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Die Verfassungsgründung 1949 mit Blick auf die vier Frauen im Parlamentarischen Rat
Die Lage in Deutschland 1949
Der Weg zum Parlamentarischen Rat
Die Auflagen der Alliierten für das Grundgesetz
Der Verfassungskonvent in Herrenchiemsee
Der Parlamentarische Rat 1
Die 4 Verfassungsmütter und ihre Karrieren
Der Parlamentarische Rat 2
Quellenangaben
Zu halten von Hanna Koch, 12c am Mittwoch, den 20.11.2002
Deutschland 1949:
Das Gebiet Deutschlands war noch immer in die vier Zonen der Besatzungsmächte von 1945 eingeteilt. Allerdings haben sich die drei westlichen Mächte schon mehr oder weniger zusammengeschlossen gehabt. Auch die Feststellung, dass man keine deutsche Politik ohne die Beteiligung der Deutschen- auch in höheren Positionen- machen kann, wurde bestätigt.
Der Weg zum Parlamentarischen Rat:
Am 01.07.1948 wurden die obersten Repräsentanten der westdeutschen Politik -also die neun Ministerpräsidenten und die zwei Bürgermeister von Hamburg und Bremen- von den Alliiertenmächten nach Frankfurt bestellt, wo sie dann die "Frankfurter Dokumente" überreicht bekamen. Die Alliierten hatten diese auf den Londoner Konferenzen erstellt und bereits am 7.06. erste Punkte daraus veröffentlicht. Der volle Inhalt dieser drei Dokumente war erstens der Auftrag, eine Versammlung zur Verfassungsausarbeitung einzuberufen. Das zweite enthielt Auflagen zur Neugliederung der Länder und das dritte Dokument bezog sich auf die Grundzüge des Besatzungsstatus, es sagte aus, dass der Besatzungsstatus mit der Gründung eines deutschen Staates durchaus nicht zu Ende sei, sondern nur juristisch neu definiert wird. (Die Besatzungsmächte blieben dann auch noch bis Mai 1955 auf dem Petersberg in Bonn durch die Alliierte Hohe Kommision vertreten, die die Souveränitätsrechte verwaltete. Dies war allerdings kein Besatzungsregime mehr sondern nur eine zurückhaltend ausgeübte Kontrolle.)
Die oben genannten Vertreter wollten jedoch keine Volksabstimmung über einen Verfassungsentwurf, sondern sie wollten ein von den Landtagen gewähltes Gremium zur Ausarbeitung eines Entwurfes, in welchem auf jeden Fall deutlich gemacht werden sollte, dass der Staat auf der Fläche der drei Westzonen ein Provisorium sei und eine endgültige Verfassung erst nach Wiedervereinigung geschrieben werden kann. Als Kompromiss sahen sie es dann an, dass ein Experten Kollegium, bestehend aus den Vertretern der 11 Länder, einen Gesetzesentwurf gestalten sollten.
Am 26. Juli begannen dann die Verhandlungen mit den Alliierten. Durch geschickte Taktik wurde das Experten Kollegium durchgesetzt, obwohl es nicht ganz den Vorstellungen der Besatzern entsprach.
Die Auflagen der Alliierten für das Grundgesetz:
Die drei westlichen Besatzungsmächte fassten in dem sogenannten Aide-mémoire ihre Forderungen bezüglich der neuzugründenden deutschen Verfassung zusammen und stellten dieses Dokument dem Vorsitzenden der Parlamentarischen Rates zu. Die Auflagen hatten folgende Punkte zum Inhalt:
Es muss ein Zweikammersystem gebildet werden, wovon die eine Kammer die Interessen der Länder zu vertreten hat
Die Befugnisse der Exekutive müssen genauestens vorgeschrieben sein, damit ihre Macht nicht zu groß wird
Die Befugnisse der Bundesregierung müssen durch die Verfassung eingeschränkt sein, sie beziehen nicht mit ein: das Erziehungswesen, die Kirche und Kultur, das öffentliche Gesundheitswesen sowie die Selbstverwaltung
Auch im Finanzbereich müssen die Befugnisse der Bundesregierung klar geregelt sein und dürfen keine zu großen Ausmaße annehmen
Die Gerichtsbarkeit muss unabhängig sein, um auch Gesetze auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu können und damit die bürgerlichen Freiheiten und Rechte der Einzelnen gewahrt werden
Es ist nur dann erlaubt, Bundesbehörden zu eröffnen, wenn eine Verwaltung desjenigen Sachbereiches auf Landesebene eindeutig nicht durchführbar ist
