonn.
Er war Nationalökonom und Redakteur.
Außerdem war er von 1924 bis 1931 Abgeordneter im württembergischen Landtag und von 1930 bis 1933 Mitglied des Reichstags.
Bis auf eine kurze Unterbrechung wurde Schumacher von 1933 bis 1944 in einem KZ festgehalten. Nach dem 2. Weltkrieg war er maßgeblich beteiligt an der Reorganisation der SPD und lehnte jede Zusammenarbeit mit der KPD ab.
Seit 1946 war er Parteivorsitzender, seit 1949 auch Vorsitzender der Bundestagsfraktion.
Er forderte von den Besatzungsmächten die politische und wirtschaftliche Selbstbestimmung der Deutschen, lehnte einen westdeutschen Teilstaat ab.
Karl Marx wurde am 05.05.1818 in Trier geboren und starb am 14.03.1883 in London.
Er war Philosoph, Revolutionär und Begründer des Marxismus.
Marx studierte in Bonn und Berlin Rechtswissenschaften und Philosophie und schloß sich in Berlin dem Kreis der radikalen Junghegelianer an. 1842/43 war er Chefredakteur der liberal-oppositionellen "Rheinischen Zeitung" in Köln; nach ihrem Verbot ging er nach Paris.
Unter dem Einfluß Ludwig Feuerbachs kam er zum philosophischen Materialismus, unter dem der französischen utopischen Sozialisten zum revolutionären Sozialismus. Gemeinsam mit Friedrich Engels entwickelte er seine materialistische Geschichtsauffassung. Aus Paris ausgewiesen, lebte Marx 1845-1848 in Brüssel. 1847 traten er und Engels dem Bund der Kommunisten bei und verfaßten als Programmschrift für ihn das "Kommunistische Manifest" 1848, in dem die proletarische Revolution als Ergebnis eines gesetzmäßig verlaufenden Geschichtsprozesses vorausgesagt wurde. Die Revolution von 1848 erlaubte Marx die Rückkehr nach Deutschland. 1848/49 war er Chefredakteur der radikaldemokratischen "Neuen Rheinischen Zeitung" in Köln. 1849 mußte Marx wieder emigrieren; er ging für den Rest seines Lebens nach London. Anfangs in sehr bedrängten Umständen lebend und stets materiell von Engels unterstützt, arbeitete er journalistisch für mehrere Blätter, widmete sich aber vor allem historischen und ökonomischen Studien. Seine ökonomischen Hauptwerke "Zur Kritik der politischen Ökonomie" 1859 und "Das Kapital" Band 1 1867 blieben unvollendet; wesentliche Teile wurden erst aus dem Nachlaß veröffentlicht. Der praktischen Politik wandte sich Marx erst wieder 1864 zu: Er war maßgebend an der Gründung der Internationalen Arbeiterassoziation beteiligt, entwarf ihr Programm, bestimmte weitgehend ihre Politik und veranlaßte 1872 ihre faktische Auflösung.
Auf die deutsche Sozialdemokratie nahm Marx mit seiner "Kritik des Gothaer Programms" 1875 starken Einfluß.
Ihre größte Wirksamkeit entfalteten Marx' Ideen erst nach seinem Tod. Sie prägten in unterschiedlichem Grad die Programme vieler sozialistischer und aller kommunistischen Parteien und beeinflußten weite Bereiche des sozialwissenschaftlichen Denkens im 20. Jahrhundert. Weltbedeutung haben sie dadurch gewonnen, daß sich die herrschenden Parteien der kommunistisch regierten Länder in ihrer politischen Praxis und auch in der Auseinandersetzung untereinander auf die Lehren von Marx beriefen bzw. berufen.
Kurt Schumacher
Karl Marx (1818-1883), deutscher Philosoph und Nationalökonom
Friedrich Engels ist am 28.11.1820 in Barmengeboren und starb am 05.08.1895 in London.
Er kam während der Militärzeit in Berlin in Berührung mit den radikalen "Linkshegelianern" und wurde bei einem England-Aufenthalt 1842-1844 Sozialist. Seit der Rückkehr nach Deutschland arbeitete er eng mit Karl Marx zusammen.
Als Programmschrift für den "Bund der Kommunisten", dem Marx und Engels 1847 beitraten, verfaßten sie das "Kommunistische Manifest" 1848. Während der Revolution von 1848/49 war Engels Redakteur der von Marx geleiteten "Neuen Rheinischen Zeitung".
Nach Teilnahme an dem gescheiterten pfälzischen Aufstand emigrierte er nach England.
1870 wurde er Mitglied des Generalrats der 1. Internationale. In zahlreichen Schriften wirkte er maßgeblich an der Ausbildung der marxistischen Theorie mit und trug zu ihrer Popularisierung bei. Im letzten Jahrzehnt seines Lebens war Engels, ohne eine offizielle Funktion zu bekleiden, einer der anerkannten geistigen Führer des internationalen Sozialismus, insbesondere der deutschen Sozialdemokratie.
Eigentlicher Name: Simon Buttermilch.
Er wurde am 28.12.1824 in Lissa (Polen) geboren und starb am 04.05.1898 in Basel.
