Kurt Tucholsky
(1890-1935)
Das
Leben und die Werke eines Schriftstellers
Kurzbiographie
Kurt Tucholsky wurde am 09.01.1890 in Berlin geboren. Ab 1899 besuchte
Tucholsky das französische Gymnasium in Berlin, welches er 1903 verließ, um bis
1907 das königliche Wilhelms-Gymnasium in Berlin zu besuchen. Schon mit 17
Jahren veröffentlichte Tucholsky sein erstes Werk. Es trug den Namen
'Märchen' und wurde im 'Ulk' veröffentlicht.
Am 21.09.1909 legte er nach privater Vorbereitung seine Reifeprüfung als
Externer ab und begann dann im Jahre 1909 sein juristisches Studium an der
Universität in Berlin. 1912 erschien sein nächstes Werk mit dem Titel
'Rheinsberg'. Von 1913 bis 1915 war Tucholsky in der Redaktion der
'Schaubühne' tätig.
Am 19.11.1914 besteht er die juristische Doktorprüfung. Dann kam der
1.Weltkrieg und Tucholsky mußte 1915 als Soldat in den Osten, von wo aus er
1917 zuerst auf eine Fliegerschule im Baltikum und dann nach Rumänien versetzt
wurde. Sein Dienstgrad war zuletzt der eines 'Vizefeldwebels'.
Nach dem Ende des Krieges war er von 1918 bis 1920 Chefredakteur des
'Ulk'. 1923 wurde Tucholsky dann Volontär am Bankhaus von Bett, Simon
& Co., bevor er im April 1924 als Korrespondent der 'Weltbühne'
und der 'Vossischen Zeitung' in Paris tätig war. Ab sofort verlagerte
er sein Schaffen ins Ausland und besuchte Deutschland nur noch ab und zu.
Am 07.12.1926 starb der Herausgeber der Weltbühne, Siegfried Jacobsohns, dessen
Job Tucholsky nun übernahm.
1929 wanderte er nach Schweden aus. Er lebte fortan in Hind†s bei Göteburg.
Nun kam die Zeit des Nationalsozialismus. Tucholsky wurde am 23.08.1933
ausgebürgert, seine Bücher von den Nazis verbrannt.
Am 21.12.1935 beging Tucholsky Selbstmord. Er wurde auf dem Friedhof Mariefried
bei Schloß Gripsholm beigesetzt.
Tucholsky veröffentlichte seine Werke unter verschiedenen Pseudonymen:
Ignaz Wrobel, Peter Panter, Theobald Tiger und Kaspar Hauser.
Tucholsky war 25 Jahre (1907-1932) schriftstellerisch tätig. Er erstellte
Gedichte, Chansons, Glossen, Erzählungen, einen Roman, Artikel, Essays und
weitere kurze Texte, 'Schnipsel' genannt.
Insgesamt 'erschuf' Tucholsky annähernd 2.500 Titel.
Seine Werke
Das erste veröffentlichte Stück war 'Märchen', welches 1907 im
'Ulk' abgedruckt wurde. Das Märchen handelt von einer Flöte, die
einem Kaiser gehörte und in der man Werke (Bilder) aller Maler der letzten
Jahre zusammen sehen konnte. Die Maler waren Thoma, Böcklin, Leistikow, Frhr
von Reznicek, Zille, Meunier und Orlik. Zum Schluß des Textes gibt es eine
doppeldeutige Bemerkung: 'Und was machte der König ? Er pfiff
drauf.'.
Im Jahr 1919 veröffentlichte Tucholsky das Gedicht 'Krieg dem
Kriege'.
Das Gedicht spielt, wie viele seiner Werke, im 1.Weltkrieg. Es beschäftigt sich
mit der Befehlsgewalt der Militärführung, die den einfachen Soldaten das Töten
befiehlt und selbst ungeschoren davonkommt. Tucholsky ruft dazu auf, diesem
Irrsinn ein Ende zu setzen und sich für eine friedliche Zukunft stark zu
machen. Er sagt, man müsse 'dem Krieg den Krieg' erklären.
