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Umberto Eco wurde am 5. Januar 1932 in Alessandria, einer kleinen Stadt im Osten von Turin im Piemont, geboren. Da Ecos Grossvater, so sagt man, ein Findelkind gewesen sei, wurde ihm der Name Eco verliehen, was die Abkürzung von "ex caelis oblatus" ist, was soviel bedeutet wie "der vom Himmel Gespendete".
Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, zog sich Eco mit seiner Mutter Giovanna
Biosio in die Berge des Piemonts zurück. Später studierte er auf Wunsch seines
Vaters Giulio Eco, der Buchhalter war, an der Universität von Turin
Rechtswissenschaften. Doch mangels Interesse hörte er mit diesem Studium auf
und widmete sich der mittelalterlichen Philosophie und Literatur, so dass er im
Jahre 1954 den Doktortitel in Philosophie erhielt.
Zuerst arbeitete er als Redakteur für Kultur beim italienischen Staatsfernsehen RAI, wo er sich langsam in die Welt des Journalismus einlebte; danach als Dozent und Lehrer in Mailand, als Kolumnist für verschiedene grössere italienische Zeitungen, so z.B. für "La Repubblica", als Professor für visuelle Kommunikation in Florenz und schliesslich als Professor für Semiologie an der Universität von Mailand und Bologna.
1956 wurde sein erstes Werk "Il problema estetico di San Tommaso"
veröffentlicht. Sein zweites Buch, "Sviluppo dell'estetico medievale", handelt
von der Lebensweise im Mittelalter. 1980 kam Ecos Werk "Der Name der Rose" (im
Original "Il nome della rosa") heraus, welches ihn nun weltweit bekanntmachte
und ihm zu vermehrtem Ansehen verhalf.
Umberto Eco lebt heute zusammen mit seiner deutschen Frau Renate Ramge, seinem
Sohn und seiner Tochter zeitweise in Mailand und Rimini, wo er eine
Sommerresidenz besitzt. Zurzeit arbeitet er an der Universität von Bologna als
Professor für Kommunikationswissenschaften und schreibt nebenbei wöchentlich
Kolumnen für "L'Espresso". Für seine veröffentlichen Bücher und Schriften
erhielt er bisher 18 Doctor Honoris Causa-Titel von diversen Universitäten der
ganzen Welt verliehen.
Der Roman "Der Name der Rose" spielt in einer mittelalterlichen benediktinischen Abtei irgendwo im nördlichen Piemont in Italien. Die Hauptfiguren sind William von Basterville, ein englischer Franziskaner, und dessen Gehilfe Adson von Melk, welche in die Abtei gesandt worden sind, um einen politischen Konvent zwischen der Delegation des Papstes und derjenigen des Kaisers vorzubereiten und zu leiten. Während ihres Aufenthaltes in der Abtei geschehen mysteriöse Todesfälle unter den Mönchen, so dass der Abt William bittet, sich um die Aufklärung dieser Vorfälle zu kümmern. Nach langer Detektivarbeit stossen sie schliesslich auf ein verschollen geglaubtes, vergiftetes Buch und den Schuldigen
In "Der Name der Rose" werden viele Mönche
der Abtei beschrieben, gesehen mit den Augen Adsons. Anfangs scheinen ihre
arbeiterischen und privaten Beziehungen noch recht undurchsichtig, zumal sie
wegen den mysteriösen Todesfällen nicht freiwillig darüber mit William sprechen
wollen. Aus Angst, sich auf irgendeine Art und Weise zu involvieren, erfährt
William praktisch alles aus fremdem Mund.
So stösst man auf einige interessante Aspekte, auf welche es sich lohnen würde,
etwas genauer einzugehen:
Welche Rolle spielt in diesem Roman die "Apokalypse" bzw. der Antichrist?
Welches ist das wahre Geheimnis der Bibliothek?
Wie verurteilt Jorge das Lachen?
Welches ist nun die Hauptthematik im Roman: die eigentliche Kriminalgeschichte, die historischen Ereignisse oder die Grundlagen der Bibel?
Wie sind die Beziehungen und Machtverhältnisse unter den Mönchen?
