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Kurs: (HS) Ethischer Sozialismus
Kernbereich: Politische Theorie und Philosophie
Thema der Arbeit:
Sozialismus und Liberalismus
- Zur Vereinbarkeit zweier politischer Weltanschauungen
Gliederung
Einleitung
A. Holmes Anatomie des Antiliberalismus
1. De Maistre
2. Carl Schmitt
3. Leo Strauss
4. Alasdair MacIntyre
5. Christopher Lasch
6. Robert Unger
B. Holmes Anatomie des Liberalismus
1. Atomisierung der Gesellschaft und Ignorieren des Allgemeinwohls?
2. Privatssphre vor ffentlicher Verpflichtung?
3. Diskussion
C. Denken zwischen Liberalismus und Sozialismus
1. John Stuart Mill
2. Eduard Bernstein
3. Fabianer
D. Zu den Begriffen von Liberalismus und Sozialismus
(und ihrer Verwendung im allgemeinen Sprachgebrauch)
1. Der Begriff des Liberalismus
2. Der Begriff des Sozialismus
Konklusion
1. Ungleichheit der Inhalte von Liberalismus und Sozialismus
2. bei gleichzeitiger Vereinbarkeit der politischen Theorien
Sozialismus und Liberalismus
- Zur Vereinbarkeit zweier politischer Weltanschauungen
Aus Anla der Entgegennahme des diesjhrigen Theodor-Heuss-Preises warnte Lord Dahrendorf davor, weltwirtschaftliche Wettbewerbsfhigkeit, gesellschaftlichen Zusammenhalt und persnlich-politische Freiheit als konkurrierende oder gar gegenstzliche Zielsetzungen zu deuten. 'Wir mssen diese drei Ziele gleichwertig und gleichzeitig verfolgen.'
(Aus: Der Tagesspiegel; 13.04.97)
Sich ber die Vereinbarkeit von Liberalismus und Sozialismus Gedanken zu machen mag merkwrdig anmuten: Sind das nicht die gegensetzlichsten Weltanschauungen schlechthin? Der freie Markt als Regelungsmaschine hier, der Staat dort? Steht nicht das leidenschaftliche Bekenntnis zum Individuum und seiner Freiheit einem an gesellschaftlichen Zielen ausgerichteten Kollektivismus unverrckbar entgegen? Heit Liberalismus nicht, den Krften freien Lauf zu lassen und mu man nicht demgegenber dem Sozialismus einen unbndigen Drang zur Kontrolle und Steuerung gesellschaftlicher Prozesse zuschreiben?
Die Distanz zwischen den beiden politischen Theorien erscheint uns heute unberbrckbar gro. Das hat auch damit zu tun, da sich im Laufe der Zeit von den vielfltigen und komplexen Strmungen des Liberalismus und des Sozialismus nur enge, stereotype Vorstellungen berlebt haben. So steht der Liberalismus heute oft schon fr eine einseitige Interessensvertretung der Besitzenden und der Sozialismus fr den fehlgeschlagenen Versuch, dem Marxismus-Leninismus gewaltvoll zu etablieren.
Es kann daher nicht berraschen, wenn ein Groteil dieser Arbeit darin besteht, aufzuzeigen, was sich hinter diesen Begriffen ihrer Idee nach tatschlich verbrgt. Dabei werde ich mich zunchst intensiv Holmes Werk: 'Anatomie des Antiliberalismus' zuwenden. Er leitet in Erwiederung und Widerlegung zuvor vorgestellter Liberalismuskritiker ein eigenes Bild vom Liberalismus ab. Eine Diskussion der dargebrachten Argumente fr den Liberalismus und der Vorwrfe gegen ihn wird den Teil, der sich mit Holmes Buch auseinandersetzt, abschlieen.
Um mich nach dieser ersten Begriffsklrung der Kernfrage - die nach den Gemeinsamkeiten von Sozialismus und Liberalismus - anzunehmen, werde ich darauffolgend mit Mill, Bernstein und den Fabianern die gesellschaftlichen Entwrfe von Intellektuellen beschreiben, fr die Sozialismus und Liberalismus keine unberwindbaren Gegenstze darstellten. Im Gegenteil: Wie wir sehen werden, begriffen sich z.B. die Fabianer mit ihren sozialistischem Gedankengut als die 'echten' Liberalen.
Unter Einbeziehung dieser Vorstellungen von Gesellschaft und Staat schliet sich eine Diskussion der Begriffe Liberalismus und Sozialismus an. Es wird auf differierende Strmungen innerhalb der jeweiligen Theorie hingewiesen und es werden berlegungen zur Vereinbarkeit dieser politischen Traditionen angestellt.
Die Konklusion schlielich bercksichtigt darberhinaus einige wichtige Details, in denen Unterschiede bestehen.
A. Holmes Anatomie des Antiliberalismus
1. De Maistre
Holmes datiert die Entstehung des Antiliberalismus als einer Denkrichtung auf das 18.Jahrhundert.(Holmes, 1995, S.35) Sein Augenmerk richtet er zunchst auf den franzsischen Diplomaten und Gegner der franzsischen Revolution Maistre: 'Kein zweiter der frhen Theoretiker fhrte soviele wegberteitende antiliberale Ideen ein wie er.'(S.36)
De Maistre war der Auffassung, da Religion die Grundlage der Gesellschaft ist und Vernunft diese nur zerstren kann.(Siehe S.43) Der Zweifel an Gott fhrt zu Ha auf die politischen Autoritten.(S.36) Wenn aber die Regierung kritisiert wird droht ihr Zusammenbruch.(Siehe S.40)
Die Gesellschaftlichkeit ist ein Gebot Gottes(S.42)[1]; der Zweifel jedoch bringt die Atomisierung der Gesellschaft mit sich.(Siehe S.44)
Der Mensch ist irrational, kurzsichtig und willensschwach und kann ohne Lenkung von oben nicht leben (de Maistre weist einer gottgleichen Autoritt diese Aufgabe zu). Die Liberalen dagegen gehen von einem falschen Menschenbild aus: sie unterschtzen das Bse im Menschen.(Siehe S.50)
Verfhrerische Dogmen und trstende Lgen sind unverzichtbar. Ziel ist eine tiefe Ehrfurcht der Menschen, denn: 'Soziale Stabilitt erfordert [] einen bedingungslosen Glauben an die Unabnderlichkeit der Gesetze und der politischen Verhltnisse.'(S.51)
Wissenschaft ist zusammen mit der Philosophie unvereinbar mit der traditionellen Moral und daher verantwortlich fr den revolutionren Terror.(Siehe S.53) Der Mensch ist auf Mythen angewiesen, Skeptisismus hingegen ist eine starke Bedrohung der Gesellschaft(Vgl. S.54/55; lt. Holmes ist diese Vorstellung seit Maistre ein Allgemeinplatz der Antiliberalen geworden. S.55)
Die individuelle Vernunft mu sich in der nationalen Vernunft verlieren. Gesellschaftlicher Zusammenhalt kann nur durch ueren Zwang gewhrleistet werden.(Vgl. S.56 u.58)
2. Carl Schmitt
Der Zusammenbruch des Kaiserreiches 1918 und das an seine Stelle tretende schwache liberale Regierungssystem knnen nach Holmes als Hauptanschlsse und Antriebsfedern von Schmitt`s Antiliberalismus gelten.(Siehe S.75)
Liberalismus wird von Schmitt mit Passivitt und Entscheidungsschwche gleichgesetzt. Der Liberalismus ist feige und bermig kompromibereit.(Vgl. S.86 u. 89)
Die Liberalen haben den Staat geschwcht um das Privateigentum zu schtzen. Damit ist die einzige Macht gelhmt, die der sozialistischen Gefahr zu begegnen imstande wre. Auf der 'Flucht vor der Politik' mangegle es den Menschen an Mut zum Blutvergieen.(Siehe ebd.)