Er gründete 1848 in Berlin die erste politische Arbeiterbewegung Deutschlands,
die Arbeiterverbrüderung.
1849 mußte er in die Schweiz fliehen, studierte, wurde Herausgeber
der "Basler Nachrichten" und Professor für Literaturgeschichte.
Ferdinand Lassalle war einer der Mitgründer der deutschen Sozialdemokratie.
Er wurde am 11.04.1825 in Breslau geboren und starb im Duell am 31.08.1864 in Genf.
In Paris durch Heinrich Heine für die radikale Demokratie gewonnen, schloß sich Lassalle in Deutschland Karl Marx und Friedrich Engels an.
Er zeigt rege Vortragstätigkeit gegen den Liberalismus und hatte ständigen Kontakt zu den Arbeitervereinen. Zunächst Verfasser eines sozialistischen Programms für den Leipziger Arbeiterkongreß, wurde er 1863 von der gleichen Organisation, die sich nun als Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein konstituierte, zum Präsidenten gewählt.
Lassalle entwickelte vor allem die Idee von "Produktivassoziationen", in denen die Arbeiter mit finanzieller Unterstützung des Staates selbst unternehmerisch tätig sein sollten.
Vom "revolutionären" Sozialismus trennte ihn die Anerkennung des Staates als Institution und das Bestreben, durch Wahlen die Herrschaft der Arbeiterklasse zu errichten.
Sein Hauptwerk war "Das System der erworbenen Rechte" von 1861.
Friedrich Engels (1820-1895), sozialistischer Theoretiker
Ferdinand Lassalle
August Bebel war Mitbegründer der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und deren langjähriger Vorsitzender.
Bebel wurde am 22. Februar 1840 in Deutz bei Köln geboren und ist am 13.08.1913
In Passugg (Schweiz) gestorben.
Im Alter von 20 Jahren ließ er sich als Drechslermeister in Leipzig nieder. Unter dem Einfluß Lassalles wandte sich Bebel dem Sozialismus und der Arbeiterbewegung zu.
1865 übernahm er den Vorsitz des Arbeiterbildungsvereins in Leipzig und 1867 den Vorsitz im Verband der deutschen Arbeiterbildungsvereine. 1866 gründete er zusammen mit Wilhelm Liebknecht die Sächsische Volkspartei, für die er noch im selben Jahr in den Reichstag des Norddeutschen Bundes gewählt wurde. 1869 war er in Eisenach, wieder zusammen mit Liebknecht, maßgeblich an der Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) beteiligt, die dem internationalen Sozialismus der Ersten Internationalen und Karl Marx nahe stand und an Lassalle und dessen Allgemeinem Deutschen Arbeiterverein (ADAV)
Kritik übte.
Seit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 gehörte Bebel fast bis zu seinem Lebensende (mit kurzen Unterbrechungen) dem deutschen Reichstag an, von 1881 bis 1891 zugleich dem sächsischen Landtag.
Durch seine Kritik an der Fortführung des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 als Eroberungskrieg wurde er 1872 zusammen mit Liebknecht wegen Hochverrats und Majestätsbeleidigung zur zwei Jahren Festungshaft verurteilt. Nach seiner Freilassung
betrieb er 1875 in Gotha maßgeblich den Zusammenschluß von SDAP und ADAV zur Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP), der Vorläuferin der SPD. Gegen den zunehmenden Erfolg und Einfluß der SAP erließ der Reichstag 1878 auf Druck des Reichskanzlers Otto von Bismarck die Sozialistengesetze, auf deren Grundlage neben verschiedenen anderen Gruppierungen und Verbänden wie z. B. den Gewerkschaften auch die SAP verboten wurde. In der Folge war die aus neun Abgeordneten (unter ihnen Bebel) bestehende SAP-Reichstagsfraktion das einzige legale Gremium der Sozialisten in Deutschland.
Nach Aufhebung der Sozialistengesetze und dem Sturz Bismarcks war Bebel 1891 entscheidend an der Neuorganisation der deutschen Sozialisten in der SPD und an der Formulierung ihres Erfurter Programms beteiligt und wurde erster Vorsitzender der Partei.
In den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts baute Bebel die SPD zu einer Massenpartei aus. 1912 war die SPD stärkste Fraktion im Reichstag.
Innerhalb der SPD vertrat Bebel eine marxistische Mittellinie; er war gegen linke Radikalisten und rechte Revisionisten, für einen Ausgleich zwischen marxistischer Theorie und
politischer Praxis.
Bebel war ein entschiedener Gegner des Revisionismus, verfolgte aber dennoch einen reformpolitischen Kurs in Erwartung einer baldigen Selbstauflösung des Kapitalismus.
Als Anhänger der Volksbewaffnung bekämpfte er den preußischen Militarismus.
Programm und Organisation der SPD hatten Vorbildfunktion für die Zweite Internationale.