Als nächstes veröffentlichte er 1924 das Werk 'Vision', das in einer
Zeit spielt, zu der Tucholsky in Paris lebte. Er macht sich Gedanken, wie er
den Menschen, mit denen er tagtäglich zu tun hat (z.B. dem Milchmann oder dem
Schaffner), im 1.Weltkrieg gegenüber getreten wäre. Er wäre dann verpflichtet
gewesen, diese Menschen zu töten, und die Franzosen wären verpflichtet gewesen,
ihn zu töten.
Alle wissen es, nur keiner redet darüber in dieser Zeit des Friedens. Tucholsky
macht sich Gedanken, wie lange dieser Friedenszustand noch anhält oder ab wann
sich diese friedlichen Menschen wieder in eine 'tobende, heulende
Masse' verwandeln und gegeneinander in den Krieg ziehen.
1928 erschien der Text 'Kurt Tucholsky', in dem es nur eine
Gegenüberstellung gibt, von dem, was Tucholsky (und seine Pseudonyme) liebt
beziehungsweise. haßt.
'Das Dritte Reich', das war der Titel des Gedichtes, das 1930
veröffentlicht wurde. Der Text ist sehr sarkastisch verfaßt, und handelt von
der Entstehung des dritten Reiches:
Es mußte einfach mal wieder was Neues her, mit dem sich der nationale Mann
identifizieren kann. Man müsse, statt massig, mehr rassisch werden und mehr
national denken. Tucholsky schreibt auch von der 'Rückeroberung' der
Sudentendeutschen, der Saardeutschen, Eupendeutschen und Dänendeutschen. Und um
diese Ziele zu erreichen braucht man eben den Krieg
Schon ein Jahr später (1931) erschien das nächste Gedicht unter dem Titel
'Joebbels'.
Das Gedicht ist im 'Berliner Dialekt' geschrieben und handelt von
Joseph Goebbels, der ab 1933 Reichsminister für Volksaufklärung und
Propaganda' war. Goebbels war Mitglied der NSDAP. In seinem Gedicht zieht
Tucholsky Goebbels 'mächtig durch den Kakao': Er sagt, Goebbels sei
bloß ein 'ganz kleines Licht', welches man wohl 'zu früh aus dem
Nest' genommen habe. Tucholsky sagt, Goebbels habe nur 'eine mächtig
große Fresse', sei nicht 'ganz richtig' und kein Führer, sondern
nur ein 'Porzellanzerschmeißer'.
Auffällig an diesem Gedicht ist die etwas 'derbe' Ausdrucksweise und
der 'Berliner Slang'. Dadurch hebt sich das Gedicht von den sonst
üblichen Schreibweisen in Gedichten besonders ab.
Im gleichen Jahr wie 'Joebbels', also 1931, erschien das Gedicht
'An das Publikum'. Tucholsky hat hier wieder ein sehr sarkastisches
Gedicht geschrieben. Es handelt 'von den dummen Menschen', dem
Publikum, das sich alles vorsetzen läßt, wovon die Unternehmer sagen 'Das
Volk will es so !'. Er geht mit dem Volk hart ins Gericht und stellt es
als unmündige Feiglinge dar, das sich aus Angst vor den Konsequenzen und den
Reichsverbänden 'ganz ruhig' verhält. Tucholsky ist der Meinung, daß
ein Volk, welches sich nicht gegen solche Machenschaften wehrt, selbst Schuld
an seiner Situation ist.
1932 erschien dann 'Hitler und Goethe - Ein Schulaufsatz'.
Tucholsky schrieb diesen Text in der Ausdrucksweise eines Schuljungen. Der
ganze Text ist in 8 Absätze eingeteilt.
Die Einleitung (Absatz I) beschreibt der Junge das Problem, das er in diesem
Aufsatz 'in Angriff' nimmt.
Im Text wird Goethe mit Hitler verglichen. In der Erklärung (Absatz II) wird
gesagt, daß Hitler der größte Deutsche und Goethe nicht tadellos sei. In der
Begründung (Absatz III) wird gesagt, daß Hitler, im Gegensatz zu Goethe, sein
Leben fürs Volk aufs Spiel setzt. Hitler bestehe aus 3 Teilen: einem legalen,
einem wirklichen und einem 'Goebbels'. Im Gegensatz (Absatz IV)
beschreibt Tucholsky die verschiedenen Lebens- und Schaffensweisen Hitlers und
Goethes.