Das letzte der oben genannten Themen werde ich im Folgenden nun ausführlich besprechen und tiefgründig analysieren. Ebenfalls miteinbeziehen werde ich Teilaspekte der anderen Themen.
William kommt zusammen mit Adson, seinem Novizen, in die besagte Abtei, um die Gespräche zwischen der päpstlichen und der kaiserlichen Delegation vorzubereiten. Da sich jedoch kurz vor deren Ankunft ein mysteriöser Todesfall ereignet hat, wird William, berühmt durch seinen Scharfsinn und seine Menschlichkeit noch als Inquisitor, spontan vom Abt Pater Abbo beauftragt, sich der Aufklärung dieser Ereignisse zu widmen. Es wird ihm erlaubt, sich frei in der ganzen Abtei zu bewegen, mit Ausnahme der Bibliothek. Da Mönche sowieso nichts zu tun haben als zu tratschen, verbreiten sie, um die Aufmerksamkeit von sich zu lenken, Gerüchte über gewisse Leute.
Zum einen findet William heraus, dass gewisse Gruppierungen existieren, die
sich miteinander aus Gründen ihrer Herkunft verbunden fühlen. Wie man nun
weiss, haben Remigius, der Kellermeister, und Salvatore eine ketzerische
Vergangenheit als Dolcinianer hinter sich. Sie wurden einst von Ubertin in die
Abtei gebracht, wo sie vor den Inquisitoren geschützt waren. Eben aufgrund
dieser gemeinsamen Vergangenheit nutzt Remigius Salvatore, wenn man so will,
aus, indem er ihm befiehlt, er solle für ihn Bauernmädchen in die Abtei
schaffen, damit Remigius seine "Fleischeslust" befriedigen könne. Da sich
Salvatore sowieso immer wegen seiner Beschränktheit, seiner Nicht-Akzeptierung
und seiner Behinderung unterordnen muss, tut er Remigius diesen Gefallen, da er
von ihm immer gerecht und gut behandelt wird und ihm nichts anderes
übrigbliebe. Sowieso bilden sich in der ganzen Abtei zwei Gruppen: zum einen
die der einheimischen Italiener, unter der "Führung" Alinardus, zum anderen
diejenige der Ausländer, mit Jorge als ihrem Altesten. Die Italiener bedauern,
dass das Amt des Bibliothekars ein Ausländer bekleidet, der nichts von
Literatur verstehe. Meistens verkehren nur jene Mönche miteinander, welche sich
auch wegen ihrer Abstammung zugehörig fühlen.
Weiter stellt sich heraus, dass Berengar eine homosexuelle Beziehung zu
Adelmus, Venantius und Malachias gepflegt hat. "Berengar litt, was viele Mönche
inzwischen wussten, an einer verzehrenden Leidenschaft für Adelmus []" (S.
183, Benno zu William). Da Berengar Malachias' Bibliothekarsgehilfe ist und ihm
deswegen Zutritt zur Bibliothek gewährt wird, hat er Venantius unerlaubte
Schriften und Bücher als Gegenleistung verschafft. Über diese Vorfälle wusste
aber schon die ganze Abtei Bescheid, doch kümmerte sich niemand darum. Dies war
ein Pakt, den Venantius solange aufrecht erhalten wollte, bis sein Wissensdurst
gestillt wäre. So konnte eine pure Ausnützung einer zur Bibliothek befugten
Person stattfinden. Wie sich weiter herausstellt, hatte auch Jorge, der Blinde,
seine dreckigen Hände im Spiel gehabt. Da er es gewesen war, der einst das als
verschollen geglaubte Werk Aristoteles' über die Komödie in die Bibliothek
eingeschleust hatte - noch zu seiner Bibliothekarszeit - versuchte er es
vehement vor unbefugten Fingern zu schützen. Er musste sein Amt aber abgeben,
als seine Sehkraft nachliess. Um weiterhin der Hüter über der Bibliothek zu
bleiben, hatte er es geschafft, immer inkompetente Personen an
Führungspositionen zu setzen, so zum Beispiel den Abt Abbo sowie den
Bibliothekar Malachias und dessen Gehilfen Berengar, die gutgläubig und ehrlich
ihre Arbeit erledigen, ohne sie für private Zwecke auszunutzen. So spricht
Jorge einen Satz, der wohl alles über die Führungsfähigkeit des Abtes aussagt:
"Er [der Abt] wisse nur noch nicht, was ich zu schützen versuchte - er hat nie
richtig begriffen, was für Schätze diese Bibliothek enthält und welchen Zwecken
sie dient." (S. 608, Jorge zu William).