August Bebel
Wilhelm Liebknecht, geboren am 29. März 1826 in Gießen und Vater von Karl Liebknecht, studierte in Marburg Philologie und Philosophie und absolvierte daneben eine Tischlerlehre. 1848/49 nahm er an der Revolution in Baden teil, floh in die Schweiz, wurde 1850 ausgewiesen und ging nach London. Dort lernte er Karl Marx kennen, dessen Schüler und Freund er wurde. Nach einer Amnestie kehrte Liebknecht 1862 nach Deutschland zurück und arbeitete als Journalist. 1869 gründete er zusammen mit August Bebel in Eisenach die Sozialdemokratische Arbeiterpartei, und 1875 war er maßgeblich an dem Zusammenschluß seiner Partei mit dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) beteiligt. Liebknecht gab verschiedene Zeitungen heraus, u. a. auch den sozialdemokratischen "Vorwärts".
Von 1867 bis 1870 und ab 1874 gehörte Liebknecht dem Reichstag an. Er war einer der einflußreichsten Führer nicht nur der deutschen, sondern auch der internationalen Sozialdemokratie. Er starb am 7. August 1900 in Berlin Charlottenburg.
Eduard Bernstein wurde am 06.01.1850 in Berlin geboren und starb am 18.12.1932 in Berlin.
Er war ab 1872 Mitglied der SPD, lebte 1878-1888 in Zürich, dann in London, wo er in engen Beziehungen zu Friedrich Engels stand.
Er begründete hier den Revisionismus in der deutschen Sozialdemokratie und kehrte 1901 nach Deutschland zurück.
Bernstein trat 1917 der USPD bei, schloß sich aber 1919 wieder der SPD an.
Karl Johann Kautsky wurde am 16. Oktober 1854 in Prag geboren, er studierte in Wien und schloß sich der österreichischen Sozialdemokratie an. 1881 ging er nach London, wo er Karl Marx und Friedrich Engels kennen lernte. Unter dem Einfluß von und in Zusammenarbeit mit Engels entwickelte er sich zu einem der führenden marxistischen Theoretiker.
1883 gründete er "Die Neue Zeit", das theoretische Organ der SPD, das unter seiner Leitung
zu einer der führenden sozialistischen Zeitungen in Europa wurde.
Nach Aufhebung der Sozialistengesetze kehrte Kautsky nach Deutschland zurück und war maßgeblich an der Ausarbeitung des Erfurter Programms der SPD beteiligt.
Innerhalb der SPD suchte er einen Mittelweg zwischen dem Revisionismus Eduard Bernsteins und dem Radikalismus Rosa Luxemburgs. Den Bolschewismus lehnte er ab.
Den 1. Weltkrieg sah der Pazifist Kautsky als rein imperialistisches Unternehmen an.
Seit 1917 war er Mitglied der USPD, die sich über der Frage nach der Zustimmung zu den Kriegskrediten von der SPD abgespalten hatte.
Der Russischen Revolution vom November 1917 stand er ablehnend gegenüber; er trat auch nicht, wie ein Teil der USPD-Mitglieder, dem Spartakusbund bzw. der neu gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands bei.
Nach dem 1. Weltkrieg lebte Kautsky vor allem in Wien, doch kurz vor seinem Tod am 17. Oktober 1938 emigrierte er nach Amsterdam.
Wilhelm Liebknecht (1826-1900), deutscher Politiker
Rosa Luxemburg ist am 05.03.1871 in Zamosc (Polen) geboren und wurde am 15.01.1919 in Berlin ermordet.
Sie war Nationalökonomin und 1894 Mitgründerin der »Sozialdemokratie des Königreichs Polen und Litauens«
Sie lebte seit 1898 in Deutschland, arbeitete publizistisch für die SPD, behielt aber eine führende Stellung in der polnischen Partei und trat auch in der Zweiten Internationale hervor. Luxemburg stand auf dem linken Flügel der SPD, bekämpfte den Revisionismus und Reformismus und trat für den politischen Massenstreik ein. Zugleich lehnte sie die Kaderpolitik und den Zentralismus der russischen Bolschewiki ab.
1906 nahm sie in Warschau an der russischen Revolution teil und seit 1907 lehrte sie an der Berliner Parteischule der SPD. 1913 erschien ihr ökonomisches Hauptwerk
»Die Akkumulation des Kapitals«.
Als Kriegsgegnerin war sie 1914/15 im Gefängnis, 1916-1918 in »Schutzhaft«.
»Spartakus-Briefen« mit.
Die Herrschaftspraxis der Bolschewiki kritisierte sie 1918 in der 1922 posthum erschienenen Schrift »Die russ. Revolution«.
Ende 1918 gründete sie mit Karl Liebknecht und anderen Linken die KPD.
Nach dem von ihr mißbilligten Spartakusaufstand wurde sie zusammen mit Liebknecht von Freikorpsoffizieren ermordet.
Friedrich Ebert wurde am 4. Februar 1871 als Sohn eines Schneiders in Heidelberg geboren und starb am 28. Februar 1925 in Berlin.
Während seiner Gesellenjahre als Sattler schloß er sich 1889 der Sozialdemokratie an.
1891 ließ er sich in Bremen nieder, wo er ab 1893 als Redakteur der sozialdemokratischen "Bremer Bürgerzeitung" tätig war.
1900 wurde Ebert Mitglied der Bremer Bürgerschaft und Fraktionsvorsitzender der SPD.
