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Referat Konstitutionspsychologie - Darstellung Kretschmer

psychologie referate

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Konstitutionspsychologie

Lange Tradition, von Hippokrates (Unterscheidet 4 Menschentypen, bei denen jeweils ein unterschiedlicher Körpersaft vorherrschen soll und hatte damit gut Einfluß auf die Umgangssprache: Choleriker) über Lavater bis zu Kretschmer und Sheldon.

Typus := Bezeichnung einer gemeinsamen Grundstruktur unter Hervorhebung der wesentlichen und Vernachlässigung der übrigen Merkmale. Die Behauptung einer Abhängigkeit von Persönlichkeit zu Körperbau vollzieht sich in 3 Schritten:

1) Bündelung von Körperbaueigenschaften zu Typen

2) Bündelung von Charaktereigenschaften zu Typen

3) statistischer Nachweis einer Korrelation

Dies setzt voraus, daß sowohl die Körperbau- und die Charaktereigenschaften quantifiziert werden müssen, phänomenologischen Typisierungen sind somit ungeeignet für die Konstitutionspsychologie.

1 Darstellung Kretschmer

Ernst Kretschmer 1888-1964. Hauptwerk "Körperbau und Charakter" 1921. Ausgangspunkt: in klinischer Tätigkeit fiel auf, daß bestimmte psychische Störungen mit bestimmten körperlichen Konstitutionen in Zusammenhang stehen könnten. Kretschmer ging von 3 phänomenologischen (extremen) Körpertypen aus, denen er im nächsten Schritt in einem Diagnoseschema bestimmter Werte zuordnete, wobei er eine Vielzahl von Indizes benutzte.

Pykniker := starke Umfangsentwicklung der Eingeweidehöhlen, im Verhältnis grazile

Ausbildung des Bewegungsapperats. pyknós: grch. gedrungen;

Leptosom := schlacksig; Spargeltarzen; geringes Dickenwachstum bei relativ großem

Längenwachstum. leptós: grch. dünn.

Athlet: starke Skelett- und Muskelentwicklung

Dysplastische Wuchsformen: Anomalitäten, gleichzeitig starke Einschläge von verschiedenen anderen Kategorien, Verwüchse.

Mischtypen wie Du und ich sind mit diesem Schema nicht erfaßt. 3 Kategorien der psychischen

Störungen:

Manie/Depression: i.d.R. zyklisch verlaufende Störung im affektiven Bereich, die Patienten ohne ersichtlichen Grund todtraurig oder übererregt/aggressiv machen

Schizophrenie: i.d.R. mit Halluzinationen und Denkstörungen/Einbildungen einhergehende progressive und (in Schüben verlaufende) Störung, endet unbehandelt meistens in Persönlichkeitszerfall. 3 Unterarten: paranoide S., hepephrene S. = "Jugendirresein": Beginnt im Jugendalter, Störungen im Ausdruckverhalten und Stimmungsschwankungen, katatone Schizophrenie: Unruhezustände, extreme Bewegungsstörungen mit Versteifungen bis zum Stupor (äußerliche Starrheit und Eindrucksunfähigkeit bei innerlicher Erregung bis zum Kreislaufzusammenbruch).

Epilepsie: hirnorganisches Anfallsleiden, je nach Schwere der Krampfanfälle

Verstimmungen, kurzfristige Wahrnehmungstrübungen, Bewußtlosigkeit.

Ergebnisse der Korrelationen:

manisch-depressiv Pygniker: 0,78 dysplastisch: -0,8 leptosom: -0,45

Schizophrenie: Leptosom: 0,46

Pygniker: -0,43

Epilepsie:

dysplastisch: 0,53

Athlet: 0,32

Wolfgang Kretschmer, Sohn von E.K. führte dessen Arbeit weiter. Er definierte Temperament als

"geformte Energiereserven in Elementarzuständen" und als umweltstabil. Aus dem (angeborenen) Temperament und den Umwelteinflüssen entsteht der Charakter. Nachfolgend eine von W.K. auf die Normalbevölkerung ausgedehnte Typologie, wobei er seine Befunde mit größeren VP-Zahlen (6.000) stützte.