Im Gleichnis (Absatz V) wird auf die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Personen
eingegangen. Es wird z.B. gesagt, daß sie beide in Weimar gewohnt haben und
Schriftsteller waren.
Der Absatz Beispiel (Absatz VI) beschreibt ein Erlebnis, daß der Junge, der
diesen Aufsatz schreibt, mit Hitler hatte. Hitler strich dem Jungen über seinen
Scheitel und dieser war mächtig stolz auf 'seinen Führer'.
Der vorletzte Absatz ist der Beleg (Absatz VII), in der der 'Beweis'
geliefert wird, daß Hitler der größte Deutsche und besser als Goethe gewesen
sei. Hitler sorge für Brot und Freiheit, Goethe habe höchstens lyrische
Gedichte geschrieben und sei für das Volk sozusagen 'nutzlos'.
Im Schluß (Absatz VIII) wird gesagt, daß dieser Vergleich zwischen Goethe und
Hitler sehr zu ungunsten Goethes ausgefallen sei und Deutschland froh sein
könne nur einen so großen Deutschen, nämlich Hitler, zu haben.
Von 1931 stammt der Text 'Der Mensch'. Hier beschreibt Tucholsky das
seltsame Leben der Menschen. Er berichtet davon, daß der Mensch es sich z.B.
nicht aussuchen könne, ob und wann er geboren werde. Er handelt davon, daß der
Mensch nur Krach macht und nie zuhört und davon, daß der Mensch gerne
Komplimente und Schmeicheleien hört, usw.
Auch der Konflikt zwischen den Menschen verschiedener Altersklassen wird im
Text behandelt. Sterben ist für den Menschen etwas schreckliches, weil er nicht
weiß, was danach kommt.
Im letzten Satz sagt Tucholsky, daß es außer Menschen noch Sachsen und
Amerikaner gibt, diese könne er aber nicht beschreiben, da es Zoologie erst in
der nächsten Klasse gäbe.
Der Text ist, wie für Tucholsky üblich, sehr satirisch bis sarkastisch
geschrieben und regt zum Nachdenken und Amüsieren an.
'Was darf Satire ?'. So heißt der 1919 erschienene
'Schnipsel' von Tucholsky.
In diesem Text setzt er sich ausführlich mit dem Begriff 'Satire'
auseinander. Er beschreibt, was Satire ist, und welche Ziele sie verfolgt. Er
kam zu dem Schluß, daß die Satire in Deutschland ein noch viel zu schlechtes
Ansehen hat, daß das deutsche Volk mit Satire nicht umgehen könne und das die
Nachbarländer schon viel 'verwachsener' mit der Satire sind, was z.B.
Propagandaplakate in Frankreich deutlich machen.
Zum Schluß des Textes stellt Tucholsky noch einmal die Frage 'Was darf
Satire ?' und liefert gleich die Antwort: Alles !
Doch 1932 'erweiterte' er seinen 1919 erschienenen Text 'Was
darf Satire ?'. Er schrieb nun, daß auch Satire ihre Grenzen habe und zwar
nach oben hin beim Buddha und nach unten hin bei den faschistischen Mächten in
Deutschland, da man, so Tucholsky wörtlich, 'mit Satire gar nicht so tief
schießen kann'.
Zum Thema Satire gab es 1928 auch eine Entscheidung des Reichsgerichts vom
05.06.1928, die besagt, daß Satire eine starke Übertreibung des Inhaltes
darstellt. Die Satire muß aber als solche zu erkennen sein, d.h. ein Leser oder
Beschauer muß den tatsächlichen Inhalt der Satire erkennen können. Das Gericht
entschied auch, daß eine Satire keine strafbare Handlung darstellt. Um
herauszufinden, ob ein Text eine strafbare Handlung, im besonderen eine
Beleidigung enthält, muß zuerst der satirische Text entfernt werden, damit dann
der 'Rohtext' beurteilt werden kann.