Schmitt ist gegen Verhandlungen und fr harte politische Entscheidungen (z.B. die Bestimmung von Freund und Feind). Autoritre Befehle entlasten den Menschen emotional und lassen keinen Raum fr moralischen Skeptizismus.(Siehe S.92)
'Demokratie' definiert Schmitt als psychologische Identifikation von Regierenden und Regierten, die nicht auf Wahlen[2] und Parteienkonkurrenz angewiesen ist.(Vgl. S.94f.) Ein wahrhaft demokratisches Volk folgt dem Verhalten, das ihm ein charismatischer Herrscher vorgibt.(Siehe S.96)
3. Leo Strauss
Wie de Maistre so weist auch Leo Strauss der Religion zum Funktionieren einer Gesellschaft eine wichtige Aufgabe zu. Sie sorgt fr eine heilsame Unterwerfung unter die herrschende Schicht und hemmt Sehnschte und Bedrfnisse, die bei freier Entfaltung ber ein Ma hinauswachsen wrden, das die Gsellschaft noch befriedigen knnte.(Siehe S.119) Es mu Mythen geben, um Wahrheiten wie die, da es nach dem Tod kein Leben gibt, dem gemeinen Menschen nicht zugnglich zu machen. Die Entdeckung der Natur bleibt das Werk von Philosophen. Wren aber ihre ('wahren') Einstellungen Allgemeingut, wrden sich die Menschen so benehmen, als wre alles erlaubt. Es wrde zu einer 'massenhaften Enthemmung' kommen.(Vgl. S.120-123) Die Philosophen knnen zwei gesellschaftliche Funktionen ausben: 1. Sie knnen zur Beruhigung oder Betubung des Volkes beitragen (z.B. mittels Verteidigung der Mythen und der Religion). 2. Sie sollen dadurch, da sie Inhaber hoher politischer mter sachdienlich beraten, eine heimliche Knigsherrschaft ausben.(Siehe S.135)
Der Liberalismus ist deshalb verkommen, weil er unbercksichtigt lt, da das Wesen der Natur die Ungleichheit ist. Die Kluft zwischen hher Stehenden und niedriger Stehenden ist der einzige moralische Kompa. Der liberale Ha auf die Aristokratie hat die Menschen fehlgeleitet(Siehe S.131)[3]
Den Menschen sieht Strauss nicht einsichtig genug, die moderne Wissenschaft nutzbringend einzusetzen.(Vgl. S.133) Sie lst die religise Bedrfnisbefriedigung auf.[4]
4. Alasdair MacIntyre
Die Geschichte der westlichen Zivilisation ist die eines Verfalls. Soziale Beziehungen sind durch Individualismus ausgedrrt, die Menschen sind heute wurzellos. Ein idyllischer Konsens in allen moralischen Fragen wurde durch einen endlosen Disput ersetzt.
Die Hauptpfeiler der liberalen Ideologie sind Streitigkeiten und Zweifel. Moralische Fragen unterliegen endlosen Anfechtungen. Der moralische Pluralismus der liberalen Welt droht uns alle zu berrollen.(Siehe S.167f.) Die Menschen wissen nicht (mehr), wie sie leben sollen.(Siehe S.162f.)[5] In liberalen Gesellschaften fehlen Glubigkeit, Unterwerfung und unverrckbare Grenzen. Autoritt kann den Menschen hingegen 'die Gewiheit geben, die das Fehlen einer Wahl hervorbringt.'(S.170)
Die wissenschaftliche Revolution und die Aufklrung sind kontraproduktiv. Beide greifen den Glauben an. Moral aber ist immer auf das Sakrale angewiesen.(Vgl. S.172ff.)
Eine gute Tradition frdert ein Gefhl der Gewiheit, bestrkt die soziale Solidaritt und verleiht dem Leben Einheit. (Naheliegenderweise kann ein nach umfassenden Kosmopolitsmus strebender Liberalismus diese Ergebnisse lt. MacIntyre nie zeitigen - Vgl. S.201.) Die griechische Polis dient dem Liberalismuskritiker als Modell, den Menschen von heute zu zchtigen. Die Brger haben gemeinsame Auffassungen und ein gemeinsames Ziel. Die Stadt verbindet die Anstrengungen der einzelnen zu einem harmonischen Ganzen.(Vgl. S.201f.)
5. Christopher Lasch
Zu den rgerlichsten Zgen der progressiven Gesellschaft gehren Lasch zufolge die Miachtung von Autoritt, eine Ethik des Genusses, tolerantes Denken, Irreligiositt, der Verfall der traditionellen Gemeinschaften und ein allgemeiner Sittenverfall.(Siehe S.222)
Auch Lasch ist gegenber der Naturwissenschaft kritisch eingestellt. Sie weckt die Erwartung, da die Technik evtl. alle Einschrnkungen der menschlichen Freiheit auf-
heben knnte.[6] Als natrliches Ergebnis der wissenschaftlichen Revolution bezeichnet Lasch die Vernichtung des Regionalismus, mithin der Gruppenloyalitt.(Vgl. S.236) Die Enthemmung der menschlichen Sehnschte und Bedrfnisse befreite die Menschheit aus einem jahrhundertealten Muster.(Siehe S.226f.)
Die vom Sozialstaat verteilte Sozialhilfe zeigt, da Meschen als Verbraucher, nicht aber als 'Praktizierende von Tugenden' angesehen werden. Eine ideale Gesellschaft ist eine, die sich aus kleinen Produzenten zusammensetzt und eine effektive Kontrolle auf lokaler Ebene ermglicht.(Vgl. S.237ff.)
6. Robert Unger
Wie man Antiliberalist sein kann und doch ganz anderer Meinung als seine Kritikerkollegen lt sich an Unger ablesen. Der Liberalismus verstellt uns seiner Meinung nach die Mglichkeit, ganzheitliche Persnlichkeiten zu sein. Der liberale Mensch ist zu unterwrfig.(Siehe S.258) Nichts ist schlimmer als der Status Quo. Gefragt ist ein Niederreien von Hierachien, ein 'context smashing', eine vollstndige Vernderung der Gesellschaft.
Menschen in liberalen Gesellschaften sind gesichtslose Vertreter von vorbestimmten Rollen. 'Wir reden und handeln, als ob Institutionen naturgegeben, notwendig und heilig wren.'(S.284) Wenn wir erst erkennen, da alles Politik ist, werden wir von Marionetten zu den Architekten des sozialen Umfelds.(Siehe ebd.) Die Gewaltenteilung vereitelt eingreifende Reformen und Verfassungen schreiben zuviel fest.(Siehe S.285 u. 288) Einige Ideen des Liberalismus, die sich dem persnlichen Schutz der Freiheit und dem der Privatsphre widmen, sind indes nicht abzulehnen.(Vgl. S.271f.)
Als Gemeinsamkeiten aller Antiliberalen sieht Holmes die Verdammung moderner Gesellschaften und das Verachten des hedonistischen Materialismus an. Antiliberalisten halten dem Liberalismus Sinnverlust und geistige Verarmung vor und schreiben der Wissenschaft eine Vergttlichung des Menschen zu (sie ist berdies ungeeignet, Mastbe fr moralisches Handeln zu entwickeln). Die Emanzipation vom christlichen Erbe geben sie die Schuld fr die bel in liberalen Gesellschaften.(Vgl. S.445)
B. Holmes Anatomie des Liberalismus
Der Auflistung der antiliberalen Denker stellt Holmes sein Verstndnis vom Liberalismus entgegen. Dabei wirft er den Antiliberalisten einerseits vor, ein falsches Bild vom Liberalismus zu haben und wenig Sensibilitt fr die Umstnde seiner Entstehung aufzubringen. Andererseits kritisiert er ihre vollkommene Ausblendung der Gefahren, die der Kommunitarismus in sich brgt. Holmes sieht in ihm die Funktion eines Betubungsmittels; da kollektive Handlungen auch monstrs sein knnen wird nicht beleuchtet. Der Umgang mit Nonkonformisten stellt hier ein Problem (ggf. der Diskriminierung) dar.