Körperbau

auffällige Dimension

Bezeichnung für starke =

pathologische Schwankung

Bezeichnung für schwache =

normale Schwankung

pyknisch

Stimmung/Affekt

"diathetische Proportion"

zykloid (+Manie, - Depression)

zyklothym (+ heiter, - traurig)

leptosom

Empfindlichkeit

"psycho-ästhetische

Proportion"

schizoid (+ überschnell reizbar,

- Stumpfheit)

schizothym (+ sensibel, - kühl)

athletisch

Flüssigkeit der motorischen/affektiven Abläufe "entonische Proportion"

epileptoid (+ explosive Entladungen, - Langsamkeit, Zähflüssigkeit)

barykinetisches Temperament (+ abrupter, - phlegmatischer Spannungsablauf)

2 Darstellung Sheldon

William Sheldon, 1899-1977. Hauptwerk: "The variation of human physics: an introduction into constitutional psychology", 1940. Arbeitete fast ausschließlich an Konstitutionspsychologie. Seine Definition von Konstitution: jene Aspekte des Individuums, die verhältnismäßig fest und unveränderlich sind wie Morphologie (nicht im Kölner Sinn!) und Physiologie. Sie kann jenen Aspekten entgegengesetzt werden, die im Vergleich eher unbeständig sind und modifiziert werden können z.B. durch Erziehung oder sonstige Umwelteinflüsse. Sheldon wäre, wenn er heute geboren wäre, wahrscheinlich Erbbiologe, mußte sich aber gemäß dem Wissensstand seiner Zeit mit der leichter zugänglichen Morphologie der Körper befassen. Sheldon postulierte verschiedene

"Morphogenotypen", die als hypothetisch-biologische Strukturen (z.B. komplexere Einheiten des Genotyps) dem Phänotypen (sowohl des Verhaltens als auch des Körperbaus!) über die gesamte Lebensdauer zugrundeliegen. Da er keine Mittel hatte, diesen Morphogenotypen direkt aus dem Erbgut zu schätzen, näherte er sich diesem über die Ermittlung von Konstanten im Verhaltens- und Körperproportionen. Die so gewonnenen abstrakten Einheiten nannte er Somatotypen, um deutlich zu machen, daß sie nur ein Versuch der Annäherung an den MGT sind, ohne ihn dabei zwangsläufig genau zu treffen.

Bereits im frühen 19. Jh hat Embryologie herausgefunden, daß die befruchtete Eizelle in frühen

Entwicklungsstadien aus drei Keimblättern besteht

endodermes/inneres K.: verantwortlich für Wachstum von inneren Organen (insbes. Verdauungstrakt)

mesodermes/mittleres K.: dito für Muskeln, Skelett, Bindegeweben

ektodermes/äußeres K.: dito für Nervensystem und Haut

Zur Bestimmung der Körpertypen ging Sheldon wie folgt vor:

Er fotografierte 4000 männliche Vpn in Standardpositionen. Es ging darum, zwischen den Individuen unterscheidende Körpermerkmale zu finden, welche folgenden drei Kriterien entsprechen mußten.

1) eindeutige Bestimmbarkeit für jede Person

2) intersubjektive Übereinstimmung bei der Beurteilung einer Person

3) sie durften nicht aus schon definierten Merkmalen erschließbar sein (l.u.)

Dabei blieben lediglich 3 "Primärkomponenten" übrig, welche Sheldon nach den Keimblättern benannte.

1) Endomorphie: Weich- und Rundwüchsigkeit. Starke Entwicklung des Verdauungstrakts.

2) Mesomorphie: harte Körperform, Knochen und Muskeln vorherrschend.

3) Ektomorphie: Zierlichkeit des Körpers, schwach entwickelte Muskeln, "relativ größeres ZNS"

Kretschmers Pykniker ist nach Sheldon eine Mischung aus Endo- und Mesomorphem. Im nächsten Schritt wurden alle Fotos im Hinblick auf diese 3 Primärkomponenten geratet. Anschließend wurden alle möglichen anthropometrischen Maße (zumeist Durchmesser von Körperteilen) genommen und von diesen diejenigen ausgesucht, die die Unterschiede in der Ausprägung der Primärkomponenten erklären konnten, d.h. damit korrelierten. So blieben 17 Maße, alles Quotienten, übrig. (z.B: Ponderal

= Schwereindex: Körpergröße/(Gewicht)^1/3; TI- = Rumpf-Index Umfang

Torso(Brutkorb)/Abdomen(Bauch)) Diese ermöglichten es nicht nur, einen Gesamtausprägung von 1-7 auf der Skala jeder Primärkomponente anzugeben, sondern auch, diese jeweils unabhängig für 5