Ziele seines Wirkens
Tucholsky wollte mit seinen satirischen und 'bissigen' Texten die
Menschen zum Nachdenken und zum Überdenken ihrer eigenen Situation anregen.
Tucholsky beschäftigte sich in seinen Texten viel mit dem 1.Weltkrieg und mit
dem Nationalsozialismus. Gerade in dieser Zeit war es für einen Schriftsteller
gefährlich, sich in so satirischer und sarkastischer Weise mit diesen Themen,
besonders dem Nationalsozialismus, auseinanderzusetzen. Er scheute auch nicht
davor zurück, einflußreiche Personen direkt mit seinen Texten
'anzugreifen', wie es z.B. der Text 'Joebbels' von 1931
zeigt, in dem er direkt gegen Joseph Goebbels 'vorgeht'.
Aufgrund dieser für seine Zeit sehr kritischen Text wurde er von den
Nationalsozialisten verbannt und seine Bücher wurden verbrannt.
Die Meinungen über Tucholsky gingen weit auseinander. Manche liebten seine
Werke, andere haßten sie. Bei der Bücherverbrennung am 12.05.1933 wurden Tucholsky's
Werke mit dem Satz 'Gegen Frechheit und Anmaßung, für Achtung und
Ehrfurcht vor dem unsterblichen deutschen Volksgeist !' verbrannt. Am
23.08.1933 entschied der Reichsminister des Inneren die Ausbürgerung
Tucholskys.
Der Vorstand des 'Börsenvereins der deutschen Buchhändler' erließ nun
die Weisung an alle Buchhändler, Tucholskys Werke (und die der 11 anderen
Schriftsteller, deren Werke verbrannt worden waren) sofort aus den Regalen zu
nehmen. Es wurde eine gründliche Säuberung des Buchbestandes der letzten 15
Jahre angeordnet. Das gesamte deutsche und antideutsche Schriftgut sollte auf
das Vorkommen dieser Schriftsteller überprüft werden.
Viele Menschen waren gegen Tucholsky und seine Werke.
Alfred Rosenberg schrieb 1927, daß Tucholsky gleich unter 5 Namen (seinen
Pseudonymen) gegen den Patriotismus kämpfte. Rosenberg sagte, Tucholsky, bzw.
sein Pseudonym Ignaz Wrobel, müsse sofort inhaftiert werden, um 'auf
andere Gedanken zu kommen'.
Auch bei Alexej Tolstoi hatte Tucholsky eine schlechte 'Stellung'.
Tolstoi sagte, Tucholsky könne 'der Heine des 20.Jahrhunderts'
werden.
Josef Nadler war der nächste, der sich gegen Tucholsky wandte: Er meinte, daß
noch nie ein Volk jemals so geschmäht worden sei wie das deutsche durch
Tucholsky.
Golo Mann erklärte, daß es Tucholsky an Takt, Bescheidenheit und an
Schöpferkraft fehle und das es in den 20er Jahren eher zu viele von Tucholskys
'Art' gegeben habe.
Es gab aber auch Menschen, die Tucholsky und seine Werke sehr zu schätzen
wissen, wie z.B. Wilhelm Herzog. Dieser sagte 1936, daß Tucholsky ein
Schriftsteller mit ungewöhnlicher Begabung war. Tucholsky trug zu kritischer
Vernunft mit überlegener Heiterkeit bei und bereicherte das Leben vieler Leser.
Auch Arnold Zweig äußerte sich positiv über Tucholsky: Er bezeichnete ihn als
'einen bezaubernden Schriftsteller'.
Für Ernst Rowohlt war Tucholsky einer der liebsten Autoren, der ein
warmblütiger und in jedem Sinne menschlicher Freund gewesen sei.
Georg Grosz sagte über Tucholsky, daß dieser einer der wenigen war, die den
wirklichen Berliner Witz verstanden und auch wirkliche Berliner Dialoge
schreiben konnte.
1963 wurde überlegt, eine Straße nach Tucholsky zu benennen. Doch der
CDU-Stadtverordnete Menges meinte, daß Tucholskys Werke auch heutzutage (also
1963) noch 'zersetzend in ihren Außerungen' seien und daß es
'eine Taktlosigkeit' wäre, eine Straße nach ihm zu benennen.