Jeder Bürger hat Zutritt zu öffentlichen Amtern zu haben und der öffentliche Dienst muß unpolitisch zu sein
Wenn ein öffentlich Bediensteter in die Legislative gewählt wird, so muss er aus seinem bisherigen Berufsleben ausscheiden
Am 10. August begann man auf der sowohl idyllisch als auch abgeschieden gelegenen Herreninsel im Chiemsee an dem Verfassungsentwurf zu arbeiten. Vorsitz dieser Versammlung führte der bayrische Minister Anton Pfeiffer, jedes Land hatte einen Experten geschickt, hinzu kamen noch etwa 20 Rechtsgelehrte, Politiker und Verwaltungsfachleute. Da SPD und CDU/CSU etwa gleichstark vertreten waren, war politische Neutralität gewährleistet. Ob auch in Herrenchiemsee eine oder mehrere Frauen anwesend waren, war sehr schwer herauszufinden. Auf der Homepage www.bayern.de habe ich letztendlich eine Sitzordnung der "Eröffnungsveranstaltung", sofern man es so nennen kann, gefunden. Dieser ist zu entnehmen, dass in Herrenchiemsee ausschließlich Männer am Werk waren. Dort anwesenden Frauen waren allenfalls mitgereiste Ehefrauen, die keinen Einfluss auf die Diskussionen hatten. Ergebniss dieser Versammlung, die bis zum 23. August andauerte, war der Entwurf eines Grundgesetzes in 149 Artikeln, von denen einige in alternativen Versionen vorlagen. Nicht in allen Punkten herrschte Einigkeit, die strittigen Probleme aus Herrenchiemsee wurden zu politischen Streitfragen in Bonn. Allerdings wurden in Herrenchiemsee die Fragen theoretisch erörtert und dargelegt, in Bonn hingegen mußten politische Entscheidungen und Kompromisse gefunden werden.
Am 01. September tagte dann erstmals der Parlamentarische Rat in Bonn, nachdem in allen 11 Ländern ein gleichlautendes Gesetz zur Zusammensetzung desselben verabschiedet worden war. Pro 750.000 Einwohner wurde ein Vertreter gesandt, es mußte jedoch mindestens einer je Land sein. Das ergab dann eine Gesamtzahl von 65 Mandaten, zuzüglich fünf Vertreter aus Westberlin. Letztere hatten aber nur beratende Funktion und kein Stimmrecht.
Die politische Zusammensetzung des Parlamentarischen Rates sah folgendermaßen aus:
Je 27 Abgeordnete von CDU/CSU und SPD
Fünf Sitze hatte die FDP inne
Je zwei Mandate waren an die DP, das Zentrum und die KPD gegangen
Der CDU Politiker Konrad Adenauer (72) wurde zum Präsidenten gewählt, im Gegenzug erhielt Carlo Schmid als Vertreter der SPD den Vorsitz des Hauptausschusses
Helene Wessel (dt. Zentrumspartei)
Helene Wessel wurde am 06.07.1898 in Dortmund geboren. Sie hatte drei ältere Geschwister und ihr Vater war Eisenbahnführer, womit sie also in kleinbürgerlichen Verhältnissen aufwuchs. 1915 bekam sie nach ihrer Ausbildung zur Stenotypistin eine Stelle als Sekretärin im Büro der deutschen Zentrumspartei. Dort lernte sie Johannes Gronowski kennen, der ihr ein Freund und politischer Mentor wurde. Er war es auch, der sich um ihre Ausbildung zur Fürsorgerin kümmerte und ihr politisches Interesse weckte. 1917 trat Helene Wessel dann der Zentrumspartei bei und hatte auch gleich eine führende Rolle in der parteilichen Jugendorganisation inne. Die Zentrumspartei förderte die Frauenpolitik nicht, sie legte den Frauen aber auch keine Steine in den Weg. 1928 ist sie als jüngste Zentrumsabgeordnete im preußischen Landtag Sozialpolitische Fraktionssprecherin. Bis zum Ende der Weimarer Republik machte sie eine beachtliche parteipolitische Karriere im linken Zentrumsflügel.
1933 wurde sie dann als weltanschauliche Gegnerin des Nationalsozialismus vom Regime als "politisch unzuverlässigt" eingestuft und mußte somit ihre politische Karriere aufgeben. Auch ihrer sozialfürsorgerischen Tätigkeit durfte sie nicht nachgehen. So arbeitete Helene Wessel während der NS-Zeit als Sekretärin in einem Dortmunder Krankenhaus. Sie brach beachtenswerterweise trotz andauernder Gestapo Überwachung den Kontakt zu ihren politischen Freunden nicht ab.