Körperregionen zu bestimmen (Kopf-Hals, Brustkorb, Arme, Bauch und Beine). Notation: endo-meso- ekto. Sheldon legte fest, daß die Summe der Ausprägung der drei Primärkomponenten zwischen 9 und 12 (einschließlich) liegen muß. Somit sind nicht die vollen 7^3 = 343 Varianten zugelassen. Tatsächlich entdeckte Sheldon nur 76 verschiedene Kombinationen im ursprünglichen Sample von

4.000. Selbst als es auf das Zehnfache ausgedehnt wurde, erhöhte sich die Zahl der Typen nur auf 88. Später wurde das Dimensionsschem dahingehende verfeinert, daß auch 0,5 Abstufungen erlaubt waren und die Auflösung pro Dimension auf 13 erhöht wurde.

Zur genaueren Berschreibung der Individuen über eine Klassifizierung hinaus entwickelte Sheldon

Sekundärkomponenten. 3 davon sind der

d-Index (Dysplasie): wurde von Sheldon quantifiziert, was methodologische sicherlicher besser ist als Kretschmers Restekategorie. Die Abweichungen der Körperregionen pro Dimension wurden addiert. Somit ergeben sich 3 Dysplasiewerte für jedes Individuum, welche ihrerseits summiert werden können.

g-Index (Gynandromorphie): gibt an, in welcher Ausprägung Merkmale des anderen Geschlechts vorhanden sind. 1 = keine sichtbaren Anzeichen, 7 = Hermaphroditismus. Unterscheidung zwischen primären g-Index (Foto-Rating) und sekundärem g-Index (nach Gesprächen mit Person)

t-Index (Texturindex): etwas problematische Konstruktion, zunächst so angelegt, daß er mit "Oberflächenfeinheit" korreliert (z.B. Feinheit des Haares), nachher wurde nur noch postuliert, daß dieser Wert die (hoch kulturspezifische!!!) ästhetische Gefälligkeit eines Individuums angibt. Keiner konnte je die 7 erreichen.

Sheldon behauptete, daß sich die körperliche Erscheinung des Somatotyps unabhängig von Alter und Ernährung nicht ändert, da diese auf relativen Maßen beruht, so konnte er eine lebenslange relative Konstanz des TI-Indes nachweisen. In bestimmten Phasen seines Lebens war sich Sheldon dieser Behauptung jedoch nicht mehr völlig sicher und ließ Statements wie "zur genauen Feststellung des Somatotyps braucht es eine Längschnittbeobachtung über mindestens ein Leben" vom Stapel, des weiteren hielt er Fotos aus allen Lebensaltern und die "Gewichtsgeschichte" für sinnvoll bis notwendig. Sheldon entwickelte Methoden zur direkten Ermittlung der wichtigen anthropometrischen Werte von Fotos, später konzipierte er auch Tabellen, in denen ausgehend vom Ponderal-Index und dem Lebensalter (in 5-Jahresstufungen) anhand einiger weniger zusätzlicher Maße die Werte der Primärdimensionen abgelesen werden konnten.

Ermittlung der Charaktereigenschaften:

Sheldon übernahm aus Literatur Liste mit 650 Eigenschaftsbegriffen, strich sich überlappende Begriffe. Es blieben 50 übrig. Anhand dieser wurden 33 Vpn (natürlich jung, Collegestudenten/absolventen und männlich) sorgfältigst (ein Jahr Beobachtung, 20 analytische Interviews) geratet. Diese wurden in der Weise in Gruppen zusammgengefaßt, daß nur Eigenschaften mit positiven Korrelationen > 0.6 zu allen anderen derselben Gruppe und <-0.3 (beides willkürlich festgelegt) zu allen Eigenschaften aller

anderen Gruppen jeweils eine Gruppe bildeten. Es blieben 3 Gruppen und 22 Eigenschaften. Sheldon ergänzte diese Liste mit Eigenschaftsdimensionen, von denen im allgemeinen angenommen wird, daß sie eine hohe Konstanz über die Zeit besitzen und kam so auf einen Pool von 78 Eigenschaften, aus denen in einer abschließenden Interkorrelationsstudie (100 Vpn) auf 20 pro Faktor reduziert wurden. Beispielhafte Aufzählung:

Viscerotonie: Hang zur Bequemlichkeit, Geselligkeit und gutem Essen, gleichmütig und unkompliziert

Somatonie: Selbstsicher, energisch, rücksichtslos, Vorliebe für körperliche Abenteuer, risikofreudig

Zerebrotonie: Zurückhaltung, Hemmung, soziophob, sich-verbergen-wollen, überschnelle

Reaktion, schlechter Schlaf, hektisch

Viscerotonie und Zerebrotonie sind oft entgegengesetzt (guter vs. schlechter Schlaf, gemütlich vs. überwach), wohingegen der Somatone eher das unzivilsierte Tier ist.