Demgegenber wird der Individualismus zwangsweise als antisozial eingestuft. Tatschlich bringt er aber eine hhere Sensibilitt gegenber anderen Menschen als Individuen mit sich.(Siehe S. 312)
1. Atomisierung der Gesellschaft und Ignorieren des Allgemeinwohls?
Den Kritikern des Liberalismus kommt derselbe vor wie eine Aufforderung nach Atomisierung der Gesellschaft und der Verwerfung der Allgemeinwohls. Das Allgemeine wrde dem Privaten geopfert. Den liberalen Kern zeichnet demgegenber Holmes zufolge aus: a) Die Gesellschaft kann auch auf Grundlage skularer Normen zusammengehalten werden. b) Die Formulierung des moralischen Prinzips der Gleichheit vor dem Gesetz als Ziel staatlicher Verfatheit. c) ffentlicher Widerspruch und Meinungsvielfalt sind kreative Krfte.(Siehe S.326f.) Dem Vorwurf der Atomisierung setzt er entgegen, da liberale Ideen wie Toleranz, Meinungsfreiheit, Parlamentarismus und Marktwirtschaft ohne ein enggeknpftes Netz sozialer Beziehungen gar nicht denkbar ist.(Vgl. S.333)
Antiliberalisten verkennen den historischen Kontext der Entstehung des Liberalismus. Es ging darum, den Machtmibrauch seitens des steuereintreibenden Staates und der Kirche als Wahrheitsmonopolisten entgegenzutreten. Fr Liberale ist der Mensch von Natur aus frei und es kann keine grausame Unterordnung von Individuen unter die Zwecke einer Gemeinschaft geben. Holmes stellt spter klar, da das Gegenteil von Eigeninteresse nicht Gemeinnutz heit. Mit dem Begriff des Eigeninteresses versuchten die Liberalen, selbstverleugnenden Gehorsam, Bevormundung und Staatsverherrlichung zu berwinden.(Siehe S.436f.) Locke 'betonte die Unabhngigkeit, die dem einzelnen von Natur aus zukommt nicht, um die Gesellschaft zu `atomosieren`, sondern um die aus unerdenklichen Zeiten stammenden persnlichen Abhngigkeitsbeziehungen auszuhhlen.'(S.336) Der Liberalismus fordert das selbstndige Denken und leugnet, 'da andere unsere Interessen definieren knnen.'(S.342)
Trotz der Betonung der Individualitt widersprechen Liberale nicht dem Aufbau des Gemeinschaftlebens. Zum Allgemeinwohl zhlt fr sie die Gerechtigkeit, die Selbstbestimmung und die Frchte einer friedlichen Koexistenz.(Siehe S.346)[7]
2. Privatssphre vor ffentlicher Verpflichtung?
Mit den liberalen Rechten der Vertragsfreiheit, Vereins- und Verbandsfreiheit, Rede- und Pressefreiheit werden viele Formen gesellschaftlicher Beziehungen erst mglich gemacht.[8] Die persnlichen Rechte dienen der Entfaltung der Talente (es ist Aufgabe des Staates, diese zu frdern) und nicht der Schaffung von Egoismen; eines dem einzelnen vorbehaltenden Raumes.(Vgl. S.387f.) Auch Liberale kennen Tugenden (Vernnftigkeit, Toleranz, Ablehnung kriegerischer Tugenden) und Pflichten (Kindererziehung, Loyalitt gegenber den Gesetzen), soda gesellschaftliche Pflichten und politische Freiheit durchaus miteinander vereinbar sind.(Vgl. S.391f.)
Dem Vorwurf der konomisierung des geistigen Lebens und der Entfesselung des wirtschaftlichen Egoismusses hlt Holmes die historische Erfahrung entgegen, nach der das beste Mittel gegen die Probleme des Mangels ein reguliertes Privateigentum und der Handel ist.(Vgl. S.370)[9]
Dennoch ist eine Gleichsetzung von Liberalismus mit einem 'Extrem-Individualismus' falsch. Holmes verneint, da Freiheit bedeute, alle erdenklichen Bedrfnisse zu erfllen. Es gibt einen Primat der moralischen Normen ber subjektive Neigungen. 'Die Liberalen vertraten keinen zgellosen Selbstgenu.'(S.400)
Obwohl dem Staat seitens der Liberalen immer Zweifel entgegengebracht werden (ihm also quasi systemimmanent immer zuzutrauen sein mu, seine Macht zu mibrauchen und daher auf Kontrollmechanismen Wert zu legen ist[10]) schreiben sie ihm auf der anderen Seite wichtige Aufgaben zu. Er ist fr die Infrastruktur und das Bildungswesen, fr Armenfrsorge und den Justizapparat zustndig. Der liberal orientierte Staat setzt vor allem ein einheitliches Rechtssystem und eine einzige Norm der Gerechtigkeit durch.(Vgl. S.351)
Da der Liberalismus in den Augen seiner Kritiker die allgemeinen Ziele, die die Menschen verfolgen sollten, niedriger hngt, hat damit zu tun, da er sich vorrangig der Voraussetzungen der Verfolgung der Ziele (d.h. Frieden, Gerechtigkeit, Wohlfahrt etc.) verschrieben hat.[11] Individuen und Untergruppen knnen sich dann um die 'erhabenen' Ziele kmmern.(Vgl. S.378; siehe hier auch Anmerkung 8)
Auch der Vorwurf moralischen Skeptizismusses geht ins Leere. Das Recht eines jeden, seine moralische Wahrheit zu suchen korrespondiert mit einer Selbstdisziplinierung aufgrund des Respektes vor dem anderen. Auch die Organisation der Machtkontrolle mittels Gewaltenteilung ist letztlich moralisch, da sie darauf abstellt, mavolle und gerechte Gesetze hervorzubringen.(Vgl. S.411) Der Staat schafft berdies mit dem Rechtssystem eine einheitliche gesellschaftliche Norm. Alle Liberalen ordnen das Eigeninteresse einer verbindenen und einklagbaren Norm der Gerechtigkeit unter. Daher sind Liberale keine radikalen Subjektivisten.(Vgl. S.407f. und S.410) Das Verbot, sich selbst von den Gesetzen auszunehmen ist das zentrale Gebot liberaler Theorie. 'Der Ausschlu von ererbten Herrschaftsmonopolen ist zugleich eine Besttigung der Chancengleichheit:'(S.411) Fr den liberal Denkenden ist wichtig, da der Stand, in dem man hineingeboren wird, nicht der Schlssel zum Leben ist.(Vgl. S.340)[12]
3. Diskussion
Holmes versteht den Liberalismus als Produkt von Lsungsvorschlgen auf konkrete geschichtliche Probleme (Brgerkrieg, berwindung der Monarchie). Die Strkung des Individuums ist als Abwehrstrategie gegen einen willkrlich handelnden Staat zu begreifen. Dieser wiederum hat sich nicht mehr einzumischen als unbedingt erforderlich (zu schnell wrde er sonst in die Schutzbereiche der persnlichen Rechte eingreifen). Der Staat hat ganz im Gegenteil dafr zu sorgen, da diese persnlichen Rechte gewhrleistet sind (einklagbare Norm der Gerechtigkeit). Er ist dafr verantwortlich, da die Spielregeln fr das friedliche Zusammenleben eingehalten werden. Der Gesellschaft selbst wird aufgetragen, sich um die politischen Ziele zu kmmern. Der Liberalismus stellt gewissermaen nur den Rahmen dar, den Pinsel fr das zu zeichnende Bild liegt in der Hand des Volkes (bzw. seiner Reprsentanten). Auch knnen und sollen an diesem Bild immer wieder nderungen vorgenommen werden. Der Liberalismus schlgt lediglich die (aus seiner Sicht) optimale Verfatheit zur Erreichung politischer Ziele vor, nicht diese selbst. Genau hier greift nun der Antliberalismus an. Er beklagt die Ziellosigkeit liberaler Gesellschaften und ihr Unvermgen, dem einzelnen darin einzuweisen, was 'Gutes Leben' heit. Der Liberalismus hinterlt nichtzuletzt aufgrund seines Zweifels gegenber der Religion eine Orientierungslosigkeit und ein moralisches Loch. Der Entwurzelung der Menschen folgt kein Umtopfen sondern der alleinige Hinweis darauf, da jeder fr sich die Wahrheit finden mu.
Es stellt sich daher die Frage, wieviel Lenkung der Mensch (durch wen) zu erfahren hat. Besonders interessant sind hier die Einstellungen von de Maistre und Strauss, die sich bewut fr Mythen z.B. der Religion (Strauss) oder Lgen und Dogmen (de Maistre) aussprechen, um soziale Stabilitt zu gewhrleisten und eine 'massenhafte Enthemmung'(Strauss) zu verhindern.(S.o.)
Wie sehr ist der Mensch in der Lage, auf sich selbst gestellt vernnftig und 'sinnerfllt' zu leben? Braucht er ein von auen vorgegebenes Ziel?