Nach der Kapitulation 1945 war Helene Wessel am 14. Oktober desselben Jahres mitbeteiligt an der Neugründung der Zentrumspartei. Sie war als eine der wenigen gegen die Fusion mit der CDU. Trat ein für Grundrechte, individuelle Freiheitsrechte, Gleichberechtigung der Frau und die Verankerung der Parteiendemokratie. Im Oktober 1949 wurde sie mit 95% der Stimmen zur Parteivorsitzenden gewählt, was sicher auch als Lohn für ihre Arbeit im parlamentarischen Rat anzusehen ist.
Davor stimmte sie allerdings noch gegen das Grundgesetz, da darin ihrer Auffassung Folgendes fehlt: das Elternrecht als Naturrecht, die sozialen Grundrechte und die plebiszitären Elemente. In einem Brief an Ernst Lang 1954 drückte sie dies so aus: "diese Verfassung garantiert keine echte Demokratie mehr und gibt dem Volk nicht, was ihm in einem demokratischen Staat gebührt."
Gestorben ist sie am 13.10.1969 in Bonn.
Dr. Elisabeth Selbert (SPD)
Geboren am 22.09.1896 in Kassel als zweite von vier Töchtern, der Vater ist Gefangenenaufseher in der Jugendstrafanstalt, besuchte sie bis 1912 die Mädchenrealschule. Bei ihrem Abgang erhält sie weder ein Zeugnis, noch hat sie die Mittlere Reife. Dies sieht sie als Unverschämtheit an, da Jungen automatisch nach derselben Zeit in der Schule die Mittlere Reife erhalten. Sie wurde Auslandskorrespondentin, da das Geld für eine Lehrerinnen Ausbildung nicht genügte. 1916 nahm sie eine Anstellung im Telegraphendienst der Post an. 1919 lernte Elisabeth Selbert mit Adam Selbert ihren künftigen Mann kennen, der seit 1913 SPD Mitglied ist. 1919 trat auch sie der Partei bei, 1920 folgte ihre Hochzeit. Bei Parteitagen sprach sie zu Frauenkonferenzen, sie engagierte sich für eine politisch-parlamentarische Teilhabe von Frauen.
1926 holte Elisabeth Selbert nach Absprache mit ihrem Mann das Abitur nach und studierte Jura. Nach sechs Semestern bestand sie das erste Staatsexamen, ein Jahr später wurde sie Doktor der Rechtswissenschaften. 1934 wurde sie sogar als "Kassels erste Staatsanwältin" in der Zeitung erwähnt. Während des NS-Regimes mußte sie mit ihrer Tätigkeit die Familie ernähren. Adam Selbert war als Schutzhäftling in ein Konzentrationslager gekommen und wurde anschließend mit einem Berufsverbot belegt. Sie folgte der Taktik des Abwartens und des Stillhaltens, da ein Märtyrertum ihrer Ansicht nach keinen Sinn machte. 1948 verpflichteten die Amerikaner Elisabeth Selbert, wieder in die Politik einzusteigen. Die Formulierung "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" stammt von ihr. Sie setzte sich vehement dafür ein, dass es genau so im GG heißt. Ein Zitat von ihr 1949: " Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass man heute weitergehen muss als in Weimar und dass man den Frauen die Gleichberechtigung auf allen Gebieten geben muss." In der ersten Lesung wurde diese Formulierung abgelehnt, selbst die drei anderen Frauen waren unschlüsssig. Bei Frauenverbänden und ähnlichem appelliert sie für den Gleichberechtigungsartikel.
Die Annahme des Artikels am 18.01.1949 bezeichnet Elisabeth Selbert selbst als ihre Sternstunde.
Am 09.06.1986 starb sie in Kassel.
Helene Weber (CDU)
Am 17.03.1881 wurde sie in Ebersfeld, heute ein Stadtteil von Wuppertal, als zweites von sechs Kindern geboren. Sie besuchte die Volksschule und die höhere Töchterschule und begann 1897 ein Lehrerinnen-Bildungsseminar in Aachen. Dort machte sie 1900 ihr Examen und studierte anschließend Geschichte, Philosophie, Romanistik und Sozialpolitik. Sie war bis 1916 an mittleren und höheren Schulen tätig, dann übernahm sie die Leitung der Sozialen Frauenschule des katholischen deutschen Frauenbundes in Köln. 1919 kandidierte Helene Weber in Düsseldorf für die Zentrumspartei und wurde in das Preußische Ministerium für Wohlfahrt berufen. Sie war bis 1920 in de werfassungsgebenden. Bis 1920 war sie Mitglied der verfassungsgebenden Versammlung, von 1922-24 Mitglied des Preußischen Landtags und von 1924-33 war Helene Weber Ministerialrätin für "Soziale Ausbildung" im Reichstag. 1930 bekam Helene Weber von der Uni Münster den Ehrendoktor der Staatswissenschaften verliehen. Auch sie wurde 1933 wegen "politischer Unzuverlässigkeit" aus dem Staatsdienst entlassen. Bis 1943 praktizierte sie dann Fürsorge- und Caritasdienste in Berlin. 1945 schloss sich Helene Weber direkt der neugegründeten CDU an, wurde 1946 in den Nordrhein-Westfälischen Landtag gewählt und gehörte bis 1948 zusätzlich dem Zonenbeirat an. Sie befasste sich mit sozialpolitischen Fragen, ihr spezielles Interesse galt der Frauenbildung, der Jugendwohlfahrt und dem Familienrecht.