Eine Einordnung von Individuen auf jeder der drei Temperamentsdimensionen erfordertmindestens ein Jahr Längsschnittuntersuchung mit wenigstens 20 analytischen Interviews, wonach für soviele der

60 Eigenschaften wie möglich Werte (von 1 - 7) gegeben werden müssen.

Sheldon entdeckte Korrelationen von rund 0,8 (= 64% Varianzaufklärung) für die Zusammenhänge

Viscerotonie - Endomorphie, Somatonie - Mesomorphie und Zerebrotonie - Ektomorphie.

In weiteren Studien versuchte er seine Typisierungen auch für Geisteskranke und Delinquenten zu verwenden, was notwenidg machte, daß er zunächst die Geisteskrnakheiten auch in eine 7stufigen dreidimensionalen Skala quantifizierte (manisch-depressiv=affektive, paranoide Schizophrenie, hebephrene Schizophrenie). Keine hohen Korrelationen. Delinquenten sind Mesomorph, weniger endomorph, seltenst ektomorph.

Sheldon schreibt zum Thema Entwicklung, daß diese vor allem in ihren Grenzen von den Anlagen determiniert ist. Über das Unbewußte: "Das Unbewußte ist der Körper" (1949).

3 Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Beiden Theorien liegt ein mechanistisches Menschenbild zugrunde. Kretschmer legt hierbei ein Schwergewicht auf die genetische Determination, wohingegen Sheldon auch Wechselbeziehungen zwischen Umwelt und Konstitution einräumt, so daß Persönlichkeit/Verhalten nicht bei Geburt schon vollständig determiniert ist (siehe Erklärungen 1,2,4 für gemeinsames Auftreten von körperlicher Konstitution und Charakter).

Kretschmer ging von körperlichen Extremtypen (3 durch diskrete Merkmale charakterisierte Prototypen und Dysplasie als Restkategorie) und psychopathologischen Erscheinungen aus, die Normalität liegt mithin nicht im Fokus seiner Theorie, wohingegen Sheldon mit seinen skalierten Primärkomponenten die gesamte Bandbreite vom Normalen zum pathologischen abdeckt.

4 Kritik

Generell heißen hohe Korrelationskoeffizienten nicht, daß zwangsläufig ein genetischer

Zusammenhang zwischen Körperbau und Charakter besteht. Hall und Lindzey haben 4

Erklärungsmöglichkeiten zusammengetragen:

1) Körperbau determiniert Verhalten. So haben stärkere Kinder beim Prügeln mehr

Erfolgserlebnisse und werden diese Strategie verstärkt anwenden.

2) bestimmte Verhaltensweisen werden in Abhängigkeit vom Körper sanktioniert/verstärkt. Hier sind allgemein akzeptierte Stereotypien am Werk

3) Umwelteinflüsse determinieren sowohl Körperbau als auch Charakter, so z.B. da überbehütete Kind, welches auch noch gemästet wird dick, außerdem unselbständig, was in unserer Gesellschaft depressiv machen könnte.

4) genetische Einflüsse determinieren sowohl Körperbau als auch Charakter.

Während Kretschmer vor allen Dingen 4) postulierte, ließe Sheldon als Erklärung für seine Ergebnisse auch 1) und 2) zu, während 3) eher die Position des Behaviourismus widerspiegelt, den Sheldon zu bekämpfen versuchte. Ethisches Problem beider Theorien ist, daß sie als "self fullfilling prophecies"

die entsprechenden Korrelationen erhöhen und Menschen damit durchaus auch zum Nachteil gereichen können.

Sowohl Sheldon als auch Kretschmer nehmen ein Kontinuum von gesund zu krank an. Während dies bei der Depression noch halbwegs plausibel sein mag, ist zumindest Kretschmer entgegenzuhalten, daß dies für epileptische Störungen Blödsinn ist.

Beide Theorien sind keine Persönlichkeitstheorien, weil sie den deskriptiven Pfad nie verlassen haben und zur Erklärung nur bedingt, zur Vorhersage und gar Intervention noch viel weniger taugen. So thematisiert keine beider Theorien einen möglichen Entwicklungsverlauf.