1905 ging er als Sekretär des SPD-Parteivorstands nach Berlin. Ebert profilierte sich innerhalb seiner Partei weniger als Theoretiker denn als Mann des Ausgleichs, der stets eine enge Zusammenarbeit zwischen SPD und Gewerkschaften befürwortete und einen pragmatischen Kurs vertrat. 1908 wurde er Leiter der Zentralstelle für die arbeitende Jugend Deutschlands und übernahm damit auch eine entscheidende Rolle in der sozialistischen Jugendbewegung.
1912 wurde Ebert Reichstagsabgeordneter und nach August Bebels Tod 1913 dessen Nachfolger als Vorsitzender der SPD.
Als Parteivorsitzender und als Vorsitzender der Reichstagsfraktion von 1916 bis 1918 entwickelte sich Ebert zum richtungweisenden Mann innerhalb der SPD.
Während des 1. Weltkrieges Wortführer der staatstreuen Mehrheit innerhalb der Sozialdemokratie, sprach er sich nachdrücklich für die Burgfriedenspolitik und die Landesverteidigung aus, lehnte jedoch Annexionen und einen Siegfrieden ab.
Im Juli 1917 nahm Ebert entscheidenden Einfluß auf die Friedensresolution des Reichstages.
Nach dem Ende des 1. Weltkrieges spielte er eine maßgebliche Rolle bei der Konstituierung der Republik: Ein Pakt vom November 1918 zwischen Ebert, der zu diesem Zeitpunkt auch Vorsitzender des Rates der Volksbeauftragten war, und General Groener sowie das Stinnes-Legien-Abkommen (Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Unternehmern) verhinderten die Übernahme des russischen Rätesystems und die Errichtung einer Diktatur des Proletariats. Auf dem Berliner Kongreß der Arbeiter- und Soldatenräte im Dezember 1918 setzte Ebert den Beschluß zur Abhaltung von Wahlen zu einer Nationalversammlung durch.
Am 11. Februar 1919 wurde er von der Weimarer Nationalversammlung zum vorläufigen Reichspräsidenten gewählt. Seine Amtszeit wurde im Oktober 1922 vom Reichstag bis Juni 1925 verlängert. In den Krisenjahren in der Anfangszeit der Weimarer Republik
(Putschversuche, Inflation, Ruhrkampf) trug Ebert als um Überparteilichkeit und Ausgleich bemühter Reichspräsident entscheidend zur relativen Stabilisierung der von links- und rechtsextremistischen Tendenzen gefährdeten jungen Republik bei, wenn auch unter Verzicht auf eine konsequente Republikanisierung von Heer und Verwaltung.
Ebert starb wenige Monate vor Ablauf seiner Amtszeit an den Folgen einer Operation.
Wilhelm Pieck ist am 03.01.1876 in Guben geboren und starb am 07.09.1960 in Berlin.
Von 1933 bis 1945 befand er sich in der Emigration (Frankreich, dann Sowjetunion).
Seit 1935 war er Vorsitzender der (Exil-)KPD.
1943 war er Mitgründer des "Nationalkomitees Freies Deutschland"
Von 1946 bis 1954 war er zusammen mit Otto Grotewohl Vorsitzender der SED, seit 1949 Mitglied ihres Politbüros und von 1949 bis 1960 Präsident der DDR.
An politischem Einfluß stand Pieck weit hinter Walter Ulbricht zurück.
Walter Ulbricht wurde am 30.06.1893 in Leipzig geboren und starb am 01.08.1973 in Berlin.
Er trat 1912 der SPD bei, 1918 dem Spartakusbund, 1919 der KPD, seit 1927 war Ulbricht Mitglied ihres Zentralkomitees und seit 1929 war er Mitglied des Politbüros.
Von 1933 bis 1935 befand sich Ulbricht im Exil in Prag, Brüssel und Paris, dann in der Sowjetunion, wo er der Organisator des Nationalkomitees "Freies Deutschland" war.
Ulbricht kehrte 1945 nach Deutschland zurück, trug maßgebend zur Gründung der SED bei und wurde mit sowjetischer Rückendeckung ihr führender Politiker.
Seit 1950 war er Generalsekretär des Zentralkomitees der SED, seit 1949 außerdem Stellvertretender Ministerpräsident der DDR.
1960 trat er als Vorsitzender des Staatsrats auch formell an die Spitze des Staates.
1971 wurde er - wohl hauptsächlich wegen seines Widerstands gegen die sowjetische Entspannungspolitik - als Parteichef durch Erich Honecker abgelöst.
Er blieb Vorsitzender des Staatsrats und wurde zum Ehrenvorsitzenden der SED ernannt.
Rosa Luxemburg (1871-1919) Wilhelm Pieck (1876-1960)
Friedrich Ebert (1871-1925) Walter Ulbricht (1893-1973)
Reichspräsident der Weimarer Republik
Carlo Schmid wurde am 03.12.1896 in Perpignan, Südfrankreich, geboren und starb am
11.12.1979 Bonn.
Er war Jurist und Professor (u. a. in Tübingen und in Frankfurt am Main)
Von 1947 bis 1950 war er Justizminister von Württemberg-Hohenzollern, von 1947 bis 1970 Mitglied des SPD-Parteipräsidiums, von 1949 bis 1972 Mitglied des Bundestages und von 1949 bis 1966 und 1969 bis 1972 war Schmid Vizepräsident des Bundestags.