Die liberale Antwort auf die Frage ist mittelbar: Da die Lenkung von auen in der Regel immer frher oder spter zu Mibrauch von Macht fhrt und die Rechte des einzelnen entweder historisch noch gar nicht entwickelt waren oder eben mit Fen getreten werden, bedarf es der Strkung der Einzelperson gegenber dem Staat. Mit anderen Worten: Der Liberalismus sagt nicht, da der Mensch keine Orientierung brauche, er hlt aufgrund der Erfahrungen Kirche und Staat fr nur sehr bedingt geeignet, die Funktion des Orientierungsgebenden einzunehmen. Er strkt im Gegenzug lieber die Rechte des einzelnen, um ihn gegenber Angriffen von auen zu immunisieren. Darberhinaus hat der Liberalismus die Erfahrung umgesetzt, da 'die eine Wahrheit' immer gefhrlich ist. Sie sagen daher (und fordern jeden entsprechend dazu auf, kritisch zu sein), da keiner sagen kann, im Besitz der Wahrheit zu sein. Im Grunde ist der Liberalismus um das Wohl der Menschen besorgt und schliet daraus Schlsse, die jedem zu diesem Wohl verhelfen sollen.
Fhrt nun die Strkung der persnlichen Rechte und die Ausrichtung der Staatsorganisation auf das Individuum zu einer Atomisierung der Gesellschaft? Der Vorwurf der Antiliberalen lautet, da mit der Grndung eines liberalen Staates der Zusammenhalt der Gemeinschaft veschwindet. Es gibt kein gemeinsames Ziel mehr, der 'idyllische Konsens' wird durch einen 'endlosen Disput' ersetzt.(Alasdair MacIntyre; s.o.) Hier hat Holmes sicherlich recht, wenn er den Antiliberalen vorwirft, die Vergangenheit zur Sttzung ihrer Thesen gnadenlos schnzureden. Denn der Liberalismus ist wie gesagt auch die Reaktion auf - wie ich meine - schlechtere, rechtlosere Zeiten. Andererseits sind Ziele, auf die gemeinschaftlich eingeschworen wird, hufig als 'besser-nicht-zu-verfolgen' einzustufen. Auch das ist wiederum ein Grund, warum Liberale die Tugend der Vernunft hoch einschtzen. Ein jeder mu selbstndig berdenken, was fr ein Ziel ihn da angeboten wird; ein kollektiv-bedingungsloses Folgen kann zwar Gemeinschaftssinn stiften, aber in der Konsequenz auch zutiefst unmenschlich sein.[13] Das Hervorheben der Gemeinschaft auf Kosten des Individuums brgt daher immer die Gefahr in sich, da Vernunft auf der Strecke bleibt. Es sieht daher ganz so aus, als sei ein Verlust an Gemeinschaftsgefhl (wie er den Kommunitaristen vorschwebt) auch ein wenig der Preis fr einen weniger unvernnftigen Umgang unter den Menschen insgesamt.
Andererseits bleibt es durchaus schwammig, inwieweit der Liberalismus das Allgemeinwohl zu frdern gedenkt. Zwar listet Holmes als eine der Voraussetzungen fr die Verfolgung politischer Ziele die Wohlfahrt auf. Gerechtigkeit und Selbstbestimmung sieht der Liberalismus als Beitrag zum Allgemeinwohl an. Nur ist das natrlich ein eher schmaler Begriff von Allgemeinwohl, und Holmes gibt auch zu, da der Wert eines Individuums nicht daran gemessen wird, ob er etwas zum allgemeinen Wohl beitrgt. Auch die angegebenen Tugenden und gesellschaftlichen Pflichten umfassen nichts, was wesentlich ber das eigene Wohl (und im Falle der Kindererziehung) das der Familie hinausgeht. Wenn aber keine moralische Verpflichtung besteht, z.B. ehrenamtlich 'Gutes zu tun' und dem Staat aufgegeben wird, sich auf den Kern seiner Aufgaben zu beschrnken, so kann hier leicht eine Lcke entstehen.
Wenn Liberalismus von der Idee her nicht 'Extrem-Individualismus' bedeutet, so mu man doch fragen, ob er ihn nicht erst ermglicht. Holmes weist an mehrern Stellen seines Buches darauf hin, da man den Liberalismus als politische Theorie und die liberalen Gesellschaften im Konkreten bei der Diskussion auseinanderhalten mu. So kann man durchaus die einzelnen westlichen Gesellschaften fr ihren Umgang mit dem Liberalismus kritisieren (Hedonismus etc.). Nur ist das der Fall, kann man wiederum fragen, ob der Mensch geeignet ist, mit ihm umzugehen, seine Freiheit vernnftig zu gebrauchen. Gibt es einen Automatismus, der dem Menschen gegebene Freiheit immer zu Zgellosigkeit verleitet? Die Alternative wre aber, zu bevormunden. Die einzige Mglichkeit scheint daher weiterhin zu sein z.B. mittels Aufklrung und 'Appellen an die Vernunft', 'das Beste aus der Freiheit zu machen'. Eine Zwischenlsung erscheint schwer vorstellbar: Entweder ich vertraue in die Vernunft des einzelnen bzw. darauf, da sich diese irgendwann durchsetzen kann, oder ich bergebe die moralische Lenkung einer ueren Instanz (die im brigen 'wissen' mte, was denn der rechte Weg ist), mit dem beraus hohen Risiko, da diese ihre Macht mibraucht. (Liberale wrden vermutlich sagen, da sie allein deswegen ihre Macht mibraucht, da sie zur Begrndung derselben den Anspruch haben mu, im Besitz der Wahrheit zu sein, diesem Anspruch aber niemand gerecht werden kann.)
C. Denken zwischen Liberalismus und Sozialismus
1. John Stuart Mill
Mill gehrt zu den sogenannten philosophic radicals. Sie stehen fr die Ausweitung der Reprsentation auf alle Schichten des Volkes und wenden sich der sozialen Frage zu, da der Liberalismus 'nicht mehr guten Gewissens annehmen' kann, 'da Ausbeutung und Elend der Arbeiterschaft durch die Krfte des Marktes, der sie bewirkt, auch wieder zum Verschwinden gebracht werden[].'(Ghler/Klein, 1993, S.447)
Mill setzt sich fr freie Meinungsuerung und einen konsequenten Minderheitenschutz ein, da niemand sicher sein kann, da er in Besitz der Wahrheit ist, auch die Mehrheit nicht. Obwohl er sich zum Individualismus bekennt, sieht er das Individuum doch verpflichtet, die Interessen anderer nicht zu verletzen sowie der Gesellschaft seinen Anteil zur Aufrechterhaltung des allgemeinen Selbstschutzes zu leisten. Die Individuen mssen sich ansonsten frei entfalten knnen, da in dem Mae der Entfaltung seiner Individualitt jeder Mensch wertvoller fr sich selbst wird und es darum vermag, wertvoller fr andere zu sein.(Siehe ebd. S.453) Nur durch Individualitt kann es in der Gesellschaft Fortschritt geben. Der Staat mu als Grundbedingung seiner eigenen Existenz und Fortentwicklung die Ausbildung von Individualitt ermglichen und befrdern.(Ebd. S.454)
John Stuart Mill ist Utilitarist; modifiziert aber in manchen Punkten den 'Ur-Utilitaristen' Bentham. Nach dieser Schule sind Handlungen (insbesondere des Staates) ntzlich, wenn ihr Ergebnis das Glck der Menschen ist.[14] Im Unterschied zu Bentham fhrt Mill eine qualitative Gewichtung des Eigeninteresses des Individuums ein, wonach die geistigen den krperlichen Freuden berlegen sind. Wurde das allgemeine Wohl bei Bentham noch durch das Aufsummieren der Einzelinteressen erreicht, hngt es bei Mill nunmehr 'von der durchgngigen Einsicht der Individuen ab, da die Belange anderer oder allgemeine Belange fr sie selbst Opfer bedeuten knnen [].'(Ebd. S.457)
Diese Akzentverschiebung des Ntzlichkeitsprinzips hin zu sozialen Tugenden verlangt, da Gesetze und gesellschaftliche Verhltnisse die Interessen jedes einzelnen soweit wie mglich mit dem Interesse des Ganzen in bereinstimmung bringen. Erziehung und ffentliche Meinung mssen ihren Einflu darauf verwenden, in jedem die unauflsliche Verknpfung zwischen dem eigenen Glck und dem Wohl des Ganzen herzustellen ('Verinnerlichung des Gemeinsinns'). Fr jeden Brger mu ein unmittelbares Motiv zur Frderung des allgemeinen Wohls einer der 'gewohnheitsmigen Handlungsantriebe' werden.(Ebd. S.458)
Der Utilitarismus begrndet in der Deutung Mills soziale Gerechtigkeit. Es verlangt, 'da die Gesellschaft jeden gleich gut behandeln soll, der sich um sie im gleichen Mae verdient gemacht hat.'(Mill, zitiert in: Ebd. S.469) Jeder hat den gleichen Anspruch auf Glck und die Mittel zu seiner Erreichung. Eigenum kann daher nicht unantastbar sein. Privatbesitz steht dann zur Disposition, wenn es der allgemeinen Wohlfahrt der Gesellschaft und der sozialen Gerechtigkeit widerspricht.[15]
Landeigentum und der Grundbesitz sind dabei weniger legitimiert 'besitzt zu werden', da sie nicht unmittelbar ein Produkt des Produzenten sind.