Und über Malachias äussert er sich folgendermassen: "Ich wollte nicht, dass Malachias starb. Ich sagte ihm, er solle das Buch wiederholen, um jeden Preis, und es hierher zurückbringen, ohne es aufzuschlagen. Ich sagte ihm, es habe die Kraft von tausend Skorpionen. Doch zum ersten Male in seinem Leben wollte der Dummkopf selbständig handeln! Ich wollte seinen Tod nicht, er war ein getreuer Handlanger" (S. 610, Jorge zu William). Jorge hat nun Angst bekommen, dass das Geheimnis der Bibliothek durch William gelüftet werden könnte und versucht nun, die Mönche gegeneinander aufzuhetzen. Als er erfährt, dass das besagte Buch im Besitz Severins ist, sagt er Malachias, dass Berengar kein Interesse mehr an ihm habe, und, um ihn noch eifersüchtiger zu machen, ein Auge auf Severin geworfen habe. Dieser beschliesst, Severin dafür umzubringen. Nicht des Buches wegen wird Severin getötet, er muss sein Leben wegen einer belanglosen Eifersuchtsintrige eines naiven Mönchs lassen, so gesteuert, dass Jorge wieder zu seinem Buch kommt.
Benno nutzt diese Situation geschickt aus, indem er, wissbegierig, wie er ist, das Buch an sich reisst, so dass er Malachias bzw. Jorge damit erpressen kann. Es geht ihm natürlich nicht darum, die Todesfälle seiner Mitbrüder zu klären (auch habe ich überhaupt den Eindruck, niemand interessiere sich wirklich richtig für den anderen), sondern aus purem Egoismus, das Amt des Bibliothekargehilfen zu erlangen, das ja nun auch unbesetzt ist. So besässe er die Legitimität, sich frei in der Bibliothek zu bewegen und so neues, verbotenes Wissen zu erlangen. Ich glaube, es hätte nicht in Malachias' Kompetenz und Richtvermögen gelegen, über Venantius' Nachfolge zu entscheiden, sondern ich denke vielmehr, dass das mit Jorge ausgehandelt worden ist, der nun natürlich gezwungenermassen akzeptieren muss. Wäre er nicht alt und blind, hätte er bestimmt auf andere (Gewalt-)Methoden zurückgegriffen. Man weiss nun, dass die senile und unscheinbare Person des Jorge eigentlich indirekt die ganze Macht über die Abtei inne hält und er vielfach der Auslöser für Hassgefühle und Streitereien gewesen ist.
In den späten 70'er Jahren etablierte sich
Eco als ein bekannter Semiotiker, aber niemand erwartete eine solch rasante
Karriere als Buchautor.
Die Idee, "Der Name der Rose" zu schreiben, hat einen ganz einfachen Ursprung:
"Mit dem Roman begann ich im März 1978, beflügelt durch den Drang, einen Mönch
zu vergiften" Zuerst wollte er diese Kriminalgeschichte in der heutigen Zeit
erzählen. Doch aufgrund seines Interesses für das Mittelalter, kam er auf den
Gedanken, sie im 14. Jahrhundert spielen zu lassen. Anfänglich sollte das sich
in Entstehung befindende Buch "Mord in der Abtei" heissen. Da Eco jedoch seinen
Text in einer enigmatischen und offen zu interpretierenden Art und Weise
verfassen wollte, würde dieser Titel dem Leser aber zu viel über den eigentlichen
Inhalt verraten, so dass der nächste Arbeitstitel "Adson von Melk" war, bis er
schliesslich dank einer mittelalterlichen Schrift auf "Den Namen der Rose" kam.
"Das Symbol der Rose hat so viele Bedeutungen", so Eco, "dass keine von vorne
herein offensichtlich ist".