Darüberhinaus gehen beide von einer Determiniertheit aus, so daß Ziel einer Therapie nicht

Heilung, sondern Coping sein kann.

Hohe Korrelationen ergeben sich zum Teil auch daduch, daß entsprechend wenig Dimensionen miteinander verrechnet werden. Beide Autoren glänzen nicht gerade durch Differenziertheit. Verdienst beider Theorien ist die Relativierung des vor allem in Amerika tobenden Behaviorismus, gerade weil der deterministischer Ansatz sich weder mit dem american dream noch mit vielen Menschenbildern verträgt. Sheldon seine Arbeit in weiten Phasen seines Schaffenns diesbezüglich auch richtig eingeschätzt. Er sah seinen Ansatz nur als Korrektiv, nicht als Ersatz einer Allgemeinen Psychologie und meinte, die Synthese sollte Psychologen nach ihm vorbehalten werden. Beide Autoren haben eine Menge von Arbeiten provoziert, was sicherlich auch als Verdienst zu werten ist. Fazit ist: im Ansatz steckt wohl mehr als ein Körnchen Wahrheit, jedoch sind die postulierten

Zusammenhänge nicht in dieser Stärke gegeben und ursächlich nur schwer aufzuklären (s.o.) An Kretschmer

Kretschmers Typologie ist sowieso im Hinblick auf Extremtypen konstruiert und macht somit gar keine Aussagen über den größten Teil der Population. Er ging aus von der Pathologie, und hier auch nur von der Depression und der Schizophrenie, bereits beim Zusammenhang von Athleten und Epilepsie müssen große Abstriche gemacht werden. Der Fokus, wenn nicht sogar der Geltungsbereich der Theorie liegt lediglich beim schizoiden und zykloiden Typen.

Er hat die Altersvariable nicht kontrolliert. Mansich-depressive Psychosen brechen häufig erst im Alter aus. Daß dann in unserer Gesellschaft sich die Leute gleichzeitig auch die Bäuche fettgefressen haben, spricht nicht für einen Zusammenhang irgendeiner Art.

Wenn Kretschmer seine Zusammenhänge als Kausalitäten verkauft hat, so spricht das nicht für ihn.

An Sheldon

Verdienst von Sheldon ist auch, daß er Verfahren zur anthropometrischen Messung entwickelte, die von anderen Disziplinen benutzt werden.

Sheldon hat alle Ratings selber vorgenommen, wobei er jede Person, die er charaktermäßig ratete, für wenigstens ein Jahr beobachtete. Wenn er vorher eine subjektive Theorie über Zusammenhang von Körperbau und Charakter hatte, kann sich diese durchaus bereits in der zuerst angefertigten Charakterbeurteilung niedergeschlagen haben. Gerade eine so intensive Beschäftigung mit den Probanden führt sicherlich zu einem bias. Sheldon konterte hier, daß ein rating von persönlich unbekannte Subjekten wissenschaftlich sicherlich noch viel bedenklicher sei. Er erklärte die hohen Korrelationskoeffizienten damit, daß er das zu ratende Verhalten bereits vorher nach Konstanz ausgesucht hatte. Trotzdem wäre eventuell ein Blindversuch mit über die Theorie nicht aufgeklärten Charakterratern angesagt gewesen, vor allem, wenn sowieso ein so hoher Aufwand betrieben wurde. Dafür hätte es auch ein Viertel der Vpn getan.

Dies erklärt diese trotzdem nicht ganz, denn trotz des hohen methodologischen Aufwands gelang es nicht, die Ergebnisse zu Replizieren. Die festgestellten Korrelationen blieben durchweg deutlich unter denen Sheldons.

Humphreys hielt Sheldon entgegen, sein System habe durch die Beschränkung der Quersumme (9 <= x <= 12) nur zwei statt drei unabhängige Dimensionen und verwies auf Korrelationen zwischen Endo- und Mesomorphie, was Sheldon dadurch ausräumte, daß er neue Daten zu seinem ursprünglichen Sample hinzunahm, wonach diese Korrelation nicht mehr nachzuweisen war.

Die Tatsache, daß Sheldon genau auf 3 Charakterdimensionen stieß, liegt einzig und allein an der willkürlichen Festlegung der Gruppierungskriterien (>0.6/>-0.3). Das hätte man auch anders machen können.



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