Eduard Bernstein (1850-1932)
Eduard Bernstein ist deshalb fr unseren Zweck interessant, da er die beiden Grotheorien, um die es hier geht, explizit zusammenbringt: Sozialismus hlt er fr organisierten Liberalismus. Ausgangspunkt dabei ist das Ziel nach gleicher Freiheit fr alle Menschen, welche nur erreicht werden kann, wenn sie durch Organisation in Wirtschaft und Gesellschaft gesichert ist. Individuelle Freiheit ist das unberbietbare Ziel des Sozialismus. Dieses ist nicht mit Laisser-faire zu erreichen, sondern mittels bewuter Organisation, gemeinschaftlicher Entscheidung und mit sozialer Verantwortung.(Vgl. Meyer, 1991a, S.213 und Meyer, 1991b, S.56f.) Dabei geht es Bernstein nicht darum, die gesamte Wirtschaft zu verstaatlichen. Ziel ist ihm die Selbstbestimmung der Arbeiter.(Vgl. Meyer, 1991a, S.210) Es bedarf der gleichberechtigten Teilhabe an allen Entscheidungen. Sie stellt eine Voraussetzung fr eine Freiheit aller da. Fr Bernstein ist Demokratie der hchstmgliche Grad von Freiheit fr alle; er sieht in der Demokratisierung eine Form der Verwirklichung des Sozialismus.(Siehe Kleger, 1994, S.113) Bernstein steht fr eine soziale Emanzipation der Arbeiterschaft ein.(Ebd. S.114) Die Arbeiter brauchen eine 'Schule der Selbsterfahrung' (zu Erlangen durch parittische Mitbestimmung in den wirtschaftlichen und sozialen Bereichen sowie selbstorganisierten Genossenschaftswesen), um die dem Kapital entrissenen Hoheitsrechte auch wirklich ausben zu knnen.(Vgl. Meyer, 1991a, S.214)
Kennzeichend fr Bernstein ist, da er nicht mehr wie Marx davon ausgeht, da der Kapitalismus zusammenbricht und an seiner statt der Sozialismus sofort zur Entfaltung kommt. Nachzuweisen war dagegen eine wachsende Marktkontrolle und ein wachsendes Einkommen der Arbeiter, was mithin die Verelendungstheorie negierte.[16] Er erkannte, da eine Revolution ungeeigenet ist, politische Demokratie zu installieren.(Vgl. Meyer, 1991a, S.209f.) 'An die Stelle dieser Zuspitzungen, Automatismen und Vereinfachungen tritt die Leitidee eines gradualistischen Reformprozesses'(Kleger, 1994, S.118). Dabei stellt der Sozialdemokrat auf die Lernfhigkeit der Menschen ab. Im Gegensatz zu Engels und Marx ist bei ihm nicht der Weg wissenschaftlich 'fundiert' und begrndet vorgegeben. Es geht nicht um Umsturz, sondern um schrittweise reflektierte Transformation. Dabei sind Menschenrechtsgarantie und Pluralismus 'zugleich Ziel des Sozialismus und unabdingbarer Rahmen fr den Fortgang der gesellschaftlichen Reform.'(Meyer, 1991b, S.58)
3. Fabianer
Bernstein wurde von seiner Zeit in England durch den Fabianismus geprgt. Die Fabian Society wurde 1884 in London von einer linkssozialistischen Intellektuellengruppe gegrndet.(Siehe Meyer, 1986, S.169) Den Mitgliedern der Gesellschaft ging es darum, die individualistische Gesellschaft des Kapitalismus schrittweise 'durch gesellschaftlich verantwortliche Formen der Verfgung ber Grund und Boden und die Produktionsmittel' umzugestalten.(Ebd.) Dabei sollte die gesellschaftliche Kontrolle ber Boden und Produktionsmittel vorrangig durch die Kommunen ausgebt werden. Es geht darum, die evtl. folgenschwere individuelle Willkr durch gesellschaftliche Kontrolle und soziale Verantwortung zu ersetzen.
Wie Bernstein spter waren die Fabianer der berzeugung, da diese Transformation der Gesellschaft nur als Reformproze im Rahmen der Demokratie mglich ist.(Siehe ebd.) Sie teilten die Grundlagen mit dem Liberalismus (Prinzipien der gleichberechtigten, individuellen Freiheit und praktische Chancengleichheit) und waren der berzeugung, da sozialistische Konsequenzen aus seinen Prinzipien zu ziehen sind[17] (und versuchten erfolglos, die damaligen Liberalen davon zu berzeugen). Fr die Fabianer war der Sozialismus lediglich ein Individualismus, der vernnftiger organisiert wird.(Vgl. ebd.)
D. Zu den Begriffen von Liberalismus und Sozialismus
(und ihrer Verwendung im allgemeinen Sprachgebrauch)
Die Darstellung einiger 'Grenzgnger' zeigt, da die Fronten nicht so verhrtet sind wie oft angenommen wird. Das Problem liegt jedoch darin, da nur ganz bestimmte Formen der beiden Theoriekomplexe sich miteinander vertragen. Gerade bei Begriffen wie Gleichheit und Gerechtigkeit aber beruhen sie auf gleichen Prinzipien.
1. Der Begriff des Liberalismus
Der Liberalismus lt sich unterteilen in philosophischen, konomischen, politischen und sozialen Liberalismus. Der philosophische stellt auf die Autonomie der Person ab, der konomische macht die Idee des Spiels der freien Krfte zum Ausgangspunkt seiner berlegungen. Der politische Liberalismus verstand sich als Bewegung zur Erstellung einer Verfassung und der soziale Liberalismus wiederum 'anerkennt, da Freiheit gesellschaftlich erfllte Freiheit sein mu, wenn sie nicht zum Privileg einiger weniger verkmmern soll.'(Verheugen, 1986, S.401; zur Einteilung der Liberalimen: ebd.) Sicherlich ist eine Aufteilung in dieser Weise immer ein wenig grobschlchtig. Doch zeigt sie, da Liberalismus nicht gleich Liberalismus ist und das die Blickwinkel, aus denen heraus die jeweiligen vorrangigen Ziele formuliert werden, sehr verschieden sind.
Wenngleich dem Liberalismus der Makel der Ideologie der Besitzenden anhaftet, so zeigt sich doch hier, da aus der Wertschtzung des einzelnen genausogut ein Eintreten fr Menschen der unteren Schichten ableitbar ist. Eine sich fr Chancengleichheit und Gerechtigkeit einsetzende liberale Politik wirkt auf eine Demokratisierung der Gesellschaft hin.
Mills Idee der 'Verinnerlichung des Gemeinwohls' und seine starke Ausrichtung auf das Ziel der sozialen Gerechtigkeit wohnt der Versuch inne, die Freiheit des einzelnen und die Erreichung des Allgemeinwohls im gleichen Mae zu verwirklichen.(S.o.) Hier nimmt er den Brger strker in die Pflicht als z.B. Holmes und es zeigt sich, da hinter dem Begriff des Liberalismus sehr verschiedene Ansatzpunkte und gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen Platz finden knnen.