Von 1966 bis 1969 war er Bundesratsminister und war führend beteiligt an der Ausarbeitung des Grundgesetzes und des Godesberger Programms der SPD.
Schmid war Verfasser von zahlreichen literarischen, politischen und historischen Schriften.
Willy Brandt wurde als Herbert Ernst Karl Frahm am 18. Dezember 1913 in Lübeck geboren. Schon als Jugendlicher politisch aktiv, schloß er sich 1930 zunächst der SPD an, 1931 wurde er dann Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP). Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 emigrierte er nach Norwegen und nahm aus Sicherheitsgründen den Decknamen Willy Brandt an (die formelle Namensänderung erfolgte 1949).
In der Folge arbeitete er in Oslo als Journalist und studierte Geschichte. 1936 war er unter falschem Namen, vorgeblich als norwegischer Student, im Untergrund in Berlin tätig.
1938 wurde er von den deutschen Behörden ausgebürgert; 1940 nahm er die norwegische Staatsbürgerschaft an, und noch im selben Jahr mußte er nach der Besetzung Norwegens durch die Deutschen seine neue Heimat in Richtung Schweden verlassen. Nach Kriegsende kehrte Brandt als Berichterstatter skandinavischer Zeitungen und als Presseattaché der norwegischen Militärmission in Berlin nach Deutschland zurück und ließ sich 1948 wieder einbürgern.
Von 1957 bis 1966 war er Regierender Bürgermeister von Berlin, von 1964 bis 1987 Vorsitzender der SPD, von 1966 bis 1969 Außenminister einer Großen Koalition mit der CDU und von 1969 bis 1974 Bundeskanzler einer SPD-FDP-Koalition.
Nach seinem Amtsantritt als Bundeskanzler 1969 begann Brandt mit der Umsetzung innenpolitischer Reformen, die er in seiner ersten Regierungserklärung mit dem Schlagwort "Mehr Demokratie wagen" zusammenfaßte.
Wegen seiner Ostpolitik, die innenpolitisch umstritten war, genoß er international hohes Ansehen, und aufgrund seiner außenpolitischen Bemühungen um eine "Aussöhnung zwischen alten Feindländern" erhielt er 1971 den Friedensnobelpreis. 1972 konnte er sich knapp gegen ein konstruktives Misstrauensvotum im Bundestag behaupten, das die CDU gegen seine Ostpolitik einbrachte. Aus vorgezogenen Neuwahlen ging die Koalition gestärkt hervor.
Brandt bildete abermals eine SPD/FDP-Regierung. Für das Eindringen des DDR-Spions Günter Guillaume in den Kreis seiner engsten Mitarbeiter übernahm Brandt die politische Verantwortung und trat am 06.05.1974 als Bundeskanzler zurück.
Von 1979 bis 1983 war Brandt Mitglied des Europäischen Parlaments, und als Präsident der Sozialistischen Internationale (1976 bis 1992) und der Nord-Süd-Kommission (1977-1989) blieb er vor allem auf internationaler Bühne weiterhin aktiv.
Die Vereinigung der beiden deutschen Staaten begrüßte Willy Brandt optimistisch: "Es wächst zusammen, was zusammengehört."
Willy Brandt starb am 8. Oktober 1992 in Unkel am Rhein.
Willy Brandt (1913-1992), deutscher Politiker
Wehner wurde am 11. Juli 1906 in Dresden geboren. Nach dem Besuch der Realschule absolvierte er eine kaufmännische Lehre. Er gehörte zeitweise der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) an, trat 1927 der KPD bei und war 1930/31 Mitglied des sächsischen Landtages. Von 1933 bis 1935 war er im Untergrund für die verbotene KPD tätig und ging danach ins Exil ins westliche Ausland, 1937 nach Moskau, wo er u. a. für die Komintern tätig war, und 1941 nach Schweden. Dort wurde er 1942 zu einer einjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, während der er mit dem Kommunismus brach.
1946 kehrte Wehner nach Deutschland zurück, trat in Hamburg in die SPD ein und wurde 1949 in den Bundestag gewählt, dem er bis 1983 angehörte. Er gehörte bald zu den engsten Mitarbeitern des SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher. Als Vorsitzender des Bundestagsausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen (1949-1966) engagierte er sich vehement für eine Wiedervereinigung Deutschlands und entwickelte zusammen mit einigen seiner Parteifreunde den Deutschlandplan der SPD.
Von 1958 bis 1973 war Wehner stellvertretender Vorsitzender der SPD und maßgeblich an der Ausarbeitung des Godesberger Programms von 1959 und der Umwandlung der SPD von einer Klassenkampf- in eine linke Volkspartei beteiligt. In der großen Koalition, an deren Zustandekommen Wehner maßgeblich beteiligt gewesen war, amtierte er unter Kurt Georg Kiesinger von 1966 bis 1969 als Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen und setzte sich dabei vor allem für eine neue Ostpolitik ein. Von 1969 bis 1983, als er aus Altersgründen aus dem Bundestag ausschied, war Wehner Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, als der er die Ostpolitik der Bundeskanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt entschieden unterstützte. Wehner gehörte zu den prägenden Persönlichkeiten nicht nur innerhalb der SPD, sondern in der deutschen Nachkriegspolitik überhaupt.