Am 25. 07.1961 starb sie in Bonn.
Friederike Nadig (SPD)
Friederike Nadig wurde am 11.12.1897 in Herford geboren. Sie lernte den Beruf der Verkäuferin, ging nach dem ersten Weltkrieg auf die Soziale Frauenschule in Berlin. 1922 machte sie dann das Examen der Wohlfahrtspflegerin und war seither Fürsorgerin. Der SPD schloss sie sich schon 1916 an, nachdem sie drei Jahre beim Arbeiterjugendbund war. Von 1930-33 war sie Mandatsträgerin im Westfälischen Provinziallandtag, mußte ihre politische und berufliche Laufbahn aber 1933 als bekenntnistreue Sozialistin aufgeben. Nach dem zweiten Weltkrieg war Friederike Nadig Geschäftsführerin der AWO in Ostwestfalen. 1947 wurde sie Mitglied im Nordrhein-Westfälischen Landtag. Sie war der Meinung, dass das Grundgesetz deswegen den Wille der Frauen wiederspiegeln muss, weil diese den Großteil der Bevölkerung ausmachen. Die unverheiratete Friederike Nadig konzentrierte sich hauptsächlich auf die Durchsetzung der Gleichberechtigung im Ehe- und Familienrecht.
Gestorben ist sie am 14.08.1970 in ihrem Geburtsort Herford.
Nachdem in Herrenchiemsee ein Konzept für die Verfassung entstanden war, ging es jetzt darum, strittige Formulierungen zu klären und sich über Punkte zu einigen, zu denen die einzelnen Parteien unterschiedliche Meinungen hatten. Dies waren z.B. die Funktion des Staatsoberhauptes, die Verteilung der Steuern zwischen Bund und Ländern oder das Verhältnis von Staat und Kirche. Im Februar 1949 waren alle Sachverhalte soweit geklärt, und das Grundgesetz war eigentlich fertig. Jetzt trat aber das Problem auf, dass die Alliierten nicht mit allen Punkten einverstanden waren; sie wollten unter anderem, dass die Macht des Bundes verringert und im gleichen Zug die Macht der einzelnen Länder vergrößert wird. Sie beriefen sich hierbei auf die Frankfurter Dokumente, welche Grundlage für den Gesetzesentwurf sein sollten. Der Parlamentarische Rat beharrte seinerseits auf dem Entwurf wie er war. Die Sturheit der Ratsmitglieder zahlte sich aus, so dass am 8. Mai das GG verabschiedet wurde. Am 12. Mai genehmigten die Militärgouverneure das Verfassungswerk und es konnte den einzelnen Landtagen zur Abstimmung vorgelegt werden. 10 von 11 Ländern stimmten für das Grundgesetz, dagegen stimmte der Freistaat Bayern. Allerdings nicht aus antidemokratischer Absicht, sondern weil ihm die Zentralgewalt zu groß war.
Am 24. Mai 1949 trat dann das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Aus mehr als dieser Verfassung bestand die neue Republik aber noch nicht. Wie bereits erwähnt existierte noch bis Mai 1955 die Alliierte Hohe Kommission, die auf dem Petersberg in Bonn residierte und die die Souveränitätsrechte überwachte und verwaltete.
Darauf folgte sehr bald der erste Wahlkampf und am 14. August dann die ersten Wahlen, die die CDU/CSU Union knapp gegen die SPD gewann
Quellenangaben:
Bücher:
"Die Gründerjahre der Bundesrepublik" von F.Grube und G. Richter
"Deutsche Politiker 1949-1969" von Torsten Oppeland
Informationen online:
www.berlin.spd.de
www.uni-ulm.de
www.bayern.de
www.miss-marples.net/gelsenkirchen.htm
Zeitschriften:
Informationen zur politischen Bildung 259
"Deutschland 1945-1949 Besatzungszeit und Staatengründung"
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