Dennoch mu konstatiert werden, da heute vielerorts der Liberalismus mit dem konomischen Liberalismus gleichgesetzt wird. Heute scheint den Vertretern liberaler Parteien lediglich die Bedingungen des Unternehmers (angebotsorientierte Politik) und die Besitzstnde der Wohlhabenderen am Herzen zu liegen. Der Kampf um Freiheit hat sich auf die Schlagworte Deregulierung und Steuersenkung reduziert. Tragischerweise ist aus der universalistischen Theorie in der heutigen Parteienpraxis das genaue Gegenteil, nmlich dem Entsprechen lobbiistischer Interessen, geworden. Das Eintreten gegen Privilegien ist dem Eintreten fr dieselben gewichen.
Die Arbeit hat nicht das Ziel, liberale Parteien zu kritisieren. Im Sinne eines Erklrungsversuches fr das heutige Bild der Menschen vom Liberalismus erscheint mir die politische Praxis dieser Parteien aber einen bedeutenden Beitrag zu liefern. Wer aber diesem reduktionistischem Bild nachhngt, der wird schwerlich Gemeinsamkeiten mit dem Sozialismus ausmachen knnen.
2. Der Begriff des Sozialismus
Dieser Begriff hat durch seine 'realexistierende' Variante einen Stempel aufgedrckt bekommen. Eine Rehabilitierung erscheint heute schwer vorstellbar. Heute wirkt die Vorstellung des Sozialismus auf uns als einem Ergebnis wissenschaftlich beschreibarer historischer Ablufe naiv - und fatal, da diese Anschauung ermglicht, Menschen fr ein 'objektives' hheres Ziel zu instrumentalisieren.[18] Hier greifen auch Holmes Bedenken gegenber teleologischen Gesellschaften, die das Ziel der Gruppe ber die Freiheiten des einzelnen stellt. Da in dieser Spielart des Sozialismus das gesellschaftliche Ziel quasi vorherbestimmt ist, kann man hier eindeutig sagen, da er sich in keiner Weise mit dem Liberalismus vertrgt, ist doch das Ziel hier gerade offen und fhrt der Weg zur Lsung von Problemen idealerweise ber ffentliche Debatten.
Es stellt sich die Frage, wie sehr eine Zuordnug von Dogmatismus und Radikaltitt zum Sozialismus - auch als Abgrenzung zum Wort 'sozialdemokratisch' - sinnvoll ist. Sollte er auf die revolutionre Vorstellung begrenzt werden und sollte die geschichtlich weniger folgenschwere libertre Einstellung zugunsten totalitrer Elemente wie Staatsplanung und -lenkung hinten angestellt werden? Alle diese Fragen betreffen den Weg zum Ziel, nicht das Ziel selbst. Wir mssen daher beachten, da bei allen bestehenden sehr unterschiedlichen praktischen Umsetzungsoptionen die Ideen des Sozialismus nicht aus dem Auge verloren werden.
So gibt denn auch eine andere Form des Sozialismus, die in der Vorstellung seiner Umsetzung sehr viel mehr mit dem Liberalismus gemeinsam hat, ein differenzierteres Bild wieder. Diese Form rechtfertigt sich nicht (mehr) an hand einer wissenschaftlichen Herleitung, sondern zieht - in der Nachfolge Kants - eine ethische Begrndung heran.[19] Dieser sogenannte 'Ethische Sozialismus' soll auf dem 'Bewutsein von der gleichen und gemeinsamen Wrde aller Menschen' basieren.(Lange; zitiert nach Klein, 1986, S.161; zur Aufwertung des Menschen als Selbstzweck siehe auch Anmerkung 17) Dieses Prinzip ist deckungsgleich mit liberalen ethischen Aussagen.
Versteht man wie Bernstein das Ziel des Sozialismus in der schrittweisen Herausbildung grtmglicher individueller Freiheit mittels umfassender Demokratisierung, so wird deutlich, da hier klassische liberale Gedanken (Pluralismus, Meinungsstreit, rechtliche Gleichbehandlung; Freiheit des Einzelnen; Skepsis gegenber Privilegien etc.) bequem Platz finden, ohne Widersprche zu produzieren. Sie knnen gar in dieser sozialistischen Variante zu einem Mastab der Bewertung gesellschaftlicher und staatlicher Ordnung werden: Lt der Ist-Zustand Meinungsfreiheit und persnliche Autonomie zu?
Man warf dem Liberalismus jener Zeit jedoch bereits vor, die Gltigkeit liberaler Prinzipien auf einen bestimmten privilegierten Teil der Gesellschaft zu beschrnken.(Vgl. ebd.) Schumacher bringt aber die Arbeiterfrage wieder mit den Ideen des Liberalismus in Verbindung, wenn er sagt: 'In den menschlichen Rechten der Freiheit, der Gleichheit, der Brderlichkeit, der Menschlichkeit sind auch alle Klassenrechte und Klassenforderungen der Arbeiterschaft enthalten.'(Nach ebd.) Und wenn noch im Godesberger Programm explizit festgehalten wird, da der demokratische Sozialismus keine letzten Wahrheiten verknden will, so veranschaulicht das, da ein solches Verstndnis von Sozialismus wesentliche Elemente des Liberalismus in sich trgt; teilweise sogar fr sich proklamieren kann, aufgrund der Reduktion der Liberalen auf die Interessen des Brgertums die wirklichen Trger liberalen Gedankengutes zu sein. So verstanden ja auch die Fabianer ihre Vision einer Gesellschaftsordnung als logische Konsequenz liberaler Grundpositionen.(S.o.)
Konklusion
1. Ungleichheit der Inhalte von Liberalismus und Sozialismus
Dieser Abschnitt soll verdeutlichen, worin ob der beschriebenen Gemeinsamkeiten die unterschiedlichen Ansatzpunkte der beiden politischen Theorien bestehen.
So verbindet sich der Liberalismus historisch primr mit der rechtlichen Besserstellung des Brgertums gegenber dem Staat, wobei quasi als 'Nebenprodukt' der ethischen Begrndung mit dem von Natur aus mit Grundrechten ausgestatteten Menschen ein bemerkenswertes, universelles Postulat entstand.
Der Sozialismus dagegen ist eng mit der Arbeiterfrage verknpft. Er beruft sich, um die Situation der Arbeiter zu verbessern, ebenfalls auf individuelle Rechte und darauf, da der Mensch nicht als bloes Mittel eines anderen (hier: Kapitalisten) mibraucht werden darf. Man kann heute fragen, ob eine Verwendung des Begriffs Sozialismus auerhalb einer Klassenkampfproblematik berhaupt denkbar ist und ob er insoweit auf heutige Zeit noch sinnvoll anwendbar ist.(Vgl. hierzu auch van Oertzen, 1986, S.566)
Die Liberalen waren vom Machtmibrauch des Staates und der Kleriker, die Sozialisten von dem der Kapitalisten angetrieben worden, Gegenkonzepte zu entwickeln. Letztere traten fr die Vergesellschaftung des Eigentums an Produktionsmitteln ein und entwickelten eine Kapitalismuskritik, wie sie Liberale in aller Regel nicht teilen. Sie waren im Gegenteil davon berzeugt, da das Privateigentum an Produktionsmitteln zu einer effektiven Bedrfnisbefriedigung einen wichtigen Teil beitrgt und den Wohlstand mittelbar insgesamt vermehrt.
Der Begriff der Gleichheit spielt in beiden Theorien eine wichtige Rolle. Der Liberalismus besetzt ihn aber vornehmlich mit der Gleichheit vor dem Recht und der Gleichheit der Chancen z.B. hinsichtlich des Zugangs zur Bildung.(Siehe auch Anmerkung 12) Sozialisten dagegen legen den Schwerpunkt eher auf eine materielle Gleichheit der Menschen und sehen umgekehrt in einer akuten ungleichen Verteilung von Wohlstand eine Verletzung sozialer Gerechtigkeit und das Indiz fr eine Ausbeutung von hierachisch hher Stehenden gegenber einer hart arbeitenden Unterschicht.