Er starb im Alter von 83 Jahren am 19. Januar 1990 in Bonn- Bad Godesberg.
Gustav Heinemann wurde am 23.07.1899 in Schwelm geboren und starb am 07.07.1976 in
Essen. Er war Rechtsanwalt und gehörte zur Bekennenden Kirche.
Heinemann war Mitgründer der CDU, von 1946 bis 1949 Oberbürgermeister von Essen,
von 1945 bis 1955 Präses der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands und 1949/50 Bundesinnenminister.
Aus Protest gegen die Aufrüstung der Bundesrepublik Deutschland trat Heinemann zurück.
1952 trat er aus der CDU aus und gründete 1953 die Gesamtdeutsche Volkspartei (GVP).
1957 trat er der SPD bei, wurde von 1966 bis 1969 Bundesjustizminister und von 1969 bis
1974 Bundespräsident.
Gustav Heinemann setzte sich besonders für die Förderung des Friedens in Europa ein.
Egon Bahr wurde am 18.03.1922 in Treffurt an der Werra geboren.
Von 1969 bis 1972 war er als Staatssekretär im Bundeskanzleramt, entscheidend an den
Verhandlungen um den deutsch-sowjetischen Vertrag und den Grundvertrag beteiligt.
Von 1972 bis 1990 war Bahr Mitglied des Bundestages.
Von 1972 bis 1974 war er Bundesminister für besondere Aufgaben, von 1974 bis 1976 Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und von 1976 bis 1981 Bundesgeschäftsführer der SPD.
Seit 1984 ist Bahr Leiter des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg.
Durch den überraschenden Rücktritt Willy Brandts vom Amt des Bundeskanzlers im Zuge der Guillaume-Affäre fiel dem stellvertretenden SPD-Vorsitzenden und Bundesfinanzminister die Kanzlerschaft in der sozialliberalen Regierungskoalition zu. Seine achtjährige Amtszeit war geprägt von den Problemen der schwersten Weltwirtschaftskrise seit 1929
(provoziert durch den Ölboykott der arabischen Staaten im Nahostkonflikt 1973) und von der Verschärfung der innenpolitischen Situation als Folge der Mordanschläge der RAF.
Schmidt wurde am 23. Dezember 1918 in Hamburg geboren. Nach seinem Einsatz als Soldat im 2. Weltkrieg studierte er Staatswissenschaften und Volkswirtschaft in Hamburg und begründete seine politische Laufbahn als Bundesvorsitzender des seinerzeit zur SPD gehörenden Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS).
Von 1953 bis 1962 und von 1965 bis 1987 war er Mitglied des Deutschen Bundestags.
Als Hamburger Innensenator (1961-1965) erwarb er sich bei der Bewältigung der Flutkatastrophe 1962 den Ruf des durchsetzungsfähigen Krisenmanagers. Von 1967 bis 1969 Vorsitzender der Bundestagsfraktion der SPD und in der Regierung Brandt Bundesverteidigungsminister, und als Wirtschafts- und Finanzminister konzentrierte er sich mit anerkanntem wirtschaftlichem Sachverstand auf das pragmatisch "Machbare".
Als Bundeskanzler setzte er die auf Ausgleich mit den östlichen Nachbarn zielende Entspannungspolitik Willy Brandts mit Verträgen mit der Tschechoslowakei und Polen und weiteren Gesprächen mit den führenden Repräsentanten der DDR fort.
Im zeitweiligen Widerspruch zur Mehrheit seiner Partei verfolgte er jedoch zugleich eine Politik der Stärke im Rahmen des westlichen Bündnissystems und gehörte zu den Urhebern des NATO-Doppelbeschlusses von 1979.
Nach dem Wahlsieg der Koalitionsparteien SPD und FDP 1980 entfernte er sich mit seinem Regierungsstil und seinen politischen Entscheidungen zunehmend von der Parteibasis.
Der Rücktritt der vier FDP-Minister in seinem Kabinett leitete den Sturz des zweiten sozialdemokratischen Kanzlers der Bundesrepublik ein, der nach einem konstruktiven Misstrauensvotum von Helmut Kohl (CDU) abgelöst wurde.
Seit 1983 ist Schmidt Mitherausgeber der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" .
Helmut Schmidt, deutscher Politiker und Bundeskanzler
Hans-Jochen Vogel wurde am 03.02.1926 in Göttingen geboren. Bruder von
Bernhard Vogel (CDU).
Von 1960 bis 1972 war Vogel Oberbürgermeister von München, von 1972 bis 1981 und
von 1983 bis 1994 Mitglied des Bundestages, von 1972 bis 1974 Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau.
Von 1974 bis 1980 war Vogel Bundesminister der Justiz, vom Januar bis Juni 1981 war er
Regierender Bürgermeister von West-Berlin.
Von 1983 bis 1991 war er Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und von 1987 bis 1991 war Hans-Jochen Vogel Parteivorsitzender.