Man vermutet, dass mit der Rose das Mädchen
gemeint ist, in welches sich Adson verliebt, dessen Namen er aber nicht kennt
und der nie erwähnt wird. Zudem wollte Eco mit dem zentralen Einbezug der
"Apokalypse" auf die Missstände der katholischen Kirche im 14. Jahrhundert,
hinter welchen er persönlich als Katholik nicht stehen kann, aufmerksam machen.
Das Buch wurde 1980 herausgegeben, welches innert kürzester Zeit hohes Lob und
weltweite Anerkennung erntete und 1981 sogar den italienischen Literaturpreis
"Premio Strega" gewann. Anfangs rechnetet der Verlag mit höchstens 30'000 zu
verkaufenden Exemplaren. Heute sind es über neun Millionen geworden.
Bald nach der Publikation des Buches verfilmte der französische Regisseur
Jean-Jacques Annaud "Den Namen der Rose" mit in der Hauptrolle Sean Connery,
was weitere Aufmerksamkeit auf den italienischen Autor zog. Doch Eco
distanzierte sich von dem Film, indem er einmal gesagt hat: "Es ist
Jean-Jacques Werk, nicht meins."
Eco beschreibt sich selber als eine vielfältige und vielinteressierte Person,
die viele Sachen gleichzeitig miteinander beginnt und sie schliesslich so
untereinander verbindet, dass sie eine einzige Einheit bilden. "Wenn ich nicht
viel zu tun hätte, wäre ich verloren".
Viele von Ecos Bücher sind literarische
Meisterwerke und Bestseller geworden. Sie enthalten zum Teil so viele Verweise
auf andere Bücher und so viele geschichtliche Hintergrundinformationen, dass
sich der Leser in diesem Dschungel fast nicht mehr zurecht findet. Sogar wenn
der Inhalt manchmal beschränkt und unlogisch erscheint, obwohl das ganze
Grundgerüst gut ausgearbeitet wurde, hat man das Bedürfnis, all die versteckten
Anspielungen, Witze, Parodien und Sarkasmen vollständig verstehen zu wollen.
Die Geschichte in "Der Name der Rose" wird von Adson von Melk Jahre nach den
Geschehnissen in der Abtei erzählt. Der Autor verwendet meist eine sehr
flüssige und gut zu verstehende Sprache. Aber man findet auch lateinische
Sätze, welche nicht übersetzt worden sind. Im ersten Teil des Werkes wird sehr
viel sprachlich detailgetreu beschrieben, was den Rhythmus des Textes eher
langsam vorkommen lässt, sich aber zunehmend in Spannung der sich verknotenden
Zusammenhänge und Ereignisse wandelt, die sich mit den zentralen Thematiken der
mittelalterlichen Kultur des 14. Jahrhunderts sowie mit diversen Bibeltexten
vermischen.
Das Buch ist so komplex und vielschichtig aufgebaut und bis ins kleinste Detail durchdacht, so dass am Schluss all die verschiedenen Aspekte der komplizierten Beziehungen unter den Mönchen kombiniert mit den Vorfällen und den vom Protagonisten recherchierten Fakten genau zusammenpassen und keine Fragen offenbleiben, wie wenn es eine authentische Geschichte oder Erzählung wäre. Indem William seinem eher naiven Gehilfen Adson all die logischen Gedankengänge, die er anstellt, und Symbolik der einzelnen Dinge erklären muss, kann Eco gleichzeitig auch den Leser auf gewisse Details und deren Interpretationen aufmerksam machen.
Trotz der immensen Länge des Werkes, schafft es Eco, den Leser bis zur letzten
Seite an sich zu fesseln, ohne dass irgendwann einmal längere Langeweile
entstehen könnte. Es besteht aus einer gelungenen Kombination aus realen
historischen Ereignissen, einer Kriminalgeschichte, sowie Verweise auf
Bibelstellen, so verpackt, dass das eine flüssig, überlegt und passend in das
andere übergeht. Doch ist zu empfehlen, das Buch zu lesen, bevor man den Film
gesehen hat, der ohnehin nie so ausführlich sein kann, ohne schon die Lösung
der Mysterien zu kennen, um eine hundertprozentige Spannung aufkommen zu
lassen.
Umberto Eco "Der Name der Rose" (im Original "Il nome della rosa"), deutsche Übersetzung von Burkhart Kroeber, dtv 10551, 1986, ISBN 3-446-13363-1
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