Liberale wollen dem Menschen persnliche Autonomie geben. Sie wollen ihm Verantwortung fr den eigenen Werdegang rckbertragen. So ist es beispielsweise die Verpflichtung des Arbeitslosen, selbst aktiv zu werden, um eine neue Arbeitsstelle zu finden. Sozialisten neigen tendenziell dazu, diesen Verantwortungsbereich staatlichen Gremien zu berlassen.[20] Dennoch bilden auch im Sozialismus die Erfahrung von aus Selbstverwaltung heraus resultierender Verantwortung im Sinne einer Emanzipation der Arbeiterschaft einen wesentlichen Bestandteil.
Whrend die Liberalen immer wieder auf die 'Grundeinheit' Individuum zurckgreifen und lediglich sein Recht betonen, sich Vereinen und Gesellschaften anzuschlieen, operiert der Sozialist von vorneherein bevorzugt mit dem Begriff der Solidaritt und versucht mittels einer Einschwrung der Arbeiterschaft auf die gemeinsamen Ziele, ihre Rechte zu erkmpfen.(Vgl. auch: Verheugen, 1986, S.402)
Insgesamt bringt der Sozialismus dem Staatsapparat wesentlich weniger Skepsis entgegen als der Liberalismus, zu seinen Kernproblemen doch zhlt, Staatsaufgaben klar definiert zu begrenzen und Staatsaufbau derart zu gestalten, das Machtmibrauch weitestgehend unmglich gemacht wird.
2. bei gleichzeitiger Vereinbarkeit der politischen Theorien
Man darf nun aber nicht von den aufgelisteten unterschiedlichen Akzentsetzungen auf eine generelle Unvereinbarkeit schlieen. Zumeist handelt es sich um verschiedene Schwerpunkte, nicht aber um sich widersprechende Inhalte. Lediglich die Vorstellungen darber, wer denn im Besitz der Produktionsmittel zu sein hat, scheint mir unvereinbar. Gleich ist hingegen beiden eine Wertschtzung des Menschen und eine daraus ableitbare Forderung nach Demokratisierung der Gesellschaft.
Mit den Begriffen Sozialismus und Liberalismus sind jeweils zwei groe, traditionsreiche und komlexe politische Theorien angesprochen. Da sie uns heute als so unvereinbar und genuin verfeindet erscheinen liegt auch daran, da diese Begriffe nicht zuletzt wegen historischen Mibrauchs auf nur eine Lesart begrenzt werden. Sie werden teilweise falsch angewendet, vergleicht man die heutige Vorstellungen darber mit jenen, die sich ursprnglich mit ihnen verbunden haben.
Tatschlich kann man z.B. die Bundesrepublik Deutschland (sowie die meisten westlichen Industrienationen) als Ergebnis einer Verbindung von Liberalismus und Sozialismus ansehen. So kann ohne Schwierigkeit die auf eine Verfassung beruhene Rechtsstaatlichkeit neben innerbetrieblicher Demokratie stehen, die grundstzliche Gewhrleistung des Eigentums (Art. Abs. GG) widerspricht nicht einem progressiven Einkommenssteuersatz und eine marktwirtschaftliche Ausrichtung der Wirtschaft bedarf anerkanntermaen der sozialen Korrektur durch den Staat.
Liberalismus und Sozialismus stehen also zu Unrecht nebeneinander. Der Streit hat sich nach dem Kalten Krieg auch nicht zuungunsten des Sozialismus schlechthin entschieden, da westlich der Elbe - freilich ohne das es die meisten so genannt htten - sozialistisches Gedankengut (gerade auch im Sinne einer gesellschaftlichen Demokratisierung) durchaus Einflu auf die Entwicklung genommen hat und ein integraler Bestandteil geworden ist.[21]
Im Laufe der Zeit sind wichtige Elemente aus beiden Denkrichtungen eine Verbindung eingegangen, die heute kaum mehr losgelst voneinander zu denken sind und zusammen unser westliches Verstndnis von einem modernen Staatsaufbau strukturieren. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Aufteilung in miteinander unvertrgliche liberale oder sozialistische Einstellungen berholt. Es knnte nur heute sinnvoll sein, die Begriffe neu mit Leben zu fllen. Was heit es in einem sozialmarktwirtschaftlichen Rechtsstaat, liberal/sozalistisch zu sein?
Verzeichnis der verwendeten Literatur
- Fetscher 1994: Fetscher, Iring: 'Von einer evolutionistischen zur ethischen Begrndung des Sozialismus', in: Ethischer Sozialismus. Zur politischen Philosophie des Neukantianismus. Hrsg.: Holzhey, Helmut. Frankfurt am Main 1994;
- Holmes 1995: Holmes, Stephen: 'Die Anatomie des Antiliberalismus'. Hamburg 1995;
- Holzhey 1994: Holzhey, Helmut: 'Neukantianismus und Sozialismus', in: Ethischer Sozialismus. Zur politischen Philosophie des Neukantianismus. Hrsg.: ders. Frankfurt am Main 1994;
- Kleger 1994: Kleger, Heinz: 'Die Versprechen des evolutionren Sozialismus. Oder: Warum noch einmal Bernstein lesen?', in: Ethischer Sozialismus. Zur politischen Philosophie des Neukantianismus. Hrsg.: Holzhey, Helmut. Frankfurt am Main 1994;
- Klein 1986: Klein, Armin: [Stichwort] 'Ethischer Sozialismus', in: Lexikon des Sozialismus. Hrsg.: Klr, Karl-Heinz; Meyer, Thomas; Mller, Susanne u.a. Kln 1986;
- Meyer 1986: Meyer, Thomas:[Stichwort] 'Fabian Society', in: Lexikon des Sozialismus. Hrsg.: Klr, Karl-Heinz; Meyer, Thomas; Mller, Susanne u.a. Kln 1986;
- Meyer 1991a: Meyer, Thomas: 'Eduard Bernstein', in: Klassiker des Sozialismus. Hrsg.: Euchner, Walter. Mnchen 1991;
- Meyer 1991b: Meyer, Thomas: 'Was bleibt vom Sozialismus?' Hamburg 1991;
- Van der Linden `94: Van der Linden, Harry: 'Cohens sozialistische Rekonstruktion der Ethik Kants, in: Ethischer Sozialismus. Zur politischen Philosophie des Neukantianismus. Hrsg.: Holzhey, Helmut. Frankfurt am Main 1994;
- Verheugen 1986: Verheugen, Gnther: [Stichwort] 'Liberalismus', in: Lexikon des Sozialismus. Hrsg.: Klr, Karl-Heinz; Meyer, Thomas; Mller, Susanne u.a. Kln 1986;
- von Oertzen 1986: von Oertzen, Peter: [Stichwort] 'Sozialismus', in: Lexikon des Sozialismus. Hrsg.: Klr, Karl-Heinz; Meyer, Thomas; Mller, Susanne u.a. Kln 1986.
An anderer Stelle schreibt de Maistre noch (in Holmes Wiedergabe): 'Das Individuum kann tats@chlich nicht das Geringste erschaffen - weder die Sprache, noch die Gesellschaft, noch eine Verfassung.(S.57)
Schmitt`s Begrhndung: Geheime Wahlen zerst`ren die Einmhtigkeit des Willens. Nur Diktaturen erm`glichten den einmhtigen Ausdruck des Volkwillens.(Vgl. S.95)
Strauss` Vorstellungen gehen erkl@rterma8en auf den antiken Rationalismus zurhck. Er sucht in Platons und Aristoteles (positiven) Einstellungen gegenhber der Ungleichheit und der hierachischen Struktur der Natur einen Horizont jenseits des Liberalismus zu er`ffnen.(Vgl. S.131f.)
Das Projekt der Moderenen ist nach Strauss auch deshalb zum Scheitern verurteilt, da Bedhrfnisse, sobald sie befriedigt werden, auch schon wieder wachsen.(S.134) Dem Liberalismus wirft er dabei vor, zur Ansicht 'beigetragen' zu haben, da8 das Hauptziel einer Gesellschaft darin bestehe, die Bedhrfnisse so vieler Menschen wie m`glich zu befriedigen.(S.133)
An anderer Stelle zeigt sich MacIntyre aus diesem Grunde fasziniert von archaischen Gesellschaften. In ihnen gab es eine vollkommene Abwesenheit von Zweifeln, welche soziale Rolle ein Individuum einzunehmen hat und es war jedem klar, was von ihm der Rolle entsprechend erwartet wurde. Pflichten werden durch den sozialen Kontext spezifiziert und k`nnen vom einzelnen nicht in Frage gestellt werden. Moralische Fragen beantworteten sich von ganz alleine.(Vgl. S.180f.)