Lafontaine wurde am 16. September 1943 als Sohn eines Handwerkers in Saarlouis geboren und studierte zwischen 1962 und 1969 Physik in Bonn und Saarbrücken. 1966 wurde er Mitglied der SPD, in der er rasch aufstieg: Nach einer Karriere bei den Jusos, der Jugendorganisation der SPD, kam er 1968 in den Landesvorstand der Saar-SPD, 1970 folgte ein Mandat im Landtag, 1974 das Bürgermeisteramt von Saarbrücken (1976-1985 Oberbürgermeister). Darüber hinaus übernahm Lafontaine 1977 den Landesvorsitz der saarländischen SPD, den er seitdem ununterbrochen innehat. 1979 kam er in den Bundesparteivorstand.
Anfang der achtziger Jahre brachte Lafontaine sein striktes Nein zu Nachrüstung und Atomkraft in Konfrontation mit der Parteispitze um Bundeskanzler Helmut Schmidt. Auch als Gegner des NATO-Doppelbeschlusses ging er auf Konfrontationskurs. Am 9. April 1985 stieg Lafontaine zum Ministerpräsidenten des Saarlandes auf. Noch im gleichen Jahr sprach sich der von Friedrich Dürrenmatt als "Weltinnenminister" bezeichnete Politiker bei einem DDR-Besuch für eine Anerkennung des Staates aus, um das innerdeutsche Klima zu verbessern. 1987 wurde er neben Hans-Jochen Vogel stellvertretender Parteivorsitzender. An der Ausarbeitung des 1989 verabschiedeten neuen Parteiprogramms, das, marktwirtschaftlich orientiert, das Godesberger Programm ablöste, war er maßgeblich beteiligt. Auch in Fragen der Asylpolitik und der Arbeitszeitregelung sowie durch seine kritische Haltung gegenüber einer überschnellen Wiedervereinigung löste er innerparteiliche und innenpolitische Debatten aus. 1990 war Lafontaine Spitzenkandidat der SPD im Kanzlerwahlkampf, wobei er bei einem seiner Auftritte von einer Attentäterin schwer verletzt wurde. Die Wahl brachte der SPD mit 33,5 Prozent der Stimmen das schlechteste Ergebnis seit 1959. Lafontaine selbst gewann erst zwischen 1992 und 1993 politisch an Einfluß zurück. Nach einer begeistert aufgenommenen Rede über Außen- und Wirtschaftspolitik auf dem Mannheimer SPD-Bundesparteitag im November 1995 entschloß er sich überraschend, gegen Rudolf Scharping zu kandidieren, der das Amt des Parteivorsitzenden an ihn abgeben mußte. In der Folge wurde Lafontaine neben dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder als potentieller Kanzlerkandidat der SPD für die Bundestagswahlen im September 1998 gehandelt; eine definitive Entscheidung behielt sich die SPD-Führung jedoch vor und machte sie vom Abschneiden Schröders bei der Landtagswahl in Niedersachsen am 1. März 1998 abhängig. Nach dem überragenden Erfolg der SPD bei der Niedersachsen-Wahl empfahl Lafontaine noch am Wahlabend seiner Partei Gerhard Schröder als Kanzlerkandidaten; der SPD-Parteitag im April 1998 bestätigte Lafontaines Empfehlung.
Hans-Jochen Vogel, deutscher Politiker
Oskar Lafontaine, deutscher Politiker
Schröder wurde am 7. April 1944 als Sohn eines Hilfsarbeiters im lippischen Mossenberg geboren. Nachdem er eine kaufmännische Lehre absolviert hatte, holte er 1966 das Abitur nach, studierte Jura und ließ sich 1976 in Hannover als Anwalt nieder. 1963 trat er in die SPD ein, wurde 1971 Vorsitzender der Jusos und 1977 Mitglied des SPD-Parteivorstands in Hannover (ab 1978 Vorsitzender). Von 1980 bis 1986 war er Mitglied des Bundestages und vertrat die SPD als Spitzenkandidat im niedersächsischen Landtagswahlkampf. Nach der Niederlage seiner Partei übernahm er zunächst die Führung der Opposition im niedersächsischen Landtag und löste 1990 nach dem Sieg der SPD bei den Landtagswahlen als Ministerpräsident in einer rot-grünen Koalition die Regierung Albrecht (CDU) ab. Seine pragmatische Haltung in Fragen der Wirtschaftspolitik, seine Kompromißbereitschaft in der Energiepolitik sowie seine Zustimmung zum Bonner Asylkompromiß drohten das Regierungsbündnis in Niedersachsen mehrmals zu sprengen.
