Joseph
von Eichendorff
Wünschelrute
Joseph von Eichendorff, 1788 geboren,
ist wohl der populärste romantische Lyriker. Eichendorff wird epochal der
Spätromantik zugeordnet, welche als ausgeprägteste Form zu bezeichnen ist.
Historischer Hintergrund waren unter anderem die Forderungen nach Freiheit,
Gleichheit, Brüderlichkeit - bekannt durch die Französische Revolution. Somit
knüpft die Romantik also unmittelbar an den schrankenlosen Individualismus der
Spätaufklärung und des Rationalismus an. Die Tendenz des Romantischen Stils
vereint bisher getrenntes und erscheint somit als progressive, also
fortschrittliche Universalpoesie. Auf diesem Weg der individuellen Entwicklung
der freischöpferischen Phantasie gingen einige bisher zählenden Richtlinien
verloren. Daher fehlt diesen Werken der Romantik die strenge formale
Konzeption. Sie sind eher Improvisationen, Arabesken, gekennzeichnet durch die
offene Form.
Eichendorff, der viele Werke in
dieser romantischen Überladenheit schrieb, läßt sein Gedicht Wünschelrute in einem ganz anderen
Gewand erscheinen. Der schlicht gehaltene Vierzeiler stellt die Welt als ruhig,
ja fast schläfrig dar. Es hat den Anschein, als ob alles nur "dahinvegitiert",
ohne die wahre Schönheit des Lebens - der Natur zu erblicken. Erst als der
Künstler das Zauberwort trifft, erwacht der ganze Komplex zum Leben und
entdeckt bisher verborgen gebliebene Qualitäten. Im Zuge des Individualismus
kann die Person des Künstlers - des Erlösers aus der Verborgenheit - jeder
übernehmen und den Anstoß zur gewaltfreien Reform alter Grenzen und Werte
vollbringen.