Lasch setzt die Grenzen, die dem Menschen gesetzt sind recht eng. Er hat etwas gegen die Mi8achtung des Willens der Natur und verurteilt infolgedessen z.B. die Verhhtungsmentalit@t, die die Schwangerschaft zu einer freiwilligen Entscheidung werden l@8t.(Siehe S.230)
Das ist nathrlich eine anderer Begriff von Allgemeinwohl, als sie die Kommunitaristen haben, gehen sie doch davon aus, da8 der einzelne erst in der Gemeinschaft aufgeht und infolgedessen seine Schaffenskraft in die Dienste 'des gr`8eren Ganzen' zu stellen hat.
Was den von Holmes wiedergegebenen Antiliberalen (bis auf Robert Unger) daran mi8fallen dhrfte ist, da8 hier die einheitliche Sto8richtung fehlt. Gesellschaftliche Beziehungen dieser Art whrden sie als fhr den einzelnen funktionalistisch, jedoch ganz und gar unzweckm@8ig fhr das Ganze ansehen. Das Wohl des Allgemeinen soll aber (nach deren Auffassung) Ziel sein.
Eine ungleiche Verteilung ist nach Holmes das unvermeidliche Nebenprodukt eines Prozesses, der den Wohlstand (auch der Armen) insgesamt vermehrt.
So stellt denn auch fhr Holmes der Liberalismus den systematischen Versuch dar, pers`nlichen Mi8brauch von `ffentlichen Institutionen zu beschr@nken. Die _ffentlichkeit hbernimmt die wichtige Funktion des Kontrolleurs.(Vgl. S.358f.) Darhberhinaus ist der Liberale hberzeugt, da8 `ffentliche Auseinandersetzungen intelligentere Entscheidungen hervorbringen. Daher ist der Vorwurf unbegrhndet, nach dem sie eine Ausweitung der Privatssp@hre zuungunsten der `ffentlichen Sp@hre forderten. Das Heraushalten von Religion aus dem politischen Streit hat hingegen Sinn.(Vgl. S.356ff.)
Der Liberalismus bindet sich nach Holmes stark an das Mehrheitsprinzip und weigert sich insoweit, bestimmte politische Inhalte von vorneherein festzulegen.(Siehe S.414f.) Damit ist einem liberal organisiertem Staat mehr Handlungsraum gegeben und er kann auf ver@nderte Bedingungen flexibel reagieren.
Diese Anklage gegenhber starren Schichtstrukturen bei nach unten hin gr`8er werdender Chancen- und Rechtlosikeit lie8e sich ebenso bei sozialistisch Denkenden einordnen. Immer geht es um die st@rkere Einforderung von Rechten, um Teilhabe an Betriebspolitik und gerechtere Verteilung von Geldern. Die Liberalen legen ihren Schwerpunkt vielleicht mehr auf die generellen Aufstiegschancen. Sie wollen, da8 unabh@ngig von seiner Herkunft jeder die M`glichkeit hat, die Karriereleiter zu erklimmen. Daher spielt im Liberalismus die staatliche Verantwortung fhr die Bildung seiner Bhrger eine zentrale Rolle. Sie soll die besagte Chancengleichheit hersellen.
Der Utilitarismus versucht, Handlungen aufgrund ihrer Wirkungen auf alle Individuen zu bewerten. Handlungen sind dann moralisch richtig, wenn sie die Tendenz haben, Glhck zu bef`rdern. (Siehe G`hler/Klein, 1993, S.456) Sp@ter wird der Utilitarismus auch fhr die Fabianer zu einen ihrer tragenden Gedanken.
Damit vollzieht Mill einen deutlichen Bruch zum klassischen Liberalismus eines John Locke. Er sah die Hauptaufgabe des Staates darin, erworbenes Eigentum fhr den einzelnen zu schhtzen und vor dem Zugriff eines Dritten zu sichern. Eigentum wurde im klassischen Liberalismus fhrderhin als Mittel gegen Armut und zu Mehrung von Wohlstand verstanden. Zu Zeiten Mills deuten nun offensichtlich viele Indizien daraufhin, da8 Eigentum und vor allem seine gro8e Konzentration nicht ausschlie8lich positive Folgen zeitigt. Die soziale Frage stellt sich.
Siehe auch Fetscher, 1994, S.53ff.: Aufgrund der empirischen Widerlegung und Entkr@ftung einer evolutionistischen und objektivistischen Fundierung des Sozialismus ergibt sich nun die Notwendigkeit, dieses Ziel auf andere Weise zu begrhnden.(Siehe S.54)
So wird auch Kants dritte Formulierung des kategorischen Imperativs, welcher uns anweist, die Menschheit in unserer Person und in der eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck und niemals blo8 als Mittel zu behandeln, von Cohen mit einer Urheberschaft Kants an dem deutschen Sozialismus gleichgesetzt. Cohen argumentierte, da8 das kapitalistische Wirtschaftssystem den Arbeiter dazu verdammt, blo8es Mittel fhr die Kapitalisten zu sein. Kautsky stellt dazu fest, da8 der angeblich sozialistische Satz ebenso mit dem Liberalismus vertr@glich ist (und verstand das freilich als eine niederschmetternde Kritik).(Siehe: Van der Linden, 1994, S.146f.)
Meyer nennt diesen sozialistischen Entwurf eines Lasalle oder Marx treffend 'doktrin@ren Sozialismus'.(Vgl. Meyer, 1991b, S.51ff.)
Nach Kant kann die Wissenschaft nicht die Gew@hr fhr die tats@chliche Herausbildung einer neuen Gesllschaftsformation leisten. Behauptet sie das, so erkennt sie nicht die ihr gesetzten Grenzen der Erkenntnis.(Siehe Klein, 1986, S.160). Vgl. hierzu auch: Holzhey, 1994, S.7ff. 'Die Kantische Ethik und Rechtsphilosophie entrhckt samt ihrer neukantianischen Adaption nun gerade Moral und Recht in ihrer `reinen` Gestalt ihren religi`sen und sozialen Ursprhngen; die praktische Vernunft ist jenseits des Klassengegensatzes t@tig.'(S.23f.)
Vgl. hierzu auch das 'Berliner Programm' der FDP von 1957: 'Die Sozialpolitik der FDP will jedem Menschen ein H`chstma8 an Selbst@ndigkeit und pers`nlicher Unabh@ngigkeit sichern.' Ein Sozialdemokrat k`nnte darin einen Zynismus sehen dergestalt, da8 die Erfhllung von staatlicher Sozialpolitik im weitgehendem 'sich-Heraushalten' des Staates besteht. Damit wird aber - so kann man vertreten - der Gedanke der pers`nlichen Freiheit mit dem der sozialen Verantwortung eines Staates gegeneinander ausgespielt. [?hnlich hbrigens auch Roman Herzog in seiner 'Berliner Rede'. Er sieht aufgrund einer starken Orientierung zur Sicherheit (etwa der Renten) die Freiheit ungenhgend berhcksichtigt.]
?hnlich auch Thomas Meyer (1991b), der die zum Buchthema erhobene Frage 'Was bleibt vom Sozialismus?' gleich mit einem langen Katalog hberlebender Elemente beantwortet. U.a schreibt er dem Erbe des Sozialismus zu: 'Der historische Beweis, da8 es ohne Macht keine gesellschaftliche Kontrolle der Produktion gibt, ohne solche Kontrolle auch keinen akzeptablen Markt. Der historische Beweis, da8 es ohne Gerechtigkeit keinen sozialen Frieden gibt, ohne diesen aber weder wirtschaftlichen noch gesellschaftlichen Fortschritt. [] Die Erfahrung, da8 soziale Kontrolle der Produktionsmittel n`tig, aber m`glich ist ohne den Holzhammer der f`rmlichen Eigentums@nderung.[] Es bleibt das Projekt der gesellschaftlichen Emanzipation, und es bleibt das Wissen, da8 kein K`nigsweg zu ihr fhhrt und sie keine tr`stende Heimat sein kann.' (Siehe S.133f.)
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