1993 unterlag Schröder im Rennen um SPD-Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur Rudolf Scharping; nach seinem überzeugenden Wahlsieg 1994, der der SPD in Niedersachsen die absolute Mehrheit brachte, machte er jedoch erneut seinen Führungsanspruch innerhalb der Bundes-SPD geltend und trug nach der Niederlage der SPD bei den Bundestagswahlen 1995 zur Demontage Rudolf Scharpings bei. Unter dem im November 1995 neu gewählten Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine erhielt Schröder eine Schlüsselposition in der SPD. Im November 1997 wurde er turnusgemäß vom Bundesrat als Nachfolger von Erwin Teufel zum Präsidenten der Ländervertretung gewählt. Bereits seit Anfang 1997 wurde Schröder sowohl von der Öffentlichkeit, aber auch von der SPD - neben Lafontaine - als einer der Kanzlerkandidaten der SPD für die Bundestagswahl im September 1998 gehandelt; eine endgültige Personalentscheidung wollte sich die Partei allerdings bis zur Landtagswahl in Niedersachsen am 1. März 1998 vorbehalten und vom Abschneiden Schröders abhängig machen. Nach dem überragenden Abschneiden der SPD in Niedersachsen - sie gewann 47,9 Prozent der Stimmen und konnte damit gegenüber 1994 die absolute Mehrheit ihrer Sitze im Landtag noch ausbauen - verzichtete Lafontaine auf die Kanzlerkandidatur und schlug Schröder seiner Partei formell als Kandidaten für das Amt des Bundeskanzlers vor. Am 17. April bestätigte der SPD-Parteitag in Leipzig Lafontaines Vorschlag.
Gerhard Schröder, deutscher Bundeskanzler
Der Sohn von Wilhelm Liebknecht, geboren am 13. August 1871 in Leipzig, war nach seinem
Jurastudium zunächst als Anwalt in Leipzig und Berlin tätig. 1900 trat er der SPD bei.
Als Vertreter des linken Flügels der SPD stimmte er als Einziger seiner Partei nach Ausbruch des 1.Weltkrieges im Reichstag gegen die Kriegskredite; er war der Auffassung, daß der Krieg durch internationale Solidarisierung der Arbeiterklasse und durch Massenstreiks verhindert bzw. beendet werden könne. Die nationale Politik der SPD mache den Krieg erst möglich und verrate die Arbeiterklasse zugunsten einer politischen Aufwertung der SPD.
Im Januar 1916 wegen seiner Ablehnung des Burgfriedens aus der Reichstagsfraktion der SPD ausgeschlossen, gründete er u. a. zusammen mit Rosa Luxemburg eine eigene politische Organisation, die "Gruppe Internationale", den späteren Spartakusbund
Im Mai 1916 wurde er nach einer Antikriegsdemonstration verhaftet, des Hochverrats angeklagt und zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Im Oktober 1918 amnestiert, übernahm er mit Rosa Luxemburg die Führung des Spartakusbundes. Am 9. November 1918 proklamierte er im Zuge der Novemberrevolution im Berliner Schloß die "freie sozialistische Republik" gegen die von Philipp Scheidemann (SPD) ausgerufene "deutsche Republik" und sprach sich für die Errichtung einer Räteherrschaft aus. Nach der Abdankung des Kaisers war der SPD unter Friedrich Ebert die Regierung übergeben worden, die ein Bündnis mit der kaiserlichen Armeeführung schloß und darum bemüht war, die revolutionäre Bewegung unter den Arbeitern und Soldaten zu beenden bzw. zu kanalisieren.
Am 30. Dezember 1918 gründete der Spartakusbund unter der Agide von Liebknecht und Rosa Luxemburg die KPD. Nach dem von der KPD initiierten linkssozialistischen, gegen die SPD-Regierung gerichteten "Spartakusaufstand" im Januar 1919 in Berlin wurden Liebknecht und Luxemburg verhaftet und am 15. Januar 1919 von Freikorpsoffizieren ermordet. Damit waren die revolutionär gesinnten Arbeiter und Soldaten in Deutschland zweier ihrer wichtigsten Führer beraubt; in der Folge konnte sich die SPD überall gewaltsam gegen die Arbeiter- und Soldatenräte durchsetzen.
Paul Levi wurde am 11.03.1883 in Hechingen geboren und starb am 09.02.1930 in Berlin. Es wird jedoch ein Selbstmord vermutet.
Levi war seit 1909 Mitglied der SPD, und eng befreundet mit Rosa Luxemburg.
1919 war er Mitbegründer und bis 1921 Vorsitzender der KPD. Levi wurde wegen Kritik an der Komintern-Führung aus der KPD ausgeschlossen und kehrte 1922 in die SPD zurück, in der er den linken Flügel vertrat.
Paul Levi war von 1920 bis 1930 Mitglied des Reichstags.
Karl Liebknecht (1871-1919), deutscher Politiker
Zitat Max Weber : "Die Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen ."
AfA, AsF die sozialdemokratischen Frauen, die Jungsozialisten und u. a. Gemeinschaften für Arbeitnehmerfragen
in Ausnahmesituationen wie Krieg oder Notstand der Verzicht gesellschaftlicher Gruppen und politischer Parteien auf ideologische oder parteipolitische Auseinandersetzungen
das Volk wählte den Reichspräsidenten und konnte von ihm und aus sich - über ein Volksbegehren - durch den Volksentscheid zur unmittelbaren Gesetzgebung herangezogen werden
unter anderem eine "größtmögliche Ausdehnung der politischen Rechte und Freiheiten",
"eine einzige progressive Einkommensteuer", der Achtstundentag
Parteien der UdSSR, Bulgarien, der Tschechoslowakei, Ungarn, Polen, Rumänien, Jugoslawien, Frankreich und Italien.
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